
Hinter den Kulissen des Erfolgs von Top-Managerin Anna Sophie Herken
27. Oktober 2022, mit Joel Kaczmarek
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Intro: Digital kompakt. Heute aus dem Bereich Selbstoptimierung mit deinem Moderator Joel Kaczmarek. Los geht's.
Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek, ich bin der Geschäftsführer von Digitalkompakt. und heute mal wieder eine Folge, wo ich von einer erfolgreichen Person versuche zu lernen, was sie eigentlich so erfolgreich macht und wie sie eigentlich so durchs Leben wandelt, weil wenn man dahin kommt, wo auch die liebe Anna-Sophie Herken, mit der ich heute spreche, hingekommen ist, dann muss man bestimmt das ein oder andere auf dem Kasten haben. Und Anna hat einen super spannenden Background. Ich sage immer so scherzhaft, der Lebenslauf, den man uns in der Schule gesagt hat, der ideal wäre, den hat sie, glaube ich. Sie ist tätig als Business Division Head bei der Allianz Asset Management, war auf der University of Cambridge, war für die Weltbank tätig und noch einiges andere. Also schaut euch gerne mal auf ihrem LinkedIn-Profil um, da gibt es spannende Dinge zu sehen. Und heute möchte ich mal lernen von ihr, wenn man gerade auch als Frau es schafft, so viel Erfolg zu erzielen auf allen möglichen Stationen und sich in solche Ebenen vorzudringen, was macht man dann eigentlich? Wie tickt man? Was für ein Verständnis von Erfolg hat man? Macht einen das eigentlich glücklich? Und vielleicht hängen wir auch nochmal eine Folge dran, wo sie uns mal so ein Stück weit mit durch ihren Arbeitstag nimmt. Aber liebe Anna, moin, let being said, schön, dass du da bist.
Anna Sophie Herken: Ja, danke, dass ich da sein darf.
Joel Kaczmarek: Ja, fangen wir nochmal ganz basic an. Normalerweise würde ich jetzt nicht über deinen Job ausfragen, was du da so tust und wie du da hingekommen bist, aber ich finde ganz spannend, mit Menschen wie dir eher darüber mal zu reden. Was bedeutet eigentlich Erfolg für dich? Wann würdest du dich als erfolgreich einordnen?
Anna Sophie Herken: Ja, das ist gar nicht so einfach. Ich habe ja schon im Vorfeld gesagt, ich habe über so ganz viele Sachen gar nicht nachgedacht. Ich habe auch nie darüber nachgedacht, wann bin ich erfolgreich und wann habe ich das geschafft, was ich schaffen wollte. Ich glaube, für mich ist Erfolg dann, wenn ich einfach gerne mache, was ich tue. Das mache ich im Beruf. Also ich gehe eigentlich fast jeden Morgen gerne ins Büro oder in meine Homeoffice und freue mich eigentlich auf die Aufgaben, auf die Leute und habe auch das Gefühl, dass ich da irgendwie immer was anstoßen kann, also dass was passiert, dass ich irgendwie weiterkomme, dass ich da nicht sitze und nur irgendwie vor mich hin verwalte, sondern dass wirklich am Ende des Tages oder des Monats oder der Woche immer irgendwie was besser ist, was vorher vielleicht noch optimierungsbedürftig war.
Joel Kaczmarek: Okay, also wäre so deine Definition von Erfolg einerseits was zu tun, was einen glücklich macht und andererseits einen Effekt zu sehen?
Anna Sophie Herken: Genau. Und eben das mit anderen Leuten zu machen. Also ich habe echt tolle Kollegen und das ist so gemeinsam. Ja, jetzt Experience klingt jetzt irgendwie eigentlich furchtbar, aber sozusagen wir machen was zusammen und am Ende kommt was Gutes bei raus und wir sind da stolz drauf und freuen uns drüber.
Joel Kaczmarek: Und die meisten Leute haben ja, wenn sie über Erfolg reden, irgendwie sowas wie Wachstum oder mehr Umsatz oder ich persönlich will mehr Geld erreichen oder einen Titel haben als so ein Thema. Hattest du das jemals in deinem Leben auch?
Anna Sophie Herken: Nee, ich war immer sehr thematisch getrieben. Was ich aber auch, komischerweise habe ich darüber nachgedacht, im Nachhinein auch gar nicht weiß, ob das so gut ist. Also ich habe dann über meinem jüngeren Ich, ob ich mir raten würde, anders getrieben zu sein. Da dachte ich, vielleicht ist es gar nicht gut. Aber ich war immer sehr thematisch getrieben. Also bestimmte Themen weiterzubringen.
Joel Kaczmarek: Aber muss man denn, um dahin zu kommen, wo du hingekommen bist, auch so einen gewissen Ehrgeiz mitbringen? Also bist du jemand, der kompetitiv ist, der ehrgeizig ist, der sich irgendwie in Wettbewerb stellt?
Anna Sophie Herken: Ich bin ehrgeizig mit mir selber. Ich vergleiche mich jetzt nicht mit anderen und sage, ich will besser sein oder genauso gut wie X oder Y. Aber wenn mir was wichtig ist, dann will ich gut sein. Dann bin ich mit mir selber kompetitiv. Also auch in der Schule, wenn ein Fach mir wichtig war, da wollte ich dann eine Eins haben. Aber wenn ein Fach mir nicht wichtig war, war es mir auch nicht wichtig, eine Eins zu haben. Aber immer so ein bisschen im Wettbewerb mit mir selber. Habe ich da was gelernt? Fühle ich mich gut genug? Ich glaube, ich bin da so mein eigener Wettbewerbspartner.
Joel Kaczmarek: Und machst du das auch ein Stück weit an so Kennzahlen fest? Also wenn jetzt zum Beispiel die Allianz in ihrem Investmentgeschäft irgendwie, keine Ahnung, zwei Prozentpunkte weniger einfahren würde an Rendite, wärst du dann irgendwie weniger glücklich mit deinem Erfolg oder guckst du eher auf so andere Faktoren?
Anna Sophie Herken: Nee, also ich gucke natürlich auf die Zahlen zwangsläufig und es ist wichtig, dass ich die irgendwie im Business erfülle. Aber so mein Erfolg und meine persönliche Zufriedenheit, ich glaube, wenn ich denke, ich habe mein Bestes gegeben, dann bin ich zufrieden. Auch selbst, wenn vielleicht das Ergebnis gar nicht so gut ist. Aber es ist auch so ein bisschen dieses, wenn ich denke, ich habe gekämpft, ich habe gelernt, ich habe getan und gemacht und dann bin ich eigentlich ganz zufrieden mit mir.
Joel Kaczmarek: Und wenn du das jetzt mal so abgrenzen müsstest vom Thema Glück, also Glück nicht im Sinne von vierblättriges Kleeblatt oder du gewinnst im Lotto, sondern glücklich sein. Was bedeutet für dich glücklich sein im Vergleich zu erfolgreich sein?
Anna Sophie Herken: Das ist schwierig. Erfolg ist für mich immer, da denke ich sofort eher so an Beruf und gar nicht so an Privatleben. Erfolg finde ich wichtig und das macht mich auch zufrieden. und dann habe ich immer wieder Glücksmomente, wenn was ganz Schwieriges, also gerade meistens im Beruf bin ich glücklich, wenn irgendwas war, was ganz schwierig war und ich das geschafft habe. Aber um so richtig im Leben glücklich und dauerhaft zufrieden zu sein, brauchst du dann eben die ganze private Dimension auch. Also Kinder gesund und glücklich, Familie funktioniert, Freunde. Also das ist für mich holistischer als jetzt nur so Erfolg im Beruf.
Joel Kaczmarek: Und was ist es, was dich jenseits der Berufswelt dann glücklich macht? Also ist es die reine Gegenwart und das Zeitverbringen mit Familie und Freunden? oder gibt es noch andere Elemente, wo du sagst, ein richtig glücklicher Tag ist, wenn
Anna Sophie Herken: Also klar, Familie, Kinder sind ganz wichtig und Freunde, aber auch so dieses einfach Zeit zu haben. Ich habe jetzt keine großen Hobbys, aber so einfach Zeit zu haben, nachzudenken, zu lesen. Und ich glaube, so dieser Aspekt Freiheit, also dass ich Freiheit habe, in meinem Leben auch mal Sachen zu machen, auf die ich Lust habe. Und oft ist es dann irgendwie auf dem Sofa zu liegen und irgendwas zu lesen, aber zumindest habe ich die Freiheit und kann das genießen.
Joel Kaczmarek: Und da sind wir bei einem anderen spannenden Thema, nämlich was ich immer so als den Preis des Erfolgs zusammenfasse, weil viele Menschen wollen erfolgreich sein, fragen sich aber nicht, was man dafür eigentlich zahlt. Gibt es Dinge, mit denen du bezahlt hast, um dahin zu kommen, wo du heute bist?
Anna Sophie Herken: Also wahrscheinlich habe ich nicht so viele Hobbys. Sport ist zu kurz gekommen und vielleicht auch bestimmte soziale Kontakte. Aber ich habe nicht so das Gefühl, dass ich ganz viel aufgeben oder verpassen musste. Und wenn ich zurückgucke, denke ich auch mal, dass es ja wahrscheinlich unterbewusste Entscheidungen sind, dass ich mich entschieden habe, dann vielleicht mehr in den Beruf zu investieren oder die Ausbildung, weil mir das aber auch Spaß gemacht hat. Also insofern
Joel Kaczmarek: Vielleicht fassen wir es mal anders, wenn wir mal drüber nachdenken, was so der Schlüssel deines Erfolgs ist. Also welche Investments sozusagen haben dich dahin gebracht, wo du bist? Gibt es so Merkmale, wo du sagst, wow, wenn ich dies, das oder jenes nicht gehabt oder gemacht hätte, wäre ich heute wahrscheinlich an einer signifikant anderen Stelle?
Anna Sophie Herken: Also ich glaube, was für mich vorteilhaft war, ist, dass ich lerne super gerne. Ich bin total neugierig. Ich würde am liebsten ewig studieren neben dem Job. Ich überlege immer schon, was kann ich noch alles. Ich würde gerne ins MIT noch oder nach Harvard. Also ich bin total getrieben von Lernen und Neugier. Und ich glaube, das hilft. Also es hilft sowohl jetzt im Studium, aber auch im Job. Ich glaube, das hat geholfen. Ansonsten, wenn ich vielleicht andere Sachen anders gemacht hätte, wäre ich vielleicht auch weiter als jetzt. Also ich finde, das ist echt gar nicht so einfach. Das ist eine gute Frage. Also auf der Plusseite ist sicherlich, dass ich total wissens- und lerngetrieben bin. Ich glaube, das hat sicherlich nicht geschadet.
Joel Kaczmarek: Und sagen wir mal so rum, es gibt so diesen schönen Spruch, den ich dann in solchen Podcasts auch manchmal zitiere, je höher man kommt, desto schärfer die Messer. Also wenn man dahin kommen möchte, wo du möchtest, braucht man ja auch manchmal ein gewisses Maß an Ellenbogen. Ist dir das in deinem Leben auch so begegnet?
Anna Sophie Herken: Das stimmt, das ist in der Tat so, dass natürlich, klar, die Messer mehr oder spitzer werden. Ich selber bin da eher jemand, ich habe, glaube ich, keine starken Ellbogen im Einsatz gegen andere. Ich weiß, dass es so ist, ich versuche das halbwegs zu ignorieren und immer, vielleicht ist es auch eine Frauensache, eher so sachlich daran zu gehen und die Leute zu gewinnen und versuche das zumindest halbwegs zu umgehen. Also was für mich keine Option wäre, wäre, mich da anzupassen. Da hätte ich keine Lust.
Joel Kaczmarek: Aber auch auf die Gefahr hin ist ja immer so ein schmaler Grad, wenn man solche Fragen stellt, dass man jetzt sexistisch rüberkommt. Hast du als Frau jemals mit Widerständen kämpfen müssen, um das zu erreichen, was du erreicht hast?
Anna Sophie Herken: Du meinst jetzt von männlicher Seite oder von männlichen Vorgesetzten?
Joel Kaczmarek: Vielleicht ja sogar von beiden, also muss ja gar nicht
Anna Sophie Herken: Weniger jetzt von Einzelpersonen, dass da jetzt irgendwie sexistischer vorgesetzter war es gar nicht, aber sicherlich eher durch System. Wenn du in Branchen bist, wo fast nur Männer sind und du bist eine Frau mit kleinen Kindern, ist glaube ich so per System schon mal ganz viel an Vorgabe, was echt so suboptimal ist und wogegen du kämpfen musst und wo du immer wieder dich doppelt beweisen musst. Also das kenne ich auf jeden Fall.
Joel Kaczmarek: Wie bist du damit umgegangen?
Anna Sophie Herken: Ja, also am Anfang habe ich, so ein bisschen Klassiker, da hatte ich auch so Coachings, wo mir dann beigebracht wurde, dass ich mich wie so ein Mann benehmen muss und so. Habe ich dann zwei Jahre immer Hosen getragen und Zopf und solche Sachen. Und dann habe ich relativ schnell beschlossen, dass ich das komplett bekloppt finde und dass mir das viel zu viel Energie nimmt und dass ich bin, wie ich bin. Und habe es dann versucht, auch teilweise offensiv zu ignorieren, also entweder zu ignorieren oder auch gegen anzugehen. Also mich dann eigentlich null verändert und auch beschlossen, mich nicht anzupassen und da auch so ein bisschen gegen anzukämpfen.
Joel Kaczmarek: Ich finde ja spannend auch immer, was so der Stallgeruch von jemandem ist. Und als ich mich mit dir mal unterhalten habe, hast du mir mal gesagt, du kommst aus total dem Hippie-Eck. Ist es wirklich so? Weil ich hätte gedacht, deine Eltern sind Ärzte oder Anwälte oder sowas.
Anna Sophie Herken: Ich komme aus einer 68er-Familie. Also ich komme in der Tat aus einer Medizinerfamilie. Das schließt sich gar nicht an. Aber eben schon so dieses klassische 68er. Und wir haben dann auch in so einer Art Kommunen-Siedlung gewohnt und sehr linkes Elternhaus. Anti-autoritär natürlich, wo wir die Wände bemalen durften. Und ich glaube, das hat auch sehr geprägt im Positiven. Diese Angst vor Autoritäten, das kenne ich alles gar nicht.
Joel Kaczmarek: Was für Werte wurden dir so vorgelebt oder was war auch die Quelle von Werten? Hat man das irgendwie aus sowas wie Religion geschöpft oder ging es da so ein bisschen um Haltung im gesellschaftlichen Sinne? Was ist dir da in die Hand gegeben worden?
Anna Sophie Herken: Also religiös war mein Elternhaus überhaupt nicht. Aber klar, so dieses, ich sag mal, dieser Werteansatz, sozial zu sein, Menschenrechte, also diese ganzen sozialen Werte. Also zum einen bin ich natürlich auf Demos aufgewachsen, wo wir dann gegen Aufrüstung, Nuklear, also das gab es ja diese klassischen Themen. Also das war alles ganz wichtig. Umwelt war wichtig, aber auch wirklich Ärmere zu unterstützen. und also ich fand das als Kind teilweise gar nicht so toll, muss ich gestehen, weil dann auch so, weiß ich nicht, in Zeiten, wo ich dann lieber irgendwelche schicken Turnschuhe haben wollte, musste ich dann mein Geld irgendwo nach Südamerika schicken. Also das war insofern eine positive Prägung, aber ich glaube, damals fand ich das teilweise gar nicht so toll.
Joel Kaczmarek: Hat dich das irgendwie geprägt? Hat das irgendwie mit dir was gemacht, dass Materialismus bei dir was Wichtiges ist?
Anna Sophie Herken: Nee, also sicherlich von meinem ersten Gehalt habe ich mir dann irgendwie Markentonschuhe gekauft, aber es hat relativ schnell aufgehört. Ich glaube, es hat mich eher geprägt, dass mir das bis heute nicht so wichtig ist und dass ich dieses, ich sag mal, dieses soziale, dieses Mitdenken habe ich ganz stark.
Joel Kaczmarek: Okay, also du bist jetzt nicht so der Porsche-Käufer, der, wenn er den ersten Erfolg hat, den Porsche liest und dann irgendwie. Nee. Okay.
Anna Sophie Herken: Nee, gar nicht. Nee, das ist mir nicht richtig.
Joel Kaczmarek: Spielt denn Geld bei dir irgendwie eine Rolle für Glück? Weil ich habe auch mal irgendwie, da gibt es ja zig Studien zu, dass ab einem bestimmten Gehalt der Glücksfaktor von Geld sogar abnimmt anstatt zunimmt. Wie ist es bei dir so?
Anna Sophie Herken: Nee, also es sagt sich natürlich jetzt, ich bin in einer halbwegs komfortablen Situation. Ich glaube, solange ich mich halbwegs sicher, für mich ist Geld, glaube ich, Sicherheit. Also dass ich so denke, ich muss keine Not leiden und wir leben gut, aber nicht im materialistischen Sinne oder im Luxussinne. Nee, das ist auch überhaupt nicht mein Treiber. Ich glaube, sonst hätte ich auch lange nicht in den Branchen gearbeitet, in denen ich war. Ich war ja nicht immer in der Finanzwelt.
Joel Kaczmarek: Und wenn du jetzt aber mal dich so zurückerinnerst an deine Karriere, ich finde Erfolg hat ja oft auch damit zu tun, sich gut verkaufen zu können. War das was, was du betreiben musstest? Also musste sich jemand in deiner Rolle, der irgendwie aus einem 68er Haushalt kommt, der in eine männerdominierte Branche geht wie die Versicherungswelt, musstest du da irgendwie lauter auftreten als andere?
Anna Sophie Herken: Ich habe es nicht getan. Ich musste dieses sich selbst verkaufen erst lernen. Das fällt mir auch immer noch schwer. Nee, wahrscheinlich hätte man es machen müssen. Ich habe es nicht getan, aber eher, weil ich es auch nicht mochte. Als Tipp weiß ich nicht. Also wahrscheinlich müsste man es machen, wenn man mit dem Background und auch als Frau. Trotzdem freue ich mich über jede Frau, die das nicht macht, weil ich das eigentlich ganz unsympathisch finde und auch über jeden Mann im Übrigen.
Joel Kaczmarek: Aber vielleicht kann man das ja auch mal so ein Stück weit übertragen auf die Frage, was so Leadership Principles sind oder also Führungsprinzipien, denen du anhängst. Auf was legst du denn Wert, wenn du das in deiner Firma auch einbringst?
Anna Sophie Herken: Also ich bin überhaupt kein Freund von Hierarchien. Manchmal denke ich auch, jetzt ist das auch so die Prägung meiner schwedischen Familienseite. Also ich finde so dieses, es gibt hier ganze Begriffe mit Coaching und also dass man eher versucht, der Coach als Leader zu sein. Ich finde es ganz wichtig, dass ich mit meinem Team sehr gleichberechtigt arbeite. viel Freiraum lasse und eigentlich eher so uns wirklich als Team sehe und versuche da auch wirklich extrem viel Freiraum, also geistig auch zu lassen. Und ich glaube, das ist auch ein Vorteil gewesen. Ich bin ja ganz oft in meinen Job so von außen gekommen, in ganz fremde Branchen. Also zum Beispiel jetzt auch in die Allianz bin ich ja reingekommen von außen, ohne dass ich vorher in der Versicherung tätig war. Und ich glaube, das prägt einen ganz positiv als Leader, weil du natürlich sofort weißt, du bist so auf dein Team angewiesen und auf deren Know-how.
Joel Kaczmarek: Und was sind auch so weitere Elemente oder eigentlich Nachfrage dazu? eher, wie ist es mit Vertrauen, schenkst du das sehr schnell und bist du ein sehr vertrauensvoller Mensch oder bist du eher jemand, wo man sich das ein bisschen erarbeiten muss?
Anna Sophie Herken: Ja, ich bin, also bei mir ist immer so die Grundannahme, ich vertraue, es sei denn, du machst was. Was in diesen ganzen Tests, die man ja auch dann immer wieder machen muss, oft auch eher ein bisschen zu ausgeprägt ist, vielleicht auch gar nicht so vorteilhaft für die Branche. Ich habe da auch viel drüber nachgedacht, ob ich das ändern soll, aber ich dachte, A, kann ich es nicht ändern und B, eigentlich gehe ich ganz gern so durch die Welt. Ich glaube, man gewinnt mehr, als dass man verliert, wenn man vielleicht auch mal dann zu viel vertraut.
Joel Kaczmarek: Wie gehst du denn aber um, wenn dein Vertrauen enttäuscht wird oder wenn jemand einen Fehler macht? Was ist dann dann so deine Haltung?
Anna Sophie Herken: Es kommt natürlich immer darauf an, wer das ist, in welchem Kontext, was für ein Fehler. Aber grundsätzlich, also ich höre mir Fehler an, ich höre mir Erklärungen an. Ich bin da sicherlich auch eher ein verzeihender Mensch. Kommt, wie gesagt, echt immer auf den Kontext an. Und auch wie oft und wie stark und was das für ein Fehler war.
Joel Kaczmarek: Ja, oder vielleicht auch mit boshafter Absicht aus Inkompetenz oder aus Pech oder so, ne?
Anna Sophie Herken: Ja, genau, genau. Ja, also Pech und Inkompetenz, das ist ja was ganz anderes. und bei Boshaftigkeit, auch da muss man hingucken, wobei ich schon immer mehr denke, dass man so Grundstrukturen in Menschen nicht ändern kann und da dann auch nochmal hingucken muss.
Joel Kaczmarek: Hast du selbst in deinem Leben denn sowas wie Mentorinnen gehabt oder also männlich wie weiblich? und vielleicht hast du ja auch sowas, wo du sagen kannst, das und das habe ich daraus gelernt?
Anna Sophie Herken: Ich hatte keine Mentoren, aber ich hatte Vorbilder. Ich hatte gute Vorgesetzte, also männlich und weiblich, die ich echt richtig gut fand. Also menschlich und die super klug waren und wo ich, also A, haben die mir Feedback gegeben, was immer hilfreich war und wo ich mir einfach angeguckt habe, was ich gut an denen finde und versucht habe, das auch so aufzunehmen.
Joel Kaczmarek: Und was wären da so typische Merkmale gewesen, wenn du das mal so Revue passieren lässt?
Anna Sophie Herken: Und auch Vorgesetze, die viel Vertrauen geschenkt haben, also sowohl menschlich als auch in der Sache. Ich habe fast immer Vorgesetze gehabt, die dann, obwohl ich komplett neu war, keine Ahnung hatte, mir schwierige Sachen zugetraut haben. So eher so, ich erkläre es dir kurz, aber ich vertraue dir und komme, wenn du Fragen hast. finde ich sehr wichtig, die eben auch in der Tat Fehler verziehen haben und neue Chancen gegeben haben. Die waren auch fast alle immer so super smart. Also auch so, dass ich dachte, wow, also wenn die was sagen, das ist echt halt Hand und Fuß. Die haben wenig geredet oder wenig gesagt und sich wenig eingemischt. Aber wenn, dann war das echt extrem hilfreich. Und das fand ich irgendwie gut. Die haben viel Raum gegeben.
Joel Kaczmarek: Gibt es eigentlich so ein Archetypus, wenn man auf den Ebenen fliegt, auf denen du fliegst, wie die Menschen so ticken? Also was die für ein Background haben oder was die gelernt haben oder was die so für Charakter-Traits haben oder solche Dinge?
Anna Sophie Herken: Oh Gott, da gibt es bestimmt ganz viele Studien zu, keine Ahnung. Also ich glaube, es hat mit der Branche auch zu tun, aber das vermute ich jetzt aus dem Bauch raus. Wahrscheinlich haben Leute, die in einer bestimmten Werbebranche erfolgreich sind, vielleicht sind die anders als Leute in meiner Branche. Ich weiß es nicht. Wenn ich jetzt mein Umfeld betrachte, würde ich sagen, wirklich unterschiedlich. Ganz unterschiedlich. Also auch von Leadership-Skills zu Leuten, wo ich dann denke, geht gar nicht oder würde ich nicht machen, die aber vielleicht irgendwo in anderen Bereichen genauso sind, wie man sein muss. Ich sehe da keinen roten Faden. Aber sag du es mir, gibt es das? Weiß ich nicht. Gibt es da Studien zu?
Joel Kaczmarek: Das Einzige, was mir so in den Kopf kommt, dass man ja immer diesen oberen Mythos hört, dass Menschen, die zu psychopathischen oder soziopathischen Charakterzügen neigen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die weit oben rangieren, sehr, sehr hoch ist, weil sie quasi sich gegen andere Leute durchsetzen können. Das wäre sowas.
Anna Sophie Herken: Das klingt aber nicht hoch genug.
Joel Kaczmarek: Die habe ich einfach nicht getroffen.
Anna Sophie Herken: Also ich finde eigentlich so die meisten, die ich kenne, da kann man sagen, so der eine ist vielleicht eher Mikro-Manager als der andere, aber so psychopathisch wirken die jetzt eigentlich alle nicht. Aber keine Ahnung.
Joel Kaczmarek: Aber du weißt ja gerade in der Finanzbranche, was ich meine, so dieses Wolf-of-Wall-Street-Ding, was man auch so ein bisschen da nimmt. Oder andererseits, also wenn man jetzt nicht mal sowas wie From Good to Great durchliest, da ist ja so dieses typische Beispiel, ein guter Leader ist irgendwie ein Ackergaul und kein Zirkuspferd, also er kann gut pflügen und macht keine Kunststücke. Also eigentlich das, was du gerade beschrieben hast, Leute, die in den Spiegel gucken bei Fehlern und aus dem Fenster auf die Produktionshalle sozusagen, also auf ihr Team, wenn was gut gelaufen ist und nicht umgekehrt. Weißt du, was ich meine? Das wäre so, man denkt immer, oben sind die Leute, die in den Spiegel gucken, wenn es geil läuft und auf das Team, wenn es kacke läuft. Dabei ist es eigentlich bei den Top-Leuten eher genau umgedreht. War das bei dir auch so?
Anna Sophie Herken: Ja, weiß ich nicht. Das kann ich gar nicht so sagen. Aber ich kann jetzt so sagen, wenn ich mir mein Umfeld angucke mit Leuten in Leadership-Positionen, da habe ich jetzt mehr Leute, wo ich sagen kann, dass ich die wirklich gut finde oder toll finde, weil das ganz schlaue, tolle Persönlichkeiten sind, die sich unglaublich stark zurücknehmen und eben gerade so bei Erfolg ihr Team nach vorne stellen und aber auch kein Problem damit haben, wenn was schiefläuft, zu sagen, so hätte ich es sehen müssen. Das ist mein Fehler und ich arbeite dran. Da habe ich wirklich eher positive Erfahrungen.
Joel Kaczmarek: Wie ist das eigentlich bei dir? Führst du eher oder managst du eher?
Anna Sophie Herken: Ich glaube, ich führe eher.
Joel Kaczmarek: Und bist du mehr ein Künstlertyp oder bist du mehr ein strukturierter Typ?
Anna Sophie Herken: Beides, komischerweise. In diesem ganzen Psychotest kommt immer raus, dass ich sehr kreativ bin und ich bin auch sicherlich eher Also ich habe ganz schnell ganz viele Ideen und das wird dann wahrscheinlich auch anstrengend manchmal fürs Umfeld. Man merkt, dass im Gehirn ganz viel tickert und dann irgendwelche Sachen rausspringen, die auch nicht so organisiert sind. Aber ich sage mal, im Projektmanagement, im Abarbeiten, im Sachen angehen, bin ich dann doch recht organisiert.
Joel Kaczmarek: Ist man wahrscheinlich in deinen Ebenen auch ein bisschen qua Umfeld. Du musst wahrscheinlich organisiert sein, komm mal damit, ne?
Anna Sophie Herken: Ja, vielleicht ist es aber auch gerade so als Kompensation für, dass da manchmal auch zu viele Ideen sind. Also ich merke, dass wenn es dann zu viel wird im Kopf, dann fange ich an, irgendwelche Oldschool-Listen zu führen, um so ein bisschen wieder Herr meiner Lage zu werden.
Joel Kaczmarek: Und sag mal, wenn man sich so deine Ausbildung anguckt, also deine Eltern waren beide Ärzte, hast du gesagt, ne?
Anna Sophie Herken: Ne, mein Vater war Medizinprofessor und meine Mutter war Lehrerin an der schwedischen Schule und Übersetzerin.
Joel Kaczmarek: Also deine Mutter ist schwedisch und dein Vater ist deutsch?
Anna Sophie Herken: Genau.
Joel Kaczmarek: Hast du Geschwister noch als Kind?
Anna Sophie Herken: Ja, ich habe noch eine kleinere Schwester.
Joel Kaczmarek: Okay. Merkt man dann so diese typischen Strukturen, dass man immer sagt, die Ältere ist so und die Jüngere ist so?
Anna Sophie Herken: Ich glaube, ja. Also meine Schwester ist, also die ist super. Wir sind uns, glaube ich, in vielen Dingen sehr ähnlich. Sie ist eher künstlerisch, also auch von der Arbeit her. Und ich war sicherlich so die, die immer so wie geschnitten Brot, gut in der Schule, gut im Sport, kein Quatsch gemacht. Also meine Schwester war jetzt auch okay, aber die war sicherlich eher so die, die mir ausgebrochen ist. Und ich war so die strebsame Erstgeborene.
Joel Kaczmarek: Und sag mal, wenn man sich jetzt mal so deinen, alleine mal deinen universitären Background anguckt. Also da findet man irgendwie, du warst mal in Yale, hast da Sachen gemacht. Du warst in der Sorbonne mal für ein Jahr. Du warst an der Universitat degli Studi di Perugia. Du warst in Bordoma für eine Weile. Du hast an der FU in Berlin was gemacht. Du hast in der American University Washington College of Law warst du aktiv. Dann natürlich Cambridge, wie ich es gesagt habe. Und ich habe noch irgendwie ein, zwei weitere Stationen, die ich jetzt nicht genannt habe. Und auch wenn man deinen Job sich so anguckt, dann hat man irgendwie Washington und Michigan und New York und dies und das und jenes. Bist du so ein rastloser Typ?
Anna Sophie Herken: Nö, gar nicht. Ich glaube, ich bin wirklich so wissensgetrieben. Also die ganzen Studienaufenthalte hat sich so nacheinander ergeben. Ich würde sagen, das ist alles im grünen Bereich, außer dass ich viel im Ausland war. Und ich bin ansonsten auch bei den Jobs, ich baue gerne auf, ich kreiere gerne was und bin da sicherlich getrieben. Also nicht rastlos, aber so, dass wenn dann, was ich, also fünf Jahre habe ich eine Uni geleitet und wir sind durch so einen Strategieprozess gegangen und als er dann durch war und alles umgesetzt war, dann ist es schon so, dass ich auch denke, was kommt jetzt? Also ich glaube, Ich bin jetzt nicht so der Verwalter. Es gibt ja Leute, die finden es ganz toll, ihr Leben lang dann eine Sache zu machen. Und ich weiß, ich bin ja Juristin und einer meiner ersten Jobs war in so einer Großkanzlei. Und da habe ich im Bereich Merger Acquisition dann angefangen. Und da saß ich schon nach zwei Wochen und dachte, das soll ich jetzt machen? Irgendwie 40 Jahre? Ja. eine Sache und dann bin ich immer mal der Super-Experte und schreibe unten einen Kommentar dazu, den kein Mensch lesen will. Also das hat mich schon immer so ein bisschen erschreckt. Gleichzeitig habe ich vollen Respekt vor diesen Leuten, die so sind. Aber ich glaube, man muss wahrscheinlich irgendwann mal so feststellen, was für ein Typ ist man. Und das muss ich auch erstmal so rausfinden. Also das wusste ich auch nicht sofort.
Joel Kaczmarek: Ich frage ja Führungskräfte auch immer gerne, ob sie sich Sorgen machen, weil gerade wenn man wie du so einen anwaltlichen Background hat, Anwälte sind ja oft in so einer Rolle, dass die für ihre Klienten, Mandanten irgendwie Risiken abwägen müssen. Ist es bei dir so, dass du öfters auch mal Sorgen hast und dir über Dinge Gedanken machst oder bist du davon befreit?
Anna Sophie Herken: Also ich nenne das immer so angelsächsisch. Ich bin immer eher wahrscheinlich zu leicht zu begeistern. Also dieses Typische, was immer in mir so ist, it's terrific. Also ich finde immer erst mal, wenn du mit einer Idee kommst, egal wie Banane die ist, bin ich erst mal so, oh, ist ja toll. Also ich glaube, das ist so mein Grundansatz. Und wo ich dann manchmal auch im Umfeld ganz gut finde, dass ich dann Leute um mich herum habe, die dann sagen, hast du mal über das und das nachgedacht? Also ich glaube, so vom Grundtypus bin ich eher der, ich finde immer erst mal alles, ich sehe so die Risiken dann erst Auf zweiter Ebene. Ich habe natürlich Sachen, wo ich meine, aber eher so im Privaten. Also so, geht es den Kindern gut? Oder so die spürbaren Dinge. Aber jetzt nicht so im Job und grundsätzlich.
Joel Kaczmarek: Wie viele Kinder hast du?
Anna Sophie Herken: Zwei.
Joel Kaczmarek: Darf man fragen, wie alt die sind?
Anna Sophie Herken: Ja klar, zwölf und vierzehn. Also Teenager.
Joel Kaczmarek: Ich glaube, viele, also gerade Frauen hören dir jetzt auch zu und fragen sich, wie hast du das denn hingekriegt, beruflich so erfolgreich zu sein? und dann auch noch zwei Kinder und jetzt auch noch mit Teenager, mit Pubertät, da geht auch noch mal die Post ab, das alles zu handeln.
Anna Sophie Herken: Ja, ich habe gerade gesagt, ich sitze hier im Zockerzimmer von meinem Sohn. Ich habe auch nur begrenzten Zeit, wo ich hier sitzen darf. Nein, also ich glaube, was geholfen hat, ist zum einen, dass ich ja, wie gesagt, meine Familie zum Teil zumindest aus Schweden kommt und bei uns die Frauen immer alle gearbeitet haben. Also auch meine deutschen Großmütter und so waren immer alle voll berufstätig. Also ich habe mir nicht so viele Gedanken gemacht. Ich habe ja mein erstes Kind bekommen, als ich in den USA gearbeitet habe, bei der Weltbank in Washington. Und da ist es ja auch völlig normal, dass man voll arbeitet, Kinder bekommt und das ist ja gar kein Thema. Und das zweite Kind, meine Tochter, ist dann in London zur Welt gekommen oder hier zur Welt gekommen, als ich in London gearbeitet habe. Und ich glaube, dass ich mir echt ganz wenig Gedanken darüber gemacht habe und dass das ein totaler Segen ist, wenn ich das jetzt so vergleiche mit deutschem Umfeld. Ich bin sicherlich auch da sehr pragmatisch und habe da jetzt auch, wie gesagt, auch nicht so große Ansprüche. Aber es war auch so, ich dachte, solange das immer alles halbwegs funktioniert zusammen und wir alle glücklich und zufrieden sind, dann ist es gut. Und da ist sicherlich eher was, wo ich manchmal im Nachhinein denke, ach na ja, meine Kinder haben jetzt nicht alle Hobbys ausleben dürfen, weil ich die nicht rumfahren konnte oder so. Aber im Moment ist es eben einfach so. Ich glaube, es funktioniert trotzdem ganz gut.
Joel Kaczmarek: Sind deine Kinder viel gereist mit dir als ein Kleinmann?
Anna Sophie Herken: Ja, also ich war ja früher, ich bin dann ja auch noch teilweise nach Cambridge gependelt und da hatte ich immer, da war mein Sohn eins und meine Tochter gerade geboren und die habe ich dann immer mitgenommen und also da ist relativ viel rumgekommen.
Joel Kaczmarek: Macht das was mit Kindern? Das interessiert mich immer persönlich. Ich frage mich immer, ich habe neulich einen Bekannten getroffen, auch einen Podcaster, der meinte, ey, ich bin, bis ich 20 war, mehr auf der Welt rumgereist als ein Bekannter von mir in seinem ganzen Leben irgendwie, ja. Und das macht ja was mit Leuten, habe ich mal den Eindruck, dass die dann sich schwerer tun, Bindung zu anderen Menschen einzugehen, dass die einfach Also es muss ja gar nicht schlimm sein, sondern es ist ja manchmal auch einfach so, dass die dann so eine Haltung haben, ja, Freunde kommen und Freunde gehen, ist halt ein Abschnitt, der ist vorbei, jetzt widme ich mich einem neuen. Beobachtest du sowas auch?
Anna Sophie Herken: Ja, ich meine, die Kinder haben ja relativ stabil sozusagen ihr Leben. Also wir hatten ja wirklich dann immer konkrete Lebensmittelpunkte. Das beobachte ich nicht. Also ich finde im Positiven eher, dass sie, glaube ich, sehr aufgeschlossen sind, so der Welt und anderen Menschen gegenüber. Ansonsten haben die einfach überhaupt keine Lust mehr auf Reisen. Also wenn wir über Ferien diskutieren und ich dann wieder mit irgendwelchen tollen Ideen von durch Japan fahren oder irgendwas komme
Joel Kaczmarek: Ja, da will ich auch hin. Ja, ich auch.
Anna Sophie Herken: Da war ich noch nie dran gekommen. Meine Kinder rümpfen dann nur gelangweilt die Nase an. Die wollen am liebsten zu Hause sein und mit ihren Freunden. Also das ist eher so. Ich glaube, die sind versorgt mit Reisen. Erstmal für die nächsten Jahre.
Joel Kaczmarek: Ja, dann kommst du bei meiner Familie mit. Dann nehmen wir dich mit. Wir wollen da auch hin. Aber man kann da ja leider nicht rein. Ja. Das ist ganz lustig. Heute war ich gerade in so einem Japan-Laden und habe da eine Sojasauce zurückgegeben, die ich gekauft habe. Ich habe gesagt, hier gucken Sie mal, die ist abgelaufen. Dann habe ich beigebracht bekommen, nee, in Japan werden die Haltbarkeitsdaten von links nach rechts gelesen. Nicht wie bei uns von rechts. Ach so, shit. Ne, andersrum, rechts nach links. Naja, gut, kleiner Ausflug. Ja, aber in den Anfang komme ich mit euch mit. Sehr gut. Erzähl nochmal eigentlich, weil auch so ein Thema, was mich viel beschäftigt, das Treffen von Entscheidungen, weil ich glaube, was viele Menschen vielleicht davon abhält, erfolgreich zu sein, ist oft auch, dass sie keine Entscheidung treffen, sich schwer tun, Entscheidungen zu treffen. Wie ist das bei dir?
Anna Sophie Herken: Nee, ich entscheide gerne. Ich habe auch kein Thema, auch Entscheidungen zu treffen, wenn ein relativ hohes Maß an Ungewissheit ist. Im Beruflichen ist natürlich was anderes. Privat, glaube ich, entscheide ich sehr, auch teilweise ein bisschen zu schnell. Im Beruf gucke ich natürlich allein durch meine Branche alle Fakten und Zahlen an, aber Ich habe relativ wenig Scheu, Entscheidungen zu treffen, auch wenn da noch ein großer Dunkelbereich ist. Ich will natürlich gute Entscheidungen treffen, aber ich sehe es jetzt nicht als Riesenproblem oder als Gesichtsverlust, wenn ich mal was falsch entscheide. Also natürlich jetzt gesetzt den Rahmen, dass ich damit jetzt nicht beruflich irgendwelche Schäden anrichte oder so. Das ist, glaube ich, auch so ein Risikokulturding, also dass ich eher vielleicht aus einer Risikokultur komme, wo man sagt, man entscheidet lieber schneller und hat eine große Chance, auch was Gutes zu entscheiden, als immer nur Sorge zu haben, dass vielleicht irgendwie doch was falsch sein könnte.
Joel Kaczmarek: Hast du denn ein Modell, nach dem du Entscheidungen triffst? Also gehst du bestimmte Schritte durch oder hast du einen Raster oder holst du dir Rat ein? Irgendwas in der Art?
Anna Sophie Herken: Im Beruf bin ich schon jemand, der natürlich, also ich mag schon ganz gern, sag ich mal, Fakten an eigenen Background. Also sehr zu aus dem Bauch raus fühle ich mich nicht wohl und rede auch viel mit Menschen. Das kommt ja allein dadurch, dass ich oft in Organisationen bin, wo ich gar nicht so als die Top-Expertin reingekommen bin. Also ich höre mir natürlich dann viel verschiedene Meinungen an und versuche mir da so ein Bild rauszumachen.
Joel Kaczmarek: Und ich finde, ein Faktor dabei ist ja auch oft das Thema Komplexität. Wie gehst du denn mit Komplexität um? Weil manchmal ist es ja nicht so, dass du eine Entscheidung vor der Nase hast und siehst, alles klar, jetzt passiert mit 40 Prozent die Wahrscheinlichkeit dies und mit 60 Prozent das, sondern es ist ja total grau und weder schwarz noch weiß. Wie löst du dann Komplexität auf?
Anna Sophie Herken: Ich liebe ja Komplexität, das ist immer mein Spruch. Ich glaube, das ist so der Vorteil, wenn man so viele verschiedene Sachen gemacht hat. Also ich würde mal sagen, ich bin sicherlich eher jemand, der ganz viele Schnittstellen sieht und versucht zusammenzubringen. Mir macht das total Spaß, so ein bisschen so die Puzzle legen. Also mich triggert das eher im Positiven und ja, ist eher was, was ich gerne mag, dass ich so versuche, so auseinander zu fizzeln und wieder zusammenzulegen und dann zu gucken, was sozusagen der richtige Schritt ist.
Joel Kaczmarek: Machst du sowas eigentlich mal alleine, auch Entscheidungen treffen oder beziehst du da Menschen im beruflichen Kontext jetzt mit ein?
Anna Sophie Herken: Nee, also ich beziehe immer andere mit ein. Also in der Regel, ich beziehe die Leute vorher mit ein und dann treffe ich schon eine Entscheidung oder beziehe die Leute weitgehend ein. Aber wie gesagt, auch da wieder, weil ich ja oft in Jobs gekommen bin, wo ich reinkam, wo es Leute gab, die seit 30 Jahren da Experten sind und ich war der Newcomer in der Branche. Insofern hat es oft geholfen, dass ich Sachen gesehen habe, die für die Entscheidung wichtig waren, die die anderen gar nicht mehr gesehen haben, weil die schon diesen Expertenblick hatten und ich kam da frisch rein und gleichzeitig musste ich natürlich auch mal hören, was die so Wichtiges zu sagen haben. Insofern ergibt sich, wenn man in Jobs geht, wo man salopp gesagt keine Ahnung hat oder kein Experte vorher war, glaube ich, wird man ein ganz guter Teamplayer auch bei Entscheidungen.
Joel Kaczmarek: Bist du denn ein Mensch, der sich Ziele setzt, also sowohl beruflich als auch privat? Also beruflich wird es wahrscheinlich nicht ausbleiben qua Organisation, aber bist du eher ein Zieletyp oder bist du eher ein Opportunitätstyp?
Anna Sophie Herken: Ein Opportunitätstyp. Also wenn wir jetzt mal so die Basic-Ziele weglassen, dass man seine Sachen erledigt, die man so machen will. Ich bin eher Opportunitätstyp.
Joel Kaczmarek: Und das funktioniert. Ich bin auch so. Und ich jammer immer dann, dass ich denke, oh Gott, ich werde nie konzerntauglich sein.
Anna Sophie Herken: Ja, aber du machst ja was Vernünftiges. Man muss ja nicht konzerntauglich sein. Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich denke dann immer, das Wichtigste habe ich geschafft. Ich habe zwei tolle Kinder. Ich habe einen Beruf, der mir echt Spaß macht. Ich habe nette Freunde und ich kann für meinen Beruf gut leben. Ich sehe ganz viel und Es ist eigentlich so, dass ich immer denke, ich bin eigentlich da, wo ich gerade bin, ganz gut aufgehoben. Aber weiß nicht, ist das unambitioniert vielleicht?
Joel Kaczmarek: Ich weiß es nicht. Ich habe irgendwie einen Freund, der auch irgendwie eine Frau hat. Und dann erzählte der mir mal bei irgendeiner Gelegenheit, wo wir zusammen unterwegs waren, also das ist auch ein Unternehmer, und da meinte er so, ja, meine Frau und ich, wir haben Wochenziele, Monatsziele, Quartalsziele, Jahresziele, Fünfjahresziele und Zehnjahresziele, sowohl privat als auch beruflich. Nein. Und ich habe den angeguckt und habe aber nur Mitleid empfunden.
Anna Sophie Herken: Wie sieht so ein Ziel dann aus?
Joel Kaczmarek: Tja, weiß ich gar nicht. Also wahrscheinlich beim Privaten ist ja die Frage. Wahrscheinlich Länder mal gesehen haben oder die Wohnung vergrößern.
Anna Sophie Herken: So Bucketlist oder irgendwie.
Joel Kaczmarek: Ich habe es nicht mal gefragt, ehrlich gesagt, weil es mich so abgeturnt hat persönlich.
Anna Sophie Herken: Persönlich finde ich ganz interessant.
Joel Kaczmarek: Ja, ich meine, ich will es gar nicht bewerten. Jetzt ist es für ihn vollkommen okay. Für mich nur ist es irgendwie so, dass ich mich da eingeengt fühle. Da könnte ich gar nicht atmen, wie so ein Metall
Anna Sophie Herken: Und das ist, glaube ich auch, du hattest ja eingangs nach Erfolg gefragt. Und ich glaube ja, dass so dieses manchmal mit einem gewissen Anteil opportunistischen oder sich der Welt öffnen, durch das Leben gehen, glaube ich, auch ein Teil des Erfolgs ist. Weil ich glaube, wenn man sich so festbeißt an Ziel, dass man ja auch viel eher mal, dann ändert man den Weg nicht und kämpft an irgendwas, was man vielleicht nicht erreichen kann. Und ich glaube, dass zu viel Ziel und zu viel Wegvorgabe gar nicht förderlich ist für das, was auch immer wir Erfolg nennen.
Joel Kaczmarek: Was machst du denn eigentlich in Situationen, wo, wenn wir drüber reden, wo man hin will, wo du vielleicht links rum willst und jemand anders rechts rum, also sprich Konflikte in Konfliktsituationen, wie gehst du mit sowas um?
Anna Sophie Herken: Auch wieder beruflichen Kontakt, weil es ja immer schon wieder ein Unterschied ist, ob ich, also privat habe ich kaum Kontakt.
Joel Kaczmarek: Erzähl mal, vielleicht wäre mal interessant, die Unterschiede kennenzulernen, ja?
Anna Sophie Herken: Da habe ich überlegt, also Kinderklammer jetzt mal aus. Da willst du nicht dabei sein. Also im Privaten bin ich, glaube ich, sehr konfliktscheu. Ich bin, glaube ich, tendenziell sowieso eher ein bisschen konfliktscheu, aber ich bin kein Fan von Konflikten. Im Privaten bin ich, glaube ich, sehr nachgiebig. Im Beruflichen, es kommt darauf an. Also ich würde mal sagen, ich versuche den Konflikt aufzulösen und zu gucken, worum es geht. Also es ist ja so dieses typische, dieses Eisberg-Ding. Das habe ich inzwischen ja auch gelernt, dass es ja auch dann um andere Dinge geht, als um die, die man sich streitet. Also ich bin halt schon relativ hartnäckig zu verstehen, wieso ich nach A und der andere nach B will und ob wir wirklich unterschiedlich gehen wollen oder ob da was anderes hinterliegt und versuche das aufzulösen. Ich bin in der Sache sicherlich eher ein nachgiebiger Typ.
Joel Kaczmarek: Frag sonst auch immer gerne nach Derailern, also Dinge, die einen selbst aus der Fassung bringen. Was regt dich so richtig auf? Was ist bei dir? Was muss man tun? Oder wenn was passiert, wann gehst du an die Decke?
Anna Sophie Herken: Da gibt es doch die schönen Tests, die man immer machen muss, so Derailer-Tests.
Joel Kaczmarek: Ah, echt? Hast du das schon mal gemacht? Ich noch gar nicht.
Anna Sophie Herken: Naja, es gibt immer so Derailer-Tests. Ich habe gerade den Namen Hogan.
Joel Kaczmarek: Ja, Hogan Assessment.
Anna Sophie Herken: Ja, genau, Hogan Assessment. Also ich glaube, um mich so richtig aus meiner Fassung zu bringen, so stulch, bürokratisch, administrativ, so irgendwie unflexibel nach vorne preschen und mich da reinzwängen. Das derail ich vielleicht. Nicht vielleicht, wahrscheinlich.
Joel Kaczmarek: Okay. Noch was anderes?
Anna Sophie Herken: Wenn es wenig um die Sache geht, also wenn es nur um, was du auch am Anfang, so dieses politische Eitelkeiten, da kann ich auch nur begrenzt ertragen.
Joel Kaczmarek: Und was machst du, wenn dir sowas passiert, um wieder in Balance zu kommen? Also wie kommst du zurück in deine Mitte?
Anna Sophie Herken: Also Meditation habe ich so oft versucht, das hat mich noch nicht in die Mitte zurück katapultiert. Ich bleibe dran, hartnäckig, aber das hilft mir noch nicht. Also meist aus der Situation gehen und einmal drüber schlafen und einfach so innerlich Abstand davon nehmen.
Joel Kaczmarek: Sport?
Anna Sophie Herken: Ja, Sport mache ich, aber ist eher was, wo ich mich noch hinzwänge. Also es ist nicht so, dass ich denke, ja, jetzt gehe ich laufen und alles wird gut, sondern jetzt muss ich auch noch laufen gehen, damit es wieder gut wird.
Joel Kaczmarek: Ich meine, du hast ja auch erzählt, dass du ein Mensch bist, der gerne lernt. Also nach Cambridge, Sorbonne und Co. sind jetzt auch noch MIT und Harvard auf deiner Liste. Ja, mal gucken. Wie machst du das denn gerade on the job? Also wie lernst du denn noch momentan dazu, jetzt mal außerhalb von irgendwelchen Coachings, die dir vielleicht bei der Allianz irgendwie begegnen?
Anna Sophie Herken: Ich habe ja zum einen, dass ich meistens Jobs gemacht habe, wo ich wirklich neu in der Organisation war und neu in der Materie, in der Industrie. Also wenn du zum Beispiel Versicherungen nimmst, ist es mega komplex, ist total schwierig, wirklich Versicherungen zu verstehen, was dahinter steckt. Ich habe das Gefühl, ich lerne ja in dem Job einfach täglich und ich habe ja auch Jobs, die dann immer breiter werden, wo eigentlich immer was dazu kommt und dann mache ich weiter. mehr Schiene oder Nachhaltigkeit. Also insofern bin ich da eigentlich voll ausgelastet. und was ich jetzt im Frühjahr gemacht habe, zum Beispiel, das war, wie hat es von Jell gesagt, einfach da auch nochmal so, weißt du, so Executive-Kurse, so ein Abschluss, da ging es so um Sustainable Investing. Also ich versuche da, also außerhalb des Jobs auch immer noch irgendwie zu lernen.
Joel Kaczmarek: Spannend. Wollen wir eigentlich mal so einen typischen Tag von dir durch die Klinik, dass wir auch mal lernen, wie du dich selber organisierst?
Anna Sophie Herken: Okay. Homeoffice oder Office? Ich muss gerade überlegen, welchen wir nehmen sollten.
Joel Kaczmarek: Gibt es denn bei dir den typischen Tag?
Anna Sophie Herken: Nee, aber es gibt wahrscheinlich halbwegs eine Struktur, die man so verallgemeinern kann. Wobei es bei mir natürlich so ist, dass ich, dadurch, dass ich pendele, Im jetzigen Job habe ich ja meistens, wenn ich im Büro bin, bin ich in München, da habe ich dann sozusagen das Familien-Setup, die Kinder nicht. Also dieser ganze Stress, das habe ich natürlich jetzt im Homeoffice, aber so dieses morgens noch Möhrchenschnitze machen, Butterbrote schmieren, irgendwelche Sportsachen zusammensuchen, das ist bei mir durch die Konstellation so ein bisschen entzerrt.
Joel Kaczmarek: Muss man sich das so vorstellen, dass du dann irgendwie Montag runterfährst und Freitag wieder hoch?
Anna Sophie Herken: Also vor der Pandemie bin ich montags hin und dann entweder Mittwochabend oder Donnerstag zurück, je nachdem. Da ich da sehr viel mit USA und auch China arbeite, konnte ich schon immer recht viel von zu Hause arbeiten.
Joel Kaczmarek: Und währenddessen waren sozusagen Kids durch Papa versorgt und du hast dann vollen Fokus auf Work?
Anna Sophie Herken: Genau, also wenn ich jetzt in München bin, dann sind die beim Vater und der versorgt die super. Und ich konnte dann aufstehen und mich voll ganz auf den Job konzentrieren.
Joel Kaczmarek: Okay, dann machen wir mal den Tag, wenn du wirklich in München bist, also Hardcore Office Week eigentlich. Wann stehst du morgens auf?
Anna Sophie Herken: Ja, leider immer so früh. Ich würde manchmal, glaube ich, so senil langsam, senile Bettflut. Also ich stehe schon so, also so gegen sechs spätestens, stehe ich meist schon auf.
Joel Kaczmarek: Okay, und wie geht es dann los?
Anna Sophie Herken: Ja, ich bin auch so ein Morgen-Energie-Mensch. Ich glaube, ich bin für manche Leute auch so unerträglich. Ich habe meine Energie eher morgens als abends.
Joel Kaczmarek: Ich auch.
Anna Sophie Herken: Also ja, ich bin dann sofort so auf Zack. Ich stehe auch auf und bin sofort da und alert und mache dann oft erstmal sofort E-Mails. Gucke ich, weil es natürlich durch dieses internationale Arbeiten dann oft auf was reingekommen ist. Bin auch sehr schnell dabei, mich fertig zu machen und Frühstück ist für mich auch alles Zacki-Zacki. Also meist mache ich eine halbe Stunde oder Stunde erst zu Hause was, also E-Mails und dann gehe ich ins Büro.
Joel Kaczmarek: Wann frühstückst du? Dazwischen dann?
Anna Sophie Herken: Ja, dazwischen dann. Also es geht immer so, Frühstück und Fertigmachen ist schnell bei mir.
Joel Kaczmarek: Was ist so ein typisches Anna-Sophie-Herken-Breakfast?
Anna Sophie Herken: Ja, meistens so trockenes Müsli, weil ich vergessen habe, Obst zu kaufen.
Joel Kaczmarek: Kaffeetyp oder nicht?
Anna Sophie Herken: Aber hallo. Ich habe jetzt Blaubeer-Tiefkühlware entdeckt.
Joel Kaczmarek: Ah, sehr gut.
Anna Sophie Herken: Das ist jetzt ein bisschen besser geworden. Man kann jetzt auch Obst einfrieren.
Joel Kaczmarek: Und dein Bürotag, der besteht dann erstmal, erste Tageshälfte wahrscheinlich vor allem aus Meetings oder wie muss ich mir den vorstellen?
Anna Sophie Herken: Ja, es sind dann viele Meetings. Also ich mache das natürlich so, dass wenn ich in München bin, habe ich eigentlich die ganze Zeit Meetings, weil ich dann ja in den Tagen im Homeoffice in Berlin zwar viele Videomeetings habe, aber wie gesagt, da bin ich dann freier.
Joel Kaczmarek: Okay. Und ganzen Tag dann Meetings durchgeslottet oder auch mal zweite Tageshälfte ein bisschen anders gestrukturiert?
Anna Sophie Herken: Nee, das ist schon durchgeslottet. Und dann auch meist abends noch.
Joel Kaczmarek: Vielleicht denkst du gerade, was fragt der Nerd mich hier für komisches Zeug? Aber es ist ja manchmal interessant, gerade auch so Ernährung kennenzulernen, weil das macht ja auch was mit einem. Bist du jemand, der sozusagen so voll alles isst oder bist du Vegetarier, Veganer? Gibt es da irgendwie eine Ecke bei dir?
Anna Sophie Herken: Also ich bin schon immer, oder seit Teenagerzeit Vegetarier, aber nicht so richtig. Also eigentlich schon, aber ich esse ab und zu Hotdogs bei Ikea zum Entsetzen aller. Aber es ist immer so Heimatgefühl mit Schweden. Und also ab und zu mal Fleisch, aber nicht so richtig.
Joel Kaczmarek: Okay, also Flexitarier, wie man glaube ich so in Deutsch sagt. Alles klar, okay. Also sind sozusagen die ganzen Essensgelegenheiten bei dir, wenn du jetzt in deinem Arbeitsumfeld im Süden bist, eher auch so ein Jobding, dass du da Connections knipfst?
Anna Sophie Herken: Ja, das versuche ich schon. Und das ist auch ein bisschen in der Kultur bei uns, dass so dieses zusammen Kaffee trinken und Mittagessen, ohne dass das jetzt irgendwie faul klingen soll. Also es ist nicht so, dass alle die ganze Zeit Kaffee trinken. Aber das sind schon so ganz wichtige Punkte. Und gerade jetzt, weil wir alle weniger im Office sind. Also das ist positiv. Ich glaube, so die soziale Freude übereinander ist größer geworden.
Joel Kaczmarek: Hast du denn, wenn du in München bist, auch ein Privatleben? Oder ist da alles dem Job untergeordnet und in den Berlin-Wochen eher darauf?
Anna Sophie Herken: Nee, ich habe da auch ein Privatleben. Viel Privatleben kommt aus dem Job auch. Leute, die ich über den Job kenne.
Joel Kaczmarek: Wann hörst du denn abends auf zu arbeiten in München?
Anna Sophie Herken: Das hängt davon ab. Ich habe ja auch viel mit den USA gemacht. Wenn ich jetzt abends nichts Privates mache, dann so gegen elf oder zehn.
Joel Kaczmarek: Du arbeitest bis abends um elf?
Anna Sophie Herken: Ja, aber mit Pausen. Das klingt jetzt schlimmer als es ist. Ich mache es dann von zu Hause und dann sind vielleicht noch US-E-Mails oder auch Meetings. Aber es ist wie gesagt, es ist natürlich so diese Aufteilung, dass ich dann eben diese paar Tage habe, wo ich dann auch die Kinder nicht habe, dass ich da schon versuche, besonders viel zu schaffen.
Joel Kaczmarek: Kommt dann nach elf noch ein Privatleben oder fällst du ins Bett und stehst morgens wieder nur für eine Arbeitswelt auf?
Anna Sophie Herken: Dann falle ich tot um. Dann falle ich ins Bett. Aber wie gesagt, das sind dann eigentlich sehr reiche Tage und mit viel Interaktion und Leuten. Insofern, ich fahre jetzt nicht unzufrieden ins Bett.
Joel Kaczmarek: Ich stelle mir das so vor, dass man da sehr viel Sozialkontakt hat, dass man sehr berauscht ins Bett fast eher fällt.
Anna Sophie Herken: Ja, berauscht oder auch einfach so der Sucht in einem. Ich habe so viele Eindrücke und so viele Gespräche und so.
Joel Kaczmarek: Es gibt ja so diesen komischen Effekt, dass man eigentlich total müde ist, aber auch gleichzeitig total aufgeputscht. Weißt du, was ich meine?
Anna Sophie Herken: Ja, genau. Wo man dann denkt, man ist so müde und plötzlich liegt man, dann kann ich einschlafen. Aber ich bin normalerweise, ich schlafe dann sofort ein und freue mich auf den Kaffee morgens.
Joel Kaczmarek: Kontrastprogramm, du hast einen Berlin-Tag. Wann stehst du auf?
Anna Sophie Herken: Ja, auch genauso. Ich stehe genauso auf und dann wecke ich die Kinder so gegen halb sieben. Also da fokussiere ich mich dann meist auf die Kinder, bis die aus dem Haus sind. Das ist dann immer so, weiß ich, halb acht, viertel vor acht. Und dann mache ich meinen Computer an und fange dann an zu arbeiten.
Joel Kaczmarek: Und dann same procedure, halbe Stunde E-Mails und dann Meeting-Marathon virtuell oder wie läuft es dann?
Anna Sophie Herken: Ja, wobei ich in Berlin versuche, auch mehr, also ich versuche dann schon ab und zu mir so Slots reinzulegen, wo ich dann einfach auch mal lesen kann. oder ja, also München ist durchgetakteter.
Joel Kaczmarek: Wie machst du das mit Mittagessen dann eigentlich? Sitzt du zu Hause oder gehst du raus? Also wie gesagt, das ist eine total banale Frage eigentlich, wo man denkt, warum verwenden wir da Airtime drauf? Aber ich finde, es macht so vieles, also so einen großen Unterschied, wenn du den ganzen Tag nur zu Hause sitzt und dir vielleicht was bringt und nie rauskommst zum Beispiel. Deswegen finde ich mal ganz spannend, wie Leute sich das auflösen.
Anna Sophie Herken: Ich wohne ja hier in Berlin-Mitte, da wo man nur rausfallen muss und da gibt es lauter Sachen, wo man was essen kann. Ich versuche mittags mir was zu holen, habe aber auch jetzt in den letzten zwei Jahren leider horrende Lieferdienstrechnungen, die mich immer erschrecken, wenn ich dann so die Abrechnung sehe und denke, boah, also nicht nur wegen der Kosten, sondern auch wegen, das ist ja auch nicht so gesund, aber naja.
Joel Kaczmarek: Wie machst du sowas? Würde ich auch gerne mal wissen. Ich suche gerade auch im Business nach einem Tool, wie man mal vernünftig einen Cockpit kriegt für seine Ausgaben. Also muss ich mir sonst mal
Anna Sophie Herken: Gibt es ja, muss ich mal gucken. Ich versuche ja eher, wahrscheinlich gibt es das schon. Ich bräuchte so jemanden, weil ich kann nicht kochen oder ich koche nicht gut. Gibt es so eine Dienstleistung, dass man jemandem sagen kann, die Kinder, der eine ist nicht grüne Sachen, der andere nicht rote und so weiter. Und dann kommt jemand und kocht einem für die ganze Woche? Das müsste es doch geben, oder?
Joel Kaczmarek: Müsste man, glaube ich, fast eher eine Person anstellen, so Family Manager und so, da kenne ich das. Oder ansonsten wärst du halt bei HelloFresh oder sowas.
Anna Sophie Herken: Ja, aber das passt noch nicht so genau.
Joel Kaczmarek: Hab gesehen, dass die jetzt mit Neil Patrick Harris werben. Ich frage mich, wie das zusammenpasst, aber dem gehe ich ein andermal auf die Spur. Okay. Hast du denn, wenn du in Berlin bist, so, also variiert es, dass du zum Beispiel sagst, erste Tageshälfte mache ich nur Meetings, zweite Tageshälfte arbeite ich konzentriert oder sowas? Hast du da so ein Regularium für dich?
Anna Sophie Herken: Nee, aber ich bin ein totaler Morgenmensch. Also wenn ich komplizierte Dinge über die nachdenken muss, versuche ich das immer vor zwei Uhr oder so zu machen.
Joel Kaczmarek: Und wann hörst du in Berlin auf zu arbeiten?
Anna Sophie Herken: Die Kinder kommen ja meist erst nachmittags aus der Schule und versuchen, dass sie kurz was essen. Und da die dann ihre Aktivitäten haben, das kann ich auch schwer sagen. Ich arbeite auch meist. Bis zehn bin ich irgendwie erreichbar, aber unterbreche dann je nachdem, wie es mit den Kindern ist. Ich habe natürlich meine Meetings, aber wenn ich jetzt weiß, dass meine Kinder kommen um vier nach Hause, versuche ich dann eben eine halbe Stunde frei zu haben und vielleicht auch Termine hinzulegen, wo ich auch mal zwischendurch Fragen beantworten kann der Kinder etc. Also es ist lockerer.
Joel Kaczmarek: Hast du denn eigentlich Unterstützung? Also hast du zum Beispiel jemanden, wie eine Nanny oder Babysitter oder sowas, die die Kids dann mal zum Fußball fahren oder zum Hockey oder solcher Art?
Anna Sophie Herken: Ich hatte das, als sie kleiner war, hatte ich eine Nanny. Wir hatten echt eine großartige Nanny. Eigentlich seit, ja, von Anfang an, die bei uns war. Jetzt sind die alt genug. Also das erleichtert das auch enorm. Und jetzt kommen die nach Hause und die wollen natürlich gar nicht mehr, dass ich die irgendwo hinfahre, weil ich so peinlich bin und uncool. Ja, oder wenn ich sie abhole, muss ich irgendwie um die Ecke warten.
Joel Kaczmarek: Echt? Ja, kommt das wirklich so? Man hört das ja immer.
Anna Sophie Herken: Ja, ja. Das sind Väter nicht so uncool, aber ich bin uncool. Ich finde mich gar nicht so uncool, aber okay. Ich frage meine Kinder.
Joel Kaczmarek: Schaffst du denn mit deiner Familie irgendwie relevant Zeit zu verbringen eigentlich? Erlaubt das dein Berufsleben, wenn du in Berlin bist auch?
Anna Sophie Herken: Ja, am Wochenende in der Regel schon und abends. Also die Kinder haben ja auch, also wenn die älter sind, die haben ja auch ihr Programm und oft ist es ja auch so, dass die selber erst dann um acht nach Hause kommen und dann abends machen wir eine halbe Stunde zusammen irgendwie Quatsch, mal eine Serie gucken oder irgendwas machen.
Joel Kaczmarek: Und wie ist es so mit Sport und Sozialleben? Wie kriegt man sowas unter? Hast du so eine Lösung für dich? Weil wenn ich Menschen wie dir, wenn ich mit denen rede, die sind ja immer geslottet, die haben immer viel zu tun und Zeit ist so das ärmste Gut, was solche Menschen haben. Wie ist es bei dir?
Anna Sophie Herken: Ja, das ist echt so eine Einschränkung. Und das merke ich dann auch, wenn ich so mit Freundinnen, die andere Leben haben, also die freier sind in ihrem Alltag, da merke ich immer, wenn ich auch mit denen in Urlaub fahre, dass diese am liebsten dann immer schon die zwei Wochen durchplanen, wo wir wann wie wo sind. Und ich merke dann so als Kontraprogramm, für mich ist, wenn ich nicht arbeite, wenn ich in Urlaub fahre, ich buche den Flug und das Hotel und für mich ist dann das Wichtigste eigentlich keinen Plan zu haben. und ich sehe das so als Kontrapunkt zu diesem durchgeschlotteten Leben, was dazu führt, dass ich natürlich auch oft ein bisschen unorganisiert bin in meinem Urlaub, aber ich finde das so das Schönste, morgens aufzustehen und zu denken, ich kann machen, wozu ich Lust habe und wann ich will und ich wache dann meist trotzdem früh auf und weiß ich nicht, aber so allein die Frage im Kopf zu haben, ich habe keinen Plan, keinen Termin, das finde ich großartig.
Joel Kaczmarek: Ja, du und ich, wir waren ja auch gleichzeitig in New York und ich habe mich auch nicht getraut, dir ein Treffen vorzuschlagen, weil ich irgendwie dachte, wenn man mal weg ist, will man den Kopf frei haben und ich fand dann ganz lustig, wenn man sich dann geschrieben hat, hey, ich bin gerade hier auf dem One World Trade Center, was machst du? Ah, ich bin hier gerade in Brooklyn irgendwie im Second-Head-Shop mit meiner Tochter, wie Klamotte guckt.
Anna Sophie Herken: Ja, genau. Du warst doch irgendwie, warst du nicht eingesperrt in dem Tower, ne?
Joel Kaczmarek: Ja, der Fahrstuhl ging nicht mehr und dann kam er da nicht mehr runter und so, das war ein bisschen lustig.
Anna Sophie Herken: Ja, du hättest durchaus begegnen können.
Joel Kaczmarek: Ja, und den Leuten wurde komisch, das ist echt krass, also an diesem Ort, wenn du da ganz oben bist und kommst nicht mehr runter, das hast du schon, da hast du schon Anspannung gemerkt, ja.
Anna Sophie Herken: War die lange oben eingesperrt, oder?
Joel Kaczmarek: Ich würde sagen, so eine halbe bis dreiviertel Stunde, dann musste man irgendwie so, dann ist man nicht mehr einen Fahrstuhl, die gefühlt 50 Etagen hochgefahren, sondern halt musste dreimal wechseln, so, und wurde durch das Allerheiligste, durch die Hinterflure geführt, aber ist ja auch mal eine Erfahrung, ja. Aber sag mal, was ist denn bei dir eigentlich so der Faktor Freunde? Weil das finde ich was, was ich auch ganz oft beobachte, das geht selbst mir so und ich manage jetzt nicht irgendwie 400 Leute, dass man ja manchmal nicht mehr so Sozialleben gepflegt kriegt, dass man Menschen trifft, mit denen man zur Schule gegangen ist oder so. Weißt du, was ich meine? So dieses Sozialleben, wie kriegst du das hin?
Anna Sophie Herken: Also ich würde sagen, dieser Aspekt Freunde ist bei mir extrem gut ausgeprägt. Ist mir auch total wichtig. Also da ist eher so Sport oder Hobbys zu kurz gekommen. Meine allerzweiten besten Schulfreundinnen sind auch in Berlin, also wir kennen uns ewig. Die sehe ich bestimmt drei, vier Mal im Monat. Also ich habe es eigentlich ganz gut geschafft, auch so meine Freundschaften so über die Kontinente aufrechtzuerhalten und Ich treffe auch immer wieder neue Leute oder sind natürlich dann meist auch Frauen vielleicht in meiner Position, mit denen ich wirklich Freundschaften aufbaue. Und ich glaube, was die alle gemeinsam haben, ist, dass es Freundschaften sind, die auch viel Verständnis füreinander haben. Also wo dann auch niemand beleidigt ist, man dann doch absagt und wir uns dann auch mal treffen, auch wenn es einfach nur mal eine Stunde ist. Aber das sind sehr intensive Freundschaften und da bin ich auch extrem dankbar für.
Joel Kaczmarek: Wie kommunizierst du denn eigentlich? Bist du eher so der WhatsApp-Typ oder der Sprachnachrichten-Typ oder der Anruf-Typ oder der E-Mail-Typ? Wie machst du das mit Freunden?
Anna Sophie Herken: Also anrufen und Video und privaten ist gar nicht mein Ding. Und jetzt erst recht seit dieser ganzen Pandemie, weil ich das Gefühl habe, ich klebe nur in irgendwelchen Videos und Calls. Das finde ich ganz schlimm. Ich bin so der WhatsApp-Sprachnachrichten-Typs. Finden auch immer alle ganz schrecklich. Aber es liegt vielleicht auch daran, dass die Buchstaben immer kleiner werden auf dem Handy. Weil ich da immer so kryptische Nachrichten geschrieben habe eine Zeit lang.
Joel Kaczmarek: Ja, okay. Aber kann ich verstehen.
Anna Sophie Herken: Wie die Teenager. Die machen ja auch nur Ich konnte es aber nicht verstehen, als sie damit anfingen. Ich dachte, was macht ihr da? Wieso? Ruft euch doch an. Aber jetzt bin ich genauso.
Joel Kaczmarek: Das Einzige, was ja daran nervig ist, dass man 30 Nachrichten untereinander sieht und weiß nicht, was in welcher passiert. Ach, das ist die, wo sie mich mit dem Weg zur Location beschreibt.
Anna Sophie Herken: Und du kannst nicht so spot-on. Es gibt ja auch gesprächigere Nachrichten, wo du denkst, komm mal, du kannst es schwer vorspulen.
Joel Kaczmarek: Hast du eigentlich, wenn du mal an deine unterschiedlichen Berufsstationen zurückdenkst, hast du so Unterschiede bemerkt, was es mit deiner Familie gemacht hat? Du hast ja auch unterschiedliche Kulturen erlebt. Vielleicht war ja Amerika manchmal auch eine ganz andere Führungskultur als jetzt zum Beispiel hierzulande.
Anna Sophie Herken: Es wäre zu sagen, weil ich ja, seitdem ich jetzt meine Familie so bewusst habe, ja eher in der deutschen Kultur war. Also grundsätzlich bin ich sicherlich immer so eher, sag ich mal, im Ausland, in der amerikanischen Kultur, habe ich mich sicherlich eher jetzt so von meiner Grundveranlagung aufgehobener gefühlt. Also gerade weil ich so meinte, da ist ja eher so dieses, oh, ich habe eine Idee, alle finden es erstmal toll. Jemand anders hat eine Idee und ich kann es erstmal toll finden. Das ist so sicherlich vom Spirit her. Ansonsten, was ich in Deutschland schwierig fand, also mit meiner jetzigen Position nicht mehr so, das war so diese Anwesenheitskultur und dieses totale Oldschool. Ich weiß nicht, ob du jemals so gearbeitet hast, aber ich hatte auch so deutsche Jobs, wo dann immer so, wer ist zuerst im Office und wer am längsten. Das fand ich so grauenvoll. Das hat mich so genervt. Das macht einen Impact.
Joel Kaczmarek: Und während wir sprechen, hat man in Deutschland gerade wieder die Pflicht zur Zeiterfassung. Ja, ja, ja. Nee, kann ich total verstehen. Zumal es ja auch so gefühlte soziale Sanktionen nach sich bringt. Der Erste, der geht und all sowas. Das ist sehr unangenehm, in der Tat.
Anna Sophie Herken: Ja, das ist auch so, gerade wenn du natürlich ein Privatleben hast oder Familie und das ist auch so unproduktiv. Und ich glaube, das ist so dieses, in Deutschland habe ich lange die Erfahrung gemacht, so dieses das Input. Es war immer so, wer am meisten Input liefert im Sinne von irgendwie, weiß ich, Hintern platt sitzen, irgendwie treu am Bildschirm E-Mail schreiben, das wird so als super Performance gesehen. Während ich natürlich da schon immer so war, ich dachte mir, es ist total egal, wo Leute was machen, solange der Output stimmt.
Joel Kaczmarek: Ich war auch immer so, ich erinnere mich, mein Investor damals bei meiner früheren Firma, der kam immer und meinte, Joel, hier bei unserer einen Firma XY, wenn der CTO da eine halbe Stunde länger bleibt, dann bleiben auch seine fünf Entwickler alle irgendwie eine halbe Stunde länger. Das sind dann sechs mal 30 Minuten, also drei Stunden mehr gewonnene Produktivität, wo ich meinte, Alter, die gucken dann auch nur Facebook oder YouTube.
Anna Sophie Herken: Die gucken ja, oder Bundesliga.
Joel Kaczmarek: Und dafür sind sie am nächsten Tag unproduktiver und so weiter, also ja, das ist grausig.
Anna Sophie Herken: Also da hoffe ich echt, dass sich so viel positiv verändert jetzt, dass das nicht zurückgeschraubt wird.
Joel Kaczmarek: Ich muss aber auch sagen, als ich aus den USA kam, ich meine, es ist ja manchmal ein bisschen schade, das ist ja auch wirklich oberflächlich teilweise. Also ich weiß noch, ich habe echt ein bisschen gebraucht. Die kommen ja immer, hi, how are you? Und dann saß ich mal da und habe dann mal geantwortet, so ganz brav. Ja, danke schön, mir geht's gut. Wir sind heute ein bisschen müde aufgestanden, aber dies, aber das, aber jenes.
Anna Sophie Herken: Ein bisschen schnupfen hat mein Kind.
Joel Kaczmarek: Und dann hast du realisiert, das interessiert dich halt überhaupt nicht. Du sollst einfach nur sagen, ja gut, und wie geht's dir?
Anna Sophie Herken: Klar, aber das ist natürlich auch die Form der Kommunikation, das ist so wie Hallo zu sagen.
Joel Kaczmarek: Auf der anderen Seite weiß ich auch noch, ich kam dann wieder in Deutschland an, halb sieben oder sieben Uhr morgens am BER, stehe unten, wir wollen so in Richtung Zug, ich stehe mit meinen Koffern, meine Frau oben und dann kommt so eine Familie an mir vorbei, hat irgendwie so sechs Koffer, schiebt die so und ich gucke die an. und ich wollte gerade ansetzen zu sagen, na, wo geht's hin? Und dachte dann so, nee, das ist noch American Style, wenn du das hier fragst, dann sagt der, was geht denn dich das an?
Anna Sophie Herken: Ja, Alter, was wollen sie denn hier?
Joel Kaczmarek: Ja, stimmt. Aber was mich an den USA nochmal interessieren würde, hast du das auch so erlebt? Mir erzählen das Freunde immer, die teilweise in Firmen arbeiten, die großen US-Konzernen gehören, dass es da ganz strikte Regularien auch gibt in Bezug auf Gender. Also Elevator Rules ist zum Beispiel was, was mir untergekommen ist, dass ich von Firmen gehört habe, da dürfen Männer nicht im Fahrstuhl fahren, wenn eine Frau dazu steigen will oder eine Frau schon drin ist, dann müssen sie den Nächsten kommen lassen. Ist das in den USA eigentlich echt so?
Anna Sophie Herken: Also ich kann es jetzt nicht für die USA sagen. Ich habe das so nicht erlebt. Ich bin ja im Aufsichtsrat von einem US-Lebensversicherer oft und da haben wir das alles nicht. Also nee. Es gibt sicherlich eine höhere Sensitivität dort, was ja per se auch erstmal nicht so schlecht ist, aber nee, so dieses Übertriebene. Kenne ich so nicht.
Joel Kaczmarek: Ich habe so ein paar Kandidaten. Ich weiß, das hat Jörg Reinbold mir auch mal erzählt, der zehnjährig E-Mail-Chef war, dass er mal nachts einen Anruf bekommen hat, er hätte zwei Kollegen, die hier wegen Diskriminierung irgendwie gerade ein Thema hätten. Da meinte er, wer ist denn das? Und dann sagten die ja der und der. Hä, aber die sind doch total die netten, bodenständigen Menschen. Was haben die denn gemacht? Ja, die haben einer Frau die Tür aufgehalten und den Männern irgendwie nicht. Das ist so, was mir manchmal in dieser US-Kultur so, was ich so höre, wo ich denke, Wahnsinn, ne?
Anna Sophie Herken: Also ich kenne das so nicht. Es ist Spekulation, aber vielleicht ist es dann auch manchmal so ein bisschen, um diese übertriebenen Fälle auch so als Antimodell zu sehen. Also ich glaube, grundsätzlich war es sicherlich jetzt auch bei der Weltbank und so, da war früher eine Sensibilität für solche Themen. Also da waren ja nicht nur Frauen, da waren ja verschiedene Ethnien und wir waren ja so ein bunter Haufen, dass man da sicherlich guckt, dass man respektvoll miteinander umgeht und auch so diese ganzen unausgesprochenen Diskriminierungen, dass man da ein Gefühl für kriegt. Aber ich habe das mal eher positiv erlebt.
Joel Kaczmarek: Ja, ich schweife jetzt total ab, aber ist ja auch gerade die Debatte, dass Ariel jetzt verfilmt wird und schwarz ist, was ich voll cool finde, ehrlich gesagt, aber das ist faszinierend, was man dann manchmal noch so für Sachen mit sich rumträgt, aber anyway, ich schweife jetzt wirklich ab. Zurück zu dir, vielleicht abschließend, vielen, vielen Dank erstmal, also ich glaube, das war ganz spannend mal zu erleben, es wirkt bei dir nur mit so einer Leichtigkeit, das bestaune ich ja noch ein bisschen, so nee, ich bin nicht Ellenbogen, nee, ja, ich habe zwei Kinder, aber ich kriege das alles gewuppt, vielleicht kannst du ja nochmal so ganz nach hinten raus irgendwie sagen, wie schaffst du es, so eine Frohnatur zu sein und trotzdem so viel zu erreichen?
Anna Sophie Herken: Ich überlege gerade, ob die Kausalität so rum ist oder andersrum. Ich weiß es nicht. Na, wie gesagt, ich glaube, was mir geholfen hat, ist, dass ich wirklich Spaß habe am Arbeiten, am Lernen. Also am Lernen. Und Lernen ist bei mir auch Arbeiten. Also dass mir das immer Freude macht, was ich mache. Also ich habe jetzt nie gewusst, ich muss jetzt das und das erreichen. Also dass ich da, glaube ich, sehr flexibel bin. Ich glaube, das gibt mir vielleicht so eine gewisse Leichtigkeit. Also dass ich so dachte, ich habe ja auch Sachen, ich bin ja manchmal auch den Weg Nummer A gegangen und der ging nicht, dann musste ich auf B umsatteln und vielleicht ist das eine Leichtigkeit, wenn ich dann dachte, ach B war ja auch ganz schön und nicht jetzt das Gefühl habe, ich habe A nicht geschafft. Also ich glaube, so eine gewisse Aufgeschlossenheit. Und eigentlich sehe ich das auch alles als was, was mir irgendwie, wo ich immer denke, ach, das macht ja alles Spaß und ich lerne was. Und da gibt es trotzdem blöde Tage und blöde Erfahrungen. Aber wenn man das so in den Kontext packt, finde ich das immer alles so eigentlich eher ganz positiv.
Joel Kaczmarek: Musst du dich eigentlich auch anstrengen, deinen Kindern sowas beizubringen oder so Wertemodelle? Weil was mich jetzt manchmal beschäftigt, ich habe vor kurzem einen Podcast mit einem Bekannten gemacht, der ist halt so, weiß ich nicht, 150-facher Millionär. Und dann haben wir so drüber geredet, was schenkt man seinen Kindern? Kauft der teure Sachen oder müssen die sich das selber kaufen zum Beispiel? Und es bleibt ja in deiner Rolle nicht aus, du hast ja auch eine gewisse Visibilität im Beruf, dir wird jetzt wirtschaftlich nicht ganz schlecht gehen, du hast aber auch viel Zeit, die du auf die Arbeit verwendest, bist manchmal vielleicht nicht für die Familie da. Musst du dann für dich auch so ein Korrektiv schaffen, wie du mit deinen Kindern redest, dass du denen alles erklärst, was bei dir so passiert? oder wuppt sich das bei dir auch so simpel zusammen, wie bei dir gefühlt alles?
Anna Sophie Herken: Du meinst, was passiert im Beruf, wie mein Leben, was ich arbeite oder was?
Joel Kaczmarek: Ja, ich finde, da kommen ja so verschiedene Sachen zusammen. Also ich finde, das eine ist so Werte vermitteln, also worauf kommt es an im Umgang mit anderen. Das andere ist Umgang mit Geld, finde ich auch irgendwie was Wichtiges, was ja quasi sogar dein Beruf ist. Und dann halt auch so, Mama hat oft keine Zeit für dich, hat dich aber trotzdem lieb, jetzt mal flapsig gesagt.
Anna Sophie Herken: Also mit den Werten, ich glaube, das habe ich von Anfang an, weil mir das, vielleicht gebe ich da dann irgendwie auch so weiter, wie ich es erlebt habe. Also ich glaube, da habe ich von Anfang an oder wird von Anfang an darauf geachtet, in der Familie auch viel darüber zu sprechen. Also dieses, es fängt dann ja in der Kita und so an, dieses, dass man, was ich, nett zu anderen ist, niemand hänselt, so die Basics, aber die sind ja wichtig oder ganz wichtig. Wie bin ich zu anderen Menschen und auch so dieses Bewusstsein, also wie gut es uns geht und so. Wobei, ich weiß nicht, wie es bei dir war, aber als Kind erinnere ich mich auch, wie man dann teilweise denkt, ja, ja, und natürlich nicht hinhört und lasst die Mama mal quatschen. Aber trotzdem ist es ein Riesenthema. und mit dem Geld, ja, es ist gar nicht so einfach. Also ich gucke da schon drauf, dass meine Kinder nicht immer das Tollste, Neueste, Größte haben und auch lernen, was das bedeutet, trotzdem Wir haben darüber gesprochen, verreisen wir viel oder so. Also da versuche ich auch immer ein Gefühl dafür zu schaffen, dass es nicht normal ist. Ob das ankommt, kann ich so nicht sagen. Und mit dem viel Arbeiten, ich rede da viel mit meinen Kindern drüber. Ich frage die auch immer ganz ehrlich. Ich sage immer, Mann, würdet ihr gerne, dass ich mehr da bin jetzt oder so. Und die sagen immer, nö, ich glaube, die kennen das nicht. Ja, also wir waren ja sowieso nicht, jetzt ist auch so ein doofes Alter, jetzt sind sie froh, wenn ich weg bin. Aber ich glaube, dass sie das nie anders kannten. Und ich hatte ja auch eine berufstätige Mutter. Also wenn man das nicht anders kennt, das war nie ein Thema. Und das hat mir ja auch immer Spaß gemacht. Also ich bin ja nicht nach Hause gekommen und gesagt, oh, der blöde Job oder so. Ich glaube, wenn die dann merken, dass man da so ganz bei sich ist, ist das auch kein Thema.
Joel Kaczmarek: Ja, ist vielleicht auch so eine Altersgeschichte. Ich habe neulich meinen Sohn gefragt, wie findest du mich eigentlich so als Papa? Dann hat er mir so fünf positive Eigenschaften aufgezählt. Dann meinte er, gibt es auch was, was ich blöd mache? Ja, du spielst mit mir zu wenig Playmobil.
Anna Sophie Herken: Ja, okay. Ja, stimmt. Aber das ist ja, wenn die kleiner sind, kann man das noch. Also ich habe dann auch so das Feedback, mit mir kann man gut vom Fernseher kuscheln. Da dachte ich, naja, okay. Aber immerhin.
Joel Kaczmarek: Ja, aber lieber die Sachen sozusagen mit Überzeugung und mit Liebe machen und darin Spaß haben und sich nicht in Sachen reinquälen.
Anna Sophie Herken: Ja.
Joel Kaczmarek: Na gut. Anna, es war mir ein Vergnügen. Vielen, vielen Dank für das Eintauchen in deine Welt. Bleib gesund und wir sehen uns bestimmt hier bald mal wieder.
Outro: Ja, danke. Hab mich total gefreut. Und vielen Dank. Bis bald. Ciao, ciao. Tschüss. Danke fürs Zuhören beim Digital Kompakt Podcast. Du merkst, hier ziehst du massig Wissen für dich und dein Unternehmen heraus. Wenn du mit uns noch erfolgreicher werden möchtest, abonniere uns auf den gängigen Podcast Plattformen. Und hey, je größer wir werden, desto mehr Menschen können wir helfen. Also erzähl doch auch deinen Kolleginnen und Kollegen von uns. Bis zum nächsten Mal.