Was macht Stitch Fix so besonders?

Was macht Stitch Fix so besonders?

Stitch Fix zählt in den USA zu den E-Commerce-Überfliegern des letzten Jahres und hat sich mit einem sehr gewissenhaft durchgeplanten Aufbau seines Geschäfts zu sehr beachtlichen Zahlen entwickelt. Doch was genau macht den Curated-Shopping-Anbieter aus und wie ist er im Vergleich zu seinen deutschen Pendants positioniert?

Was genau ist Stitch Fix?

Stitch Fix (Webseite) ist ein persönlicher Styling-Service, der seinen Kunden basierend auf deren Geschmacksangaben und mit Blick auf aktuelle Trends Boxen mit jeweils fünf Kleidungs- und Accessoirestücken zusendet – wahlweise als Abonnement oder Einzelbestellung. Der Kunde kann einzelne Inhalte oder die ganze Box behalten (letzteres bringt ihm 25% Rabatt) oder alle Inhalte wieder zurücksenden, was dann jedoch eine Stylinggebühr über 20 Dollar auslöst.

Diesen als Curated Shopping bezeichneten Ansatz setzt Stitch Fix auf Basis umfangreicher Softwarealgorithmen (z.B. zur Auswertung der Rücksendegründe oder zur Analyse der Onlinepräferenzen seiner Kunden) sowie mit Hilfe Tausender, mitunter in Teilzeit angestellten Styleexperten um. Im Gegensatz zu deutschen Pendants wie Modomoto oder Outfittery visiert Stitchfix dabei vor allem Frauen an.

Weitere gute Analysen und Informationen zu Stitch Fix finden sich hier:

Die derzeitigen Economics von Stitch Fix

Stitch Fix weiß auch nach seinem Börsengang mit eindrucksvollen Zahlen zu Punkten:

  • gegründet 2011, derzeit ca. 5.800 Mitarbeiter und 5 Warehouses
  • Börsengang im November 2017 mit einem Ausgabepreis von 15$ pro Aktie – leicht hinter den Erwartungen von 18-20$
  • seitdem relevantes Wachstum an der Börse auf über 20$
  • Auch die Marktkapitalisierung stieg damit von 1,4 Mrd. auf über 2 Mrd.
  • Im Jahr 2017 lag der Umsatz bei 977 Mio. $, bei einem EBITDA von 61 Mio. $
  • Je nach Kohorte macht Stitch Fix einen Umsatz pro Kunden von 335-367$ in den ersten 26 Wochen, 435-506$ in den ersten 52 Wochen,  639-718$ in den ersten 104 Wochen,
  • Das Unternehmen hat 2,2 Mio. aktive Kunden (aktiv = in den letzten 12 Monaten bestellt)
  • Bis zu seinem Börsengang brauchte Stitch Fix nur 42 Mio. $ an VC-Kapital, an der Börse nahm es noch einmal 120 Mio. $ ein
  • Die Marketingquote des Unternehmens lag 2017 bei 7%
  • Seine Bruttomarge gibt Stitch Fix mit 44% an
  • Goodwater schätzte die Kundenakquisekosten (CAC) auf 35-40$ pro Kunde, der Preisdurchschnitt pro Artikel läge bei 55$

Stärken & Besonderheiten von Stitch Fix

Starke Unit Economics:: Stitch Fix versteht es offenbar, seine Kunden sehr stark zu binden und zu einer hohen Kauffrequenz zu animieren, in deren Verlauf es mehr über die Bedürfnisse seiner Kunden lernt und so auch seine Marktintelligenz sukzessive verbessert. Die Abwanderungsquoten sind niedrig, Warenkörbe und Wiederbestellraten hoch und dies alles bei bisher guter Profitabilität (+21 Mio. $ 2015, +33 Mio. $ 2016, leichter Verlust 2017) und offenbar gut gemanagten Kosten.

Kuratierung für Frauen: Vor allem hat sich Stitch Fix für seinen großen, homogenen Markt gleich an die schwierigste Zielgruppe für Curation-Dienste gewagt – Frauen. Bisher wurde das Modell der Kleiderboxen immer als ideal geeignet für den einkaufsfaulen Mann betrachtet und vor der Produktvielfalt im weiblichen Segment zurückgeschreckt. Stitch Fix gelang dieser Spagat aber offenbar so gut, dass die Produktpalette mit Elementen wie Übergrößen, Untergrößen, Schwangerschaft oder Schuhen mittlerweile sehr breit ist.

Datengetriebenheit: Als Börsenstory hat Stitch Fix für sich die „AI-driven curation“ entdeckt und betont, dass es die Zusammenstellung der Styles stark datengetrieben und algorithmusgestützt umsetze. Rund 80 Data Scientists und ca. 150 Datenpunkte der Analyse werden dafür als Beleg angeführt und das Unternehmen setzt bei Faktoren wie der Ermittlung der idealen Passform, der Analyse von Kundenbedürfnissen (z.B. via Scannen der Pinterest-Boards) oder dem Auswerten von Rücksendegründen auf Künstliche Intelligenz. Etwa 3.500 Stylisten offenbaren, dass die notwendige Handarbeit dennoch recht intensiv ausfällt.

Eigenmarken: Gefüttert aus dieser KI-gestützten Datengetriebenheit entwickelt Stitch Fix Eigenmarken (bezeichnet als „Hybrid Designs“), welche die Marge verbessern und den Anteil an der Wertschöpfungskette verschieben. Spannend wird sein, ob Stitch Fix es langfristig versteht, diese Eigenmarken auch unabhängig von seinem Vertriebskosmos als eigenständige Marken zu positionieren oder sogar Informationsrückflüsse an Hersteller zu realisieren.

Preis: Kauft ein Kunde den gesamten „Fix“ erhält er 25% Rabatt auf den Gesamtpreis, nimmt er kein Kleidungsstück aus einer Box, wird derweil eine „Styling Fee“ über 20 Dollar fällig. Stitch Fix hat es damit sehr geschickt verstanden, die Kostenfaktoren einer Sendung auch dann abzufangen, wenn es keinen Sale macht. Wenn weiteres Wachstum und günstigere Segmente angestoßen werden sollen, könnte dieses Konzept jedoch unter Druck geraten.

Geringe Marketingquote: Mit einer Marketingquote von 7% ist Stitch Fix sehr effizient darin, Kunden zu gewinnen bzw. aus ihrem Bestandskundenstamm relevante Umsätze zu erzeugen. Mit zunehmender Reifung des Modells und soll weiteres Wachstum realisiert werden, wird das Unternehmen sicherlich dennoch auch in weniger profitable Marketingaktivitäten investieren müssen.

Positionierung: Stitch Fix kann alle diese Eigenmerkmale mit starken Zahlen unterfüttern, ohne dabei rabattgetrieben arbeiten zu müssen. Gleichzeitig führt es keinen eigenen Webshop und gerät damit nicht in den bekannten Amazon-Crunch.

Operations : Mit ca. 3.500 Stylisten in den ganzen USA und 5 Warenhäusern zieht Stitch Fix sein Geschäft auf und konnte so offenbar eine gute Balance zwischen operativer Umsetzung und datenbasierter Steuerung entwickeln.

Antizyklisches Wachstum: Gegründet im Jahr 2011 ist Stitch Fix in einer Zeit entstanden, in der das Curation-Konzeption längst nicht mehr neu war und mit Trunk Club (Webseite) auch bereits einen Marktführer kannte. Dennoch wuchs Stitch Fix unter dem Radar sehr solide und hat den einstiegen Marktführer – der nach seinem Exit an Nordstrom mittlerweile im Sinkflug scheint – deutlich hinter sich gelassen.

Geringe Finanzierung: Mit 42 Millionen Dollar benötigte man ein für die USA und E-Commerce-Modelle geringes Investment und hat sich so offenbar auf eine sehr saubere Aufstellung und Steuerung seiner Vorgehensweisen konzentriert.

Unterschiede zu den deutschen Anbietern

Basierend auf diesen Besonderheiten und Stärken ergeben sich folgende wesentliche Unterschiede zu den deutschen Akteuren wie Modomoto (Webseite), Outfittery (Webseite), Zalon (Webseite) oder Kisura (Webseite):

  • Stitch Fix hat Frauen als primäre Zielgruppe (außer Kisura und Zalon)
  • Bei Komplettretouren erhebt Stitch Fix eine Styling Fee über 20$
  • Die Intensität der Datengetriebenheit erscheint deutlich höher und umfangreicher
  • Entwicklung von Eigenmarken basierend auf den eigenen Daten
  • Deutlich größerer, homogenerer Heimatmarkt
  • Deutlich größere Mitarbeiterschaft, insbesondere im Stylingbereich

Herausforderungen der Zukunft

Stitch Fix wird nach seinem sehr schnellen und organischen Wachstum beweisen müssen, wie es seine Skalierbarkeit nun ebenfalls auf Basis von aktivem Marketing sicherstellt – gerade auch in weniger profitablen Marketingkanälen. Plattformanbieter wie Asos oder Amazon werden den Stylingservice, ähnlich wie damals etwa Shoppingclubs, womöglich mehr als ein Feature, denn ein eigenes Geschäftsmodell betrachten. Diese Haltung wird Stitch Fix aber nicht gerecht, wenngleich es abzuwarten bleibt, wie dieses selbst sein Geschäft weiter zu entwickeln vermag und vielleicht sogar selbst Plattformansätze generieren kann.

Den derzeitigen Wettbewerb hat Stitch Fix weniger zu fürchten, doch könnten nach dessen Vorbild durchaus weitere Nachahmer aufkommen. Und es wird sich zeigen, on und wie internationalisiert werden soll sowie welche Anpassungen für das sich schnell verändernde Fashionsegment gemacht werden müssen.


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