Warum Standalone-Inkubatoren wie Rocket Internet so schwierig geworden sind

Warum Standalone-Inkubatoren wie Rocket Internet so schwierig geworden sind

Es ist nicht lange her, da bildeten Inkubatoren im Stile von Rocket Internet oder Team Europe eines der wesentlichen Geschäftsmodellvorgehen der deutschen Digitalindustrie. Doch warum sind Standalone-Inkubatoren außer Mode gekommen und was macht sie so herausfordernd?

Was macht Inkubatoren so kompliziert?

Ideen wurden gesucht und mit rekrutierten Teams und angebundenen Geldgebern zusammengebracht, um so den Aufbau von Unternehmen zu industrialisieren. Beginnend mit Rocket Internet (Webseite) erlebte Deutschland bis in die 2010er Jahre richtiggehend eine Welle an Inkubatorengründungen und trat eine breite Debatte über Innovationsentwicklung, Copycats und deutsche Stärken los.

Passend zum Thema: Unser Podcast zu Acceleratoren, Inkubatoren & Company Builder:

Doch nachdem selbst Vorbild Rocket Internet zusehends verstärkt auf Investitionen setzt, stellt sich die Frage, was das Inkubatorenmodell eigentlich so schwierig macht. digital kompakt gibt einen Überblick der wesentlichen Herausforderungen beim Seriengründen.

Adverse Selektion der Teams

Schon früh hatten Inkubatoren mit dem Vorwurf zu kämpfen, ihre Gründerteams mit zu wenigen Anteilen zu versehen. Schnell etablierte sich der Mythos der „angestellten Geschäftsführer“, die nur über fünf Prozent an ihrem eigenen Unternehmen verfügen würden. Wenngleich die Intensität dieser Ungleichverteilung variieren mag, darf durchaus festgehalten werden, dass Inkubatoren per se Gefahr laufen, Opfer von adverser Selektion zu werden – sprich: gute Gründer machen von dem Konstrukt aufgrund der schlechten Incentivierung keinen Gebrauch. Im Umkehrschluss laufen Gründer, die mit einem Inkubator arbeiten, Gefahr, als unerfahren wahrgenommen zu werden.

Aus diesem Umstand ergibt sich eine Reihe von Folgeimplikationen:

  • Signalling: Viele Investoren schreckt diese unausgeglichene Verteilung unmittelbar ab, da sie damit rechnen, dass das Management der Gründung nicht ausreichend incentiviert ist und über die Dauer ein zunehmendes Ungerechtigkeitsempfinden entwickeln wird
  • Abnehmender Grenznutzen: Die Leistungen eines Inkubators zeitigen am Beginn einer Gründung den größten Effekt, im Verlauf der Zeit nimmt der Grenznutzen jedoch entsprechend ab und provoziert damit nicht selten Diskussionen über die Rechtfertigung der Anteilsverteilung
  • Konfliktpotenzial: Mit zunehmender Dauer steigt das Anteils-Bewusstsein des Gründerteams, während gleichzeitig der Nutzen des Inkubators abnimmt, sodass die Wahrscheinlichkeit von Konflikten sukzessive zunimmt und auf die Leistung des Unternehmens drückt

Die Substitution der Teams scheitert oft

Ein Grundgedanke von Standalone-Inkubatoren besteht darin, die Relevanz des eingesetzten Managementteams zu reduzieren. Indem zentral wichtige Prozesse und Inhalte durch den Inkubator selbst umgesetzt werden – man denke etwa an HR-Prozesse, IT-Systeme u.ä. – soll die Erfolgsabhängigkeit vom Management durch fixe Strukturen substituiert werden. Offensichtlich schlägt diese Substitution des Teams durch Prozessinhalte allerdings oft fehl, zumal der Nutzen eines Inkubators über die Zeit auch sukzessive abnimmt, während die Problemstellungen der einzelnen Unternehmen spezifischer und die Anforderungen komplexer werden.

Hoher Kapitalbedarf

Eine ganz offensichtliche Herausforderung für Inkubatoren ist der Zugang zu ausreichend Kapital. Die Etablierung eines erfolgreichen Geschäftsmodells erfordert einen entsprechenden Kapitalstock – insbesondere wenn unmittelbar ein internationaler Rollout ansteht oder ein teurer Wettstreit finanziert werden will. Rocket Internet hat sehr anschaulich vorgemacht, welche Kapitalmengen erforderlich sind, wenn das Inkubatorenmodell mit entsprechender Ernsthaftigkeit betrieben werden soll.

Will ein Inkubator also weder zu stark verwässern noch Gefahr laufen, dass seinen Ventures auf Dauer das Geld ausgeht, muss er also über ausreichend Kapitalzugang verfügen. Während Rocket Internet dies etwa durch dauerhafte Partnerschaften mit Finanziers wie Investment AB Kinnevik löste, griff Project A mit Otto ebenfalls auf einen Finanzpartner zurück, dem sich später weitere Geldgeber wie Springer oder ProSiebenSat.1 hinzugesellten. Ein Team Europe ging derweil den Weg, mit Point Nine Capital einen Fonds zu strukturieren, der anfangs als Venture Fund des Inkubators firmierte.

Outlier und die Ressourcenverteilung

Wie im VC-Geschäft gilt auch für Inkubatoren, dass ihre Ressourcen häufig den größten Output liefern, wenn sie auf die besten Performer des Portfolios angewandt werden. Für einen Inkubator kann ein großes Portfolio also schnell zur Last werden, wenn weniger viel versprechende Unternehmen die Ressourcen potenzieller Outlier binden. Ab einem bestimmten Punkt wird die Unterstützung einzelner Ventures dementsprechend weniger attraktiv. Doch da die Substitution des Gründerteams durch Inkubatorleistungen quasi intrinsisch im Inkubatorenmodell angelegt ist, kann ein solcher Vorgang schnell in der Abwicklung einer Gründung münden, was dann wiederum negative PR- und Signallingeffekte nach sich zieht.

Die Sichtbarkeit von Erfolgen

Inkubatoren sehen sich der banalen Herausforderung gegenüber, dass Misserfolge ihrer Gründungen (Insolvenzen, geplatzte Finanzierungen usw.) schnell sichtbar werden, während Erfolge einen merklich längeren Zeithorizont aufweisen. Denkt man an Erfolgsbeispiele wie Zalando oder Delivery Hero, lagen dort sechs bzw. sieben Jahren zwischen Gründung und Börsengang – sowie eine Reihe von Finanzierungen und unterschiedlichen Herausforderungen, die gelöst sein wollten.

Die Spezifität des Wissens wächst

Hinzu kommt, dass der Reifegrad in zahlreichen unternehmerischen Disziplinen in den letzten Jahren stark zugenommen hat. Unter dem Strich ist die in Disziplinen wie Marketing, IT oder Business Intelligence vorzufindende Spezifität des Wissens also signifikant gestiegen, was zentrale Inkubatorenansätze wiederum erschwert und den Nutzen des Konstrukts deutlich verringert, wenn eine dezidierte Kernausrichtung nicht erfolgt ist.

Wann macht ein Inkubator dann noch Sinn?

Unter dem Strich stellt sich also die Frage, für welchen Anwendungsfall das Inkubatorenmodell noch trägt. Angedockt an einen Corporate lassen sich ganz unterschiedliche Strukturvorteile wie die Generierung von digitalem Neugeschäft, die Weiterbildung der Kernorganisation oder die weitere Monetarisierung des bestehenden Kundenstamms anstoßen. Doch als Standalone-Umsetzung zeigt sich, dass der Inkubatorenansatz wohl nur dann noch funktioniert, wenn das Captable-Problem der ungleichen Verteilung angegangen und nach Möglichkeit eine gewissen Spezifizierung der Ausrichtung bei den Geschäftsmodellen angestrebt wird.

Eine Ausrichtung auf dezidierte Teilbereiche – man denke etwa an Anbieter wie M Cube (Vergleiche) oder Finleap (FinTech) – kann hier einen ganz anderen Aufschlag haben, insofern der Nutzen des Inkubators spezifischer und langanhaltender ist. Dies in Verbindung mit einem entsprechenden Zugang zu ausreichend Kapital erlaubt es, einige der beschriebenen Probleme abzumildern und gleichzeitig die Sinnhaftigkeit des Inkubators selbst zu rechtfertigen.

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Bildmaterial: digital kompakt, Pixabay (Montage)


1 Gedanke zu “Warum Standalone-Inkubatoren wie Rocket Internet so schwierig geworden sind”

  • 1
    Alexander W. am August 15, 2017 Antworten

    Guter Artikel! Nur leider von den Formulierungen her wie eine Doktorarbeit geschrieben, inkl. dem typischen Akademiker-Vokabular: „Folgeimplikationen“, „sukzessive“, „dezidiert“, „entsprechend“, „Anwendungsfall“, „spezifisch“, „merklich“, etc.

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