Transkript zu:

Medien, Digitalisierung, Podcast, Verlage, Katja Nettesheim

Medien Digital?!

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6

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März 21, 2017
Digital-Expertin Katja Nettesheim und Joel Kaczmarek sprechen mit der Verlagsgeschäftsführerin der Bild-Gruppe, Donata Hopfen, über die digitale Transformation und wie es die Bild schaffen will, eine der wichtigsten Meinungsquellen des Landes zu bleiben.

Inhaltsübersicht

Medien, Digitalisierung, Podcast, Verlage, Katja Nettesheim

Transkript zu:

Medien Digital?!

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März 21, 2017

Donata Hopfen über Paid Content und Bilds Digitalisierung

Digital-Expertin Katja Nettesheim und Joel Kaczmarek sprechen mit der Verlagsgeschäftsführerin der Bild-Gruppe, Donata Hopfen, über die digitale Transformation und wie es die Bild schaffen will, eine der wichtigsten Meinungsquellen des Landes zu bleiben.

Digital kompakt: Herzlich willkommen zu einem neuen „Medien Digital?!“-Podcast.

Neben mir sitzt Katja Nettesheim und in der Hand halte ich einen Stift, auf dessen Clip das BILD-Logo zu sehen ist. Auf dem Stift selbst steht folgender Satz: „Größer Denken, größer Schreiben“. Das ist genau die Richtung, in die der heutige Podcast gehen soll. Gemeinsam wollen wir versuchen, Einblicke in die Digitalstrategie von BILD und Axel Springer zu bekommen. Dabei werden wir drüber sprechen, wie Geschäftsmodelle vom Analogen, also vom Verkauf von Zeitungen, in Richtung Digital gebracht werden können und welchen Stellenwert „Paid Content“ dabei einnimmt.

In diesem Zusammenhang haben wir heute einen sehr spannenden Gast bei uns. Donata, stell dich doch einmal kurz vor.

Donata Hopfen: Hallo! Ich bin Donata Hopfen und bin Verlagsgeschäftsführerin bei der BILD. Bevor mir die BILD 2014 zusätzlich die Verantwortung für das Thema „Print“ übertragen hat, habe ich nur digitale Projekte ausgeführt. Nun beschäftige ich mich nicht mehr nur mit digitalen Innovationen, sondern vor allem auch mit den Themen „Transformation“ und „Change“. Wir versuchen die Digitalisierung als Chance zu begreifen, für digitale wie auch ehemals aus dem Print kommende Kollegen zu denken und die Marke erfolgreich in die Zukunft zu führen.

Digital kompakt: Es sagt viel aus, wenn man das Print-Geschäft in die Hand von jemandem gibt, der digital denkt. Was ist die Strategie von BILD in puncto „Digitale Transformation“?

Donata Hopfen: BILD ist es wichtig, dass wir die größte und wichtigste Meinungsquelle für Nachrichten und Entertainment bleiben. Im Print konnten wir das bisher immer erreichen: Wir waren und sind die größte Zeitung in Europa. Genau dieses Ziel haben wir uns auch im Digitalen gesetzt. Unser USP, unsere Art Geschichten zu erzählen, Meinungen zu transportieren und Massen zu informieren ist auch für den Digitalbereich unsere Leitschnur.

Digital kompakt: Was ändert sich mit dieser Zielsetzung und diesem digitalen Ansatz?

Donata Hopfen: Eigentlich ändert sich für uns überhaupt nichts. Wir begreifen die Digitalisierung als einen Evolutionsprozess. Schon 1997 haben wir damit angefangen, die BILD zu digitalisieren. Im Jahr 2002 haben wir diese Ausrichtung dann deutlich intensiviert. Seitdem gab es bei BILD immer beides: die Print-Aktivitäten und die digitalen Aktivitäten.

Vor knapp fünf Jahren kam dann das gemeinsame Denken für die Marke hinzu. Wir haben sukzessive versucht, das Digitalgeschäft zu verstehen, auf unsere eigenen Erfahrungen aufzubauen und die Marke wie auch ihre DNA immerzu den neuen Auslasskanälen, Screen-Größen und Transportmitteln anzupassen.

Wie oft muss sich ein Medienunternehmen neu erfinden?

Digital kompakt: Florian Heinemann vertritt die These, dass ein Unternehmen wegen der vielen Veränderungen in den Bereichen Mobile und Social alle fünf Jahre seine Plattform neu bauen sollte.

Müsst auch ihr euch regelmäßig gänzlich neu erfinden oder betrachtet ihr diese Evolution als granularen Prozess, bei dem immer neue Schichten hinzugefügt werden?

Donata Hopfen: Unsere Strategie und unsere Aufstellung sind meiner Meinung nach so gut, dass wir uns nicht ständig neu erfinden müssen. Aber auch bei uns werden Contents einmalig erstellt, unterschiedlich verwendet und an die Plattformen angepasst. Es ist etwas anderes, ob eine Geschichte auf Instagram oder auf Snapchat erzählt wird, ob sie durch eine Zeitung oder das stationäre Internet übermittelt wird. Im Vergleich zum stationären Internet, haben wir es bei der Handynutzung zum Beispiel mit einzigartigen Zugriffszeiten zu tun. Wenn wir mit einbeziehen, dass die Leute mit ihrem Telefon zu Bett gehen, hat das Einfluss auf unsere redaktionellen Abläufe, da wir zu ganz anderen Zeiten aktuell sein müssen.

Katja Nettesheim: Wie viele verschiedene Versionen einer Story werden produziert und wer kümmert sich darum?

Donata Hopfen: Früher hat man ein Angebot für die Zeitung gemacht, heute aber haben wir unterschiedliche Redakteure für unterschiedliche Auslasskanäle. Für die Bereiche Mobile, App, Instagram und Snapchat sind beispielsweise immer andere Mitarbeiter zuständig. Aus einem Angebot werden unterschiedliche Geschichten herausgezogen.

Manchmal können wir aber auch anhand unserer Analytics-Systeme Geschichten herausfiltern, die unter Tage besonders gut laufen und dadurch auch für andere Plattformen interessant sein können. Wir haben es hier mit sehr intensiver Kommunikation und Analyse zu tun.

Eines unserer Teams beschäftigt sich zum Beispiel aus rein journalistischer Perspektive damit, Trends auf unterschiedlichen Plattformen herauszufiltern. Kommt eine neue Plattform auf, bemühen wir uns schon in einem sehr frühen Stadium darum, Erfahrungen zu sammeln. Teilweise versuchen wir das mit der Marke BILD, teilweise aber auch mit einigen unserer Subbrands. Diese verwenden wir vor allem dann, wenn wir noch keine klaren Vorstellungen davon haben, wie man mit der BILD an die Sache herangehen könnte. Um diese Erfahrungen zu sammeln, erstellen wir Teams, die von uns alle Freiheiten haben und aus Leuten bestehen, die wirklich für das jeweilige Thema brennen.

Digital kompakt: Das Thema „Social Distribution“ wird immer komplexer, da Inhalte, die früher gezielt vom Leser angesteuert wurden, heutzutage zum Nutzer gebracht werden müssen. Worauf kommt es bei der Verteilung deiner Meinung nach an?

Donata Hopfen: Da hinter jeder Plattform eine andere Zielgruppe und ein anderer Use Case steht, ist es wichtig, ein Gefühl für die Zielgruppen zu entwickeln. Die Erwartungen bei Twitter sind anders als bei Instagram oder Snapchat. Je näher man der eigenen Zielgruppe ist und je mehr man in Interaktion geht, desto besser weiß man darüber Bescheid, was funktioniert. Wir bauen auf dedizierte Spezialisten für die jeweiligen Plattformen.

Diese Strategie ist ehrlich gesagt ein sehr teures Unterfangen. Am Ende des Tages haben wir als BILD aber eine gute Position, weil wir groß sind und weil sich bei uns aufgrund der Größe relativ viel lohnt. Für kleinere Marken, die vielleicht keine vergleichbare Power haben, sind solche Strategien wahrscheinlich deutlich schwieriger.

Welchen Stellenwert haben Subbrands bei der BILD?

Digital kompakt: Wenn man sich auf bild.de umschaut, stößt man ab und an auf das Online-Reisemagazin TRAVELBOOK, das Fashion-Magazin STYLEBOOK oder aber auf euren Jugendableger NOIZZ. Da Facebook seine Social Relevance monetarisiert und für Werbung Geld einfahren möchte, wird man als neue Marke schon zu Beginn stark limitiert.

Was sind eure Erfahrungen damit, wenn man zwar nicht ganz von Neuem startet, aber zumindest einen anderen Take-Off hat?

Donata Hopfen: Subbrands sind meiner Ansicht nach sehr wichtig, weil sie dabei helfen, Kunden und Nutzer zu segmentieren. BILD ist grundsätzlich eher sportbezogen und männlich. Anstatt eine Verweiblichung der Marke anzustreben, haben wir uns dafür entschieden, unsere DNA nicht zu verändern, weil wir sie als unsere große Stärke begreifen.

Mit unseren Subbrands hingegen können wir auch andere Zielgruppen erreichen: STYLEBOOK richtet sich speziell an Frauen bzw. weibliche Interessen, das TECHBOOK widmet sich Tech-Themen, TRAVELBOOK behandelt Reisethemen und unser neues Jugendportal NOIZZ setzt stark auf das Lebensgefühl der jungen Digitalen, wobei nicht nur junge Leute angesprochen werden sollen, sondern auch diejenigen, die sich jung fühlen.

Digital kompakt: Was verändert sich, wenn man eine Marke neu startet?

Donata Hopfen: Fängt man ganz neu an, so wie wir das mit STYLEBOOK getan haben, ist es nicht einfach, Nutzer zu gewinnen. Wir haben zwar immer noch BILD als Content-Quelle, müssen aber am Ende des Tages SEO bzw. Social Marketing machen und uns ansprechende Kooperationsideen ausdenken. In solchen Situationen merken wir immer wieder, wie dankbar wir sein können, dass wir mit BILD so groß und relevant sind. Eine Marke aufzubauen ist nicht einfach, das muss ich an dieser Stelle deutlich sagen.

Die Rolle der Marke im Digitalbereich

Digital kompakt: Sind Marken im digitalen Journalismus generell wichtiger geworden? Mir scheint, als würde die Sensitivität für die Marke generell, aber auch im Startup-Bereich, wieder zunehmen.

Donata Hopfen: Ich persönlich glaube an die Marke an sich, an Reputation, Markenversprechen und Markenvertrauen. Durch Fake News werden Marken im Internet bzw. bei der digitalen Nutzung von Nachrichten heute mehr denn je entscheidend sein. In der Tatsache, dass immer mehr ungeprüfte Inhalte verbreitet werden, sehe ich eine große Chance für alle verlässlichen Quellen und etablierten Medienmarken, die aus diesem meiner Meinung nach besorgniserregenden Trend eine Tugend machen können.

BILD mag zwar polarisieren, BILD steht aber immer für eine sichere Quelle, für guten Journalismus, für Recherche und den Einhalt aller journalistischen Kriterien von BILD und Axel Springer.

Katja Nettesheim: Viele Medienmarken machen aus Angst um ihre Marke nicht viel Distributed Content. Nutzt man beispielsweise Facebook, ist Facebook der primäre Absender und nicht die eigene Marke. Ihr verbreitet hingegen sehr viel über Facebook. Drückt sich das auf die Marke aus? Wie hoch ist der Anteil der Leser, die eine Nachricht auf Facebook noch der BILD zuordnen können?

Donata Hopfen: Ich halte es für unmöglich, Trends und Tendenzen aufzuhalten. Möchte man als Medienhaus medienpräsent sein und ein Geschäftsmodell verfolgen, muss man auf die sozialen Kanäle als großes Einflugstor Antworten finden.

An unseren Videos und Artikeln kann man erkennen, wie stark wir branden. Teilweise werben wir pro Clip sieben- oder achtmal. Das fängt bei der Haube des Mikrofons an und geht bis hin zum klassische Taggen des Videos. Diese Strategie halte ich für sehr wichtig. Es hilft natürlich auch, eine spezielle Art des Storytellings zu haben, die direkt der eigenen Marke zugeordnet werden kann. Das ist die Art, wie wir Social Media nutzen und unsere Artikel erkennbar machen.

Zentralisierung der Medienlandschaft – Chance oder Risiko?

Digital kompakt: Obwohl ich ein Außenstehender bin, habe ich dennoch den Eindruck, dass Facebook von der deutschen Verlagswelt, aber auch von euch im Speziellen, relativ stark hofiert wird, während Google vor allem in Bezug auf das Leistungsschutzrecht als aggressiv abgestempelt wird. Seht ihr Facebook nicht auch ein Stück weit als Risiko?

Donata Hopfen: Ich würde zu keinem Zeitpunkt unterschreiben, dass wir Facebook hofieren.

Digital kompakt: Ich kann mich daran erinnern, dass Marc Zuckerberg von euch einen Preis bekommen hat und meine, dass auch Mathias Döpfner Facebook gegenüber sehr positiv eingestellt ist.

Donata Hopfen: Jeder Medienschaffende von heute weiß um die Risiken und Chancen von Facebook und Google. Am Ende des Tages ist es für Medienhäuser wichtig, eine Strategie zu finden, mit der man à la longue in diesen Plattformen funktionieren und ein zukunftstaugliches Geschäftsmodell aufbauen kann. Je mehr Plattformen und je größer die Pluralität, desto besser ist das.

Das Leistungsschutzrecht, das teilweise nicht richtig erklärt und dadurch sicherlich nicht immer richtig verstanden wurde, ist ein sehr wichtiges Asset, um die Arbeit der Journalisten zu schützen und das ihnen zustehende Geld zu garantieren. In puncto Leistungsschutzrecht stehe ich nicht alleine mit der Meinung da, dass journalistische Inhalte schützenswert sind und ihre Legitimation haben. Ich würde alle derzeitigen Plattformen als „Frenemies“ bezeichnen, weil sie auf der einen Seite eine Riesenchance für uns darstellen, auf der anderen Seite aber auch brandgefährlich sind.

Digital kompakt: Siehst du denn Geschäftsmodelle für Fully Distributed Content, d.h. für einen dezentralen Ansatz, der Nutzer nicht auf der eigenen Seite haben muss oder ist das etwas, was du grundsätzlich ausschließt?

Donata Hopfen: Das hängt vom Ausgangspunkt ab. Es gibt Startups, die bei sehr geringer Kostenbasis ihr gesamtes Geschäftsmodell auf Social-Media-Plattformen ausgerichtet haben und auch mit kleinen Margen zurechtkommen. Das ist aber kein klassisches Mediengeschäftsmodell.

Unser Medienangebot setzt sich aus besonders interessanten, unterhaltsamen, aber auch gesellschaftspolitisch relevanten Geschichten, wie Kriegs- oder Krisenberichterstattungen, zusammen. Diese Geschichten werden nicht immer Klickrekorde bringen, sind aber für Meinungspluralität und für das, was wir als Medienhäuser glauben, machen zu müssen, nämlich den Verantwortungsträgern auf die Finger zu schauen, sehr wichtig. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ein Social-Media-Modell in einer Größenordnung wie der unseren nicht ausreicht. Seriöser Journalismus sollte neben den kleineren Einnahmen aus Social-Media-Distributionen, auch andere Revenue-Quellen haben.

Katja Nettesheim: Es sei denn, es gäbe ein zweites Paid-Content-Geschäftsmodell, das über Social Media läuft. Man könnte darüber nachdenken, einen Buy Button einzubauen, um analog zu E-Commerce-Geschäftsmodellen über Nanopayments Geld einzufahren.

Donata Hopfen: Ich bin der festen Überzeugung, dass E-Commerce über Social Media kommen wird. In dem Moment, in dem die Strukturen da sind, spielt es keine Rolle mehr, ob Turnschuhe, Schallplatten oder Contents verkauft werden.

BILDplus – Die Paid-Content-Strategie der BILD

Digital kompakt: Der Paid Content wirkt sich auf euer Geschäftsmodell ja sehr positiv aus. Vielleicht kannst du mit eigenen Worten zusammenfassen, wie eure Paid-Content-Strategie derzeit aussieht.

Donata Hopfen: Die Geschichte ist relativ einfach erzählt. Wir haben uns schon 2009 intensiv darüber Gedanken gemacht, wie wir mit unserem Content langfristig im Digitalbereich umgehen müssen. Durch die Bereitstellung des App Stores für iPhones haben wir uns dafür entschieden, unsere Inhalte nur gegen Bezahlung zur Verfügung zu stellen. Wir wussten, dass wir, wenn diese Strategie aufgehen würde, ein neues Geschäftsmodell gefunden hätten, dass wir unsere App gleichzeitig aber auch immer noch gratis stellen konnten, falls unser Plan nicht aufgehen würde. Diese Strategie hat so gut für uns funktioniert, dass wir 2011 mit BILDplus, dem Paid-Content-Modell von BILD, an den Start gegangen sind.

Die Vorgehensweise ist recht einfach: Alle klassischen Nachrichten bleiben kostenfrei, alle exklusiven Inhalte aber sind nur noch nach Bezahlung erhältlich. Seit dem Start im Jahr 2011 gab es noch keinen Monat, bei dem die Zahlen nach unten gegangen sind, worauf wir sehr stolz sind. Wir haben derzeit 347697 zahlende Abonnenten, die ungefähr fünf Euro im Monat bezahlen und das teilweise auch über mehrere Monate am Stück. Wir befinden uns aber nach wie vor in der Testphase. Kein Tag ist wie der andere und jedes Schräubchen muss immerzu nachgedreht werden.

Digital kompakt: Eure Strategie funktioniert ähnlich wie ein Appetizer: Gewisse Angebote sind kostenlos erhältlich, wenn man aber weiterlesen möchte, muss gezahlt werden. Was muss ein Content haben, damit man ihn in einen Abonnenten konvertiert bekommst?

Donata Hopfen: Der Hauptteil unserer Konversion geschieht über unsere Artikel und unseren Content. Daneben verfolgen wir aber auch Kooperationsgeschäfte. In der Analyse zeigt sich sehr schnell, welche Artikel gut ankommen und welche nicht.

Es gibt Themen, die einfach gut funktionieren, wie zum Beispiel klassischer Boulevard, alle Themen rund um „Rockerkriege“, Interpretationen von Fernsehbeiträgen oder politische Themen. Ein Artikel, der sehr gut konvertiert hat, wenn nicht sogar besser als alle anderen, war die Akte des Germanwings-Piloten nach dem Absturz. Es gibt natürlich immer Trends, aber es kann auch nur ein einzelner Artikel sein, der fünf bis zehn User überzeugt und für sie so interessant ist, dass sie kaufen.

Katja Nettesheim: Wie viele Kontakte braucht ein User, bis er kauft oder abonniert?

Donata Hopfen: Genaue Zahlen kann ich spontan leider nicht abliefern. Manchmal bringt eine gute Geschichte oder eine Kooperation die Leute zum Lesen unserer Artikel. Es gibt aber auch immer Leute, denen wir schon zwanzigmal über den Weg gelaufen sind, die sich aber erst beim einundzwanzigsten Mal für uns entscheiden.

Katja Nettesheim: Geht ihr auch inhaltliche Kooperationen mit anderen Medienpartnern ein?

Donata Hopfen: Wir haben ganz unterschiedliche Kooperationen wie Bundlegeschäfte oder exklusive Videoinhalte.

Digital kompakt: Für mich klingt es so, als ob Reselling ein Konzept wäre, das auch bei Paid Content funktionieren kann. Liege ich da richtig?

Donata Hopfen: Ja, auf jeden Fall. Auch in der Vergangenheit hat man nichts anderes gemacht. Ehrlich gesagt haben wir es mit einem Modell zu tun, das dem Pay-TV-Modell sehr ähnelt. Auch dort werden immer andere Bundles geschnürt, um neue Zielgruppen zu bedienen bzw. zu interessieren, und auch dort wird an den Preisen geschraubt.

Wie lange ist die Retention von BILDplus?

Digital kompakt: Wie lange nutzt ein typischer User denn ein Abo? Ist die Beziehung längerfristig oder ist es eher so, dass Nutzer gewonnen, verloren und zurückerobert werden müssen?

Donata Hopfen: Es kommt sehr auf die Kohorte an und darauf, wie die Nutzer gewonnen wurden. Wir machen zu unseren CLVs [= Customer Lifetime Values] keine Angaben. Grundsätzlich ist es aber so, dass diejenigen, die über den Content kommen, am längsten dabei bleiben, während diejenigen, die über Kooperationen kommen, oft wegbrechen, sobald sich die Kooperation für sie erledigt hat. Wir sind mit den Zahlen tatsächlich aber sehr zufrieden.

Digital kompakt: Wie wichtig ist deiner Meinung nach die Personalisierung in der Paid-Content-Welt?

Donata Hopfen: Die DNA der Marke BILD ist so gestrickt, dass die Art der Themenzusammenstellung sehr viel vom Markenkern ausmacht: Die Art, wie unsere Zeitung bzw. unsere digitalen Inhalte zusammengesetzt sind, gehört mit zum USP. Dazu gehört auch, dass unsere Schlagzeilen in ganz Deutschland weitestgehend ähnlich sind, obwohl wir 23 verschiedene Regionalausgaben im Printbereich haben. Wenn etwas Wichtiges passiert, sieht die Titelseite überall gleich aus. Das ist die eine Seite der Medaille.

Weil aber jeder mehr von dem lesen möchte, was ihn interessiert, ist auch Personalisierung ein großes Thema. Durch verwandte Artikel oder ähnliche Themen personalisieren wir zwar schon, müssen dabei aber sehr vorsichtig vorgehen, damit wir die Marke nicht beschädigen.

Digital kompakt: Ihr schafft es, eure BILD-Zeitung in kürzester Zeit immer wieder neu zu erfinden. Selbst wenn ich regelmäßig auf eure Seite komme, ist sie jedes Mal komplett anders orchestriert. Die Geschwindigkeit, die ihr an den Tag legt, wenn ihr Sachen aufnehmt, finde ich sehr spannend. Habt ihr internationale oder nationale Vorbilder in puncto Paid Content?

Donata Hopfen: National wird das schwer, weil wir der absolute Innovationsführer bei Paid Content sind. Wir haben vor vier Jahren begonnen, die wenigen internationalen Player zusammenzutrommeln und den sog. „Paid Content Summit“ veranstaltet. Bis heute ist das aus unserer Sicht eine der wertvollsten Veranstaltungen, die wir bei Axel Springer jedes Jahr im Februar abhalten.

Das Spannende dabei ist, dass die Teilnehmer, gerade weil die Veranstaltung international ist und somit kein Wettbewerb herrscht, sehr offen zeigen, was funktioniert hat bzw. was nicht geglückt ist. Obwohl immer unterschiedlich und auf die eigene Marke angepasst, machen zum Beispiel die New York Times, das Wall Street Journal und die Washington Post einen super Job im Paid-Content-Bereich. Das sind im Übrigen auch diejenigen, mit denen wir uns sehr intensiv austauschen.

Katja Nettesheim: Wie haben sich denn die Themen im „Paid Content Summit“ innerhalb der vergangenen vier Jahre verändert?

Donata Hopfen: Anfangs gingen die Gespräche viel um Technik, um Authentifizierungsprobleme, Pay-Wall- und Abo-Modelle. Diese Dinge sind inzwischen bei allen gesetzt. Jeder hat die Vor- und Nachteile seines Modells festgestellt und kann davon berichten. Zur Zeit geht es vielmehr um die Optimierung der Konversion. Bei der New York Times gibt es beispielsweise seit kurzem eine dynamische Paywall, die auch für uns in puncto Personalisierung sehr spannend ist. Daneben geht es beim Summit auch vermehrt um Marketing-Modelle, um die stärkere Verknüpfung von Paid-Content-Modellen mit dem Print und auch um das Thema „Distributed Content“.

Inzwischen setzt sich die Gruppe nicht mehr aus abenteuerlustigen Anfängern, sondern aus einer Reihe von Profis zusammen. Wer sich bis jetzt noch nicht mit dem Thema „Paid Content“ beschäftigt hat, kann meiner Meinung nach an dem Punkt, an dem wir heute stehen, auch nicht mehr mithalten.

Wie bepreist man digitalen Content?

Digital kompakt: Wie bepreist man digitale Inhalte, vor allem dann, wenn alles kostenlos ist? Verfährst du diesbezüglich nach einer Art Daumenregel?

Donata Hopfen: Zu Beginn haben wir uns intuitive Preisangaben notiert, haben daraufhin eine teure und aufwendige Preismarktforschung betrieben und letztendlich genau die Ergebnisse erzielt, die uns unser Bauchgefühl zuvor schon gesagt hatte. Wenn ich gefragt werde, was ich anders machen würde, würde folgendermaßen verfahren: Ich würde einfach loslegen, schauen was passiert und den Preis nach Gefühl setzen. Setzt man den intuitiven Preis dann in Verhältnis zu den sonstigen Preisen der eigenen Produktwelt, hat man einen guten Ausgangspunkt.

Letztendlich sprechen wir von einer Preisabsatzfunktion, die jeder für sich selbst interpretieren muss. Selbst wenn man der Meinung ist, dass die Kunden bereit sein müssten, einen bestimmten Preis für das Produkt zu zahlen, im Nachhinein aber feststellt, dass dem nicht so ist, wird man am Ende, wenn man gut performt, in die optimierte Preisabsatzfunktion laufen. Ob man sich von unten oder von oben annähert, ist reine Glückssache.

Digital kompakt: Wie wichtig sind Payment-Abläufe und warum?

Donata Hopfen: Sehr wichtig. Bei Paid Content ist es bis heute so, dass die Leute möglichst schnell Artikel lesen wollen. Wenn sie ihren Artikel nicht schnell genug lesen können, beschäftigen sie sich mit etwas anderem. In diesen Prozess Hürden einzubauen, ist ungünstig. Deswegen sollte das Authentifizieren und Bezahlen für die Leute so einfach wie möglich gestaltet werden.

Digital kompakt: Was ist deine Meinung zum Produktansatz „Later Pay“, den deine Kollegen vom SPIEGEL verfolgen, also dass man erst nachdem man einige Artikel gelesen hat, in Fünf-Euro-Chunks bezahlt?

Donata Hopfen: Ich bin froh, dass der SPIEGEL diesen Ansatz ausprobiert und wünsche ihnen alles Gute dabei. Es ist sehr wichtig, dass wir ein zukunftstaugliches Geschäftsmodell haben, durch das wir unsere wertvollen Medienmarken erhalten können. Gleichzeitig kann ich aber auch erklären, warum wir bei der BILD diesen Ansatz nicht verfolgt haben. Ich bin der Meinung, dass die Bezahlbereitschaft in dem Moment zunimmt, in dem die Leute daran interessiert sind, sich mit einem Produkt zu beschäftigen. Wenn ein Artikel interessiert, ist man auch bereit, seine Daten einzugeben und seine Bankverbindung zu hinterlassen.

Digital kompakt: Habt ihr je darüber nachgedacht, euer Wissen und eure Plattform zu lizenzieren?

Donata Hopfen: Ja. Darüber haben wir sehr viel nachgedacht. Theoretisch wäre das zwar genau das Richtige, praktisch sind die Systeme dahinter aber extrem kompliziert. Wir wissen alle, wie kompliziert Systeme sind. Eine einfache Schnittstelle, in der mal eben jemand angedockt werden kann, gibt es leider nicht. Wir arbeiten natürlich daran, aber das ist leider alles andere als einfach.

Welche Idee steckt hinter den „Volks“-Produkten der BILD?

Digital kompakt: Passend zu eurer Marke schafft ihr ja Volks-Produkte wie die Volks-Versicherung oder die Volks-Rasierer, die sehr erfolgreich sind. Ihr nutzt eure Reichweite, um auch E-Commerce-Ansätze zu verfolgen. Dabei handelt es sich aber nicht immer nur um reale Güter, sondern manchmal auch um virtuelle. Wie funktioniert dieser Ansatz für euch und wie kamt ihr darauf?

Donata Hopfen: Das Modell ist schon sehr alt. Wir haben es im Jahr 2003 oder 2004 mit dem ersten Volks-PC ins Leben gerufen. Wir haben überlegt, wie wir den Leuten helfen können, ins Internet zu kommen. Daraufhin haben wir beschlossen, einen einfachen und günstigen Volks-PC anzubieten und BILD-Inhalte mitzuliefern. Daraus hat sich im Lauf der Zeit ein Vermarktungsmodell entwickelt, was Volks-Rasierer, Volks-Notebooks, Volks-Kameras, Volks-Zahnbürsten, Volks-Datenspeicher oder andere Produkte sein können. Es ist ein Modell, das sehr gut funktioniert.

Wir sind dabei allerdings nicht der Händler, sondern arbeiten mit Händlern zusammen und bewerben die Produkte auf unsere eigene, spezielle Art. In unserem BILD-Shop machen wir in den Bereichen Technik und Sport eigene E-Commerce-Sachen. Wir sind immer auf der Suche nach neuen Geschäftsmodellen, weil sich das Geschäft immerzu neu erfinden muss. Wir machen natürlich auch Content Marketing, haben ein Brand Studio, mit dem wir sehr viel native machen und überlegen uns auch, wie wir den Bereich „Video“ nutzen können. Für uns ist die Innovationsführerschaft überhaupt nicht auf das Redaktionelle begrenzt.

Digital kompakt: Als Verlag denkt man also auch in die Richtung „Native Advertising“, will sagen in Richtung Vermarktung und Werbeerzeugung?

Donata Hopfen: Das geschieht durch die redaktionelle Unabhängigkeit bei Axel Springer natürlich in getrennten Teams und funktioniert hervorragend. Wir haben das BILD Brand Studio, in dem wir Konzepte für Kunden umsetzen. Das ist für uns wie gemacht und ich meine, dass wir das auch besser als viele andere können.

Ausblick: Wo sieht sich die BILD in fünf Jahren?

Digital kompakt: Ich finde diesen Ansatz sehr clever und eure Arbeit dahinter sehr konsistent und sinnvoll. Lass uns doch zum Abschluss einen kleinen Blick in die Kristallkugel wagen. Man überschätzt gerne, was man innerhalb von fünf Jahren schaffen kann, unterschätzt aber, was in zehn Jahren erreicht werden kann.

Welchen Umsatz werdet ihr deiner Meinung nach digital innerhalb der nächsten fünf Jahre generieren und welche Reisen werdet ihr eventuell noch antreten?

Donata Hopfen: Ich glaube, dass wir digital weiter unser Geschäftsmodell finden und uns entwickeln werden. Wir werden weiterhin mit Plattformen zu tun haben und wahrscheinlich stark ins Bewegtbild gehen. BILD ist keine Bewegtbildmarke und alles was wir da sowohl journalistisch, inhaltlich wie auch in der Vermarktung an zusätzlicher Story erzählen, ist für uns ein riesen Asset. Ich denke, das Thema „Rechte“ wird uns begleiten und eine andere Art des Life-Konsums von Content, auf den wir unsere Produkte stets neu anpassen werden.

Es ist heutzutage wirklich schwer, in der Medienwelt in fünf oder zehn Jahren zu denken, weil wir wissen, wie schnell sich der Markt wandeln kann. Aber ich glaube, dass BILD weiterhin die eine Content Destination und das größte Nachrichtenportal in Deutschland bleiben wird.

Digital kompakt: Ich danke dir, Donata, sehr herzlich, dass du mit uns deine Gedanken geteilt hast und ich danke dir, Katja, für deine kompetente Unterstützung. Viel Erfolg!

Donata Hopfen: Hat Spaß gemacht, danke!

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