Relevanz von Design in der Produktentwicklung

15. Mai 2018, mit Joël Kaczmarek

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Joel Kaczmarek : Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Transform-Podcast von Digitalkompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und heute reden wir über die Rolle von Design beim Produktentwicklungsprozess. Und da habe ich natürlich wieder die Koryphäe schlechthin hier am Tisch. Kam schon zum Vergnügen, dass mein eigenes Logo auch mal von einem professionellen Designer hier reiteriert wird. Der gute Moritz Rose. Grüß dich, Moritz. Hallo. Man hat dich ja in unserem letzten Transform-Podcast schon kennengelernt, aber sag doch vielleicht trotzdem noch mal ein, zwei Sätze zu dir und deinem Background.

Moritz Marder: Ich bin Designverantwortlicher bei FISMAN und konkret FISMAN Digital bzw. VCO in Berlin. Mit einem Team von im Mai elf Leuten aus den Bereichen UI, UX, Brand Design und Industrial Design. Und Industrial Design ist selbst auch mein Ausbildungshintergrund.

Joel Kaczmarek : So, und ich habe vier Podcasts gebraucht, um zu lernen, dass es FISMAN heißt. Danke dir, lieber Moritz. Also dafür an dieser Stelle auch schon mal herzlichen Dank.

Moritz Marder: Fiesmann.

Joel Kaczmarek : Sag mal fies, weil die Ehe hätte es doch, ne? Fis, naja.

Moritz Marder: Weißmann.

Joel Kaczmarek : Anyway, da habe ich auch schon viel über das Logo gelernt, also Design. Ich habe ja ein großes Fable für Design und heute möchte ich den geneigten Hörern und Hörerinnen mal näher bringen, warum Design denn in so einem Produktentwicklungsprozess wichtig sein kann, auch wenn man was Digitales macht und insbesondere, wenn man etwas macht, was die Schnittstelle von realer Hardware, real anfassbares Produkt und digitalem Service hat. Man merkt ja auch so ein bisschen, Design Thinking greift um sich, also Design Denke, wenn man es mal auf Deutsch jetzt übersetzt, nimmt zu. Und ihr habt ja auch irgendwie ein Unternehmen im Prinzip, was eigentlich von Anfang an gesagt hat, dass das irgendwie eine Kernkompetenz unserer Firma sein muss. Und ich meine, die ist jetzt 100 Jahre alt, also schon sehr, sehr früh eigentlich gesagt, Design muss Kernkompetenz sein oder zumindest immer eine Erwägung spielen, eine Rolle in diesem Prozess. Darum möchte ich das gerne mit dir verstehen. Fangen wir mal ganz simpel an. Was ist denn für einen Designer wie dich, was ist denn eigentlich Design? Weil ich möchte den Leuten gerne austreiben, dass das immer nur Buttons blau machen ist und irgendwie so eine kreative Verrückten da irgendwie. Ich habe bei Designern komischerweise oft Spanier im Kopf. Siehst du, das ist so mein Klischee. Also da würde ich gerne mal aufräumen, was Design eigentlich wirklich ist, wie du das verstehst.

Moritz Marder: Ja, beim Stereotypen ausräumen helfe ich natürlich immer gerne. Nicht zuletzt, weil wir auch einen sehr, sehr talentierten spanischen Grafikdesigner im Team sitzen haben, den Joaquín Castillo. Ich glaube im Wesentlichen, das ist der Kernunterschied oder sagen wir mal die Kernschere, die die meisten Leute im Kopf haben, ist Design für mich absolut nicht geschmäcklerisch, sondern Design ist Funktionserfüllung. Soll heißen, alles, was irgendwo Styling oder farbliche Detailentscheidungen sind, wo man dann sagt, na Mensch, ob der Grünton jetzt ein bisschen dunkler oder ein bisschen heller ist, das soll mal der Designer entscheiden. Das treibt einen ja so ein bisschen in die Ecke des Farbsachverständigers, den wir ja letztes Mal schon so ein bisschen beleuchtet haben. Und das, wo ich eben der Überzeugungskämpfer in der FISMAN-Welt und eben gerne auch darüber hinaus bin, ist, dass Design absolut nicht demokratisch oder N gleich 1 gebunden ist, sondern dass Design klare Zielsetzungen gibt. der nochmal Funktionserfüllung hat und dass man im Nachhinein ein gutes Design eben wirklich auch überprüfen kann daraufhin, ob es diese Zielsetzung erfüllt. Und Design bei uns, das ist eine sehr, sehr etablierte Dimension von FISMAN. Design, was eigentlich seit den 60ern gesetzt ist, muss in jedem Fall die Warum-Frage beantworten können. Und wenn man sagt, ich fand das jetzt einfach schön oder das fühlte sich irgendwie richtig an oder so, dann lassen wir dieses Detail oder dieses Element definitiv weg, weil wir eben das immer auf den wesentlichen Kern reduzieren wollen.

Joel Kaczmarek : Wenn du sagst, Design soll nicht geschmäcklerisch sein, dann heißt das ja eigentlich im Umkehrschluss, es ist nicht subjektiv, sondern objektiv. Wie kann man Design denn objektiv machen? Wie muss man sich das vorstellen? Wie erarbeite ich einen Standard der Funktionsweise, der im Prinzip einer Art Regel oder Logik folgt?

Moritz Marder: Ich glaube, dass wir da einfach nur eine Unterscheidung vornehmen müssen. Das ist so ein bisschen der Begriff cool. Wenn wir jetzt sagen, das ist ein cooler Typ, dann kann das sein, das ist so einer, der so ein bisschen overdressed mit ein paar Hip-Hop-Elementen durch die Gegend läuft. Und wenn jemand anders sagt, das ist ein cooler Typ, dann meint er einfach nur, dass das ein cooler Typ ist, oder? Und so ist es bei Design. für mich, dass Design, wenn wir sagen, das Design ist schön eines gewissen Produkts oder Artefakts, dann meinen wir damit eigentlich im Wesentlichen immer nur, wie es aussieht. Look and Feel, also Oberfläche, erste Erscheinung, so First Moment of Truth und so weiter und so fort. Und Design, wie wir das im Team behandeln und wie wir unsere Arbeit gerne verstanden wissen würden, ist eben die Dimension zu entscheiden, was die Funktionserfüllung ist. also was das Produkt können muss oder was, sagen wir, das Plakat können muss oder der jeweilige App-Screen oder, oder, oder. Also wofür ist er da? Was ist seine Zielsetzung? Und vor allen Dingen, welches Problem löst er? Und löst er dieses Problem auf die eleganteste, klarste, schnellste Art und Weise? Und das ist was, was auf Dauer dazu führt, dass dieses Design, worüber wir sprechen, was eigentlich im Kontrast steht zu dieser nochmal Funktionserfüllung, sorry, das werde ich vielleicht noch ein paar Mal sagen müssen heute, dass das auf Dauer eigentlich verschwindet. Wenn man eine perfekt gestaltete App sich nochmal vorstellt, dann ist das höchstwahrscheinlich was, wo niemand jetzt denken würde, dass da viel Designarbeit reingegangen ist, weil das ist doch einfach nur eine weiße App, wo ich in eine Suchzeile was eintippen kann. Und dass das eben die Arbeit eines sehr, sehr talentierten Designers gewesen ist, das so stark auf das Wesentliche zu reduzieren, dass es eben so eine breite Akzeptanz findet.

Joel Kaczmarek : Okay, also Reduktion auf das Wesentliche, klare Funktionserfüllung. Jetzt ist es doch aber so, dass da am Ende des Tages viele Wege nach oben führen. Also man sagt eigentlich, alle Wege führen nach oben, ja. Vielleicht sind es aber zumindest viele. Also wenn jetzt irgendwie eine vorgegebene Aufgabenstellung meinetwegen lautet, einer eurer Heizungsinstallateure soll irgendwie eine Smartphone-Software kriegen, mit der er den abschließenden Heizungstest oder die Entgasung oder sowas testen kann, dass das möglichst intuitiv und schnell funktionieren soll und vielleicht auch so, dass der Kunde über die Schulter gucken kann und gleich schon ein Gefühl kriegt für das tolle Feeling. Da gibt es doch gefühlt 50 Wege, wie das eigentlich ablaufen kann. Also wie geht man denn da vor, wenn eigentlich, also ist das dann rein Hypothesen getrieben, dass man einfach sagt, alles muss sozusagen einer These folgen und dieses Oberziel im Blick haben, also so ein bisschen OKR-mäßig, ja, was ist irgendwie mein Objective und was sind die Key Results, die da auf dem Weg liegen? Also wie macht man denn das als Designer, wenn eigentlich 30 mögliche Wege da sind, um so eine Entlüftungssoftware irgendwie Schön zu machen.

Moritz Marder: Ja, also Wissen ist Macht in dem Fall. Das heißt, so ein Prozess beginnt dann mit sehr, sehr, sehr basisgetriebener Research. Wir würden da dann eben erstmal versuchen zu verstehen, was das eigentliche Problem ist, wenn wir einen konkreten Fall nehmen, wie die Inbetriebnahme unserer Geräte zum Beispiel. Welche Parameter müssen da konkret von ihm eingestellt werden? Was hat er für ein Setting? Und wie schnell kommt er da zum Ziel? Und was sind vielleicht Parameter, die da das Weitere noch dranhängen? Das heißt, wir versuchen erstmal, den Installateur mit allem, was er macht, präzise kennenzulernen und zu verstehen. Da gibt es dann auch Interviews, da gibt es dann auch andere Methoden, können wir vielleicht später noch ein bisschen genauer darauf eingehen. So wie wir dann einen Kenntnisstand haben, der uns eine Hypothese erlaubt, dann vertesten wir auch diese Hypothese wieder. Das heißt, wir gehen zum Teil auch mit unterschiedlichen Konzepten ins Rennen, versuchen die dann auch so lange wie möglich auf Augenhöhe zu behalten, dass wir nur in ganz, ganz geringen Ausnahmefällen sowas wie Give them something to hate machen, dass wir sagen, wir haben drei und zwei sind eigentlich unsere Champions und einen haben wir noch drin, damit die auch mal ein bisschen Negatives ausspeichern können. Wir versuchen eigentlich immer, das Problem in dem Fall möglichst zielgerichtet zu lösen und lernen auf dem Weg eben über gemeinschaftliche Entwicklungen, sodass es dann eigentlich am Ende eigentlich gar nicht mehr so wahnsinnig viele Möglichkeiten gibt und das ziemlich klar einengbar machen. Was ich vorhin meinte mit der Aussage, dass Design eben nicht demokratisch ist in so einem Fall, sondern dass es wirklich ganz, ganz klaren Bewertungskriterien folgt.

Joel Kaczmarek : Ist gutes Design dann automatisch maximal minimalistisch? Also wenn du gerade sagst, man versucht rauszukriegen, was sind die Schritte, die nötig sind. Jetzt kann es ja Situationen geben, wo man sagt, so okay, Schritt X oder Schritt 4 ist jetzt nicht unbedingt notwendig. erfahrungsgemäß, verbessert er aber irgendwie das Feeling des Installateurs, weil er irgendwie nochmal eine Sicherung drin hat und irgendein Verständnisgewinn ist da, aber das ist ein bisschen optional. Chance auf besseres Ergebnis, aber nicht bei jedem. Ist so etwas, was gutes Design konsequent rausstreicht oder berücksichtigt man das auch, dass man vielleicht sogar manchmal ein bisschen mehr macht als notwendig, um die Erfahrung zu verbessern?

Moritz Marder: Das kommt darauf an, wie die Zielsetzungen definiert sind. Ich nehme mal ein Beispiel, was unserem Kontext relativ fern ist, weil bei uns wäre die Antwort ja. Eine Reduktion aufs Wesentliche ist eben auch im Sinne unserer gestalterischen Historie und ein bisschen adelverpflichtet oder so. Wenn du jetzt aber als Zielsetzung nimmst, dass die App, die wir gestalten, als sehr, sehr lifestyle-lich positioniert werden soll. Dann wäre das was, was zum Beispiel dekorative Elemente, die wir uns immer verbieten würden, oder auch ein bisschen szenigere Bildwelten, Lichtstimmung, changierende Farbelemente und, und, und, absolut rechtfertigen würde. Wenn wir dann aus dem App-Kontext mal in Richtung von einem Automobil, lassen wir mal raus, aber vielleicht Möbel-Kontext oder sowas sprechen, Dann könnte man auch sagen, es gibt eine Form von Exklusivität, die wir über eine extrovertierte Erscheinung hier positionieren wollen. Dass wir sagen, wir wollen eigentlich einen Hero in dem ansonsten sehr, sehr ruhigen Umfeld. Dann rechtfertigt das halt wieder ein Sofa, was dann auf einmal ein Kussmund ist oder so.

Joel Kaczmarek : Was ich mir auch eine spannende Frage vorstelle, vielleicht auch gerade für viele Designer, aber auch für viele Stakeholder, die auf der Entscheiderseite sitzen. Wie muss ich mir so einen Entscheidungsprozess vorstellen? Das heißt, man hat ja unterschiedliche Interessen in so einem Prozess. Wie erfährst du das? Was hat man da so für typische Charaktere, die in diesem Ablauf eine Rolle spielen?

Moritz Marder: Wir sprechen da immer gerne von unterschiedlichen Anwälten am Tisch und wenn wir alle natürlich früher oder später Anwälte diverser Umsatzerfolge oder eben auch zeitleistend sind, also das hat natürlich ab einem gewissen Punkt dann eine Erfordernis der Existenz. So sind doch auf dem Weg dahin, sehr, sehr unterschiedliche Kriterien zu erfüllen. Und als Designer bringt man idealerweise ein großes Verständnis für die Anliegen dieser unterschiedlichen Teilbereiche mit. Als Ziel verfolgt man an diesen Tischen aber was relativ Konkretes. Ich gehe das mal kurz durch. Wir sprechen da von Anwälten von Feasibility. Im Grunde genommen, das ist meine technische Machbarkeit, wäre in unserem Fall für den Digitalkontext sowas wie die IT, also Front- und Backender oder die eigentlichen Implementierer, also Software Engineers, die auch häufig Software Designer nennen. Da sind wir wieder bei der Funktionserfüllung, obwohl die mit dem Look and Feel dann wirklich absolut überhaupt nichts mehr zu tun haben. Das macht halt unser User Interface Design. Diese Feasibility-Anwälte wären halt sowas wie die Forschung und Entwicklung im klassischen Produktentwicklungsprozess. Und die klopfen den Designern dann halt gerne mal auf die Finger, wenn es dann heißt, Mensch, schön, dass ihr eine schwebende Tür haben wollt, aber irgendwie muss die leider in der realen Welt eine Verbindung zu dem Kernvolumen haben. Und da versucht man dann eben einen Mittelweg zu finden. So hast du dann Leute mit den konkreten Sales-Zielen, was sowas wie Hersteller-Grenzkosten heißt, mit am Tisch sitzen, die dann versuchen, das Spektrum auf Basis einer finanziellen Machbarkeit, mitzusteuern oder mitzubeeinflussen. Und darüber hinaus würden wir uns eigentlich als Anwälte einer bedienseitigen oder Experience, verzeih mir das Buzzword so, aber so einer Experience-seitigen Machbarkeit sehen, dass wir quasi versuchen, jeweils genau das Umfeld zu kennen. Das hatte ich ja vorhin schon kurz angerissen. Und damit eben bei allem, was wir machen, begründbar sicher zu sein, dass wir damit eben maximal die Kundenerfordernisse treffen mit dem, was wir da entwickeln.

Joel Kaczmarek : Also wenn ich das mal zusammenfasse, hast du eigentlich, wenn ich jetzt mir überlege, IT mit technischer Machbarkeit und vielleicht so eine heizungsbauerische Machbarkeit, den Salesleuten, die zahlengetrieben sind und vielleicht nochmal unterschiedlichen Akteuren, die zeitgetrieben sind, hast du eigentlich unterschiedliche Stakeholder, die eigentlich so eine Brille der Unternehmensziele einnehmen. Und Design wirkt für mich dann so ein bisschen wie eher so die Brille der Nutzerbedürfnisse, dass man das so ein bisschen beides miteinander verheiratet.

Moritz Marder: Ja, in dem Prozess ist es ganz spannend, wie da diese kognitiven Verzerrungen, also nennen wir es mal Schubladendenken, funktionieren, weil Designer eben durch ihre Jobbeschreibung des Kreativseins häufig nicht unbedingt mit Führungskompetenz oder Managementverantwortung in Verbindung gebracht werden. Das heißt, die sind per se gerne in der Schublade der Spitze. die bis zur letzten Sekunde eigentlich wilde Ideen haben und irgendjemand muss das dann eben mal so weit kanalisieren und die mal so weit auf den Pott setzen, bis da dann ein reales Produkt rauskommt. Und der eigentliche Alltag, den wir erleben oder die Art, wie wir gepolt sind, ist, dass wir eine hohe Verlässlichkeit in den Prozessen abbilden, erreichbar zu sein, E-Mails zu beantworten, zu versprochenen Deadlines dann auch abzuliefern, Reminder zu schreiben, wenn Dokumente von anderen Stakeholdern nicht kommen. Das heißt wirklich so eine Sehr, sehr solide Haltung gegenüber dem eigentlichen Projektmanagement oder der Rolle im Prozess und darüber hinaus eben auch eine Verantwortung, die die Wirkung des Designs eben über diesen Nutzer hinaus eben auch an diesem Tisch mit den unterschiedlichen Anwälten in diese unterschiedlichen Bereiche reinbringt. Das heißt, die Industriedesigner verstehen Fertigungsprozesse wirklich mehr als an der Oberfläche und auch die technischen Funktionalitäten sehr, sehr präzise. Die UI- und UX-Designer kennen den Arbeitsalltag der Installateure sehr genau und die Brand- und Marketingdesigner, die kennen die Erfordernisse der Markenpositionierung sehr genau und arbeiten eben auch mit dem Digitalmarketing da sehr präzise zusammen, um Erfordernisse von SEO oder Digitalmarketing, Performancemarketing da eben genau treffen zu können.

Joel Kaczmarek : Würdest du sagen, dass Design eine Kompetenz sein sollte, die auf Führungsebene angesiedelt ist? Also sollten im Prinzip Designer Teil des Führungsstabs eines Unternehmens sein?

Moritz Marder: Ich glaube, dass die wesentlichen Designentscheidungen nur gemeinsam mit der Unternehmensspitze getroffen werden können, weil da eben so viel dranhängt. Also die drei Bereiche Industriedesign, UI, UX Design und Brand Design sind jeder für sich mit komplett unterschiedlichen Unternehmensbereichen vernetzt, decken aber quasi jede Abteilung in der Zusammenarbeit ab. Das heißt, Design wird in jeder Abteilung gebraucht und eine Designentscheidung, die gefällt wird, egal zu welchem Thema, sei es nur, wie die Weihnachtskarte aussieht oder so, Und mit Aussehen meine ich, welches Format die hat, welches Papier und so weiter. Also da denkt man dann schon wieder an den eigentlichen Designer mit buntem Seidenschal. Aber selbst so eine Entscheidung hat eben sehr, sehr immanente Auswirkungen auf das, was eben hinten raus mit dem Prozess passiert. Und das heißt, diese Entscheidung muss eine sein, die man dann durchhält, weil an der Umsetzung oder das dann Realität werden zu lassen, da sind eben sehr, sehr große Prozesse damit beteiligt.

Joel Kaczmarek : Und jetzt erklär mal, also plauder mal aus dem Nähkästchen, wie kriegt man diese divergenten Interessen unter einen Hut? Wenn du auf der einen Seite Leute hast, die so gefühlt die Wahrnehmung haben, ich bin derjenige, der das jetzt mal rechenbar machen muss, der hier irgendwie ein Geschäftsmodell baut, der eigentlich das Geld verdient, was die da drüben rauskreativieren. Wie kriegt man jemanden, der im Prinzip solche Offenheit vielleicht eher verschlossen gegenübersteht, weil er auch irgendwie auf Erfahrung baut und Rechenbarkeit einbringen muss, wie kriegt man das miteinander vereint, dass irgendwie Designer und irgendwie Sales, Marketing, Accounting oder auch die reine Unternehmensführung, dass die miteinander harmonieren?

Moritz Marder: Die Überzeugungsarbeit ist natürlich auf täglicher Basis, also dass man eben sehr gut vernetzt sein muss, eben mit vielen Leuten auch sprechen muss. Und das, was ich vorhin in Richtung der Zielgruppe Installateur gesagt habe, dass wir erstmal versuchen zu verstehen, was den Installateur umtreibt, bevor wir ihm da versuchen, ein Produkt vor die Nase zu setzen, ist etwas, was du auf den alltäglichen Arbeitskontext projizieren kannst. und die Zusammenarbeit. Das heißt, Design ist ein Stück weit ein Mediator, der mit einer Zielsetzung überzeugt. Also wenn wir sagen, wir haben eine neue Idee für die Implementierung eines Wärmeerzeugers ins Gebäude oder sowas, dann sagen alle erstmal, Moment mal, da hängt eine Menge dran, das ist riesig komplex, da könnt ihr jetzt nicht einfach irgendwie was dran drehen. Wenn man dann aber mit der Zielsetzung und mit den Vorteilen unseres Wirkens überzeugen kann, also auf einer Ebene, wo man erstmal sagt, lass uns mal ganz kurz beobachten, Bevor wir drüber nachdenken, was da jetzt alles dran hängt, gemeinsam das Problem verstehen und gemeinsam die Begehrbarkeit dieser Lösung anerkennen, dann kriegt man die Leute eben ins Boot, da gemeinsam an einem Strang zu ziehen, wenn man sich eben dieser Warum-Frage gerne auch mal stellt. Also ich mache das auch häufig in Setups, nehme so eine ganz einfache operative Ebene wie die eigentlichen Messebauer oder sowas, wenn wir jetzt einen neuen Messestand entwickelt haben, das sich mir da daneben jetzt zuletzt auf der leitung building dann mal fünf minuten nehme beim briefing bevor ich den leuten dann sage wo ich gerne die wände habe und anfangen die zu nerven dass er hätte sich irgendwie sich detailänderungen noch auf die letzten meter haben will erkläre ich den erstmal das standkonzept unsere zielsetzung mit diesem stand und wie wir vorhaben die marke in diesem setting zu positionieren so die stehen alle und denken erst mal so ein bisschen so. was habe ich ja noch nie gehört oder wusste ich gar nicht dass das bei einem messestand mit relevant ist. aber im anschluss stellen die dann total abgefahrene fragen so und sind Also anderes Beispiel aus dem Hardware-Kontext wieder, da spricht man dann mit Entwicklern, die auf einmal über den emotionalen Wert von Wärme anfangen zu sprechen, die einem sonst eben nur was von thermischen Entwicklungen, von irgendwelchen Feststoffen immer um die Ohren gehauen haben oder sowas. Also da punktet man wirklich auf die Dauer nur über Visionen und Zielsetzungsverständnis im Kollektiv.

Joel Kaczmarek : Lass uns mal eintauchen, wie sieht so ein Designprozess in der Produktentwicklung aus? Was habt ihr da für Schritte, wie arbeitet ihr?

Moritz Marder: Das lässt sich eigentlich immer in die gleichen Scheibchen schneiden. Das ist ein Briefing. Briefing ist im Grunde nichts anderes als eine grobe Skizze dessen, was am Ende rauskommen soll. Das versuchen wir so konkret wie möglich zu formulieren, bevor wir dann eben mit allen Erfordernissen, zu dem Zeitpunkt haben wir schon sehr, sehr viel über die Problemstellung erfahren, in Konzepte gehen. Und die Konzepte können vielseitig sein, die können auch von vielseitigen Parteien kommen. Wenn wir jetzt mal von einem Produktentwicklungsprozess sprechen, soll heißen, wenn das Briefing jetzt ist, dass wir Designanforderungen für einen bestimmten Screen zum Beispiel definieren, dass dann im Folgeschritt in der Konzeptentwicklung eben insbesondere die Dienstleistungsselektionen und die technische Entwicklung diejenigen sind, die die Konzepte dafür entwickeln, wir das dann gemeinsam bewerten. um nach einer Auswahl in einen Refinement-Prozess zu gehen und von dem dann in den finalen Schritt dieses kleinen Briefings. Was man da verstehen muss, ist, abgesehen davon, dass sowas auch gerne dann mal parallel in Testing läuft, wir das dann eben in User-Testing rübergeben oder nochmal von anderen Zahlenverantwortlichen prüfen lassen oder, oder, oder, ist, dass diese Schritte von Briefing, Konzept, Selektion, Refinement, nochmal Selektion, finales Design oder finale Entscheidung zu diesem Schritt. Das ist nichts, was über Monate als, okay, jetzt haben wir alles für das Briefing, jetzt gehen wir zum nächsten passieren, sondern das ist was, was zu jedem Teilbereich des Projekts im Kleinen passiert. Das heißt, gerade wie schon das Beispiel mit der Auswahl des Screens, das ist ja eine Entscheidung von ein paar Tagen oder so oder von vielleicht einer Woche der Betrachtung gemeinsam mit allen Beteiligten. Und selbst da lassen wir uns viel Zeit in diesen Schritten, uns sorgfältig von einem zum nächsten zu entwickeln, um da eben nichts zu verpassen. wenn gleich das Ganze eher einem Strudel gleicht.

Joel Kaczmarek : Okay, also wie man es aus dem Design Thinking kennt, also sehr iterativ, sehr klein getaktet und immer sehr wieder sozusagen an den Anfang gehend und wieder verfeinernd. Was hast du so für Methoden innerhalb von diesem ganzen Prozess? Also du hast ja schon mal gesagt, dass du zum Beispiel den Leuten irgendwas hinwirfst, wo du davon ausgehst, dass sie das latent Kacke finden, damit sie sich auskotzen können. Vielleicht kannst du ja mal so ein paar Kniffe, die man als Designer anwendet, um auf diesen Schritten voranzukommen, beschreiben.

Moritz Marder: Ja, also give them something to hate ist tatsächlich ziemlich spannend. Ich glaube, das, was man als Designer im Wesentlichen braucht, um gut arbeiten zu können, ist Feedback. Das heißt Feedback zu den eigentlichen Ideen und vor allen Dingen, vorhin hatte ich ja schon dieses etwas polemische Wissen ist Macht gezündet, ist es eben sinnvoll, so viele Leute wie möglich dazu zu bekommen, mit einem über diese Ideen zu sprechen. Ähnlich wie wenn man sich jetzt auf eine Präsentation vorbereitet, wo das Sinn macht, quasi egal wem, diese Präsentation mal kurz zu erzählen. Das streamlinet dann mehr und mehr deinen Narrationsflow. So ist das eben in der Designentwicklung, dass je mehr du sprichst, desto mehr schärft sich diese Idee und desto mehr wird aus dem Klumpen dann so ein Diamant. Da ist eben ein Trick, dieses Give them something to hate, dass man halt sagt, na klar, wir präsentieren euch eine Lösung, wo man sagt, ja, genau so habe ich das gemeint. Dann präsentierst du denen aber auch was, wo die sagen, hä, das habe ich aber überhaupt nicht so gemeint, um da dann fragen zu können, warum denn nicht? Was stört dich denn daran? Und da merkst du dann eben, was dann die Leitplanken dessen sind, wo man normalerweise eigentlich recht geschmeidig hinkommen könnte, wenn man jetzt sagt, jo, haben wir alle verstanden, jo, sind wir uns ja alle einig, dann gehen wir jetzt mal so voran. Hilft das sehr, sehr stark, den Trichter eben aufzumachen. So ein weiterer methodischer Kniff, der so ganz cool ist, um Leute eben dazu zu bekommen, sich zu äußern, ist, dass man ab von Gruppengesprächen im Kleinen nochmal Feedback, das heißt, wir schaffen das nicht nur über die Termine, in denen dann eben meist die Entscheidungen fallen oder bestätigt werden, sondern über Abstimmungen in Zweiergesprächen die meisten Infos rauszudestillieren, die für uns wichtig sind. Das heißt, wirklich versuchen alle Leute, die da eben beteiligt sind an dem Prozess oder die notwendig sind für den Prozess, zu hören und zu verstehen.

Joel Kaczmarek : Also mein Verständnis von Design ist ja auch immer sehr stark, dass es halt wirklich von den Bedürfnissen des Nutzers her denkt. Also ich hatte mal so dieses Beispiel oder ich weiß noch, als ich in der D-School damals war, gab es sehr früh diese Geschichte von IDO, die irgendwie für alte Menschen Besteck entwickelt haben und halt deren Bedürfnisse versucht haben nachzuvollziehen. und haben sie gemerkt, naja, die haben oft mit Rheuma, vielleicht auch mit Gicht zu tun, die Finger haben irgendwie Arthritis, das heißt, die können nicht mehr so fein greifen, diese werden etwas grobmotorisch, weshalb die angefangen haben, irgendwie sehr dickes Besteck zu bauen, mit sehr dicken Griffen. Und ich weiß nicht, ob es noch besonders scharf braucht und solche Sachen, aber so dieses dicke Besteck war, was ich so als Bild im Kopf habe. Und es zeigte sich dann, dass irgendwie auch junge Menschen dieses dicke Besteck total geil fanden, weil es einfach irgendwie bequem zu greifen war. Also die gleichen Vorteile, die für alte Menschen umso stärker galten, galten auch für Jüngere. Das ist immer so dieses Bild von Design. Ich entwickle etwas und versuche, die Benutzung des Produktes im Kopf zu haben und zu verstehen, wie der Mensch am Ende des Tages damit interagiert. Das heißt, jetzt mal auf unser Thema des Designprozesses bei der Produktentwicklung irgendwie das wieder zurückzuführen, wäre so meine Vermutung, dass ein Großteil deiner Zeit doch eigentlich dafür raufgehen muss, Leuten über die Schulter zu schauen und den Nutzern im Prinzip zu versuchen abzuringen, wie sie Dinge benutzen und warum und wie das verbessert werden kann.

Moritz Marder: Ja, also ich würde mal sagen, du hast mich jetzt zwei Sachen gefragt. Das eine ist über das Beispiel mit den alten Leuten. Wir haben eine Zielgruppe, die sehr, sehr spezifisch ist von ihren Anforderungen. Das ist eben ein sehr, sehr dankbarer Gestaltungsprozess. Und die Frage, die ich da rausdestillieren würde, ist, wie genau wir wissen, was unser Produkt eben können muss. Und das ist eben leider häufig ziemlich breit gefächert, weil wir Produkte haben, die in Millionenstückzahlen sind und da eben auch in unterschiedlichsten Kontexten funktionieren müssen. Und das ist eben was mit diesen Anforderungen. Je mehr du versuchst abzudecken, desto generischer wirst du und desto unterschiedlicher wirst du im Grunde genommen. Das heißt, da versuchen wir unsere Zielgruppen mehr in Bezug auf den Moment zu begreifen, in dem sie das benutzen. Das ist bei dem Beispiel mit dem Besteck auch recht easy zu sagen, weil das eben der Moment ist, in dem sie essen und das eben greifen. Die Geräte, die hängen ja über mehr als 20 Jahre in den Wohnräumen und da gibt es dann eben ganz, ganz spitze Momente, wie einerseits Feedback, Kontrolle, also ich möchte wissen, was da gerade passiert. Das andere ist, dass ich Parameter verstellen möchte. Und das sind eben dann Anforderungen, wo es dann doch wieder sehr konkret wird. Und das andere aus der Frage ist dann vielleicht so ein Stück weit, wie man mit solchen Bereichen wie generatives Design, also dass spezifische Anforderungen dann zu so einer Massenakzeptanz führen. Wir hatten damals in der Uni das Beispiel, das nannte sich ein Projekt für 50+. Das hatten einige dann auch für alles außerhalb geschlossener Ortschaften begriffen so. Aber bei uns ist das eben im Wesentlichen die Erfordernis, dass du in Momenten, wo ganz, ganz wenig Aufmerksamkeit für das, was die eigentlich gerade machen wollen oder sollen, da ist, perfekt funktionierst. So, ich hoffe, ich habe da einigermaßen sinnig auf deine Frage antwortet.

Joel Kaczmarek : Ja, du hast vor allem Sachen reingelegt, die ich gar nicht so auf den Schirm hatte, die ich aber ganz valide finde. Ich habe mich vor allem gefragt, was sind deine Methoden, um die Bedürfnisse deiner Nutzer rauszukriegen jetzt? Du hast jetzt eigentlich die Komplexitätsstufe nochmal klar gemacht, dass dein Benutzer gar nicht ein spezifischer ist, sondern teilweise sehr, sehr viele in dann nochmal zweite Komplexitätsstufe unterschiedlichen Szenarien. Aber wenn wir mal so dieses Thema UI, UX im Prinzip jetzt mal rüberwuppen und versuchen zu verstehen, wie Leute Produkte benutzen, wie gehst du denn da vor? Also wie kriegst du als Designer raus, dass wenn dein Numbers, Stakeholder, der auf Verkäufe zielt, der sagt, das muss total geil sich verkaufen und der Inside-Guy sagt auch noch, der Installateur muss schnell sein und wir sollten hier nicht zu viel Zeit verpulvern. Wie kriegst du das hin, da genau rauszukriegen, möglichst effizient, was dein Nutzer eigentlich von dir möchte, was sein Funktionsbedürfnis ist?

Moritz Marder: Ja, also wir haben da ganz diverse Tools. Das eine, ich fange mal mit dem förmlichsten oder etabliertesten an, das nennt sich Kundenbeirat bei uns. Das heißt, das ist eine Runde, die sehr, ja so Multiplikatoren oder man könnte die auch Influencer nennen, so auf Neudeutsch, aus den Heizungsbaubetrieben, dass wir die einladen, um Lösungen, über die wir gerade nachdenken und eben auch Probleme überzusetzen. über die wir gerade nachdenken, in ihrer Relevanz und in ihrer Lösung zu validieren. Das ist eine Runde, in der dann eben workshopartig wir die mitnehmen in unsere heiligen Hallen, wo wir dann Prototypen aufgebaut haben, denen eben wieder zuhören, das alles sehr, sehr sauber dokumentieren und spezifische Fragen stellen. Meistens geht es da allerdings darum, wie gut sich ein Produkt verkaufen lässt und mit welchen Argumenten, weil du da kein reales Test-Setup abbilden kannst. Das heißt, was die Leute sagen, wenn du sie direkt fragst ist meist nicht das was sie dann wirklich machen wenn du dir mit dem ding wirklich arbeiten lässt. dafür gibt es dann die sogenannten user testings. das wäre vielleicht schon wieder einer ins buzzword sparschweinchen. aber diese user testings die führen wir halt jetzt eigentlich auf vier ebenen durch nämlich mit dem user lab mit der marktforschung mit externen unternehmen die uns da eben unterstützen und unsere akademie. die akademie ist ein gebilde das unsere installateure schult zu diversen themen und auch das interne weiterbildungsprogramm machen Und die haben täglich, musst du dir vorstellen, so um die 100 Installateure zu Gast in Allendorf im Headquarter. Diese Installateure haben wir jetzt seit einem Jahr über die User Research Unit angezapft, dass wir sagen, Mensch, wenn ihr schon mal da seid, habt ihr nicht mal kurz eine Viertelstunde, um uns dazu was zu sagen. Und selbst das, selbst diese User Testings neben dem Kundenbeirat, sind mir eigentlich noch zu unspezifisch, weil glaub mir, wenn ich dich frage, was stört dich denn bei WhatsApp oder so, was nervt dich denn da, dann wirst du sagen, pff, weiß nicht, läuft eigentlich ganz gut. Und WhatsApp ist jetzt ein fieses Beispiel, weil die sind Die haben ja eine fette UI, UX-Abteilung, so ein Streamliner ist permanent, aber wenn ich dich nach, was stört dich denn beim Essen, was stört dich denn an der Gabel und dem Messer, dann würdest du sagen, eigentlich gar nichts, alles total entspannt. Wenn wir dann aber zuschauen, wie du isst und wie du die Gabel und das Messer benutzt, dann merken wir, wow, der piekt immer so. Hinter dem Messer vorbei in das Fleisch, das ist doch voll umständlich und das liegt nur daran, dass der Griff so einen komischen Winkel hat. Und diese Sachen sind für uns super wertvoll. Das heißt im Wesentlichen eigentlich das Shadowing, dass unsere Designer oder auch andere Projektbeteiligte dann wirklich ins Feld mitgehen, mit dem Installateur auf die Baustelle gehen, gucken, wenn er einen Wartungsfall hat oder wenn er eine neue Anlage einbaut, klemmt er sich jetzt auf einmal die Taschenlampe da in den Mund, um die hinterste Komponente da zu sehen. Mensch, würde ja vielleicht Sinn machen, das mal zu optimieren, egal ob es ein repositionierendes Bauteil ist oder die Lichtsituation da drin zu optimieren.

Joel Kaczmarek : Ah, geil. Okay, also Shadowing, der Designer, ist halt wirklich der lebende Schatten des Benutzers, höre ich daraus.

Moritz Marder: Shadowing bringt Licht ins Dunkel.

Joel Kaczmarek : Ja, voll widersinnig, aber, also, vorwürdig, aber, ja, geiles Bild. Ja, ich stelle mir das, ehrlich gesagt, extrem einsichtsstark vor. Also, ich glaube, da hat man schon 100 Beispiele schon mal gefühlt erlebt, wo Leute irgendwie über ein Produkt reden und man hat ja auch soziale Erwünschtheit dann da drin. Jetzt, was will der von mir hören? Ich will mich auf eine gewisse Art gerieren. Und dann merkst du so, ich glaube, das schönste Beispiel, was ich mal gehört habe, war eine Assistentin, die die sozusagen immer Telefonkonferenzen vermitteln musste zwischen den unterschiedlichen Teilnehmern des Managements. Und es ging dann darum, irgendwie eine neue Telefonanlage einzuführen. Und nach ein paar Wochen hat das Management gemerkt, dass sich eigentlich jeder über diese Telefonanlage beklagt, nur diese eine Assistentin nicht. Dann war so die Frage, wieso denn nicht? Und wieso kommen sie denn damit so gut klar und die anderen nicht? Und was hat sich gezeigt, wenn die eine Telefonkonferenz machen sollte, dann hat die drei Telefone in einen Raum gestellt, hat die einzelnen Hörer abgehoben und hat die Hörer mit Muscheln und Sprachteil sozusagen unterschiedlich aneinander gehalten, dass die Leute so miteinander reden konnten.

Moritz Marder: Ja, schöner Workaround.

Joel Kaczmarek : So, und ich könnte mir vorstellen, von solchen Sachen hast du, glaube ich, bei einer Heizung mit irgendwie gefühlt hunderten von Items nochmal 13 mehr Einsichten.

Moritz Marder: Wenn ich noch ein kleines Beispiel aus dem Nähkästchen reinwerfen darf. Wir haben ein Testing zur Erfassung von Temperatur in Wohnräumen mit Endnutzern gemacht, in dem eine Dame dann gesagt hat, sie hat überhaupt kein Problem mit ihrem Temperatursensor, der eben die Heiztemperatur im Wohnraum steuert. Das heißt, das Ding merkt, es sind 21 Grad im Raum, muss ich gerade nichts machen. Ist es kälter, muss ich heizen. Ist es wärmer, kann ich ein bisschen die Ventile schließen. Und wir haben dann gefragt, naja, wie machen Sie das denn, wenn Sie dann Temperatur erhöhen wollen? Das heißt, wenn die Raumtemperatur eigentlich passt, Aber sie wollen dann doch verstellen. Drücken sie dann Plus oder so? Finden sie da irgendwas aufwendig? Hat sie gesagt, nee, das ist total easy. Dann nehme ich einfach einen Kühlpack und packe den auf diesen Sensor drauf. Und dann denkt der, es ist kälter und dann macht er die Heizung an. Also das ist überhaupt kein Problem. Das geht total einfach. Da merkt man in dem und in anderen Prozessen, dass Leute eigentlich verlernt haben, sich selbst zu beobachten in diesen Fällen. Und das ist was, wo Designer, glaube ich, ein Stück weit sensibler erzogen werden durch ihren Job. dass du eigentlich Muster, die Komplexität bedeuten, sofort erkennst und eigentlich vorhast, da was wegzustreichen. Wenn du dir auch diese ganzen internen Betriebssoftwares anguckst. Ich war neulich in einem Retailer für Bodenbelege, die so ein Betriebssystem, das sah aus wie aus den 80ern, auf ihrem Screen hatten. Und ich habe den Mitarbeitern auch darauf angesprochen und habe gesagt, Mensch, das sieht ja ziemlich komplex aus, weil er an zig Stellen Nummern immer wieder eingeben musste. Der kannte die Nummern dann auswendig und der hat dann eben auch geantwortet so, Nö, ach wissen Sie, wenn man sich daran gewöhnt hat, dann geht das eigentlich ganz gut. Und das ist eben genau der Feind von Design, dass Menschen eben solche Gewohnheitstiere sind. Und wenn sowas mal, bei uns heißt es dann auch gerne gelernt, aber das heißt nichts anderes als einfach nur etabliert. Das heißt nicht, dass es gut ist. Zum Beispiel haben unsere Installateure auch definitiv gelernt, unsere Vorgänger-HMIs zu bedienen. Wenn man dann aber feststellt, dass jetzt mit den vielen Erfahrungen, die wir über die Jahre gesammelt haben und auch der Art, wie sich digitale Services verändert haben und die Erwartungshaltung gegenüber der intuitivität eines solchen services wenn uns dann eine veränderung auffällt dann ist es unglaublich schwer dafür akzeptanz bei den kunden zu finden weil die sagen das ist jetzt anders ich hatte mich doch so schön daran gewöhnt. und dann sagt man na ja wir haben jetzt mit ihnen mal die zeit gestoppt und sie brauchen 14 sekunden weniger für den prozess. so ja aber irgendwie auch von das alte irgendwie besser so.

Joel Kaczmarek : na gut Der Mensch als Gewohnheitstier, ja. Der trifft auf Design, was kompromisslos ist und nicht demokratisch. Ja, kann ich mir vorstellen. Also den Kühlpack finde ich ja geil. Ich habe gedacht, die macht das Fenster auf oder so.

Moritz Marder: Nee, bloß nicht.

Joel Kaczmarek : Das erinnert mich an meine Oma. Die hat mich als Kind mal gefragt, wie beim Kochen, ob ich denn eine Vermutung hätte, wie man denn wissen kann, rauskriegen kann, ob die Pfanne schon heiß ist, das Öl. Und ich saß so da und ich habe so total gedacht, oh kack, jetzt muss ich mal reinspucken. Hat die gelacht und meinte, nee, aber gar nicht so weit weg. Du nimmst halt ein Stück Wasser an die Hand und würfst das da so leicht rein und züchtest. Workarounds sind doch was Cooles.

Moritz Marder: Und sind oft gefährlich.

Joel Kaczmarek : Muss ich jetzt immer daran denken, wenn es an Design geht, an Spucken in die Pfanne. Nun gut, abschließend. Vielleicht kannst du nochmal zusammenfassen, was ist denn eigentlich der Impact von Design? Weil ich würde ja gerne Menschen, die irgendwie zahlengetrieben denken, heute nochmal mit auf den Weg geben. Warum ist dieser gestalterische Prozess, wie ihn Christopher Bögenkör aus unserem Design-Podcast auch immer nennt, warum ist der wertstiftend? Oder an welcher Stelle ist der wertstiftend?

Moritz Marder: Ich glaube häufig an Stellen, die man nicht am Anfang merkt. Also wir sprechen da von ästhetischer Langlebigkeit. Das ist für mich eine der Größen, für die Design einsteht. Das ist gerade für unsere Branche elementar, weil du das Gerät eben 25 Jahre in deinem Wohnraum hast. Und wenn wir uns da modischer Gestaltung unterwerfen würden, dann hätte man auf lange Sicht ein Problem.

Joel Kaczmarek : Kann man die nicht aber updaten? Kannst du nicht aus der Ferne irgendwie so ein Software-Update machen und sagen, ja, jetzt haben wir ein neues Design? Obwohl das dann problematisch ist, wenn man es nicht wieder neu lernt, ne?

Moritz Marder: Ja, genau, klar. Aber ein paar Festlegungen musst du halt treffen und die müssen dann irgendwo sitzen. Das heißt, der Wert, den das stiftet, ist diese Verlässlichkeit im Kontext der Langlebigkeit, dass da eben an alles gedacht wurde, was auf diesen Parameter des Lebenszyklus auszurollen ist. Ich will jetzt nicht im Detail auf diese ganzen Marketing optimierenden Geschichten eingehen, dass man eben doch. selbst bei Carsharing das schickere Auto nimmt, wenn man die Wahl hat oder so und vielleicht auch die schickere Kiste kauft, auch wenn es dann darum geht, die in den Keller zu hängen. Dass Designpreise eine gewisse steigernde Rolle spielen und so weiter, das ist eben eine Dimension, die will ich gar nicht so tief eintauchen. Ich glaube, die Veränderung, die das stiftet, die führt eher nochmal zurück zu dem Beispiel mit dem Kühlakku und dem Installateur, der eigentlich genervt ist, obwohl er 14 Sekunden schneller ist. Das sind Veränderungen, die man gar nicht auf den ersten Blick merkt, weil sie eben einen Streamline eines Prozesses vornehmen, der einem gar nicht vorher als Problemstellung bewusst war. Das heißt, wir haben beobachtet, wir haben ein Problem festgestellt und wir haben das Problem gelöst. Und Leute, die merken, dass dieses Problem auf einmal gelöst wurde, merken oft gar nicht, dass das eben durch Design passiert ist.

Joel Kaczmarek : Muss man es dann eigentlich ändern, wenn es sie gar nicht stört?

Moritz Marder: Ja, also bei so einem Beispiel wie den 14 Sekunden, die er eben schneller ist, rettet ihm das halt übers Jahr betrachtet schon seine Geschwindigkeit der Bilanz, wenn du das multiplizierst. Und gleichzeitig sind so Effizienzsteigerungen die das ja eigentlich auch meint, was bei uns eben immer ein riesen Multiplikator durch die Stückzahl erfährt. Das heißt, wenn du 14 Sekunden an jedem Gerät, in jedem Prozess sparst, sind das übers Jahr bestimmt 50 Service Cases, die der Markt dadurch mehr schafft.

Joel Kaczmarek : Spannend, spannend. Also man merkt, es hat viele Berührungspunkte und ich nehme mit, Langlebigkeit von Design, ich würde es auch sagen, Konsistenz, Markenkonsistenz. Ich bin ja auch ein großer Verfechter von Marke und Marke, finde ich, hängt viel an Design. Ich hoffe, dass man jetzt auch mal den einen oder anderen, der bisher nur Anwalt der Zahlen oder der Zeit war, auch mal zum Anwalt des Nutzers macht. und danke dir ganz, ganz herzlich und freue mich. Ich mache bestimmt nochmal eine weitere Runde zum Thema Design demnächst. Danke dir.

Moritz Marder: Hat mich gefreut, danke.