Oliver Samwer legt den Rückwärtsgang ein

Rocket Internet befindet sich im vielleicht größten Umbruch seit seiner internationalen Expansionsoffensive und wandelt dabei massiv sein Gesicht. Doch wie lösen Samwer & Co. den durch die Neupositionierung entstehenden Interessenskonflikt?
Rockets Maßnahmen gegen den Preissturz
Mit dem jüngsten Jahresreport von Kinnevik ist nun offiziell, was sich zuletzt schon abzeichnete: Rocket Internet befindet sich in einer „transition from incubator to multi-stage internet investor“. Von der Grundsache her, bedeutet dies nicht weniger als das Eingeständnis, das Rockets Kerngeschäft nicht ausreicht, um an der Börse zu bestehen. Womöglich müssen große Teile der massiven Expansionsstrategie sogar als gescheitert gelten.
Offensichtlich funktionierte es für einige Rocket-Ventures nicht, Modelle mit einem Marktführrschaftsanspruch schnell zu skalieren, ohne sie vollständig zu verstehen und deren Entwicklung stark genug im Griff zu haben. Insbesondere bei gleichzeitig starken Kulturunterschieden und Strukturdefiziten in den Zielmärkten. Zumindest dürften es Rockets Anleger so oder so ähnlich sehen, und strafen die Aktie quasi seit Beginn entsprechend ab. Die zunehmende Fokussierung auf Investorentätigkeiten bildet folglich einen weiteren Baustein in Rockets Bestreben, den unterschiedlichen Problemstellungen an der Börse zu begegnen und dem Kursfall entgegen zu wirken.
Zurück zu alten (konfligierenden) Strukturen

Per se wäre ein Scheitern nicht verwerflich, immerhin ist es wesentlicher Teil von Unternehmertum. LinkedIn-Gründer Reid Hofmann sagte einmal, Unternehmer sein bedeutet, von einer Klippe zu springen und erst im Fallen den Fallschirm zusammen zu bauen. Und wenn Rocket im freien Fall feststellt, dass ein Fonds mehr Aufwind verspricht als ein reiner Inkubator, kann dies nicht verkehrt sein. Schwierig werden die Investmentaktivitäten allerdings, weil sie einen massiven Interessenskonflikt bedeuten.
Ein Oliver Samwer als Bindeglied zwischen Inkubator und Fonds müsste entscheiden, welchen Präferenzen er folgt, ob er eher die Limited Partner seines Fonds oder Rockets Bestandsinvestoren gegen sich aufbringt. Dabei dürfte ihm dieser Interessenskonflikt wohl bekannt sein, immerhin war Rocket 2008 als kleines Tochterunternehmen des European Founders Fund gestartet und avancierte erst mit der Wirtschaftskrise 2008 zum Hauptbetätigungsfeld der Samwers.
Höhere Bewertungen zur Beruhigung?
Als Investoren war den Samwers damals ein nahezu halsbrecherisches Vorgehen im Stile von Spray and Pray zu eigen, das trotz des Fehlens einer konsistenten Investitionsstrategie eine positive Exit-Bilanz zeitigte. Schon damals deutete sich aber ein Interessenkonflikt zwischen Fonds (EFF) und Inkubator (Rocket) an, immerhin mussten Gründer fürchten, Rocket könnte ihre Geschäftsmodelle nachbauen.
Nun also im Rückwärtsgang zurück zum alten Modell: Investieren. Dass ein solches Vorgehen durchaus praktikabel ist, zeigt Project A (Webseite), das ebenfalls als Inkubator gestartet war und mittlerweile zu einer Art Hybrid geworden ist, der operative Strukturhilfe und Investitionen verbindet. Die Samwers weisen dafür eine ideale Infrastruktur auf – mit vielen „People on the ground“ und technischen Plattformen für Marketing, IT & Co. Allerdings darf hinterfragt werden, wie viele Gründer das Geld der Samwers wirklich bedenkenlos annehmen. Vermutlich muss das Brüdergespann entsprechend höhere Bewertungen zahlen, um an attraktive Deals zu kommen. Immerhin: Angesichts von Rockets zahlreichen Gegenmaßnahmen und einem denkbar tief gefallenen Kurs, dürften sich dafür nun kaum noch neue Haare in der Suppe finden lassen.
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