Verkaufen bei Amazon: Seller Central, Vendor Central oder Vendor Express?

Wer bei Amazon verkaufen möchte, hat dazu gleich mehrere Möglichkeiten – von Marktplatzvorgehen bis hin zu Wholesale. Digital kompakt gibt einen Überblick der Verkaufsmöglichkeiten bei Amazon und ordnet deren Vor- und Nachteile entsprechend ein.
Amazon Seller Central vs. Vendor Central
Verkäufern bietet Amazon unterschiedliche Programme mit je eigener Ausrichtung:
- Amazon Seller Central: Händler verkaufen ihre Produkte auf Amazons Marktplatz und agieren damit als Marktplatz-Verkäufer bzw. Drittanbieter – sie können ihren Produktverkauf managen, erhalten Statistiken und bei Verkäufen regelmäßige Zahlungen von Amazon
- Fulfilled by Amazon (FBA): Seller Central ist auch in einer Variante verfügbar, bei der Amazon sich um Versand, Kundendienst und Rückgaben kümmert und dies den Kunden kommuniziert (Stichwort Kundenvertrauen)
- Amazon Vendor Central: Hersteller verkaufen ihre Produkte in größeren Mengen direkt an Amazon, das diese weitervertreibt und Marketingmaßnahmen auf Amazon sowie Ergänzungen der Produktbeschreibung bietet („A+ Content“) – Zutritt erfolgt nur auf Einladung
Während der Marktplatzansatz von Amazon Seller Central sich also an Händler richtet, die eine direkte Kundenbeziehung besitzen, tritt bei Vendor Central Amazon als Verkäufer der Waren auf, weshalb der Dienst sich auch vielmehr an Hersteller denn Händler richtet. Konkret unterscheiden sich Amazon Seller Central und Vendor Central dabei wie folgt:
Amazon Seller Central | Amazon Vendor Central |
---|---|
• jeder kann verkaufen | • nur auf Einladung |
• richtet sich vor allem an Händler | • richtet sich vor allem an Hersteller |
• schnelle Bezahlung | • standard Payment Terms |
• mehr Inventar- und Preiskontrolle | • weniger Preiskontrolle |
• kein A+ Content | • Möglichkeit zu A+ Content |
• Marketing-Vorgänge müssen außerhalb von Amazon erfolgen (SEA, Facebook usw.) | • Zugang zu Amazon-Marketing-Methoden |
• Potenzial auf höhere Margen | • Potenzial zu größeren Volumen |
• Kontrolle über Listungen und Inventarversand | • Versandabwicklung und Preisgestaltung durch Amazon (außer bei "direct fulfillment" in den USA) |
Glaubt man dem Feedback aus der Branche, kontaktiert Amazon viel versprechende Seller-Central-Händler recht schnell und versucht sie für das Vendor-Programm zu gewinnen. Doch da es nicht möglich sein soll, aus dem Vendor Programm zurück zu Amazon Seller Central zu wechseln (umgekehrt geht dies immer, sofern der Händler dafür in Frage kommt), lohnt es sich, die Vor- und Nachteile von Amazon Vendor Central einmal genauer zu betrachten.
Die Vorteile von Amazon Vendor Central
- Customization: nur Vendor Central ermöglicht es, den eigenen Content erweitert aufzubereiten (A+ Content), etwa anhand längerer Beschreibungstexte, zusätzlicher Produktbilder, Videos oder Vergleichstabellen; Seller Central ermöglicht derweil nur rudimentäre HTML-Ergänzungen
- Marketing: Kunden von Vendor Central können auf Amazons Marketing-Tools wie Amazon Advertising oder Amazon Marketing Services zurückgreifen, was aus Wachstumssicht sehr attraktiv ist, zumal diese mangels Auslastung noch sehr günstig zu buchen sein sollen
- Kundenvertrauen: der Hinweis auf die Umsetzung durch Amazon erhöht das Kundenvertrauen, was sich in den Conversion und Sales Rates recht deutlich widerspiegeln soll
- Verkaufsvolumen: Amazon kauft das Inventar upfront, sodass man eine große Produktanzahl auf einmal verkauft, anstatt länger auf individuelle Sales zu warten
- Prime-Berechtigung: Der Versand durch Amazon ermöglicht Kunden die Wahrnehmung ihrer Prime-Vorteile, was für viele Kunden von hoher Bedeutung ist und Conversion sowie Zahlungsbereitschaft erhöht – trifft aber auch auf Fulfilled by Amazon zu
Die Nachteile von Amazon Vendor Central
- Kontrollverlust: da Amazon seinen Vendors ihre Produkte abkauft, kann es über die Preisgestaltung auf der Plattform selbst bestimmen – dabei tritt es zwar nicht als Preistreiber auf, ist aber erster Preisfolger, wenn ein anderer Anbieter den Preis des Produktes senkt
- Abhängigkeit: Auf lange Sicht wird eine hohe Abhängigkeit von Amazon produziert, die sich nicht ohne weiteres wieder aufheben lässt, denn stellt der Hersteller seine Aktivitäten bei Amazon ein, gehen ihm unmittelbar Einnahmen verloren und er läuft Gefahr, dass Amazon anstatt seiner Produkte entsprechende Alternativen empfiehlt
- Lock-up: Amazon erlaubt es Vendor-Kunden angeblich nicht, wieder zu Amazon Seller Central zurück zu wechseln, wer einmal in dem Vendor-Gefüge verortet ist, kann das Programm und seine Abhängigkeiten also praktisch nicht mehr verlassen
- Analytics: Während Seller Central recht gute Produkteinsichten bietet, muss bei Vendor Central für etwas entsprechendes gezahlt werden, sofern der Partner gewissen Auflagen entspricht
- Logistik: als Teilnehmer von Vendor Central muss ein Hersteller seine Produkte an Amazon-Lager liefern, was den Koordinationsaufwand erhöhen und bei Ladenhütern sogar zu Gebühren führen kann; hinzu kommt eine Kontroverse um Amazons Ausgleichszahlungs-Programm, das Strafzahlungen vorsieht, wenn ein Hersteller nicht alle Produkte sachgemäß an Amazon liefert
- Payment-Zyklus: Amazon soll mit den meisten Vendors einen Payment-Zyklus von 90 Tagen aushandeln, was cashflow-seitig schnell zur Herausforderung werden kann
- Transparenz: Amazon erhält tiefere Einsichten in die Profitabilität und Nachfrage eines Produkts, was bei vielen Herstellern die Sorge erzeugt, Amazon könne durch Eigenmarken selbst zum aktiven Wettbewerber werden – entsprechendes ist zwar auch bei Seller Central denkbar, doch ergeben sich dort im Gegensatz zum Wholesale-Ansatz nicht so umfangreiche Einsichten in die Profitabilität
- Anpassungen: zwar sieht Vendor Central umfangreichere Editierungsmöglichkeiten bei der Produktaufbereitung vor, doch sobald ein Produkt live ist, muss Amazon für nachträgliche Änderungen direkt kontaktiert werden
Amazon Vendor Central vs. Vendor Express
Parallel zu Amazon Vendor Central bietet der Onlineshop aus Seattle seit Ende letzten Jahres auch in Deutschland sein Parallelprodukt Vendor Express an, das zur Teilnahme keiner Einladung seitens Amazon bedarf, dafür aber auch weniger Möglichkeiten als der große Bruder Vendor Central bietet.
Ausgerichtet auf eher neuere Produkte von kleinen Herstellern und Startups übernimmt Amazon bei Vendor Express eine Reihe von Aspekten:
- Lagerung und Bestellabwicklung der Produkte
- Kundenservice und Retourenmanagement
- Integration in Katalog und Suche
- Automatische Preisermittlung
- Versandvorteile für Prime-Kunden und Bestellungen ab 25 Euro
- unterschiedliche Marketing-Dienstleistungen
Die Kernvorteile für Teilnehmer von Vendor Express liegen also vor allem darin, ohne Kosten an die Serviceleistungen von Amazon zu gelangen (Marketing, Prime-Vorteile, Abwicklung etc.). Amazon kauft auch hier die Produkte direkt ab und kümmert sich um Versand, Vermarktung, Kundenservice und Retouren. Dafür steht Vendor Express Teilnehmern bisher kein A+ Content zur Verfügung.
Fazit: Welches System passt wann?
Welcher Amazon-Ansatz sich für einen Verkäufer empfiehlt, ist freilich von dessen Ausrichtung und Strategie abhängig, doch lässt sich ablesen, dass Amazons Vendor-Programm aufgrund der Amazon-Abwicklung, Marketingtools und des A+ Contents kurzfristig ein massives Wachstum erlaubt, dieses aber langfristig in eine ebenso massive Abhängigkeit von Amazon mündet.
Für viele Verkäufer dürfte also eine Marktplatzaktivität auf Seller Central mit FBA-Ansatz (Amazon übernimmt das Fulfillment) der sinnvollste erste Schritt sein, zumal Produkte so „Prime-berechtigt“ werden (was auf Kundenseite viel Bedeutung hat) und gleichzeitig die Flexibilität bei Preisgestaltung und Abverkauf erhalten bleibt. Amazons Marketing-Unterstützung fehlt in diesem Szenario allerdings, sodass auf externe Kanäle wie Facebook oder SEA gesetzt werden muss.
Bildmaterial:
Sehr übersichtliche Zusammenstellung von Euch – echt cool. Durch die steigende Anzahl der Einladungen durch Amazon ins Vendor-Programm fragen sich viele Händler, was der richtige Schritt für sie wäre – hier ist es echt gut und übersichtlich zusammengestellt.
Tipp: Bei jeder Einladung durch Amazon ausführlich informieren und von Experten beraten lassen 🙂
Wir sind vendor und können davon nur abraten. Amazon behält sich unmengen an geldern ein, stichwort provision für recievebals sowie angeblicher ware die nicht eingegangen ist, nicht nachvollziehbare rechnungskürzungen, abzüge von rechnungen die nicht nachvollziehbar sind, etc. Wir haben 3 vollzeit mitarbeiter die sich nur darum kümmern das amazon die rechnungen bezahlt. Wir versuchen zurzeit wieder auf sellercentral umzustellen aber wenn amazon einen erstmal in den fittichen hat… Prost
Hi Joel,
danke für die Top Übersicht sowie deine ausführliche Pro-Contra Beleuchtung! Seller vs. Vendor wird ein immer heiß diskutierteres Thema und viele Händler sollten die Vor- bzw. Nachteile beider Möglichkeiten ganz genau beleuchten, bevor sie beginnen auf Amazon zu verkaufen.
Ich kenne beiden Seiten aus langjähriger Erfahrung: „Goldenes Vendor Central Käfig“ vs. „unabhängige Seller Central Spielwiese“ – fragt sich schlichtweg wo sich der jeweilige Händler mehr Vorteile verspricht, denn Nachteile sind immer dabei.
Was ist deine Meinung dazu?
Beste Grüße und ein schönes Wochenende,
Timo
Also das Feedback, das ich immer bekommen habe, ist dass die meisten halt so lange wie möglich versuchen, im Seller-Bereich zu bleiben, weil du deine Preise so einfach selbst bestimmen kannst. Goldener Käfig trifft es da bei den Vendoren vermutlich :-).
Gruß
Joel