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Joel Kaczmarek: Hallo Leute, heute geht's mal richtig zur Sache und zwar ein spannendes Thema. Bei mir sind alle Themen spannend, aber heute brennt so richtig die Luft, denn ich teile mit euch heute die fünf goldenen Regeln, wenn die Staatsanwaltschaft bei euch klingelt. Uff. denkt ihr jetzt gerade, was ist da los? Also, es ist ja manchmal so, dass man auch mit Vater Staat zu tun hat in Sachen Rechtsfragen. Manchmal, wenn man was Falsches gemacht hat, manchmal vielleicht aber auch aus unglücklichen Umständen. Und ich habe zwei ganz tolle Anwälte an meiner Seite, also genauer gesagt eine Anwältin und einen Anwalt. Nämlich einerseits die liebe Caroline Raspé und zum anderen den guten David Rieks. So, und Caroline und David sind beide bei YPOG, einer sehr tollen Anwaltskanzlei. Ich weiß, ich habe nur tolle Leute hier. Und die machen beide Dinge, die genau in diese Richtung gehen. Caroline nämlich ist verantwortlich für den Bereich Compliance und Internal Investigations und David wiederum, der ist für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht zuständig. So, und die beiden haben eine komplett neue Abteilung, die sie da bei YPOC bevölkern, nämlich CCCI, Corporate Crime Compliance Investigations. Und wir haben uns gesagt, wir machen mal eine kleine Reihe, wo wir mal so richtig brisante Rechtsthemen thematisieren, also wenn es wirklich mal ans Strafrechtliche geht. Nevertheless gilt heute natürlich, dass wir keine Rechtsberatung machen. Also das ist hier nicht so zu verstehen, dass ihr hinterher rechtssicher seid, sondern wenn ihr mal ein Thema habt, über das wir hier heute reden, dann geht zu einem Profianwalt zum Beispiel zu den beiden und lasst euch beraten. So, aber jetzt wie gesagt mal zur Sache. Also heute nehmt ihr mit, was passiert denn eigentlich, wenn die Staatsanwaltschaft klingelt. Ich werde fragen, warum klingelt die, wie klingelt die, was mache ich dann, wie gehe ich mit meinem Anwalt um, was für Daten gebe ich raus, was passiert, wenn die Daten schon weg sind und ich will sie wieder haben etc. pp. Also heute eine richtig bunte Mischung ihr beiden. Schön, dass ihr da seid. Freue ich mich drauf.
Carolin Raspé: Dankeschön, wir freuen uns hier zu sein.
**Joel Kaczmarek: **Vielleicht fangen wir mal ganz bodenständig an. Wer immer von euch da der Kompetentere ist, springt als erstes rein. Wann ist das denn eigentlich so, dass die Staatsanwaltschaft bei mir als Unternehmen klingelt? Und klingelt die eigentlich wirklich beim Unternehmen oder klingelt die bei den Geschäftsführern und Geschäftsführerinnen? Das ist so das Erste, was ich mich gefragt habe. Was muss ich eigentlich verbrochen haben, damit die Staatsanwaltschaft zu mir nach Hause kommt?
David Rieks: Die Antwort ist unerfreulicherweise für alle, die jetzt zuhören und sich sicher fühlen, nicht besonders viel. Die Staatsanwaltschaften brauchen eigentlich nur einen sogenannten Anfangsverdacht, dass irgendetwas passiert ist, was strafrechtlich relevant ist. Und das geht, wenn ein Wettbewerber, ein unzufriedener Mitarbeiter oder sonst irgendeine Behörde, die sich mit einem auseinandersetzt, einem nicht wohlgesonnen ist, relativ schnell diesen Eindruck zu vermitteln. Und noch schlechter ist die Nachricht, dass es auch sein kann, dass nur jemand anders diesem Verdacht unterliegt und vermutet wird, dass bei einem selber Daten, Unterlagen oder sonstige Dinge möglicherweise auf den digitalen Servern in den Büros und ich komme gleich nochmal dazu, auch zu Hause liegen könnten, die für die Behörde, für die Ermittlungen von Interesse sind. Und dann klingeln sie und dann klingeln sie eben besonders früh und überraschend, damit man nicht vorbereitet ist und die Sachen tatsächlich da sind, wo sie sie erwarten.
Joel Kaczmarek: Ah ja, krass. Ich war gerade in Südostasien in Vietnam unterwegs und da habe ich so gelernt, wenn man da was ausgefressen hat, dann klingelt die Polizei nachts um eins oder um zwei bei dir. Und ich habe erst gedacht, das liegt daran, dass man dann so voll wach und unter Stress ist, weil man so aufgeweckt wird und so völlig desorientiert ist. Und die meinten, nö, die denken, dass man dann halt definitiv zu Hause ist im Vergleich zu tagsüber. Also lerne ich aber schon mal, eine Kiste ist, wenn ich Besuch kriege, dann eher sehr früh morgens. Und hat das in Deutschland, hat das da so einen psychologischen Beweggrund? oder ist das genau aus dem gleichen Grund, dass man halt denkt, okay, die Leute sind dann definitiv zu Hause?
David Rieks: Also sowohl als auch. In der Tat ist es in Deutschland ganz regelmäßig so, dass jedenfalls in Wirtschafts- und Steuerstrafrechtlichen, also in den Sachverhalten, die Unternehmen betreffen, das Unternehmen durchsucht wird. Aber es ist für die meisten Personen total überraschend, so dass eben ganz regelmäßig auch die Wohnungen von beschuldigten Personen, und das sind ganz oft die Geschäftsführer, bei Startups die Gründer oder sonstige leitende Mitarbeiter, bei denen in der Wohnung tatsächlich auch durchsucht wird. Da wird man sagen, was ist das für ein Unsinn? Ich habe ja meine Unterlagen nicht zu Hause. Erstens ist das meistens heutzutage nur noch halb richtig, weil man trägt die ganz wichtigen Unterlagen meistens an einem kleinen Telefon oder in einem Laptop mit sich rum. Und zweitens hat heutzutage fast jeder einen Homeoffice-Platz, also vieles liegt auch wirklich zu Hause. Das heißt, die Behörde will sicherstellen, dass man dann auch da ist, wo man angetroffen werden soll. Das heißt, bei dir, Joel, zu Hause kommen sie zwischen sechs und sieben, weil sie antizipieren, dass du dann aufstehst und zur Arbeit gehst. Beim Unternehmen kommen sie klassischerweise eher so gegen acht, damit sie die Tür nicht aufbrechen müssen, in der Hoffnung, dass dann jemand da ist. Und die Gründe sind vielfältig. Einer ist natürlich der Schockmoment, denn jeder kann sich das vorstellen, dieses Gefühl, man wacht von der Klingel auf und dann steht jemand da und sagt, hier Polizei, hier Steuerfahndung, hier Staatsanwaltschaft und um einen rum ist der Lebenspartner. Ich habe schon Fälle gehabt, da war gerade die Schwiegermutter zu Besuch, die Kinder sind noch zu Hause. Das ist von der Konfrontationssituation natürlich erstmal ein kleiner Vorteil für die Behörde. Und der zweite Vorteil soll natürlich sein, es soll dann auch jemand da sein, wenn man klingelt und es ist keiner da. Dann ist auch das Handy von demjenigen nicht da, das ist schlecht. Deshalb ist der frühe Besuch der Regelfall.
Joel Kaczmarek: Krass, das ist schon emotional echt hart. Vor allem das Undankbare ist ja, wenn du gerade gesagt hast, es kann dir auch blühen, wenn man bei dir nur Daten vermutet von jemand komplett anderem, wo du sozusagen eine dritte Partei bist. Also ich würde dir mal tippen, dass wenn sowas publik ist, dass die Bullerei bei dir einmarschiert ist, dass man halt immer so schnell an dem Thema ist, okay, wo raucht da auch Feuer? Also ich glaube, die Rufschädigung ist ja wahrscheinlich mindestens genauso groß wie der juristische Schaden, der einem droht, oder? Wie erlebst du das so bei deinen Klienten?
David Rieks: Ja, das ist ein Riesenproblem, weil die Ermittlungsbehörden tatsächlich dann meistens nicht ganz dezent mit einer Person kommen und sagen, wir haben ein, zwei Fragen, wir hätten gerne Ihr Handy und zudem noch irgendwie Vertrag XY, sondern mit dem großen Besteck kommen, also mit vielen Personen, weil sie oft nicht einschätzen können, wie viele Räume sind das, wer wird da gebraucht. In ganz vielen Sachverhalten, wo man es gar nicht erwartet, ist zum Beispiel der Zoll in Deutschland zuständig, also bei allen Fragen rund um Scheinselbstständigkeit ein relevantes Thema natürlich für viele junge, wachsende Unternehmen, auch im Bereich Außenwirtschaftsrecht, alles was man so Ausfuhrdelikte hat, da ist der Zoll zuständig und der Zoll kommt fast immer mit Waffen. Also waffentragend, gerne auch mit schusssicherer Weste. Ich habe mal einen Zollbeamten gefragt, was das ganze Zinnober eigentlich dann soll bei einer Wohnung hier in Blankenese von einem Geschäftsführer, wo es darum ging, ob mehrere Mitarbeiter im digitalen Bereich Scheinselbstständige sind. Und so eine sozialrechtliche Vorfrage gab's. Warum kommt man da mit so Waffen und einem Bus und schusssicherer Weste morgens um sechs? Und die haben gesagt, für die ist der einzige Grund, das ist angeblich jedenfalls der einzige Grund, ist, dass sie dann nur von ihrer Berufshaftpflicht versichert sind, wenn sie ihre Vollmontur anhaben, wenn im Einsatz was passiert. Natürlich ist der Faktor auch dieser Abschreckungseffekt und das ist natürlich der Fall, wenn in Berlin-Mitte, habe ich schon die Fälle gehabt, hier in den schönen Wohnvierteln in Hamburg, wenn da morgens um sechs so ein Kommando einmarschiert beim Nachbarn und dann sagt der hinterher, nee, da streiten wir uns gerade juristisch um so eine Feinheit im Sozialversicherungsrecht, dann denkt man auch so, ja nee, ist klar, da denkt man halt, der hat sich halt mit der Unterwelt eingelassen und jetzt ist es rausgekommen. Aber ich habe auch den gegenteiligen Effekt, dass Mandanten am ersten Tag da panisch sind und eine Woche später frage ich sie, ob das irgendwie Nachteile hatte. und dann sagen sie, mehrere Nachbarn sind zu mir gekommen und haben gesagt, ich hatte das auch schon, ich weiß, wie das läuft, das kann jedem passieren. Und man dann so eine Community aus Verständnisvollen findet, die auch schon einmal diesen Ritt durchleben mussten. Aber es ist natürlich schon im ersten Case, genau wie du sagst, es ist super bitter, weil es erst mal danach aussieht, dass da, wo du sagst, da ist Feuer. So einen Einsatz macht man nicht für nichts und faktisch ist es anders.
Carolin Raspé: Und wo Rauch ist, ist ja auch schnell die Presse. Und gerade bei Unternehmen ist es eben so, also da steht dann ja oft als Einmeldung sofort, es wird in der Hauptverwaltung von so und so durchsucht, ohne dass überhaupt schon klar ist, weswegen. Und deswegen ist so die externe Kommunikation auch was, was man eigentlich ab der ersten Minute mitdenken muss. Aber ich glaube, da kommen wir dann auch noch dazu, was so die relevanten Regeln sind.
Joel Kaczmarek: Was ist denn so das Erste, was ihr machen würdet? Also der Kaffee ist noch nicht mal durch die Maschine gelaufen, da stehen sie hier schon mit Schussdreherwiste, um versicherungstechnisch abgesichert zu sein, vor der Tür. Was mache ich als erstes, wenn mir das passiert ist?
Carolin Raspé: Im Unternehmen kommen die ja meistens beim Empfang an. Die kommen ja schon in der Regel durch den Haupteingang dann. Und deswegen ist es halt wichtig, dass die Personen am Empfang wissen, was sie tun sollen. Und das Wichtigste ist da dann keep calm, also wirklich ruhig bleiben, freundlich bleiben, fragen, worum es geht, sich den Durchsuchungsbeschluss zeigen zu lassen, den im besten Fall zu kopieren und dann die richtigen Leute anzurufen, die dann hoffentlich schnell kommen. Das ist insbesondere natürlich der Anwalt, der in der Regel innerhalb von kürzester Zeit da sein kann. Und wie David schon gesagt hat, in der Regel auch immer nachts das Handy an hat für genau solche Fälle. Dann müssen natürlich intern die relevanten Leute informiert werden, also die Geschäftsführung und oft dann eben gerade in der heutigen Zeit sehr sinnvoll auch gleich jemanden aus der IT dazuzunehmen, der sich eben mit den Datenablagen auskennt. Und bis das alles passiert ist, da haben die Beamten in der Regel auch Verständnis für, die bitten kurz zu warten, aber transparent zu sein, sagen, was man macht, dass man jetzt den Anwalt anruft, die einen Konferenzraum bitten, auch so ein bisschen aus der Schusslinie, wenn man viel Kunden Verkehr hat oder eben auch natürlich morgens die anderen Mitarbeiter zur Arbeit kommen, dass man die erstmal in den Konferenzraum führt, Wasser anbietet, Kaffee und sagt, wir kümmern uns und einfach freundlich und ruhig bleiben. Und das klingt so einfach, aber ist sicherlich das Schwierigste in der Situation.
Joel Kaczmarek: Also es ist nicht so wie in den Ami-Filmen immer, dass die dann da schon durchs ganze Büro ausstreuen und sagen, hier ist der Befehl, wir dürfen. So nach dem Motto, ihr könntet ja hier so Wolf of Wall Street mäßig die Aktenschredder irgendwie zum Einsatz kommen lassen. Also die sind da eigentlich, sag ich mal, genügsam oder wie?
David Rieks: Erste Antwort wäre, die dürften. Also der Punkt, der ist schon in den Filmen nicht ganz, selbst wenn sie amerikanisch sind und dadurch reißerisch, nicht ganz abwegig. Sie dürften das. Sie haben eben dieses Dokument dabei, was sie dazu befähigt. In der Regel ist es eine Üblichkeit, wenn sie den Eindruck haben, es soll geordnet vor Ort kooperativ verlaufen und der Anwalt ist Teil dessen, dann warten sie auf den. Natürlich nicht, wenn ich angerufen werde und ich liege im Bett und sage, ja, Jetzt bringe ich erstmal meinen Sohn in die Kita und dann komme ich vielleicht so in anderthalb, zwei Stunden vorbei, dann nicht. Aber wenn ich glaubhaft versichere, das Erste, was ich mache, ist mir jetzt einen Sakko über meinen Schlafanzug zu ziehen und loszufahren, dann dauert das vielleicht 20 Minuten, maximal eine halbe Stunde, dann kann man in der Regel darauf vertrauen, dass sie darauf noch freundlicherweise warten. Und das sollte man auch unbedingt anregen, weil gerade dieses Losschwärmen und dann gar nichts mehr unter Kontrolle haben, ist eigentlich das, was man als allererstes verhindern muss. Das ist quasi die erste der Golden Rules, die man berücksichtigen muss. Mit den Beamten vertraulich so sprechen, dass sie glauben, dass da gleich ein Anwalt kommt und dann den Anwalt in den nächsten vier Golden Rules agieren lassen.
Carolin Raspé: Wenn sie es nicht glauben wollen, vielleicht auch einfach mit dem Anwalt direkt sprechen lassen. Also wenn der dann zusichert, wie David gesagt hat, ich bin eigentlich schon im Auto, ich bin in 20 Minuten da und sie eben nicht das Gefühl haben, die sind natürlich schon aufmerksam, aber wenn die jetzt das Gefühl haben, plötzlich rennen alle Leute rum und alle werden hektisch und vielleicht werden jetzt irgendwo Daten vernichtet, dann sind sie weniger verständnisvoll. Aber wenn sie einfach merken, okay, die wollen einfach, dass das jetzt hier geordnet abläuft, dann ist da schon eine gewisse Bereitschaft da.
David Rieks: Der wichtigste Teil für die, die dann so die First Responder sind, zu wissen ist eben, sie werden diesen Durchsuchungsmoment nicht verhindern können und sie müssen den nicht verhindern. Das ist nicht deren Aufgabe. Es ist natürlich so, dass das an den schlimmsten Tagen kommt, die man sich so vorstellen kann. Es ist bei mir als Anwalt so, es ist immer so, wenn ich abends ins Bett gehe und denke, morgen Verhandlungen und dann noch eine Schriftsatzfrist und so weiter, dann kann ich sicher sein, an dem Morgen klingelt das Telefon und es ist Durchsuchung. Das ist Murphys Law, aber so ist es eben auch bei den Unternehmen oder bei den individuellen Personen. Und die Behörden sind da gnadenlos. Also ich habe schon Fälle gehabt, da war an dem Tag große Investorenversammlung vor Ort. Dann kann man nicht sagen, heute ist wirklich ganz schlecht. Das ist dann nicht. Dann ist es halt so. Und ich habe auch schon ganz tragisch Fälle gehabt, da war an dem Tag Beerdigung des Vaters. Die haben trotzdem durchsucht. Das ist denen egal. Das heißt, die zu überzeugen mit heute ist schlecht oder wir sagen euch einfach drei, vier Sachen, die ihr wissen wollt, dann geht ihr wieder. Das wird nicht passieren. Man muss nicht zwingend dann vor Ort bleiben, also wenn die Beerdigung vom Vater ist, dann muss man da eben hinfahren und jemand anders vor Ort für einen die Durchsuchung sozusagen koordinieren lassen, den Anwalt oder wen auch immer, aber die werden nicht wieder weggehen. Es geht darum, das geordnet, strukturiert mit den Behörden zu koordinieren, nichts zu verhindern.
Joel Kaczmarek: Gibt es eigentlich irgendeine Form von Voreskalation? Also man möchte ja meinen, so ein Durchsuchungsbefehl ist so das letzte Glied in der Kette und ich habe es vorher schon mal irgendwo qualmen gemerkt. Oder ist das teilweise gar nicht so, dass die im Stillen ermitteln und dann ist es, wenn sie erst anfangen, in Medias Res zu gehen, dass ich dann quasi mit denen konfrontiert bin?
David Rieks: Also tatsächlich ist das Gegenteil der Fall. Also in meinen Sachverhalten, die wirtschaftlich, strafrechtlich, steuerstrafrechtlich sind, da haben die Staatsanwaltschaften verstanden, dass das wichtigste Beweismittel ist immer das Dokument. Sei es eine E-Mail, sei es ein Vertrag oder ähnliches. Die müssen am Ende vorliegen. Und deshalb ist oft der allererste Schritt, wenn ein Anzeigererstatter sich meldet, sie den Sachverhalt für grundsätzlich relevant erachten, dass sie dann sagen, dann müssen wir verifizieren, ob das stimmt. Wir kommen zur Durchsuchung. Nicht als letztes, sondern als allererstes. Das heißt Tatsächlich hat man ganz häufig die Konstellation, dass die Betroffenen wirklich komplett überrascht werden.
Carolin Raspé: Etwas anders kann es vielleicht noch sein, wenn man jetzt wirklich einfach so einen Industrieskandal, solche gibt es ja, wie zum Beispiel den Dieselskandal oder Cum-Ex oder andere. Und da ist es natürlich schon manchmal so, dass sie halt bei manchen Institutionen anfangen. Und wenn man dann das Gefühl hat, man ist von dem Thema nicht wahnsinnig weit weg, merkt man oft dann schon eine Unruhe im Markt. Dann bekommt man plötzlich mehr Anrufe, so wir könnten vielleicht mal wieder eine Durchsuchungsschulung brauchen. oder sind eigentlich unsere Unterlagen da noch aktuell. Aber genau, in der Regel ist das einfach nicht klar.
Joel Kaczmarek: Na gut, also erste goldene Regel schon mal, Ruhe bewahren. Was denn die zweite?
Carolin Raspé: Ja, die zweite ist auch schon etwas angeklungen. Ohne meinen Anwalt sage ich nichts und das heißt auch wirklich nichts zur Sache. Natürlich darf man guten Tag sagen und wollen sie ein Glas Wasser trinken, aber das Problem ist, dass es in der Natur des Menschen liegt, sich entweder zu rechtfertigen oder auch hilfreich sein zu wollen. Also es muss ja auch nicht nur darum gehen, was David gesagt hat, dass man eher versucht, sie abzuwenden und zu sagen, hier gibt es doch gar nichts zu finden, sondern oft sagen die Leute dann eben auch, ja, also das war ja so oder wir können da eigentlich gar nichts für, das war ja unser Geschäftspartner. Also dass die, weil in dem Beschluss steht ja ein Vorwurf. Es ist nicht so, dass man gar keine Ahnung hat, weswegen die jetzt da sind. Und wenn man also jemand, die Gefahr ist gering bei jemand, der am Empfang arbeitet und das im Thema nicht durchdringt, aber wenn dann eben schnell die Geschäftsführer dazu gerufen werden oder die Manager, dass die erstmal sich rechtfertigen wollen oder eben wie gesagt helfen wollen. Und da gibt es eigentlich nie einen guten Grund, das zu tun. Also jedenfalls nicht ohne, dass der Anwalt da ist, denn die Polizei nimmt solche Spontanaussagen durchaus auf und dokumentiert ja auch die ganze Durchsuchung. Und deswegen ist eigentlich die wirklich sehr wichtige Regel nach Ruhe bewahren. Ich sage nichts zur Sache und warte auf meinen Anwalt.
David Rieks: Also das kann man nur unterstreichen, das ist eigentlich vielleicht die wichtigste der fünf Regeln, denn der Durchsuchungstag, habe ich schon gesagt, der findet sowieso statt, durchsucht wird eh. Was eigentlich nicht zur Durchsuchung gehört, ist Vernehmung, das ist eigentlich ein ganz anderes Ermittlungsinstrument. Also Leute zu befragen, was sie zum Sachverhalt wissen, das macht man normalerweise in einem geordneten Setting, dann lädt man die Leute zur Polizei oder zur Staatsanwaltschaft ein. Und dann stellt man denen Fragen und dann können die einen Anwalt mitbringen und der kann denen dann raten zu antworten oder nicht zu antworten, kann das mit den Mandanten vorbesprechen. Am Durchsuchungstag sind natürlich alle ganz aufgeregt, sind völlig überfordert und wenn man da in die Gespräche geht, hat man dermaßen einen Nachteil gegenüber dem, der fragt, weil man überhaupt keine Ahnung hat, worum es eigentlich geht. Aber das Problem ist genau das von Carolin beschriebene. Jeder Mensch ist in seiner Psychologie so geschult, dass er sowieso auf Fragen antwortet, wenn sie ihm gestellt werden, weil er will nicht dumm wirken, er will nicht unhöflich wirken, er will nicht konfrontativ wirken. Und wenn dann nochmal eine Ermittlungsbehörde, erst recht eine mit schusssicherer Weste und Waffe vor einem steht und einem eine Frage stellt, diese innere Stärke zu haben, zu sagen Ja, ich habe die Frage verstanden, aber ohne Anwalt möchte ich jetzt darauf nicht antworten. Die ist unglaublich schwierig. Das heißt, selbst wenn man, dazu kommen wir später, bestimmt Schulungen gemacht hat, wenn man Mitarbeiter informiert hat, selbst dann klappt das oft nicht. Aber wenn man es vorher nicht mit den Leuten sozusagen kommunikativ besprochen hat, dann endet das meistens in so einem gewissen Desaster. Und dann ist eben das Problem genau das, Da stehen irgendwelche Beamten in den Räumen, hören irgendwas, was jemand sagt, schreiben das aus der Erinnerung hinterher in so einen Bericht und die Leute sagen, das habe ich nie gesagt, aber es steht erstmal da und gilt erstmal als gesetzt. Und das erleben wir wirklich bei jedem Mal, dass die Behörden das auch versuchen. Du hattest vorhin gefragt, was ist der Zweck, warum man morgens früh kommt. Es ist natürlich auch so, dann kommt man da rein, dann steht da die Schwiegermutter auch noch im Nachthemd und dann steht in dem Beschluss, man ist der böse Straftäter. Dann sagt man, ich sage nichts. Dann denkt die auch so, wieso, das ist doch hoffentlich ein Irrtum, kannst du das bitte mal erklären? Und dann ist man eben dazu geneigt, irgendwas zu sagen, was einem hinterher total auf die Füße fällt, weil das so schwer einzuschätzen ist für Nicht-Juristen oft auch, welche Aussage ist ein Geständnis und welche Aussage ist hilfreich? Also wir haben ja hier auch vielleicht viele Zuhörer im Bereich digitaler Unternehmen, wachsender Unternehmen. Ich habe das schon erlebt, dass Leute dann am Durchsuchungstag gesagt haben, ja gut, in den ersten ein, zwei Jahren, da haben wir natürlich noch nicht so auf die, was auch immer, kann ich jetzt nicht im Detail ausführen, aber darauf geachtet, sage ich jetzt mal vorsichtig, wie das genau lief, da waren wir im Wachstum, aber jetzt haben wir das voll im Griff. Und aus der eigenen Wahrnehmung ist das hilfreich, weil man denkt, na jetzt beruhigt euch, es ist alles im Griff, wir machen das nicht mehr, aber eigentlich hat man für die ersten zwei Jahre gerade ein Geständnis abgelegt, ohne das zu verstehen und das ist dann nach zehn Minuten, nachdem einem das Verfahren bekannt geworden ist, hat man ohne Anwälte schon gestanden, ja. Hat es nicht so richtig auf dem Schirm. Das ist was, was man verinnerlichen muss.
Joel Kaczmarek: Ja, okay, krass. Aber dann versuche ich das auch gezielt. Ich habe gerade so die Szenerie richtig vor mir, wie du da mit der Empfangschefin so lehnst, da so drüber als Ermittlungsbeantworter und dann sagt, ja, der Herr Meier, der war ja immer schon so ein bisschen. Also die versuchen auch ganz gezielt, sage ich mal, dich dazu zu verleiten, was zu sagen.
David Rieks: Unbedingt. Da sind die komplett drauf geschult. Und jedenfalls so Aussagen wie, ja, es wundert mich nicht oder bei der Sache hatte ich immer irgendwie ein Störgefühl, sowas kriegen die ganz häufig, also häufiger als man wirklich denkt. Ich habe es auch schon gehabt, dass ich gerade angekommen bin und mit irgendwem koordiniere, in welchen Zimmern jetzt die Durchsuchung wie strukturiert wird und höre dann so die Stimme meines, seit fünf Minuten mein Mandant, der Geschäftsführer vom Unternehmen. Ich denke so, das ist der doch. und dann höre ich da, wie der Zollbeamte schon so anfängt mit dem irgendwie so ganz einfache Fragen so, ja nochmal einmal, Sie sind jetzt zuständig nochmal wofür und aha und so. und dann gehe ich rüber und sage, was ist hier los ohne Anwalt, ja ich wollte nur mal so ganz grob so informatorisch was fragen. Dann habe ich gesagt, nee, der Anwalt ist ja im Nebenzimmer, dann wissen Sie doch ganz genau. Und dann sagt der Behördenmitarbeiter auch so, ja, ach so, Entschuldigung, dann frage ich halt gar nichts mehr. Ich sage, ja, wenn ich dabei bin, fragen Sie etwas. Und hinterher steht dann im Bericht, Herr Riecks hat die Durchsuchung gestört, weil er halt da war, weil die wollen genau das. Die wollen mit den Leuten reden und wollen Aussagen kriegen, die sie nicht mehr kriegen, wenn die Anwälte dabei sind. Das ist deren Ziel.
Carolin Raspé: Es ist halt auch dieses Ungefilterte und das ist, also die Wahrheit ist natürlich ein abstrakter Begriff, aber da wird dann oft, weil gar keine Zeit ist, sich was auszudenken, natürlich schon spontan was Richtiges gesagt. Und wir kennen das zum Beispiel auch, wenn man dann nach so einer Untersuchung oft ja intern die Sachverhalte aufarbeitet, dass das Gleiche auch auf schriftlicher Ebene passiert. Die spannendsten E-Mails findet man immer gar nicht dann, wann die Taten eigentlich begangen wurden, sondern in dem Moment, wo der große Zeitungsartikel erschienen ist oder die Staatsanwaltschaft da war. Die Leute stehen zum Teil morgens auf und noch aus dem Bett schreiben sie so, Jetzt ist es passiert, fuck. Oder ganz schlimm auch immer so Smiley-E-Mails, wo so steht, konnte doch keiner wissen, dass das verboten ist. Also da sind dann die E-Mails, die kosten Unternehmen zum Teil sehr, sehr viel Geld. Und deswegen sind das genau die Sachen, dass auch so diese spontanen Äußerungen zum Sachverhalt, auch wenn man denkt, ich sage das doch nur einem Freund, das muss ja gar nicht vor den Behörden sein, das kann am Ende viel Geld kosten und wirklich problematisch sein, da dann auch als Beschuldigter zu erläutern, warum man diese E-Mail geschrieben hat, aber sie nicht so gemeint hat, wie man sie liest.
David Rieks: was auch immer wieder passiert, was man, glaube ich, auch sich als Normalbürger gar nicht so richtig vorstellen kann, weil man denkt, das ist Vorbehalten für schwerkriminelle, organisierte Kriminalität. Auch in wirtschafts- und unternehmensbezogenen Sachverhalten gibt es relativ regelmäßig aus den Gründen, die Carolin gerade plastisch geschildert hat, während der Durchsuchungsmaßnahme Telefonkommunikationsüberwachung. Also die überwachen dann tatsächlich die Telefone der Geschäftsführer beispielsweise, um genau diese Telefonate, die Carolin gerade meint, diese jetzt haben sie uns etwas vereinfacht, sozusagen diese Geständnisse nicht gegenüber der Behörde, sondern unter den Leuten untereinander. Oder du Idiot hast mich damals da reingeritten. Ich habe dir gesagt, dass das scheiße ist. Die Leute denken dann, sie sind ganz clever, habe ich schon selber alles schon gehabt. Dann sagen die noch am ersten Telefonat, ich rufe dich gleich nochmal an über das Handy meiner Frau oder von meinem Freund. Und dann wird halt diese Nummer einfach auch überwacht. Und ab dem Moment fühlen sich die Leute sicher und erzählen alles, was sie wissen. Und es wird alles mitgeschnitten. Es ist nicht immer so, aber dieses einfach jetzt nicht reden über den Sachverhalt ist wirklich, glaube ich, die wichtigste aller goldenen Regeln, die es gibt in dem Kontext.
Carolin Raspé: Inzwischen hat sich das ein bisschen verlagert. Früher waren die E-Mails wirklich so das Spannendste. und jetzt in Zeiten von Chatprogrammen und WhatsApp ist natürlich, die Leute denken, wer soll das jemals lesen? und das ist aber inzwischen halt das Erste, was die mitnehmen. Natürlich, die nehmen sich die Handys mit und da sind die Leute dann so informell, weil sie es auch nicht anfühlt wie Geschäftskommunikation und das ist dann oft das Gefährlichste.
David Rieks: Auf alles können Sie natürlich vor allen Dingen zugreifen, wenn die Geräte offen sind. Bei so Fragen wie, geben Sie mir doch schon mal den Telefonpin. Da kann Ihr Anwalt ja auch nichts dran ändern, so ungefähr. Das passiert auch immer wieder. Dann komme ich, habe dem anderen dreimal gesagt, nichts mit denen besprechen, auch das nicht. Dann sitzen die da schon und werten schon die Handys aus, so etwas vereinfacht. Als Beschuldigter muss man jedenfalls auch keinen Handypin rausgeben. Das können wir dann besprechen in Ruhe, ob wir den den Behörden geben wollen oder nicht. Das hat dann ganz viele verschiedene Überlegungen zur Grundlage. Aber Auch den muss man nicht rausgeben, weil dann ist es natürlich klar, in dem Moment, wo das Handy da offen liegt, kann ich alle Chatprogramme lesen, egal wie grundsätzlich das geschützt ist. Auf dem Gerät ist es natürlich verfügbar, da ist das Gerät ja da. Und dann kann ich es natürlich auch abrufen und mitlesen.
Carolin Raspé: Krass.
Joel Kaczmarek: Und ist es so, dürfen die eigentlich alles mitnehmen? Also nehmen die sich dann die ganzen Laptops, die Server, die Papierunterlagen mit oder gucken die vor Ort ein, machen Kopien? Weil das normale Bild, was man ja so hat, ist, die tragen die Kartons raus und dann stehst du erst mal da.
Carolin Raspé: Machen sie auch oft. Also letztendlich ist natürlich grundsätzlich die Antwort, nein, sie dürfen nicht alles mitnehmen. Sie dürfen eigentlich nur das mitnehmen, was im Untersuchungsgegenstand, also in dem Beschluss beschrieben ist. Aber die sind natürlich oft weit formuliert. und dann kann man schon, und dafür ist eben die gute Begleitung auch wichtig, kann man schon das etwas mit begleiten und sagen, okay, für welchen Tatzeitraum interessiert ihr euch? oder generell, welche Personen, welche Gesellschaften sind vielleicht betroffen, gerade bei größeren Konzernen. Und da zahlt es sich dann wirklich aus, eine gute Datenablage und gute Archivierung zu haben. Denn je besser die ist, desto einfacher ist es, die Beamten dann auch überzeugend darauf hinzuweisen. Deswegen hatte ich am Anfang mal den IT-Spezialisten auch angesprochen. Inzwischen ist ja fast alles digital, also dass da noch ewig Kisten rausgetragen werden, das wird schon weniger. Sondern die setzen sich dann wirklich hin, schauen auf die Serverstruktur und sagen, wo liegen die Daten zu den und den Themen. Und man muss schon sagen, immer wenn es relevant sein könnte, So habe ich es jedenfalls erlebt, wird es im Zweifel eher mitgenommen, also dass die sich da dann gut überzeugen lassen und sagen, ja, könnte relevant sein, könnte nicht relevant sein, im Zweifel immer erstmal haben, das ist natürlich das Motto. Aber wenn man sehr klar sagen kann, komplett andere, da geht es um die australische Tochter und außerdem ums Jahr 1980, dann… sind die auch froh, nicht zu viel mitzunehmen, weil letztendlich müssen sie es ja auch am Ende auswerten. Und das bindet natürlich auch Kapazitäten. Aber erstmal sind sie eher over inclusive und es hilft einfach, wenn man sie so gut wie möglich anleiten kann zu dem, was sie eben suchen. Und gute Organisation ist da auf jeden Fall ein sehr guter Weg, vielleicht auch Zufallsfunde zu vermeiden. Denn das muss man, glaube ich, auch wissen. Wenn die Sachen mitnehmen, dann sichten die sie und Geben Sie die, die irrelevant sind, zwar auch wieder zurück. Aber wenn Sie natürlich andere Sachen finden, die vielleicht auf Straftaten hinweisen, dann kann man auch das nächste Problem haben, wenn einfach große Datenmengen mitgenommen werden.
Joel Kaczmarek: Und jetzt habe ich von euch gelernt, die dritte goldene Regel lautet Kooperation, keine Kapitulation. Was meint ihr denn damit?
David Rieks: Es ist dann meistens so, nachdem dieser erste Krisenmoment überstanden ist, wenn man sich das mal so bildlich vorstellt, dann kommt der Anwalt, dann geht es eigentlich los. Dann schwärmen die nämlich doch aus, wie du es vorhin formuliert hast. Und man versucht, sich ein bisschen zu sortieren. Im besten Fall kommt der Anwalt vielleicht auch nicht ganz alleine, sondern mit Kollegen, dass man den Behörden ein bisschen über die Schulter gucken kann, dass man guckt, was die da tatsächlich in den Büros mitnehmen wollen usw., Und dann geht es ganz lange, viele Stunden oftmals in Diskussionen und Erörterungen um die Frage, welche Unterlagen sind denn jetzt von dem Beschluss umfasst? Caroline hat gerade ein Beispiel genannt, also irgendein bestimmtes Jahr, irgendeine bestimmte Tochter, sagen wir mal irgendwie das Argentinien-Geschäft 2014 oder der Vertragspartner. XY AG der letzten zwei Jahre, da ist jetzt der Vorwurf, was auch immer, die sind korruptionsseitig bevorzugt worden oder wir hatten Scheinselbstständigkeit, wohin? die zehn Mitarbeiter sollen Scheinselbstständige sein und die sind in den drei Jahren hier vertraglich gebunden gewesen. Dann diskutiert man eben mit denen, wo sind die Unterlagen dazu, wo könnten die sein. Kooperation bedeutet, ich schließe nicht die Schränke, absache, ich weiß nicht, wo die Schlüssel sind oder schmeiße die Sachen hinten in den Schredder. Also manchmal fragen Mandanten dann sowas, muss ich das jetzt sagen, dass die Ordner in dem und dem Büro sind und so weiter. Irgendwann werden die die finden. Also das ergibt dann schon Sinn zu sagen, wir sind kooperativ. wir wollen das ja nicht eskalieren vor Ort, wir sagen euch, wo die Ordner dazu sind, aber keine Kapitulation dahingehend, wenn die dann sagen, nee, wir nehmen jetzt alle Daten zu allen Mitarbeitern oder zu allen Vertragspartnern mit, dass man sagt, da habt ihr überhaupt keine Rechtsgrundlage und wir sortieren jetzt notfalls, auch wenn es eine Stunde länger dauert, mit euch in der IT die Daten aus. Weil für das Unternehmen ist natürlich das Risiko größer, je mehr Daten da sind, umso unklarer ist, was da am Ende ermittelt wird und worum am Ende die Ermittlungen sich drehen. Und auch umso mehr Vertragspartner hat man hinterher vielleicht am Hals, weil die fragen, warum sind meine Daten bei der Behörde oder was auch immer.
Carolin Raspé: Man muss sich ja auch immer vergegenwärtigen, mit der Durchsuchung beginnt eigentlich erst das Verfahren, also für das Unternehmen. Das weiß ja, wie wir besprochen haben, davor oft noch nichts von seinem Glück. Und ab dem Moment folgen oft jahrelange Zusammenarbeit mit der Behörde im besten Falle. Das heißt, oft schließen sich ja interne Untersuchungen an. Oft hört es auch mit so einer Durchsuchung nicht auf, sondern die Behörde, wenn sie dann ein besseres Bild vom Sachverhalt hat, schickt sie eben dann auch Fragenlisten oder fordert weitere Dokumente raus oder sagt, ich brauche noch die E-Mail-Postfächer von den Personen A, B, C. Und so ein bisschen ist es halt schon Setting the Tone. Also wenn man sich zu feindlich aufstellt in dieser ersten Phase, das bleibt schon auch hängen. Also die beschreiben auch so atmosphärische Sachen dann oft in ihren Protokollen. Die müssen ja auch die Durchsuchung protokollieren. Und wie David es eben schon mal sagte, dann sowas wie, ja, uns wurde hier der Zugang verwehrt oder so, das ist nie gut. Es ist sehr schwer, eine gute Vertrauensbeziehung zu einer Behörde, die natürlich immer skeptisch bleiben muss, aufzubauen. Aber das kann man schon schaffen und das bringt dann unglaubliche Vorteile in der Folge. Und deswegen ist da ein kooperatives Zusammenarbeiten und auch eine Zusicherung, dass man natürlich auch Nachfragen, die danach kommen, beantworten wird, sehr, sehr hilfreich. Und da sollte man sich einfach nicht die Tür verbauen, denn am Ende Muss man so hart sagen, kann sich das dann tatsächlich auch in Bußgeldhöhe und allen möglichen abspielen, wie es allein atmosphärisch zwischen den Beteiligten läuft.
David Rieks: Am Ende macht die Behörde auch ihren Job, aber ich habe es eben auch schon erlebt tatsächlich, dass mich ein Mandant anruft. Das war ein Sachverhalt, da gab es schon mal eine Durchsuchung, da war ich noch nicht im Mandat und dann gab es auf einmal nochmal eine Durchsuchung. Das kann auch passieren, dass eine Behörde nochmal durchsucht. Und dann sagte er initial zu mir am Telefon, ja, der Beschluss ist wieder von Richter XY, dem. und dann folgte ein Kraftausdruck, der eigentlich eher freundliche, rosane Tiere beschreibt. Das kam, der Polizist stand halt in dem Moment des Telefonats quasi daneben und das steht dann alles in den Berichten zu der Durchsuchung. Und danach ist die Stimmung im Verfahren halt mittelmäßig, sag ich jetzt mal vorsichtig, zu sagen, okay, ihr macht euren Job, wir machen hier sozusagen unseren, in Anführungsstrichen, indem wir uns, vernünftig verhalten, aber unsere Rechte waren, das ist sozusagen der Ton, den Karolin meinte, der muss am Ende im besten Fall gewahrt sein. Das heißt aber nicht, dass man sich am Ende als Anwalt, ausdrücklich nur als Anwalt, nicht als Betroffener vor Ort dann manchmal mit den Staatsanwaltschaften auch mal kurz streiten muss, darüber, was jetzt eigentlich hier gerade angemessen ist und was nicht. Das gehört dann eben an so einem Tag dann auch manchmal dazu.
Joel Kaczmarek: Wann kriege ich mein Zeugs eigentlich wieder? Also wenn es jetzt Sachen sind, was er abgenommen hat, aber die wirklich materieller Art sind.
Carolin Raspé: Das kann sehr, sehr lange dauern leider. Also viele dieser großen Wirtschaftsverfahren laufen ja jahrelang und das ist auch ein ganz wichtiger Punkt, dass man sich, also gerade wenn digitale Daten abgezogen werden, dass man dort Kopien rausgibt oder sich jedenfalls eine Kopie zurückhält, weil man muss ja auch arbeitsfähig bleiben. Also oft ist es ja schlicht so, wenn die meinen Server mitnehmen, wie soll ich denn am nächsten Tag weiterarbeiten? Wenn man wirklich noch viele händische Akten hat, das ist ja bei den meisten Unternehmen nicht mehr so, da kann man durchaus auch sagen, okay, das ist jetzt unsere Betriebsgenehmigung, die haben wir dummerweise nur im Ausdruck, sollte man vielleicht auch so nicht haben, aber dass man sagt, die muss ich mir kopieren, sonst kann ich ja nicht mehr nachweisen, dass ich die Fabrik betreiben kann oder so. was es auch immer ist. Also da, wenn Sie auch nur ein paar Ordner mitnehmen, ist es auch möglich, alles zu kopieren und zu sagen, ich muss das halt genau mitdokumentieren. Und man kann auch im Verlauf des Verfahrens sagen, wir machen jetzt unseren Jahresabschluss, ich brauche die und die Unterlagen, die habt ihr aber mitgenommen. Also das ist umständlich, das dauert oft und deswegen sollte man im besten Falle die wichtigen Sachen einfach dann bei sich auch nochmal haben. Denn darauf zu warten, dass das Verfahren abgeschlossen wird und man die Sachen zurückkriegt, das ist sicherlich im Geschäftsbetrieb nicht machbar.
David Rieks: Wir haben jetzt in Hamburg hier ein großes Korruptionsverfahren. Da wurden 1000 Umzugskistenunterlagen sichergestellt am Durchsuchungstag. Zusätzlich zu natürlich, wie man sich vorstellen kann, Terabyte von Daten. Wenn ich da sage, ich brauche den Vertrag XY, der müsste wohl in einem Ordner sein, der heißt eventuell XY 2017 Verträge, vielleicht auch nicht, dann ist das natürlich die Suche nach der Nadel im Heuhaufen, wenn der nicht vernünftig bezeichnet ist im Sicherstellungsverzeichnis, wenn man darauf nicht geachtet hat, also zur Erläuterung, Wenn die Behörden am Ende gehen, müssen sie dokumentieren, was sie mitnehmen. Bei Papierunterlagen wird dann eben so eine summarische Bezeichnung des Ordners oder gesammelte Notizbücher oder so. Da muss man dann eben auch als Anwalt und als Betroffener darauf achten, dass das so bezeichnet ist, dass man das noch wiedererkennt, wenn man das dann irgendwann nochmal bräuchte. Bei Daten ist es natürlich etwas einfacher, also wenn Sie nicht den Server nehmen, ist es immer eine Kopie im besten Falle, dann hat man nochmal eine eigene davon, aber die Hoffnung, dass man es zeitnah zurückbekommt, die haben wir dann oft, oft geht es ja auch um Handys, also ganz einfach mein Handy, mein Laptop, mein iPad, das benutze ich ja eigentlich, möchte mir jetzt ungern alles nochmal neu kaufen, da ist es aber heutzutage aufgrund der Überlastung der Behörden, sehr, sehr schwer verhandelbar, dass die Sachen wirklich innerhalb der nächsten Tage wieder zurückkommen, sondern dann geht das hier in Hamburg beispielsweise zum Landeskriminalamt, da sitzen dann irgendwie zwei, drei ITler, die für alle Fälle diese Sachen bearbeiten. Prioritär sind aber natürlich so Sachen wie Morddelikte, keine Ahnung, aktuelle Kinderpornografie-Fälle, da hat ja auch jeder für Verständnis, dass es da sehr eilig ist, nur dann rutscht so ein Handy von so einem Steuerstrafrechtsfall halt immer wieder auf die untere Priorität und dann dauert das auch mal acht Monate, bis das gespiegelt wurde, dass solche Sachen passieren und dann Bevor es gespiegelt wurde, kriegt man es eben nicht zurück.
Joel Kaczmarek: Jetzt habe ich gelernt, nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Also das kenne ich eigentlich aus dem Fußball. Bei euch ist es aber die vierte goldene Regel, wenn der Staatsanwalt oder die Staatsanwältin klingelt. Was hat es damit auf sich?
Carolin Raspé: Also einige Punkte haben wir, glaube ich, schon angesprochen. Letztendlich ist es mit dem Moment, wo die Beamten wieder in ihr Auto steigen, die Durchsuchung fürs Unternehmen und auch für die Privatpersonen nicht vorbei, sondern dann muss man sich erstmal zusammensetzen, muss eine Nachbesprechung machen und muss dann besprechen, okay, wir haben jetzt versucht, einfach durch diesen Tag zu kommen und alle unsere Rechte zu wahren. Jetzt ist es aber wichtig, dass wir entscheiden, was sind die nächsten Schritte. Und da gibt es viele Dinge, die auch noch sehr eilig sind. Also man muss zum Beispiel über Kommunikation nachdenken. Also wie kommuniziere ich an die Mitarbeiter? Die haben es im Zweifel eh schon mitbekommen. Wie kommuniziere ich mit der Presse? Die ersten Anfragen sind dann meistens schon da. Wie gehen wir jetzt damit um, was mitgenommen wurde? Wem müssen wir vielleicht auch einen persönlichen Rechtsbeistand zuordnen? Also welche Personen sind tatsächlich auch im Fokus der Ermittlung? Und das sind dann alles so Dinge, die man tatsächlich noch an dem Tag im besten Falle, je nachdem wie spät es ist, erstmal aufsetzen sollte. Das ist wie so ein Krisenstab. Also es geht dann wirklich los. Das sind so die ersten heißen Stunden dann auch nach sowas. Man muss sich auch fragen als Unternehmen, lasse ich die jetzt einfach mal arbeiten und gucke dann, womit die mich konfrontieren oder wozu die meisten inzwischen tendieren. Mache ich eigentlich meine eigene Aufarbeitung? Ich will ja selber wissen, was dran ist. Also als großes Unternehmen ist es ja schlicht so, dass ich nicht weiß, ob an den Vorwürfen was dran ist. Viele Geschäftsführer sagen das zwar immer gerne und denken so, ach Quatsch, damit haben wir doch nichts zu tun. Aber ich weiß eben irgendwann auch nicht mehr, was jeder leitende Angestellte von mir macht und ob der irgendwo jemandem mal Geld zugesteckt hat oder nicht. Und letztendlich habe ich dann natürlich auch als Geschäftsführung oder Vorstand eine Legalitätskontrollpflicht. Ich muss also erstmal gucken, was ist denn wirklich passiert. Das heißt, oft werden dann eben interne Untersuchungen angestoßen. Und das kann helfen für ganz viele Dinge. Also nicht nur um auf Anfragen der Behörde dann auch langfristig gut zu reagieren und auch zu wissen, was selber passiert ist, um vielleicht auch arbeitsrechtliche Maßnahmen zu ergreifen gegen Mitarbeiter, sondern es hat eben auch den Aspekt der zivilrechtlichen Seite, die man auch nicht ganz vergessen darf, dass in Wirtschaftsstrafverfahren oft dann natürlich auch Geschädigte kommen. Und dann gehen große zivilrechtliche Verfahren los. Und da ist es dann halt auch wichtig, sich aufzumunitionieren, so blöd es klingt, aber halt zu wissen, ja, was haben wir denn überhaupt? Wenn ich jetzt eine Klage ins Haus kriege, kann ich mich verteidigen. Und deswegen Also die schlechteste Variante ist meistens einfach die Hände in den Schoß zu legen und zu sagen, ja mal schauen, die Staatsanwaltschaft braucht jetzt eh lang das anzugucken, mit was die dann halt um die Ecke kommen.
Joel Kaczmarek: Also streng genommen ist es ja nicht euer Metier, aber das, was ihr gerade beschrieben habt, Mitarbeiterkommunikation und vor allem auch Presse. Was ist so euer kleines Einmaleins?
Carolin Raspé: Da gibt es immer widerstreitende Interessen. Wie gesagt, die Leute wollen sich auch da gegenüber der Öffentlichkeit gerne schnell rechtfertigen oder auch einfach entschuldigen oder wie auch immer irgendwie Stellung beziehen zu den inhaltlichen Vorwürfen. Da gilt etwas das Gleiche, wie wir gesagt haben, zu den Spontanbefragungen. Eigentlich ist es unseriös, sich gerade in komplexen Verfahren früh zu äußern, weil es kann einem immer auf die Füße fallen und ich hatte ja eben auch die zivilrechtlichen Klagen und die Gefahren angesprochen. Es passiert oft, dass sich dann auf solche Aussagen bezogen wird in irgendwelchen Mass Litigations und das ist dann wirklich ein Problem. Deswegen meine Erfahrung ist, und da sind leider wir Anwälte oft die Spielverderber, vor allem wenn dann Kommunikationsberater mit drin sind, dass wir halt immer sagen, nee, wir können wirklich zur Sache nichts sagen. Es ist auch nicht gut, gar nicht zu antworten auf die Presseanzeigen, weil damit, in der Öffentlichkeit wird das schon oft wahrgenommen als Schuldeingeständnis. Wenn es heißt, wir haben das Unternehmen angefragt, es hat sich nicht geäußert, klingt nicht gut. Das heißt, der goldene Mittelweg ist in der Regel, so habe ich es in 90 Prozent der Fälle erlebt, dass man zu so einem Statement kommt, Wir kooperieren voll mit den Behörden. Wir befinden uns in laufenden Ermittlungen. Deswegen können wir zur Sache derzeit nichts sagen. Letztendlich ist das halt ein No Comment, aber es ist ein ergänzendes No Comment, weil man eben sagt, wir nehmen die Vorwürfe sehr ernst. Wir arbeiten das intern auf, können aber zum Sachstand schlicht nicht sagen. Also das ist in der Regel dann immer das, worauf es hinausläuft. Und ich glaube, bei den Mitarbeitern ist wichtig zu wissen, da geht's. Kann man durchaus auch überlegen, ob man während der Maßnahme schon kommuniziert, in einem sehr neutralen Ton, einfach nur, es finden gerade Ermittlungsmaßnahmen im Hause statt. Bitte kommunizieren Sie nicht mit den Beamten. Melden Sie sich, wenn Sie Anfragen erreichen, insbesondere von extern, bitte bei der Pressestelle oder bei wem auch immer. dass die einfach, weil das ist ja auch so, also die Presse versucht natürlich auch einfach Mitarbeiter anzurufen und zu sagen, was ist da gerade bei euch los. Und deswegen ist wirklich Kommunikation absolutes Zeitthema, neben anderen Themen. Und solche Sachen, das ist auch gut, wenn man da schon etwas vorbereitet ist. Vielleicht hat man so eine Standard-E-Mail an die Mitarbeiter dann auch im Durchsuchungsleitfaden schon drin und der Empfang kann die dann einfach versenden. oder besser noch die Geschäftsführung, die sehr, sehr wenig zu den Themen sagt, aber die einfach sagt, bitte auch hier Füße stillhalten. Und wie gesagt, nach außen Kann man nicht empfehlen, sich da zur Sache einzulassen, weder in die eine noch in die andere Richtung, aber immer betonen, wir nehmen es ernst, wir kooperieren, wir werden weitere Updates geben, wenn wir dazu in der Lage sind. Das ist unbefriedigend, aber es ist eigentlich das Beste, was man in dem Moment machen kann.
David Rieks: Das Wichtigste ist eigentlich, dass man die Kommunikation fokussiert. Also das hat Carolin ja auch eben schon angesprochen, dass nicht Mitarbeiter anfangen zu kommunizieren, nicht einzelne Geschäftsführer kommunizieren, nicht die Kommunikationsabteilung schon mal was kommuniziert ohne die Anwälte. Das ist das Wichtigste. Wenn dann der Krisenstab eine Entscheidung getroffen hat, die häufig für das am Ende votieren wird, was Carolin gerade beschrieben hat, eine Art qualifizierte Nicht-Aussage, dann ist das so. Es mag Fälle geben, wo selbst diese nicht funktioniert, weil wenn ich sage, ich kooperiere voll und ich habe an dem Tag aber aus bestimmten Gründen nicht voll kooperiert, wird sich die Staatsanwaltschaft auch wundern, wenn das am nächsten Tag in der Zeitung steht und einen nochmal daran erinnern. Aber gleichzeitig wollen die Unternehmen natürlich immer mehr sagen, wollen sagen, wir halten die Vorwürfe für falsch oder für unberechtigt. Wenn man dann fragt, ob wir das überhaupt wissen, ist die Antwort sehr häufig eigentlich nicht. Aber es klingt schöner. Da muss man dann eben sehr vorsichtig sein, weil wenn die Strategie am Ende des Tages, die man immer gerne so mit reuiger Sünder beschreibt, dann klingt das natürlich bescheuert, wenn man erstmal überall gesagt hat, das war so nicht. Und diese Strategie wird man nicht, um im Bild zu bleiben, verschwitzt in der Kabine nach dem anstrengenden Spiel entscheiden können. Das kann man einfach erst mal anders entscheiden. Und deshalb muss man es durch die entscheidenden Krisenstäbe geben, die dann ein vernünftiges Statement machen können. Aber das zu koordinieren ist oft schon schwer genug, weil jeder natürlich aufgeregt seine eigenen Senf dazugeben will.
Joel Kaczmarek: Euer letzter Punkt wird wahrscheinlich genau auf das abziehen, was ihr gerade schon so ein Stück weit gesagt habt, nämlich Vorbereitung. Also Vorbereitung ist alles, lautet der Punkt. Also ich lerne, als, sag ich mal, relevanteres Unternehmen, tue ich gut daran, den Case mir schon mal auszumalen, als wenn er schon passiert wäre und quasi Vorbereitung zu treffen. Ist das damit gemeint?
Carolin Raspé: Ja, also der Kreis schließt sich da. Also das könnte auch der erste Punkt sein. Letztendlich, auch wenn noch nie eine Untersuchungsmaßnahme bei mir stattgefunden hat, ist es sinnvoll und vom Aufwand auch überschaubar zu sagen, man hat einen Two-Pager am Empfang liegen. Die Personen werden einmal im Jahr eine halbe Stunde einfach durch das, was wir jetzt quasi eigentlich gemacht haben, geführt, dass man sich einfach mal überlegt, was kann passieren? Wie reagiere ich dann? Wen rufe ich an? Es muss eine Nummer von einem Anwalt drinstehen. Das ist schon gut, denn Ich glaube, auch da schließt sich der Kreis ein bisschen zum Anfang. Es ist sehr vielfältig, warum so Behörden kommen können. Also es ist wirklich nicht nur jemand hat in die Kasse gegriffen, sondern von Zoll über Außenwirtschaftsrecht. Auch Behörden, die kommen, das muss nicht ganz so dramatisch sein wie der bewaffnete Zoll, aber die wegen Datenschutzverstößen kommen oder Abfallverstößen. Arbeitszeitüberschreitungen, sowas kann alles kontrolliert werden. Da kommen die dann vielleicht etwas geordneter und setzen sich in den Raum und schauen Unterlagen oder Zeiteinträge an. Aber all das ist nicht abwegig. Und es ist eben auch nicht so, glaube ich, dass man denken darf, es betrifft wirklich nur die Bad Actors, sondern es kann dich einfach immer wieder treffen. Im Laufe eines Unternehmenslebens ist die Wahrscheinlichkeit sogar gar nicht mehr so gering. Und der Aufwand, sich einmal gute Guidelines zu geben, Einmal im Jahr eine halbe Stunde Schulung zu gönnen, der ist wirklich auch finanziell überschaubar und kann sehr, sehr viel helfen am Ende.
David Rieks: Genau, es ist ja faktisch so, dass wenn man jetzt mal an andere Bereiche denkt, es für viele Krisensituationen Krisenpläne gibt, die man nicht mit dem Argument, wir haben ja gerade diese Krise, gar nicht einfach ignoriert hat, sondern vorbereitet hat für den Moment, wenn es kommt. Also zu sagen, ich brauche keine Planung für Hochwasser, ich habe ja gerade gar kein Hochwasser, wäre relativ ungeschickt, weil in dem Moment, wo das Wasser dann mir bis zum Hals steht, um im Bilde zu bleiben, ist wenig Zeit, einen Plan zu schreiben. Also eigentlich muss man das als totale Chance sehen, dass man die Gelegenheit hat, diese Situation vorzubereiten, weil wir sehen, dass in der Praxis eben ganz klar die Unternehmen, die vorbereitet sind, Die wissen wir im ersten Moment, wir erinnern uns an Regel 1, bleibt ruhig, wer angerufen werden soll. Der Anwalt, der vielleicht in einem Durchsuchungsleitfaden genannt ist, der ist dann auch um 6.30 Uhr erreichbar. Andere dann eben vielleicht nicht, wenn man erstmal im Internet sucht, wen man anrufen könnte. Und dann die Schäden, die an diesen Durchsuchungstagen, die ungeplant, unvorbereitet ablaufen, sind einfach signifikant höher. Und die Wahrscheinlichkeit, hat Carolin schon gesagt, lässt sich für den Einzelnen gar nicht bemessen. Es gibt eine Möglichkeit, dass man weiß, dass man potenziell im Risiko ist, dass jemand kommt. Das weiß man vielleicht, weil man weiß, dass man irgendwelche Aktionen im Kofferraum hat, wo man sagt, naja, im Rucksack, da könnte mal einer reingucken wollen. Aber wenn ich der Meinung bin, sowas habe ich nicht, bietet einem das jedenfalls keine Garantie, dass keiner kommt.
Joel Kaczmarek: Und jetzt sag mal so abschließend mal die Frage, wie oft passiert denn sowas eigentlich? Weil man liest doch allerortens über die Überforderung der Behörden, hier fiel es auch schon mal im Gespräch. Also wie viele Unternehmen sind von sowas betroffen? oder wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass das halt mal an der Tür klingelt?
David Rieks: Ganz konkrete Zahlen, Prozenten kann man da sicherlich nicht nennen, aber ich kann garantieren, dass in Hamburg eigentlich in anderen Städten sicherlich ganz genauso jede Woche Unternehmensdurchsuchungen stattfinden, im Zweifel sogar fast jeden Tag. Es ist tatsächlich erstaunlich, dass die Ermittlungsbehörden oft mehr Kapazitäten dann zusammentragen, um eben diesen Schritt noch zu unternehmen, als dann die Verfahren tatsächlich sozusagen sukzessive zu bearbeiten, weil das ist was, was ich den Mandanten auch immer erkläre. Der Durchsuchungstag ist sozusagen der Behördentag, da kommen 20, 30 Beamte, nehmen alles mit, aber am Ende ist nur einer dieser Beamten der arme Kerl, der die ganzen Unterlagen dann auch sichten muss. Und der hat davon dann eben noch die Dutzende Fälle und dann dauert es eben sehr, sehr lange. Und das ist diese Überforderung, die immer überall in der Zeitung steht. Dass nicht durchsucht würde, kann ich aber nicht erkennen. Das war in Corona eine Zeit lang so, aber jetzt beispielsweise alleine vor Weihnachten im Dezember Da war ich bei drei oder vier größeren Durchsuchungen noch vor Weihnachten, weiß noch positiv aus der Presse und von Kollegen von diversen anderen. Also das ist wirklich ein realistisches Szenario. Das ist kein Ausnahmefall. Das ist in fast jedem großen Wirtschaftsstrafverfahren einer der Punkte, mit dem das Verfahren beginnt.
Joel Kaczmarek: Na gut, also wir fassen nochmal zusammen. Keep calm, ruhig bleiben. als goldene Regel Nummer 1. Als Regel Nummer 2, ohne meinen Anwalt sag ich nichts, also egal auf welchem Kanal. Nummer 3, Kooperation, keine Kapitulation. Stichwort, was geb ich alles raus für Daten. Goldene Regel Nummer 4, nach dem Spiel ist vor dem Spiel. Also stellt euch auch teilweise Verlängerung ein. Und Vorbereitung ist alles. Also, ich sag ja, heute mal im Krimi-Format mit euch beiden. Haben wir noch was Wichtiges vergessen?
Carolin Raspé: Es gibt natürlich noch viele weitere Punkte, die man bestimmt besprechen könnte, aber ich glaube, für diesen Wrap-up und die Runde waren das jetzt wirklich schon wichtige Punkte. Und wenn man sich an die hält, dann fährt man schon deutlich besser als viele, die sich nicht vorbereitet haben.
Joel Kaczmarek: Und wir haben ja noch ein paar Folgen.
David Rieks: Genau. Mein letzter Punkt ist vielleicht für jeden fürs Unternehmen. Guckt euch mal euer Unternehmen an. Überlegt euch mal genau, wenn so ein Tag durchlaufen würde, geht ihn mal visuell durch. Wo kommen die Leute an? Wie sieht das aus? Wo parken deren Autos, wenn die Behörde kommt? Welche Nachbarn habe ich? Wie gehe ich damit um? Und ich habe auch schon Unternehmen gehabt, die waren in so Industrieparks. Da hat dann tatsächlich jemand an der Pforte den Ermittlungsbehörden gesagt, sie müssen sich jetzt ein 45-minütiges Sicherheitsvideo angucken. Vorher dürften sie nicht aufs Gelände, das fand die Behörde so mittel. Und da haben die Durchsuchungsleitfäden, die so standardmäßig waren, halt keine Reaktion drauf gehabt. Also guckt euch einfach mal an, wenn der Tag, den wir heute so gemeinsam durchlaufen haben, bei euch passieren würde, bei Ihnen passieren würde. Wie sieht das dann bei mir konkret aus und auf was sollte ich vielleicht achten und was sollte ich mal vorher besprechen?
Joel Kaczmarek: Caroline, David, vielen, vielen Dank. Hat Spaß gemacht, obwohl es ja eigentlich ein ernstes Thema ist. Schön auch einfach mal so aus der Praxis zu hören. Wie gesagt, es kann ja einen auch treffen, ohne dass man irgendwie was ausgefressen hat und da dann vorbereitet zu sein, kann ja nie schaden. Also, vielen, vielen Dank und bis zum nächsten Mal mit euch beiden. Also wird bestimmt noch das eine oder andere folgen.
David Rieks: Wir freuen uns. Bis dahin.