Transkript zu:

E-Commerce Crossover

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Mai 16, 2017
Joel Kaczmarek, Jochen Krisch (K5 Konferenz) und Alexander Graf (Kassenzone) besprechen das Thema der Plattformökonomie: Was bedeutet Plattformökonomie, welche Perspektiven ergeben sich für den Handel und was kann man sich bei Amazon, Alibaba & Co. abschauen?

Inhaltsübersicht

Transkript zu:

E-Commerce Crossover

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Mai 16, 2017

Die Implikationen der Plattformökonomie

Joel Kaczmarek, Jochen Krisch (K5 Konferenz) und Alexander Graf (Kassenzone) besprechen das Thema der Plattformökonomie: Was bedeutet Plattformökonomie, welche Perspektiven ergeben sich für den Handel und was kann man sich bei Amazon, Alibaba & Co. abschauen?

Vorstellungsrunde und Einführung ins Thema

Digital kompakt: Hier sitzen zwei exzellente Podcaster und Branchenkenner an einem Tisch und wir wollen über E-Commerce sprechen. Stellt euch doch mal kurz vor.

Alexander Graf: Ja, erst mal vielen Dank für die Einladung. Ich bin Alex Graf, Gründer und Geschäftsführer von Spryker und Herausgeber von Kassenzone, wo wir auch einen Podcast führen.

Jochen Krisch: Ich bin Jochen Krisch von Exciting Commerce, danke ebenfalls für die Einladung. Exciting Commerce gibt es als Blog seit zwölf Jahren und die K5 Konferenzen, die sich inzwischen als Strategie- und Wachstumskonferenzen verstehen, haben auch einen ganz guten Stand in der Szene.

Die Strategiekonferenz K5

Digital kompakt: Wir wollen heute über das Thema Plattformökonomie sprechen, was auch auf der letzten K5 das Hauptthema war. Du weißt und schreibst zu diesem Thema sehr viel, gib uns daher doch bitte mal eine generelle Einführung ins Thema.

Jochen Krisch: Praktisch alles geht derzeit in Richtung von Plattformökonomien, was, so glaube ich, auch ein bisschen durch Zalando bewirkt wurde, das seine Plattform geöffnet hat. Jetzt hat sich Zalando quasi von einem Schuhhändler zum Modehändler und dann zur wirklichen Modeplattform gewandelt. Da sieht man im Prinzip auch, was dies an Möglichkeiten bietet in Bezug auf Zusatzerlösströme beziehungsweise auch auf Integration von Marken und lokalen Anbietern. Also wirklich auch ein Ökosystem drum herum zu machen. Das sind die Chancen für alle Beteiligten.

Was haben Markenhersteller für neue Möglichkeiten, an Kunden zu kommen oder sich in bestehende Systeme zu integrieren? Wie müssen sich Händler darauf einstellen und muss jeder Händler zu einem Marktplatz werden, was gerade Trend oder Tendenz ist? An diesen Aspekten sieht man, dass sich das gerade in den Branchenseiten komplett transformiert. Und es ist auch spannend zu betrachten, wer die Gewinner und die Verlierer sind.

Was ist Plattformökonomie und wie funktioniert das?

Digital kompakt: Plattformökonomie ist unser Dachthema. Was genau macht eigentlich eine Plattformökonomie aus und wie funktioniert das?

Alexander Graf: Ich habe so vor zehn Jahren angefangen, mich in der Otto-Gruppe mit dem Thema Zukunftsgeschäftsfelder auseinanderzusetzen, mit Exciting Commerce als Vorbild. Da war die Idee, dass es fixe Geschäftsmodelle online gibt, mit einem ganz eigenen Zugang zu Kunden und über ganz viele Eintrittskanäle. Das verändert die Ökonomieregel.

E-Commerce-Geschäftsmodelle sind oft gar nicht in der Lage, Kundenzugang exklusiv zu besitzen, sondern müssen sich das über die Plattform immer wieder anmieten. Eine Rent-the-Customer Economy. Deren Erlösströme verändern sich weg von konkreten ‚ich kaufe Ware, verkaufe Ware‘-Modellen hin zu ‚ich verkaufe eigentlich nur noch Kundenzugang‘-Modellen. Aber Kundenzugang ist eigentlich das zu besetzende und zu managende Asset, das können Plattformen sehr gut. Das verändert auch für ganz viele Player in diesem Umfeld die Spielregeln. Die Herausforderung ist, in irgendeiner Form aus ihrem Bestandskundenkreis ein stabiles Einkommen erlösen zu können. Die Aktivierungskosten der Bestandskunden haben sich irgendwann den Neukundengewinnungskosten angenähert.

Diese Branche ist ganz langsam in der Plattformökonomie angekommen. Es gibt für den Kunden keinen Grund mehr, sich für ein Produkt, Angebot oder für einen Service spezifisch an einen Anbieter zu hängen. Die kaufen das immer wieder frisch und neu ein.

Jochen Krisch: Die Rollen in dem Kontext sind wichtig. Ob man selber Plattformbetreiber ist oder sich in einer Plattform einnistet. Der Kundenzugang ist letztendlich der Schlüssel. Marktplatz ist das schwierigste Modell, aber Fixkosten und Aufwand sind niedrig. Vorbilder sind für mich die, die das rein auf Marktplatzebene geschafft haben. Zum Beispiel mit Prime bzw. Prime Now scheint Amazon einen Weg gefunden zu haben, zwei Plattformen zu haben. Davon profitiert aber auch Zalando, als Alternative und für eine andere Perspektive.

Aber ich glaube genauso an kleinere Player. Kleine Unternehmen, die zum Beispiel keinen Kundenzugang haben, aber extreme Kompetenzen in der Produktentwicklung. Aber nicht jeder muss eine Plattform werden. Auch die Abhängigkeit von einer Plattform ist nichts Schlechtes. Das reformiert und transformiert sich komplett und jeder muss seine Rolle immer wieder neu finden.

Alexander Graf: Was wir immer versucht haben und wo auch immer viele Marktteilnehmer dran scheitern, ist der Versuch, so eine absolute Wertung von gut/schlecht zu finden. Ist eine Plattform gut, ist eine Abhängigkeit gut oder ist sie nicht gut. Das ist unmöglich. Plattformen, auch wenn sie schon sehr groß sind, sind gezwungen, sich permanent neu zu erfinden. Aber es ist auch die Möglichkeit, um neu einzusteigen, wenn sich eine große Plattform neu erfinden muss. Auch als Chance für neue Markteintreter, sich mit neu zu erfinden und diesen Zugang neu zu designen.

Ich entwickle grade eine KPI [Key Performance Indikator = Leistungskennzahl]. Da jetzt mehr Unternehmen börsengelistet sind, kann man dadurch gut erkennen, wie viel von den Einnahmen eigentlich vom Service-Geschäft abhängen. Umso mehr sich Unternehmen dorthin entwickeln können, desto besser finde ich das. Ich finde Plattformen deutlich attraktiver als abhängig Beschäftigter in der Plattformökonomie zu sein.

Wie können Plattformen im GAFA-Umfeld bestehen?

Digital kompakt: Wie muss sich jetzt jemand eine Plattformökonomie bei einem großen Player wie Google, Apple oder Facebook, die den Markt beherrschen, vorstellen?

Alexander Graf: Je weniger Eigengeschäft generiert werden muss und je mehr Fremdgeschäft mein Ertrag ist, desto eher ist es eine Plattform. Bei Plattformen wie About You oder Zalando sieht man sehr konkret, wie viel Werbekostenzuschüsse eigentlich von den Herstellern in diese Plattform gehen. Also was bezahlt ein Hersteller möglicherweise dafür, um oben mit einem großen Banner präsent zu sein? Dann hat man ja als Plattform nachgewiesen, dass man so einen starken Kundenzugang hat, dass man teilweise besser als andere ist, um die Leute zu erreichen und zu transformieren. Das ist für mich der Start des Plattformgeschäftes.

Jochen Krisch: Ich stelle das vereinfacht mal so dar:

a) Es ist der Service-Gedanke. Also, kann ein Händler oder ein Anbieter in Services denken beziehungsweise in Zusatz-Services?

b) Ist er stark genug in diesen Services, um das auch Externen zur Verfügung zu stellen? Zum Beispiel Amazon hat alles ausgelagert. Weil es Grundservices sind, die sie selbst nutzen, aber sich stark genug in der Wettbewerbsposition fühlen, dass sie das auch auslagern können. Es kann nur ein durch Kundenzugang starker Player machen. Und durch technologische Komponenten.

Alexander Graf: Plattformen sind über ein sehr konkretes Geschäftsmodell entstanden. Als Unternehmen direkt Service Provider werden zu wollen, Zugang zu verkaufen und gar nichts auf Lager zu legen, das ist eine Abkürzung. Es kann sein, dass aus einem konkreten Geschäftsgedanke mal eine Plattform entsteht. Aber das darf nicht der treibende Gedanke sein. Das führt dazu, dass Projekte lange nicht umgesetzt werden, weil der Weg zur Plattform nicht klappt.

Jochen Krisch: Das ist auch die Falle. Daraus basiert ein Gründerbereich, dass man lieber einen Marktplatz anstatt einen Shop macht. Das ist schwer solange man kein Händler war. Die Marktplätze, die jetzt aus einer Handlungskompetenz heraus entstehen, sind aus meiner Sicht sehr viel relevanter und können nachhaltiger sein. Nur weil Zalando so ein starker Mode-Player war, können sie das im Modebereich machen. Wir sprechen nur deshalb über die ganzen Plattformmodelle, weil all die eine bestimmte Größenordnung erreicht haben. Mit wenig Umsatz muss man sich noch keine Gedanken machen, außer man ist eine ganz spezielle Nische.

Welche Nischen eignen sich für Plattformen im E-Commerce?

Digital kompakt: Nische ist ein gutes Stichwort. Gibt es bestimmte Nischen oder bestimmte Sparten, die sich besonders gut dafür eignen?

Alexander Graf: Es ist einfacher, eine Plattform in einem Bereich aufzubauen, in dem man eine hohe Kundenfrequenz hat und mit sehr speziellen Produkten. Die Plattformen, über die wir heute reden, zeichnen sich in ihrem Kern eigentlich dadurch aus, dass sie sehr oft gefragt sind.

Digital kompakt: Sagtest du nicht, dass Unternehmen zu Plattformen werden, wenn die Kundenreaktivierungskosten schon fast mit den Kundenaqkuisekosten gleich tendieren?

Alexander Graf: Die werden nicht zur Plattform, sondern die Nischen, Sortimente oder die Angebotskonzepte unterliegen dann bereits der Plattformökonomie. Dann ist es schon zu spät, die haben den Zeitpunkt ein bisschen verschlafen.

Jochen Krisch: Ich kann mir schon in jeglichen Bereichen eine Plattformen vorstellen. Ich sehe das alles als frühe Phase. Mit den Erfahrungen werden wir in ein paar Jahren noch einiges mehr sehen. Bei schnellen Themen geht es halt auch schneller. Auch Mode braucht man halt häufiger als bestimmte andere Produkte. Im Food-Bereich zum Beispiel. Da gibt es eine Dynamik, obwohl der Markt noch gar nicht so da und reif ist. Es muss etwas sein, das man aus Kundensicht dauerhaft integrieren kann, dann haben solche Plattformanbieter eine Chance.

In Bezug auf die Spezialisierung denke ich, dass man auf dem Rücken von der Plattform mit einer speziellen Produktkompetenz gut fahren kann. Spezialisierte Services eignen sich, um in Handelsplattformen oder anderen Plattformen integriert zu werden. Das sieht man bei den Lieferservices. Da geht es dann in Richtung Ökosystem. Es gibt Schwerpunktthemen, nicht einem muss die Welt gehören. Natürlich, die Allmächtigen sind so stark und groß, dass sie vieles selber stemmen können. Die Stärksten werden das Segment bedienen und die Integration ist dann letztendlich die große Herausforderung.

Zu den Punkten Marken und Hersteller: Anker als neu entstandene Marke profitiert nur davon, dass sie sich speziell auf Amazon einstellt. Aber auch bestehende Marken wissen, wie sie die Allmächtigen nutzen können.

Alexander Graf: Ich mache mal das Äquivalent zu den Herstellern: Chal-Tec hat eine Infrastruktur hergestellt, um auf Plattformen einen Markt zu schaffen. Das sind moderne Hersteller. Klassische Markenhersteller haben eine Marke und drum herum ein qualitativ hochwertiges Produktsortiment aufgebaut. Bei Chal-Tec sieht man, dass das Thema Produktentwicklungskompetenz schon kleiner ist. Die Kompetenzen haben sich massiv verschoben. Klassische Hersteller müssen sich daran orientieren und selbst weiterentwickeln.

Chal-Tec, Anker und die Effekte von Plattformökonomie

Digital kompakt: Was ist das Kern-Business von Anker und Chal-Tec?

Alexander Graf: Anker ist über mobile Akkus relativ groß geworden. Die haben gar nicht so ein großes Sortiment, bewegen sich aber auf einer dreistelligen Umsatzgrößenordnung in Dollar. Sie gehen über den Kanal Amazon und schieben den Traffic der eigenen Seite eher zu Amazon als in den eigenen Shop. Chal-Tec ist eine Infrastruktur, um Marken in aufstrebenden Produktbereichen zu schaffen. Ganz ohne Produktentwicklungskompetenz geht es nicht, aber am Ende zählt mehr Plattformkompetenz.

Jochen Krisch: Chal-Tec geht auch nach den Kundenbedürfnissen, z.B. bestimmte Design-Komponenten. Und Anker ist wie KW-Commerce. Es ist eine Gründergeneration. In der Online-Generation wird keine Marktforschung gemacht, sondern über Suchanfragen getestet, welche Themen funktionieren. Chal-Tec ist da auch reingewachsen. Sie haben sehr viel mit aktionsgetriebenen Konzepten gemacht und sind irgendwann auf diese Schiene Brand Building gestoßen. Es sind eigenentwickelte Produkte, bei denen sie den Zugang zur Produktion haben und das nachfrageorientiert aufbauen können.

Alexander Graf: Viele Markenhersteller befinden sich in dieser Preisspirale, aufgrund der klassischen Dispositionslogiken. Es kommen immer wieder günstigere Graumarktimporte in die Plattformen. Und dann braucht man so Typen wie von Chal-Tec, um neue Marken aufzubauen. Das braucht keine Millionen, um irgendeine Produktion hochzufahren und zu managen. Es braucht eine Idee, ein Konzept und ein bisschen Zeit, um dich in den Plattformen neu zu etablieren. Amazon dominiert die Diskussion, da darf man sich nicht ablenken lassen. Das ist ein ganz konkreter Effekt der Plattformökonomie.

Warum begeben sich Plattformen in die Abhängigkeit von Amazon?

Digital kompakt: Warum leitet ein Unternehmen wie Anker seinen eingekauften Traffic eher auf Amazon als auf seinen eigenen Shop? Die Margen sind bei einem selbst besser und zudem führt es in ein Abhängigkeitsverhältnis.

Alexander Graf: Seinen eigenen Shop aufzubauen, um dort mit einer neuen Marke Traffic zu akquirieren, ist sehr teuer und sehr aufwendig. Man sollte sich mit seinem Bereich eine gute Positionierung und hohe Stückzahlen bei z.B. Amazon erarbeiten. Jedes Stück was dort nicht verkauft wird, ist eine Gefahr für das Ranking. Das Ranking besteht aus der Anzahl der Sterne und der Bewertungsqualität, also die Anzahl der Bewertungen und Verkäufe. Die Produkte im eigenen Shop sind gar kein strategischer Wert mehr.

Für solche Konzepte und für solche Kategorien bleiben im Wesentlichen Plattformen. Der eigene Shop ist mal für eine Sonderaktion oder für Produkt-Testing relevant. Die, die einmal bei Amazon oben auf Platz eins sind, die müssen um den Platz kämpfen. Das ist der eigentliche Wert ihres Business.

Jochen Krisch: Was sie auszeichnet ist, dass sie im digitalen Kontext um ihre Stärken und Schwächen wissen. Sie wissen, wo sie mit Amazon mithalten können. Man muss die Abwicklung und alles, was Amazon eben wirklich meisterlich beherrscht, in ähnlicher Qualität hinbekommen und dann ist man in einem Spagat drin. Es gibt auch genügend Argumente dagegen. Aber wenn man sich auf das Amazon-Universum einlässt, dann ist das eine gute Strategie. Aber eine super agile.

Alexander Graf: Das ist ein Problem für die meisten analogen Unternehmen. Auch wenn Amazon ein Business nur drei Jahre hat – in diesen drei Jahren verdienen sie Geld, können sich neu erfinden, können auch andere Bereiche aufbauen und auch auf andere Plattformen gehen. Lieber beherrschen sie diese digitale Kompetenz in diesen Plattformen und erfinden sich dort neu und bleiben dort ganz vorne, als in einen möglicherweise überholten strategischen Modus zu gehen.

Noch mal einen eigenen Shop zu bauen und diese ganzen Traffic-Kanäle zu bespielen, da braucht man auch wieder andere Leute und technologisches Know-how dafür. In der Plattformökonomie ist eine nachhaltige Investition nicht möglich. Es gibt kein stabiles Szenario. Leute, die das managen können und die Infrastruktur haben, die gewinnen halt in diesem Umfeld.

Jochen Krisch: Das ist eine ganz unbefriedigende Perspektive, die man denen geben kann. Das ist aber in allen digitalen Bereichen schon sehr lange so. Deswegen ist es auch absolut notwendig, neue Plattformkonferenzen, andere Formate und schnellere Zyklen zu bekommen. Weg von der klassischen Beraterdenke, Entscheidungen für zehn, zwanzig Jahre zu treffen.

Alexander Graf: Wir machen eine Best-Practice-Plattformanalyse. Alle suchen ein stabiles Modell und versuchen, es in PowerPoint Charts runter zu brechen und zu bewerten. Aber das funktioniert nicht. Diese alten Werkzeuge wie Excel und Best-Practice-Analysen, die funktionieren in diesem Markt nicht mehr. Die führen in die Irre.

Welche wirtschaftlichen Gefahren lauern hinter den GAFAs?

Digital kompakt: Du meintest, dass das Startup-Programm in Deutschland das Crack von Amazon wäre, um die in ihr Programm reinzuziehen. Also, umso weiter man sich in diese Welt reinbegibt, desto abhängiger ist man und desto enger wird diese Spirale.

Alexander Graf: Aber vielleicht gibt es kein besseres Crack. Da muss man gucken, mit was Amazon da eigentlich wirbt und was eigentlich dahinter steckt. Für einige Businesses und Services ist es ein kluger Weg, Amazon einfach nur als Transaktionsplattform zu sehen und Werbewert mitzunehmen. Ich habe aber noch kein Szenario gesehen, in dem Amazon partnerschaftlich mit dem Hersteller oder dem großen Händler umgeht und die dann gemeinsam groß werden. Dafür liegen die Interessen einfach diametral auseinander. Wer sich dessen nicht bewusst ist, begibt sich in eine Abhängigkeitsposition.

Jochen Krisch: Die großen Plattformen tun ja alles, um frühzeitig Startups zu erkennen, die aufzukaufen und zu integrieren. Das heißt, auch in dem Segment ist durchaus noch ein Wettbewerb da und wird sich etwas verändern. Den Todes- und Überszenarien folge ich gar nicht, weil ich glaube, dass wir da auch schon wieder in 10-, 20-Jahres-Schritten denken müssen. Der Gesamtmarkt wird super spannend mit einer unheimlichen Dynamik und einem unheimlichen Fortschritt durch alle, die da mitgehen können. Und es muss jeder mitgehen, weil man sein Geschäft ja weiterbringen muss.

Die besten Beispiele, wie E-Commerce NICHT funktioniert

Digital kompakt: Habt ihr noch so ein paar Paradebeispiele für eine Anwendung, wie man es vielleicht nicht machen sollte?

Alexander Graf: Es gibt direkt abhängige Hersteller von Amazon, die das nicht gut gemanagt haben. Die jetzt in dieser Abhängigkeitsfalle sind und nur noch hinterher verhandeln. Die es nie aktiv gemanagt haben und die sich auch um keine Risikomedikation gekümmert haben. Es gibt sehr viele Strategien und Unternehmen, die versucht haben, eine Anti-Amazon-Strategie zu entwickeln. Da wurde eins zu eins Amazon-Funktionalität auf einer Plattform angeboten, wobei keiner drüber nachgedacht hat, ob es für den Kunden Sinn macht. Warum kauft der Kunde nicht? Weil nicht so viel Verfügbarkeit da ist und der Preis doch nicht so gut wie bei Amazon ist. Da wurde sehr viel Geld in falsche Richtung investiert.

Für mich persönlich ist das immer das Thema Multichannel/Omnichannel, was auch mal als Anti-Strategie gestartet ist. Wenn ich über alle Kanäle aktiv bin, dann habe ich einen Vorteil in den Kundenakquisitionskosten und den Marketingkosten, dann werden die Kunden schon zurückkommen. Das hat nicht geklappt. Viele Sachen werden gebaut, die nicht aus Kundensicht gedacht sind.

Jochen Krisch: Der Fehler war und ist immer die Feature-Orientierung. Dass man sich Vorbildseiten anguckt und auf Best Practices fixiert ist. Ich glaube, es ist die klassische Beraterwelt, die sich einfach viel zu sehr daran orientiert. Das fängt schon an, wenn man den Best Practice als besten Check-out sieht oder die beste Seite oder das beste Shop System. Als ob es am Shop System hängen würde. Ohne Strategie hilft das beste Shop System nichts. Es ist sehr oberflächliches Digitalverständnis da, was entweder auf der technologischen Ebene oder auf einem Pseudodigitalverständnis passiert. Wenige sind so offen, dass sie das wirklich mal unvoreingenommen anhören und das dann aber nicht eins zu eins übertragen, sondern auf die eigene Welt transferieren. Ich glaube, das wäre der Weg.

Digital kompakt: Also, wer heute noch an einem Best Practice Projekt sitzt und eine neue Website designt, der scheint einiges an Markt überlesen zu haben.

Welche Kompetenzen braucht man, um im E-Commerce Erfolg zu haben?

Digital kompakt: Was wären denn Kompetenzen, um in dieser Plattformökonomie bestehen zu können?

Alexander Graf: Man kann sich bei Chal-Tec und Zalando schon ein bisschen angucken, was man für Leute braucht. Dinge müssen einfach schnell, innerhalb von wenigen Monaten, passieren. Diese ganzen kleinen Sachen in der Entscheidungsfindung. Einfach mal in’s Machen kommen. Dann wird man ja sehen, was einem noch fehlt. An diesen Entscheidungsprozessen scheitert es aus meiner Sicht am ehesten.

Jochen Krisch: Sobald die Masterplandenke weg ist, kommt man auch in den richtigen Modus. Die Kunst ist, so schnell zu lernen, dass man möglichst schnell auf ein professionelles Level kommt. Deswegen fasziniert mich zum Beispiel der Startup-Gründerbereich sehr. Da sieht man, wie unheimlich professionell die Strukturen und Technologien aufbauen.

Digital kompakt: Man merkt, dass der Wind, der einem hier entgegenwirkt, eisiger wird. Wir haben sehr schöne viele kleine und auch ein paar große Takeaways mitgenommen. Wo man wirklich merkt, dass es an vielen Stellen um Agilität geht. Alex und Jochen, vielen Dank für euer Wissen und eure Zeit! Bis zum nächsten Mal!

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