Realitätscheck: Wie realitätsnah ist „Die Höhle der Löwen“ wirklich?

Realitätscheck: Wie realitätsnah ist „Die Höhle der Löwen“ wirklich?

Die beliebte Investorenshow „Die Höhle der Löwen“ beschert Vox viel versprechende Quoten, regt die Deutschen zu mehr Unternehmertum an und sensibilisiert für Gründerthemen. Nun steht die dritte Staffel der Erfolgssendung an. Doch wie realitätsnah ist das TV-Format wirklich?

1) Ungewissheit durch viele Anteile ausgleichen

Die zentrale Frage jeder Folge Die Höhle der Löwen dreht sich um die Höhe des Anteils, die ein Löwe für sein Investment erhält. Als gute Faustregel für Digitalunternehmen gilt, dass pro Finanzierungsrunde eine Verwässerung von 15-30% vertretbar ist – sprich: pro Finanzierung sollte ein Investor nicht mehr als 30% Anteilswachstum verzeichnen. Und ganz grundsätzlich empfiehlt sich, dass das aktive Management nach Abschluss einer Series-A-Runde noch die Mehrheit der Anteile halten sollte. Als frühe Bewertung junger Digitalunternehmen flüstern Investoren in Berlin mitunter über eine Daumenregel von 1,5 bis 2,5 Millionen Euro. Ausnahmen bestätigen natürlich immer die Regel.

Hintergrund dessen: höhere Anteilsbewegungen schränken den Flexibilitätsgrad nach hinten raus ein und schrecken später investierende Investoren ab. Denn am Ende des Tages verdienen Internetinvestoren primär Geld mit Ausreißern, also Unternehmen, die überproportional stark wachsen und es benötigt zirka acht bis zwölf Jahre um ein solches Ausreißerpotenzial zu realisieren. Dementsprechend benötigt es eine Kapitalstruktur, die das Management solange motiviert. Andernfalls läuft das Management Gefahr, über die Zeit zu stark zu verwässern und Frustration ist vorprogrammiert.

Betrachtet man die in der Höhle der Löwen gehandelten Anteile, fällt auf, dass häufig große Anteilspakete die Besitzer wechseln. Im Vergleich zur ersten Staffel, wo etwa 125.000 Euro für 25 Prozent von Foodist geboten wurden oder der Therapiesack M.A.K.S. 90.000 Euro für 50 Prozent erhalten sollte, hat sich dies noch einmal deutlich gebessert, wohl auch weil die Auswahl der Unternehmen verbessert wurde. Mittlerweile bewegen sich die Löwen-Investments häufig im Bereich der empfohlenen 15 bis 30%, dennoch ist vielfach erkennbar, dass in der Show versucht wird, zu geringes Vertrauen in ein Geschäftsmodell durch das Aufrufen höherer Anteilspakete auszugleichen.

Eine Milchmädchenrechnung, weil es für Investoren immer darum gehen muss, nicht die eigene Downside zu minimieren, sondern die Wahrscheinlichkeit auf eine signifikante Upside zu erhöhen. Heißt im Klartext: Ein Geldgeber sollte versuchen, durch sein Kapital und Mitwirken ein Durchstarten wahrscheinlicher zu machen, anstatt sich für den Ernstfall mit möglichst vielen Anteilen einzudecken. Andernfalls braucht es keine Early-Stage-Investments. Denn gibt ein Unternehmer zu früh zu viele Anteile ab, sinken auf Dauer seine Incentivierung und die Wahrscheinlichkeit, dass noch ein Investor einsteigt und sowohl Unternehmer, Unternehmen und Investor senden negative Signale aus.

2) Um Bewertungen feilschen

Ein anderes beliebtes Spiel der Show (aber wohl auch jeder Investorenverhandlung in der Realität) ist das Feilschen um eine akkurate Bewertung des jeweiligen Unternehmens. Bei Die Höhle der Löwen war hierbei oft zu beobachten, dass es den meisten der beteiligten Investoren oft am Verständnis fehlte, warum ein junges (Digital-)Unternehmen bereits eine hohe Bewertung aufweisen sollte. Wie vermittelt man einem Reiseunternehmer, einer Verpackungsspezialistin oder einer Teleshopping-Expertin, dass ein Unternehmen eine Millionenbewertung aufweist, auch wenn es keine 200 Mitarbeiter hat und nur wenige Monate alt ist? Ganz zu schweigen davon, dass die unter Punkt 1 beschriebenen Punkte unmittelbar bestimmte Bewertungssprünge erforderlich machen.

Hinzu kommt, dass es in der Show oft weniger darum zu gehen schien, wie viel ein Unternehmen wert ist, sondern mit welcher Bewertung sich eine Anteilsverteilung ergäbe, die den Investoren Spaß macht und Sicherheit gibt. Neben den unter Punkt 1 skizzierten Frust- und Signallingfaktoren verbindet sich mit solch einer Haltung allerdings eine gewisse Respektlosigkeit gegenüber den anwesenden Unternehmern. Bei allem Verständnis für einige Land-und-Wiesen-Unternehmen, die es in der Show gegeben haben mag, ist es dennoch unangebracht, eine Bewertung auf ein Drittel, die Hälfte oder noch weniger zu pulverisieren. Insbesondere, wenn medienunerfahrene Unternehmer vor einer Kamera stehen und in eine Bewertungsdiskussion befördert werden, die Ruf und Unternehmenserfolg für eine ganze Weile auf’s Spiel setzen können. An dieser Stelle täte der Sendung wohl ein höheres Maß an Verantwortung gut.

Dass die Findung einer Bewertung deutlich komplizierter ist, als die bloße Abschätzung von Umsatzchancen verdeutlicht etwa unser Business Building Podcast zum Thema Bewertungen, der an Faktoren wie Investorennachfrage, Captableplanung oder Assets anschaulich zusammenfasst, welche Faktoren bei einer Bewertung eine Rolle spielen (können).

3) Falsche Kontrolldenke

Ein Faktor, der in den Verhandlungen bei Die Höhle der Löwen wiederholt auffiel, war das Beharren auf gewisse Anteilsverteilungen, wobei mitunter ganz konkret 25,1% als Ziel der Geldgeber ausgegeben wurde. Hintergrund hierzu dürfte der Gedanke einer Sperrminorität sein, die es ermöglicht, bei Gesellschafterabstimmungen bestimmte Beschlüsse zu verhindern. Denn wird für einen Beschluss etwa eine qualifizierte Mehrheit von 75% verlangt, genügen 25,1% der Stimmanteile zum Blockieren.

Grundsätzlich ist es nachvollziehbar, dass die fünf Geldgeber der Show auf ein gewisses Maß an Kontrolle bedacht sind, kennen sie die teilnehmenden Gründer doch nicht und können ihre Kompetenz und ihren Charakter ad hoc auch nicht über ihr Netzwerk abfragen. Doch entsprechende Einflussnahmen lassen sich auch über Beteiligungsverträge regeln, sodass es nicht notwendig ist, größere Anteilspakete zu verlangen. Kontrolle anhand von Anteilen ausüben zu wollen, erweckt folglich schnell den Anschein, als Investor unerfahren zu sein oder sogar Vorwände für mehr Anteile auf Geldgeberseite zu suchen. Bei den in Die Höhle der Löwen gehandelten Summen kann dies ohnehin nicht der Anspruch sein.

4) Rückflüsse aus dem Cash-Flow

Ein anderes zum Teil praktiziertes Vorgehen in Die Höhle der Löwen ist die Forderung nach Kapitalrückflüssen aus Verkaufseinnahmen an die Investoren. In Situationen, in denen sich die Geldgeber offensichtlich unsicher waren, schlugen sie den Teams mitunter Deals vor, die vorsahen, dass die Gründer einen Teil ihrer Einnahmen an den Investor zurückfließen lassen. Etwa, indem ein Euro von jedem verkauften Produkt an den jeweiligen Geldgeber fließt, bis dieser sein Investment wieder eingespielt hat.

Besonders bei margenschwachen Produkten mit geringem Produktpreis kann diese Praxis jedoch herausfordernd sein, ganz zu schweigen davon, dass sie operativ einen ungemeinen Buchhaltungsaufwand schafft. Und welcher Unternehmer würde freiwillig Teile seines Cash-Flows in die Befriedigung der wirtschaftlichen Interessen eines Gesellschafters stecken, anstatt diese in weiteres Wachstum zu investieren? Dies käme einem hoch unattraktiven Kredit gleich, der über die Rückzahlung hinaus auch das Abtreten von Anteilen verlangt und einen Investor liefert, der als Gesellschafter gewinn- und umsatzberechtigt ist. Der Investor partizipiert also erst am Umsatz, dann am Gewinn, während den Unternehmer jedes Wachstum erst einmal weiteres Geld kostet. Ein Geldgeber, der auf solch einer Konstruktion beharrt, kommuniziert, dass ihm mehr an seiner eigenen Absicherung gelegen ist, als an der Weiterentwicklung des Unternehmens, das er finanziert. Ein Unternehmer der darauf eingeht, manövriert sich in eine ökonomische Sackgasse.

5) Falsche Vorstellungen werden erzeugt

Wohl mit am folgenschwersten für das Unternehmerverständnis in Deutschland ist derweil die Darstellung des Finanzierungsablaufs in der Show insgesamt. Freilich, ein echter Investmentprozess, bei dem Anwälte, Excel-Tabellen und Kennzahlendaten die Hauptrolle spielen, erscheint denkbar wenig TV-tauglich. Dennoch entsteht schnell ein falsches Verständnis davon, wie eine Beteiligung abläuft. Deutschland besticht ohnehin durch eine eher unternehmerfeindliche Kultur und nach Die Höhle der Löwen denken viele Laien es sei normal, dass große Schecks auf Basis schicker Präsentationen den Besitzer wechseln.

Dass vielmehr ein langer Austausch, der Aufbau von Beziehungen und die Abfrage wirklich relevanter Kennzahlen wie Deckungsbeiträge, Fixkosten vs. variable Kosten, Abwanderungsquoten und Wiederkaufsraten oder Marketingplanung im Zentrum stehen, bleibt unklar. Daraus lässt sich auch erklären, warum es immer wieder zu Aufschreien führt, wenn die in der Show zugesagten Investments hinterher nicht stattfinden. Für Kenner der Branche ist klar, dass eine Investmentzusage auf Basis von 20 Minuten allenfalls ein etwas poppig verpacktes Term Sheet sein kann und dass die eigentliche Detailarbeit hinterher folgt. Wer all dies jedoch nicht kennt, stellt hinterher frustriert fest, dass es der Startupwelt ja offensichtlich an Fundament fehlt und die polierten Dealverhandlungen hinterher ja doch zu nichts führen.

Fazit: Aufklärerisches Popcorn-Vergnügen

Es ist wohl keine große Überraschung, dass Die Höhle der Löwen für viele erfahrene Unternehmer eher eine Popcornunterhaltung denn einen ernsthaften Finanzierungskanal darstellt. Auch deshalb nutzen viele die Show wohl primär zu Marketingzwecken. Dies kann sich mit der dritten Staffel sicher noch einmal ändern und die Show leistet dennoch einen Beitrag zur Förderung von Unternehmertum in Deutschland.

Allerdings geht diese Förderung mitunter in eine ungünstige Richtung, wenn wichtige Teile der Ablaufprozesse nicht akkurat erklärt werden. Gleichzeitig präsentierten sich die teilnehmenden Investoren vielfach als unerfahren, gerade wenn es um Bewertungen, Anteilsverteilungen oder Mitspracherechte ging. Einige in der Show verhandelte Deals glichen Knebelverträgen und es bleibt zu konstatieren, dass es allen Beteiligten (gerade auch dem Zuschauer) besser täte, würden manche Unternehmen lieber ohne Investment nach Hause geschickt, anstatt über Wert oder Anteilsgröße zu verhandeln.

digital kompakt, PaypPal Me

Bildmaterial: Pixabay


5 Gedanken zu “Realitätscheck: Wie realitätsnah ist „Die Höhle der Löwen“ wirklich?s”

  • 1
    S. Ohligs am August 19, 2016 Antworten

    Haben Sie jemals schon mal daran gedacht, dass das, was man als Pitch in der fertigen Folge sieht, nur ein kleiner Ausschnitt/eine Zusammenfassung dessen ist, wie lange und umfangreich das Zusammentreffen von Gründern und Löwen in der Höhle wirklich ist?! Warum dann nicht auch der ganze Pitch gezeigt wird? Wenn man alle ca. 90 Pitches einer Staffel in ihrer vollen Länge von ca. 60-120 min zeigen wollen würde, würde Vox das ganze Jahr nichts anderes mehr zeigen können, als dieses Format. Und viele Gründer möchten gar nicht, dass ihre Daten/Zahlen/Fakten so ausführlich in der Öffentlichkeit präsentiert werden. Und das natürlich nach dem Auftritt in der Höhle der Löwen weitere Treffen und Verhandlungen stattfinden dürfte wohl jedem klar sein. Die Zeit in der Höhle bietet den Gründern eine einzigartige Chance direkt 5 mögliche Investoren mit umfangreichen Kontakten/Kentnissen/Erfolgen von ihren Ideen zu überzeugen, einen ersten Eindruck von Team und Produkt zu hinterlassen, ein erstes Beschnuppern von hoffentlich zukünftigen Geschäftspartnern. Das Format bietet einfach den ersten Schritt + Werbung. Ihre ganze Darstellung ist mit Sicherheit richtig und wahr, jedoch dürfte Ihnen bewusst sein, dass das, was man im TV zu sehen bekommt, generell immer nur ein kleines Stück des großen Ganzen ist und das geplante Deals/Investitionen/Zusammenarbeiten nicht nur in einem erfolgreichen TV-Format, sondern ebenso häufig auch im „wahren“ Leben platzen. Wobei „Die Höhle der Löwen“ nichts anderes ist, als das „wahre“ Leben!

    • 2
      Joël Kaczmarek am August 19, 2016 Antworten

      Hallo Sabrina, ja sicher ist mir all dies klar und vieles aus dem Unternehmensbereich ist sicher nicht unterhaltsam genug für eine TV-Sendung. Und die Show hat ja auch einen schönen Unterhaltungswert. Aber darum ging es ja gar nicht, sondern ob es realistisch ist, wenn ein Investor für ein paar Zehntausend Euro die Hälfte eines Unternehmens haben will. Oder ob man sich nicht als unerfahren outet, wenn man bestimmte Prozentverteilungen mit Einflussnahme rechtfertigt. Und das ist glaube ich auch ganz akkurat beantwortet.

  • 3
    Tiedel am August 30, 2016 Antworten

    Ein guter Rat.
    Liebe Investoren,liebe Gründer einer Firma.Geht nicht zu den Löwen.Denn die vermeintlichen Schafe,sind „LÖWEN“ im Schafspelz.Jeder der etwas erreichen möchte,braucht diese Menschen nicht.Ein gesunder Menschenverstand und ein bisschen Raffiness,sowie Ehrgeiz und Bescheidenheit,lassen jeden wachsen.Finger weg von diesen Menschen.

  • 4
    Steffen am November 15, 2017 Antworten

    Das ist doch eher eine Dauerwerbesendung auf dem Niveau von „Bauer sucht Frau“. Typisch Privatfernsehen.

    • 5
      Julian Hohlfeld am November 18, 2017 Antworten

      Immerhin gibt es bei DHDL nicht ganz so viele unterirdische Alliterationen.
      Was stört dich denn konkret an dem Format? Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es nun mal TV ist (heisst: Spannungsbogen first) und nicht jeder Zuschauer mit VC-, Gründungs- und Bewertungsthemen vertraut ist. Ich bezweifle auch, dass eine öffentlich-rechtliche Redaktion das Thema viel besser hätte umsetzen können. Sachlicher möglicherweise, dafür weniger spannend. Dauerwerbesendung oder nicht sei mal dahingestellt (die Investoren werden da schon ihre Interessen wahren, keine Frage), aber mir ist eine solche Sendung dann doch tausendmal lieber als Dschungelcamp, Big Brother, Schwiegertochter gesucht, Bauer sucht Frau und wie sie nicht alle heißen. DHDL hat ja gar nicht in erster Linie den Anspruch, einen realistischen Pitch nachzustellen, sondern stellt Unternehmertum und Ideen in den Vordergrund. Ehrlicherweise muss ich aber sagen, dass ich die aktuelle Staffel auch vergleichsweise schwach fand.
      Viele Grüße
      Julian

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