Von Kleinanzeigen bis Wholesale: Die Evolution des Marktplatzmodells

Marktplätze stellen eines der beliebtesten Geschäftsmodelle der Digitalbranche dar. Digital kompakt betrachtet die Evolution des Modells, das von Kleinanzeigenportalen über Lead-Generation-Modelle bis hin zu Wholesale-Ansätzen reicht.
Mitte der 1990er: Kleinanzeigenportale
Den Anfang des Marktplatzmodells bildeten Kleinanzeigenportale, die Angebot und Nachfrage im Anzeigenformat zusammenbringen und über eine Provision verdienen. Typische Beispiele sind ImmobilienScout24 oder Mobile.de, die sich auf spezifische Bereiche (Immobilien, Autos usw.) fokussieren.
Der Charme des Modells liegt dabei in dem Umstand, dass sich sehr schnell ein guter Cash-Flow einstellt, während die Unternehmen selbst keinerlei Abwicklungsaufwand fürchten müssen. In Verbindung mit der Tatsache, dass sich bei entsprechendem Wachstum Lock-in-Effekte einstellen, die zu einer Monopolstellung führen können, ist das Modell dadurch sehr attraktiv.
Ab 2000: Lead Generation
Dem folgten ab den 2000er Jahren dezidierte Lead-Generation-Marktplätze, die sich darauf konzentrieren, Angebot und Nachfrage zusammenzuführen und dann von einer Seite eine Provision für die Vermittlung eines Leads zu erhalten. Die Kernaufgabe dieser Anbieter besteht folglich darin, Leads zu akquirieren und dann entsprechend ihrer Nachfrage zu kanalisieren, um für ihre Weitervermittlung bezahlt zu werden.
Beispiele dafür sind Preisvergleiche wie Check24 oder TopTarif, deren Geschäftsmodell auf einem Click-in-Click-out-Ansatz basiert: Clicks werden eingekauft und anschließend als Outbound-Traffic weiterverkauft, mit dessen weiterer Monetarisierung die Plattform dann nichts mehr zu tun hat. Die Leistung eines Lead-Generation-Marktplatzes beschränkt sich folglich auf die Qualifizierung von Leads zur Weitergabe.
Ab 2005: Transaktionsmarktplätze
Dem folgten ab etwa 2005 Transaktionsmarktplätze, die ihr Geld mit dem Aufbau eines Dienstleistungs- oder Wareninventars verdienen, das sie mit möglichst wenig Reibung über internationale Märkte hinweg monetarisieren. Beispielhaft lässt sich dies an Unternehmen wie Airbnb oder Delivery Hero nachvollziehen, die Wohnunterkünfte (Airbnb) und Restaurants (DeliveryHero) auf ihrer Seite sammeln und anschließend an Kunden vermitteln.
Für die Vermittlung einer Transaktion erhalten sie eine Provision und übernehmen im Prozess mitunter weitere Prozessschritte wie die Buchung oder die Zahlungsabwicklung. Im Gegensatz zu Lead-Generation-Marktplätzen geben Transaktionsmarktplätze nicht bloß einen Kunden an einen oder mehrere Anbieter weiter, sondern befördern das Lead-Nurturing bis zum Transaktionsabschluss. Erst wenn eine Transaktion stattgefunden hat, erhält auch der Marktplatz seinen Anteil.
2013: Operations-orientierte Marktplätze
Eine Ausbaustufe der Transaktionsmarktplätze bilden Marktplätze, die man als Operations-orientiert bezeichnen könnte und deren Funktionsweise anhand von Beispielen wie Foodora oder Deliveroo verständlich wird: Operations-orientierte Marktplätze übernehmen einen Teil der Operations, also der operativen Umsetzung des Geschäfts für ihre Partner.
So wird ein Foodora/Deliveroo etwa von Restaurants für die Vermittlung und Auslieferung von Bestellanfragen bezahlt. Operations-orientierte Marktplätze gehen also noch einen Schritt weiter in der Übernahme von Aufgaben innerhalb der Prozesskette und erhalten dafür höhere Provisionen und steuern die Kundenerfahrung stärker. Auch Unternehmen wie Shopwings oder Bonativo können zu dieser Kategorie gezählt werden.
2014: Vertikal integrierte Marken
Konsequent zu Ende geführt wird die Übernahme von Prozesskettenaufgaben durch vertikal integrierte Marken: Diese verantworten die gesamte Transaktion und bilden den einzigen Berührungspunkt des Kunden. Dennoch setzen sie die wesentlichen Aufgaben der Transaktion meist nicht selbst um, sondern geben diese an Partner weiter, die sie dafür mit einer Provision entlohnen.
Bekanntestes Beispiel dieses Vorgehens ist wohl die Umzugsplattform Movinga, die Umzüge an Speditionen vermittelt, dabei aber die gesamte Prozesskette managt und die Kundenerfahrung kontrolliert. Andere Beispiele bieten etwa Thermondo, das beim Thema Heizungseinbau sogar eigene Monteure beschäftigt, der Handwerkerdienst Homebell, der Autoreparaturvermittler Caroobi oder das Busunternehmen Flixbus.
2015 Wholesale-Marktplätze
Ein Trend, der sich in der jüngeren Vergangenheit stärker abzeichnet, sind derweil Marktplätze, die ihr Geschäft als Wholesale betreiben, Waren also etwa bei Privatnutzern ankaufen und dann als Großhandel an Geschäftskunden weiter vertreiben. Die populärsten Beispiele dafür finden sich im Bereich der Gebrauchtwagen, wo die Auto1 Group bei Privatnutzern Autos ankauft, um sie dann an Händler weiter zu verkaufen. Ganz ähnlich handhaben dies Webuyanycar.com, DealerDirect oder das anscheinend von Rocket beförderte Carmatch.
Wholesale-Marktplätze erweitern das Marktplatzgeschäft dabei häufig um eine Arbitrage-Komponente, indem sie sich variierende Preisgefüge in unterschiedlichen Märkten zunutze machen, etwa wenn Gebrauchtwagen in Deutschland angekauft und in Frankreich teurer weiterverkauft werden.
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