Kingmaker: Wie Softbank das VC-Game auf den Kopf stellt

Softbank schreibt mit dem Vision Fund die Geschichte des Risikokapitals neu und stellt in dem Bestreben, “Kategoriegewinner” zu finanzieren, alle bisher bekannten VC-Größenordnungen in den Schatten. digital kompakt betrachtet in einer mehrteiligen Serie das Vorgehen der Japaner.
Groß, größer, Vision Fund

Mit insgesamt anvisierten 100 Milliarden US-Dollar liegt der Vision Fund weit über den Größenordnungen herkömmlicher Funds. Und groß bedeutet somit nicht einfach größer sondern auch anders – ein Ausreißer mit dem mindestens Hundertfachen vieler VC-Funds, was einige direkte und indirekte Folgen mit sich bringt. Zum Vergleich: Der nächstgrößte Fonds der Investmentgeschichte ist der Blackstone V Fund mit 21,7 Milliarden US-Dollar gewesen. Blackstone ist allerdings im Private Equity-Geschäft. Bei den Tech-VCs lag bisher der Sequoia Global Growth Fund II mit 2 Milliarden US-Dollar als einzelner Fonds am höchsten.
Um zu verstehen, wie die schiere Größe des Softbank Funds die Welt der Risikokapitalgeber auf den Kopf stellt, hilft Blick auf die Finanzierung eines eher absurd anmutenden Startups: Wag ist eine Plattform für On-demand-Hundausführer.
In der letzten Finanzierungsrunde sammelte Wag 300 Millionen Dollar von Softbank ein. Softbank wollte sich nicht an einer Runde beteiligen, die weniger als 300 Millionen umfassen würde. Ergebnis: NEA und Kleiner Perkins, die im Gespräch mit dem Startup waren, zogen sich zurück. Um ein Gefühl für die Relationen zu bekommen: Wag hat vorher insgesamt 68 Millionen US-Dollar eingesammelt.
Der Einstieg von Softbank hat also vier direkte Folgen:
- Leader Creation: Wag ist jetzt der unumstritten heißeste Anwärter, Marktführer im Bereich Plattform für Tierpflege-Services zu werden. Denn niemand wird eine vergleichbar hohe Summe in einen Konkurrenten investieren.
- Sicherheit kaufen: Der Markt mag groß aber nicht riesig sein und ein Risiko bleibt bestehen. Aber Softbank hat mit der investierten Summe ein Stück weit Sicherheit gekauft, dass man den Markt besetzen wird.
- VC-Verdrängung: Softbank hat mit der investierten Summe, die von den Gründern weder erhofft noch erfragt war, die anderen Risikokapitalgeber verdrängt. Was beim Vision Fund 0,3 Prozent sind, ist für andere der gesamte Fonds. (Man befrage einmal deutsche VCs zu diesen Summen…)
- IPO-Alternative: Neben Softbank hätte ein Startup wie Wag nur über einen IPO eine vergleichbar hohe Summe einsammeln können (in dieser Größenordnung eine wohl eher fragliche Möglichkeit). Softbwank wird also eine ernsthafte Alternative gegenüber einem Börsengang.
Ein anderes Beispiel ist das Investment in Plenty, welches an Indoor-Farmen arbeitet. Letzten Juli erhielt das Unternehmen in seiner Series B 200 Millionen Dollar von Softbank und hatte vorher in der Series A 26 Millionen eingesammelt. – der Unterschied ist überdeutlich. TechCrunch fasst die Situation treffend zusammen:
That was a good start, but not enough for a big, multi-city build-out of climate-controlled urban farms promising a steady supply of fresh, homegrown lettuce to even the chilliest locales. Now, with $200 million at its disposal, three-year-old Plenty gets to pursue an expansion strategy that resembles that of a much more mature company.
Die hohen Kapitalsummen machen Softbank nicht automatisch zum Finanzierer von Gewinnern. Mehr Geld als die Konkurrenten zu haben, reicht allein nicht immer aus, man frage nur Rocket Internet. Aber wenn der Modus Operandi vorsieht, ohne Mühe das Zehnfache im Vergleich zu anderen Investoren zu investieren, dann hat dieser Größenunterschied allein bereits Auswirkungen.
Der Systemwechsel

Eine Folge des Vision Funds: Bekannte VC-Firmen wie Sequoia beginnen notgedrungen, größere Fonds aufzusetzen. Sequoia sammelt als direkte Antwort auf Softbank und den Vision Fund gerade insgesamt 12 Milliarden Dollar ein, General Catalyst Partners schließt gerade einen Fonds in Höhe von 1,375 Milliarden Dollar ab. Im Kontext: General Catalyst hat in seiner Firmengeschichte bis dato in acht Fonds insgesamt 3,75 Milliarden verwaltet.
Man kann natürlich Softbank nicht komplett zur Ursache dieser Steigerungen erklären, sie sind eine Folge der gleichen Entwicklung wie der Vision Fund selbst: Der Systemwechsel in der Wirtschaft hin zu softwarezentrischen Geschäftsmodellen ist mittlerweile so weit fortgeschritten, dass er jede Branche betrifft. Dieser Systemwechsel hat neue Unternehmen mit viel Potenzial entstehen lassen, die einige Jahre nach ihrer Gründung weiter kapitalintensiv global expandieren wollen. Uber ist das offensichtlichste Beispiel dafür.
Ein weiterer Grund ist der Trend, dass Startups länger privat bleiben. Die Verschiebung des Börsengangs sorgt naheliegend für einen größeren Bedarf an Later-Stage-Runden. Für VCs heißt das auch: Man braucht größere Summen für die späteren Megarunden, um der eigenen Verwässerung zu entgehen. Axios etwa berichtet, das Sequoias Anteile an AirBnB von ursprünglich 20% über die Zeit auf 13% gesunken sind. Und schließlich steigen die notwendigen Summen für Wachstumsfinanzierung mit dem Alter der Unternehmen. Dropbox, das mittlerweile an der Börse ist, Uber und AirBnB sind hier offensichtliche Unternehmensbeispiele. Besonders Uber hat bei der Risikokapitalfinanzierung neue Rekorde aufgestellt.
Ein weiterer Grund für US-Unternehmen: Der im April 2012 verabschiedete JOBS Act (Jumpstart Our Business Startups Act) hat die Zahl der möglichen Shareholder, bevor ein Unternehmen öffentlich an der Börse gehandelt werden muss, von 500 auf 2.000 angehoben. Zusätzlich werden Mitarbeiter, die Restricted Stock Units erhalten, nicht als Shareholder gezählt. Trotzdem: Softbank selbst hat die Regeln des Spiels noch einmal signifikant verändert.
Softbanks Skaleneffekte auf Kapitalseite
Softbank hat sich mit der schieren Größe des Vision Funds gleichzeitig Skaleneffekte auf Kapitalseite erschlossen:
- Die Größe der Investments erhöht die Wahrscheinlichkeit, Kategoriegewinner zu erschaffen (statt zu wählen), quasi die Rocket-Internet-Methode: Der Traum der Samwers war es, dank möglichst hoher Summen weltweit (außerhalb USA und China) lokale Gewinner aufzubauen. Rocket machte nur zwei grundlegende Fehler: Zum einen setzten sie auf den Inkubatoransatz (von dem sie sich gerade verabschieden) und zum anderen unterschätzten sie die notwendigen Ressourcen. Rocket war einzigartig erfolgreich in der Kapitalgewinnung, aber gemessen am Vision Fund ist Rocket selbst zu Höchstzeiten ein Zwerg gewesen. Jetzt fährt der Vision Fund die Brute-Force-Methode des Finanzierens und hofft auf selbsterfüllende Prophezeiungen.
- Durch die Größe der Investments und damit die Zahl der Anteile, die der Vision Fund erhält, bekommt Softbank automatisch Boardsitze bei vielen der finanzierten Unternehmen. So zum Beispiel mindestens einen bei jedem großen Ridesharinganbieter weltweit. Dadurch erhält Softbank nicht nur tiefere Einblicke in das Tagesgeschäft und die Strategien der Startups, sondern kann diese auch mitlenken. Sowohl im E-Commerce als auch im Transportsektor hat Softbank längst auf diese Weise begonnen, die Sektoren global zu beeinflussen. Boardsitze sind ein wesentlicher Grund, warum Softbank bereit ist, mit oft höheren Summen als „notwendig“ einzusteigen.
- Es gibt seit einigen Jahren viele “Unicorns” im Tech-Bereich. Das Entscheidende für einen Fonds in der Größe des Vision Funds: die Bewertung von Unicorns in der Summe entspricht einer Verteilungskurve, wie man sie sich von einem klassischen Risikokapital-Portfolio erwarten würde. Ein Portfolio mit krasser Bandbreite aus neuen Branchenriesen entsteht, deren höhere Erfolgswahrscheinlichkeit die unvermeidlichen Fehlgriffe aufwiegen. Softbank sammelt also Unicorns im Aggregat und braucht ‚lediglich‘ viel Kapital, um Risikokapitalgeber auf diesem Level spielen zu können.
Fazit: Strategiegewinne durch Brute Force

Zum heutigen Big Tech von Facebook über Amazon bis Google werden sich in den nächsten zehn, 20, 30 Jahren sehr viele weitere Konzerne gesellen, deren Geschäftsmodelle im Kern erst durch Software möglich werden. Die Kandidatenliste ist sehr lang und Softbank will an möglichst vielen dieser Kandidaten beteiligt sein, bevorzugt mit Aufsichtsratssitz. Und gelingt es den Japanern, auch nur ein Drittel seiner anvisierten Ausbaustufe von 880 Milliarden zu zünden, steigt die Amplitude der skizzierten Strategieeffekte noch einmal merklich an.
Die wichtigen Aspekte zusammengefasst:
- Softbanks Vision Fund wird zur Alternative zum Börsengang für Startups, die jenen immer länger nach hinten schieben.
- Durch den kompletten Systemwechsel in der Wirtschaft hin zu Unternehmen mit Software im Zentrum sind die Wachstumspotenziale auch im Late-Stage-Bereich enorm.
- Kingmaker: Softbank hofft, allein Kraft der gigantischen Summen, die oft ein Zehnfaches der üblich investierten Beträge aufweisen, auf selbsterfüllende Prophezeihungen. Der Brute-Force-Ansatz, wie man ihn von Rocket Internet kennt, aber um den Faktor 10+ größer. Es muss sich noch zeigen, wie gut das für Softbank funktionieren wird.
- Durch die hohen Summen sichert Softbank sich Boardsitze und erhält dadurch international Einblicke in sich entwickelnde Märkte, die zum Teil neuen Dynamiken folgen, und kann Märkte mitgestalten und global koordinieren.
- Durch die hohen Summen, die Softbank investieren kann, laufen bereits beteiligte Risikokapitalgeber noch größere Gefahr, ihre Anteile verwässert zu sehen. Das zwingt VCs, größere Summen aufzusetzen, um gegebenenfalls mitzuziehen.
Es ist natürlich klar, dass – abgesehen von potenziellen vereinzelten Megadeals – die einzige Exit-Option für einen Riesen wie den Vision Fund nur die Börsengänge der Portfoliounternehmen ist. Der Vision Fund wird für die großen, nicht mehr ganz jungen Startups weltweit also die letzte Station vor dem Gang an die Börse.
Man könnte nun meinen, dass all das vielleicht masslos überzogen und große Kapitalverschwendung sei. Wir empfehlen dagegen, über eine Gegenthese nachzudenken: Sowohl der Systemwechsel als auch die Skaleneffekte auf der Finanzierungsseite sind kaum zu überschätzen. Gleichzeitig ist der Vision Fund das erste und einzige Investmentvehikel, das konsequent auf beides setzt. Es ist also kein übertriebenes Projekt, sondern stößt im Gegenteil vielmehr als erstes in ein Vakuum und hat dieses Vakuum für alle sichtbar gemacht.
Die Tatsache, dass der erste Vision Fund sofort mit dem fünfzigfachen Volumen des bisher größten VC-Fonds auf der Bühne erschien und selbst klassisches Private Equity in den Schatten stellt, deutet auf unsere These.
Die Strategie von SoftBank wird sicherlich einige Sachen am Markt verändern, wie im Artikel sehr informativ beschrieben.
Die Frage, die ich mir jedoch stelle, ist, ob bei solchen Bewertungen überhaupt das Multiple beim IPO kumuliert groß genug sein kann, um ein paar „Loser“ im Portfolio zu verkraften und trotzdem noch einen interessanten Return zu erwirtschaften.
Kleine Rechnung: Selbst wenn der Vision Fund sich vor Jahren mit dem gesamten Fund an den vier GAFA Unternehmen mit jeweils 10% beteiligt hätte, wäre das aktuell „nur“ ca. ein 2,2x Return auf den Fund.
Das kann also nur mit einem sehr langen Investment Horizont in Kombination mit einem Weltklasse Gespür oder einer sehr breiten Streuung des Kapitals auf viele Unternehmen funktionieren (und letzteres kann ich nicht erkenne, wenn selbst in so etwas wie Wag 0,3% des gesamten Funds investiert werden, denn so ein Unternehmen kann niemals auf GAFA Niveau mitspielen).
Auch für Tech Startups ist das Wachstum durch die Größe des jeweiligen Marktes begrenzt. Egal wie gut die Software oder das Marketing von Wag ist: Es gibt nur eine begrenzte Anzahl an „Busy Dog Owners“ auf der Welt, die so einen Service brauchen. Da finde ich eine Bewertung von $650 Mio schon sehr sportlich.
Weiterer Aspekt: Wer kümmert sich um Early Stage Investments, wenn diese unattraktiver werden, weil man mit dem „Softbank Verwässerungseffekt“ rechnen muss?