Die Israel DNA: 10 Ursachen israelischer Technologiestärke

Die Israel DNA: 10 Ursachen israelischer Technologiestärke

Israel und insbesondere Tel Aviv ist zu einem wirtschaftsstarken Kompetenzzentrum innerhalb der europäischen Technologie- und Digitalszene herangewachsen. Doch was sind die Hintergründe, Umstände und Ursachen dieser Erfolge und inwieweit lassen sich diese replizieren?

Im Dezember hat digital kompakt Israel im Rahmen einer vom israelischen Außenministerium organisierten Delegationsreise deutscher Führungskräfte besucht und ist dabei diesen Fragen nachgegangen. Aus Vorträgen und Gesprächen mit israelischen Startups, Universitätsvertretern, Investoren und der Außenhandelskammer, ist so eine Liste von zehn Ursachen entstanden. Das Ergebnis: Es gibt aus der Geschichte des Staates heraus eine gewisse Israel-DNA, die auch für Startups sehr relevant ist und sich durchaus adaptieren lässt.

#1 Israel selbst ist ein Startup

Auf gewisse Art kann Israel selbst als ein Startup betrachtet werden. Der Staat ist noch denkbar jung und muss immer wieder um seine Existenz kämpfen. Wer es gewohnt ist, sich auf eine solche Art durchzukämpfen und dies von seinem Staat kennt, geht auch Unternehmen in dieser Weise an.

#2 Das Militär als Technologieschmiede

Israels Lage brachte es mit sich, das ein dezidierter Hightechfokus quasi aus der Not heraus geboren wurde. Es bestand dauerhaft eine militärische Notlage und man hatte vor Boykotts von außen ähnlich viel Angst wie vor Wasser- und Nahrungsmittelknappheiten. Hinzu kam eine profunde Masseneinwanderung. All dies machte rasche Fortschritte der internen Forschung und Entwicklung wichtig und ließ das Militär zu einer Technologieschmiede werden, aus der sich zahlreiche Defense-Spin-offs formten. Glaubt man der israelischen Außenhandelskammer, investiere Israel 4,3% seines Bruttoinlandprodukts in Forschung und Entwicklung – zum Vergleich: bei Deutschland seien es 2,6%.

#3 Den Status Quo herausfordern

In Israel ist der Militärdienst in der „Zahal“ („Verteidigungskraft Israels“) sowohl für Männer (drei Jahre) wie auch Frauen (21 Monate) Pflicht. Und da sich das Handeln in der Armee um die unbedingte Komplettierung der jeweiligen Mission dreht, geht es in die kulturelle Identität über, Realität und Status Quo herauszufordern und mit Veränderung zu leben. Dazu kann und soll auch improvisiert werden, immerhin ist kein Plan je final. Entscheidungen müssen getroffen und sich der Realität angepasst werden, weshalb junge Menschen missionsorientiert aus der Armee kommen und dies mit in ihr Startup bringen.

#4 Eine Kultur des Scheiterns

Abgeleitet aus Israels jungem Bestehen und der speziell beim Militär erlebten Unsicherheit vieler Umstände, ist es in Israel in Ordnung zu scheitern. Zumal man stetig im Risiko lebt, ist auch das Risiko des Scheiterns Teil des Alltags. Scheitern gilt dabei vielmehr als eine Bereicherung, weshalb Investoren dies sogar in der Vita ihrer Gründer präferieren. Risiken nicht zu scheuen ist eine jener Eigenschaften, die sich wohl insbesondere deutsche Gründer von Israel abschauen können.

#5 Starke staatliche Anreize

In Israel setzt der Staat starke Anreize zur Unterstützung von Startups und bietet an verschiedenen Fronten Hilfe. Da wäre zum einen das Yozma Programm zu nennen, eine 1993 gestartete Regierungsinitiative, die ausländischen Venture-Capital-Investments starke Steueranreize und eine Verdopplung der Summe durch den Staat anbietet. Zum anderen wäre da das 1991 gestartete staatliche Inkubatorenprogramm. Insgesamt 24 Inkubatoren entstanden (davon 22 technologische) und sollen seitdem ermöglichen, dass Unternehmen im Ideenstatus finanzierbar werden. Anhand dieser und weiterer Maßnahmen unterstützt der israelische Staat intensiv bei der Gründung von Technologieunternehmen.

#6 Große Mengen Venture Capital

Zusätzlich zu seinen staatlichen Anreizen, blickt Israel auf große Mengen verfügbaren Kapitals. Zum einen besteht seit langem eine große Nähe zu US-amerikanischen VCs, zumal Israel sich in der Vergangenheit intensiv für international agierende Konzerne geöffnet und sich über die Jahre eine dezidierte Technologieexpertise erworben hat. Und durch sein Yozma Programm (siehe #5) gelang es dem Mittelmeerstaat darüber hinaus, zwischen 1991 und 2000 seine jährlichen Risikokapitalausgaben nahezu zu versechzigfachen – von 58 Millionen Dollar auf 3,3 Milliarden, was Israel bis 1999 weltweit auf Rang zwei katapultierte, was den Anteil von investiertem Private-Equity-Kapital am BIP angeht.

#7 Ein gut entwickeltes Ökosystem lockt viele Akteure

Ausgehend von seinen staatlichen Anreizsystemen und der militärbedingten Technologiestärke etablierte sich in Israel ein sehr gut entwickeltes Ökosystem, das insbesondere viele universitäre Exzellenzzentren beinhaltet: Darunter etwa das Technion-Israel Institute of Technology in Haifa, das Weizmann Institute of Science in Rehovot, die Hebrew Universität in Jerusalem sowie Universitäten in Haifa, Beer Sheba, Tel Aviv oder Ramat. Das entstehende hohe Bildungsniveau in Verbindung mit der attraktiven Förderung lockte nicht nur Geldgeber sondern auch viele ausländische Firmen, die einen Teil ihrer Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten nach Israel auslagerten.

#8 Think Big: Sofortige Internationalisierung

Insofern Israel selbst nur einen kleinen, lokalen Markt stellt, arbeiten die meisten israelischen Startups von Beginn an international. Da ihnen lineares Wachstum keinen ausreichenden Erfolg bescheren würde, entwickeln sich Startups daher zu einer Art Mini-Multinationals und recherchieren dafür intensiv auf dem US-Markt.

#9 Chuzpe: Autoritäten herausfordern

Chuzpe bedeutet so viel wie direkt, gerade heraus sein, Wikipedia definiert es „als eine Mischung aus zielgerichteter, intelligenter Unverschämtheit, charmanter Penetranz und unwiderstehlicher Dreistigkeit“. Im Kern dreht sich das israelische Chuzpe vor allem darum, Autoritäten herauszufordern. Autorität ist in Israel nicht sehr geachtet, weil Juden mit staatlicher Autorität schlechte Erfahrungen gemacht haben und im Militär oft gleichgeschaltet werden, zumal sonst gekannte Autoritätsrollen dort vertauschbar sind. Im Hebräischen gibt es auch kein Wort für „Sie“. Israelis haben daher keine Angst, selbst im Konzeptstatus an große Türen zu klopfen und führen gerne rege Diskussionen.

#10 Firgun: Eine Art unternehmerische Nächstenliebe

Firgun ist ein weiterer israelischer Begriff, den deutsche Unternehmer sich merken können. Er bezeichnet den Akt des Teilens oder sogar das Beitragen zum Glück und Erfolg anderer – einfach aus Großzügigkeit heraus und ohne Neid. Diese Form des Sich-helfens ist unter israelischen Startups verbreitet und hat sogar zu einer Firgun-Bewegung geführt.


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