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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Deep Dive Podcast von Digitalkompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und heute erfährst du, wie man in der Chemiebranche die digitale Kompetenz voranbringt, was man dort Spannendes mit dem Chemovator tut, nämlich ein Inkubator im Rahmen der BASF und welche Learnings man dort bisher getan hat. In diesem Sinne, wir starten frisch rein. Ja, hallo und herzlich willkommen. Stell dich doch mal ganz kurz vor als erstes, wer du bist und was du eigentlich tust. Also BASF habe ich ja schon gespoilert. Ja. Darum geht es.
Markus Bold: Das ist richtig. Also Markus Bold, mein Name. Ich habe das große Vergnügen, den ChemOperator leiten zu dürfen. Wir sind eine eigene Gruppengesellschaft innerhalb der großen BSF. Aber Gruppengesellschaft heißt, wir sind möglichst weit draußen. Ein geschützter Raum für interne Gründer, also für Intrapreneure, die in diesem Raum einfach mal aus der Firma heraus experimentieren müssen. Dafür sind wir da. Dafür existieren wir und existieren jetzt ein Jahr und beschäftigen uns natürlich auch mit digitalen Themen, auch mit Hardware-Themen.
Joel Kaczmarek: Gut, um dem geneigten Zuhörer mal ein Gefühl zu geben, also BASF wurde bereits im Jahr 1865 gegründet.
Markus Bold: Ja, die Gründungszeiten sind ein bisschen vorbei, das stimmt.
Joel Kaczmarek: Urzeitlich und wir reden hier von einer Firma, die 122.000 Mitarbeiter hat, im Jahr 2017 gut 60 Milliarden Euro Umsatz und 6 Milliarden Euro EBIT gemacht hat und börsennotiert ist. Also ein echter Tanker, auf dem du dort dienst. Was war denn vorher so dein Background? Du hast ja schon ein paar Stationen da gemacht, du dienst ja dem Unternehmen schon eine Weile.
Markus Bold: Ja, also was heißt dienen? Ich würde schon sagen, gemeint eigentlich gedanklich habe ich das Unternehmen vor einem Jahr erst mal verlassen. Also jedenfalls dann wirklich auch das, was dann disruptive und wirklich digitale Themen sind, sich damit auseinanderzusetzen. Mein Werdegang vorher, ich bin Chemiker von der Ausbildung, habe aber lange nicht mehr chemisch gearbeitet. War mal in Finanzencontrolling, war acht Jahre im Agrogeschäft, davon fünf Jahre in den USA. In meiner Agrozeit von Businessmanagement in Innovationen versucht, in den Markt zu bringen. Bin damit auch mal gescheitert, bin auch in meiner Forschungszeit mal gescheitert. Weiß also, wie sich auch in einer Konzernstruktur mal anfühlt, mal 20 Millionen in den Sand zu setzen. Respekt. Und welche Konsequenzen das hat. Ich habe dann später in meinen letzten vier Jahren, bevor ich jetzt die Aufgabe habe, war ich in der Konzernstrategie, also vorstandsassoziiert. Da geht es im Wesentlichen darum, strategische Business Units, sogenannte SBUs, strategisch zu beraten. Und dazu gehörte auch das Thema Innovation. Weil eine Chemieindustrie, wie du schon gesagt hast, ist sehr alt. Die Gründungszeiten, das gilt eigentlich für alle Spieler, haben eine sehr, sehr lange Vergangenheit. Und jetzt nach den guten alten Zeiten in der Chemiebranche, wo man einfach im Labor irgendwas gemacht hat, Kunde fährt das Kohl, hat das direkt gekauft. Die einzige Frage ist, wann können wir produzieren und wie viel? Die reinen Tech-Push-Ansätze sind vorbei. Und es können natürlich die geneigten Zuhörer fragen, was haben momentan Trends im Markt, auch Digitalisierungsthemen, mit einem Unternehmen zu tun, das DAX darstellt. 30 ist und irgendwelche Rührkessel hat und Chemie macht. Aber sehr wohl treffen uns dann auch solche Digitalisierungsthemen, wo wir einfach ehrlich gesagt noch nicht wissen, was es für uns heißt. Und es uns dafür gibt, in diesem Rahmen auch zu experimentieren. Was heißt es zum Kunden? Was heißt es technologisch? Was heißt es auch auf der funktionalen Seite? Dort einfach auch in unserem Rahmen mal das Undenkbare zu denken und im geschützten Raum zu probieren.
Joel Kaczmarek: Ja, aber ich war genau im Begriff, dich das zu fragen, weil ich erinnere mich noch so, ich habe gerade überlegt, was war mein erster Berührungspunkt mit BASF? und das war als jetzt kleines Kind.
Markus Bold: Kassetten, oder?
Joel Kaczmarek: Ja, genau, genau das. Videokassetten bei meiner Oma, wo dann so aufgenommene Donald Duck Videos drauf waren. Da stand mal BASF drauf. Wahrscheinlich die Spulenbänder, ne?
Markus Bold: Genau, die Magnetbänder.
Joel Kaczmarek: Und da war ich auch genau geneigt, dich zu fragen, was betrachtet ihr denn eigentlich als digital kompetent sein? Weil per se sagt man ja wirklich, da steht ein Chemiker. Und dann assoziiere ich eigentlich, okay, fünf bis zehn Jahre Forschung in irgendwelche Produkte, in chemische Formeln, in irgendwie Prozesse. Also das ist ja eigentlich sehr, sehr langwierig und sehr, sehr materiell. Und jetzt ist deine Aufgabe aber eigentlich genau, digitale Kompetenz dort reinzubringen. Vielleicht kannst du nochmal ein bisschen tiefer graben, wie ihr das eigentlich seht. Man kann jetzt natürlich sagen, okay, digital passiert bei 122.000 Mitarbeitern tagtäglich in der Kommunikation, im Austausch, in der Steuerung. Ja. Fair, aber wie ist das denn sozusagen rein inhaltlich noch bei euch aufgehangen?
Markus Bold: Es gibt viele Stellen, die sich mit digitalen Themen bei uns auseinandersetzen. Ich fächer es einfach mal auf und dann komme ich auf unsere Relle. Letztendlich, was wir da im Einzelnen treiben. Ich fange einfach mal im Forschungsbetrieb an. Wenn ich heute einen Forschenden, einen Chemiker habe, ja, der steht noch im Labor. Ja, der hat irgendeinen Glaskolben, rührt irgendwas zusammen. Aber da spielt auch heute digitale Tools schon sehr, sehr viele Rollen. Allein indem ich vorher schon mit quantenmechanischen In-Silico-Methoden vorher schon theoretisch durchspielen kann, welche Eigenschaften wird mein Material wahrscheinlich haben. Und damit kann ich entsprechend auch schon Forschung virtuell auf dem Rechner machen. Geht verdammt viel Rechenpower drauf, solche Moleküle, Eigenschaften, ob das ein Pflanzenwirkstoff, ob das jetzt ein sonstigen Effektstoff ist für Lichtabsorption, was auch immer. Ich habe das selber vor 15 Jahren gemacht. Wir waren damals vor 15 Jahren Pioniere, mal im Bereich funktionale Elektronik zu machen. Und das waren damals begeisternde Zeiten, dann einfach sowas mal zu probieren und auszutesten. Ganz andere Facette ist, es gibt in der großen Weiten BASF mit 120.000 Mann ganz viele Anlagen. Ganz viele Anlagen produzieren verdammt viele Daten. Da sind Sensoren, da sind Pumpen, da ist sonstiges Zeug drin. Wann geht das Zeug kaputt? Wie muss ich Anlagen logisch verschalten, dass ich meine Produktionskapazität, die ich habe, optimieren kann? Auch dort spielen digitale Elemente die nächste Level an. Ob das jetzt Preventive Maintenance ist, ob das einfach die logische Verschaltung von Anlagen ist, um dem Kunden sicher beliefern zu können, ganz andere Frage. Dritte Facette ist, wie verkaufe ich mein Zeug eigentlich? Ist es so, dass heute ich noch eine Papierform habe, im Customer-Desk ruft ein Kunde an und sagt, bestell drei Paletten? Oder geht es auch in Richtung einer Plattform-Ökonomie? Geht es dann auch, wie werden heute Materialien verkauft? Offene Frage, wissen wir nicht. Jetzt komme ich auf die vierte Facette, eine Truppe, die als Funktion sich rein auch digitalen Themen verschreibt, innerhalb des Konzerns. Da sind solche Themen gebündelt. Aber auch Fragestellung ist, wenn man ein Unternehmen hat, das auf jedem Land dieser Welt irgendwo operativ tätig ist, das in 80 Industrien unterwegs ist, generieren wir Daten über Daten. Und die Frage ist, wenn ich jetzt die nächste Welle ist, diese Daten sind etwas wert. Nur wie setze ich diese Daten in ökonomischen, in finanzwirtschaftlichen Wert um? Offene Frage. Das ist eine Truppe, die sich damit beschäftigt. Und jetzt komme ich zu uns als Chemovator. Wir stellen uns diesen großen hypergalaktischen Fragen nicht. Wir sind eine kleine Truppe von fünf Mann. Können wir gar nicht. Ist auch nicht unser Auftrag. Sondern unser Auftrag ist, finden wir innerhalb der BSF Unternehmer, die eine Idee vor ihren Füßen rechts, links, ihrer Freizeit oder sonst wo finden und sich dieser Idee verschreiben. Das darf auch gerne eine digitale Idee sein. Und diese digitale Idee in einem eng gegrenzten Use Case zu uns bringt, pitcht und wir glauben darauf, ja, da ist was dran. Die Idee ist skalierbar. Ob sie jetzt intern oder extern skalierbar ist, ist erstmal egal. Aber da ist für die Industrie, für die Chemieindustrie Wert. Und wenn du magst, können wir gerne gleich ein Beispiel rausziehen und es vielleicht mal auch für die Zuhörer greifbar zu machen, was für Themen sind es denn eigentlich. Also wir verlassen bewusst diese Metastrategie-Ebene und gehen eine Ebene runter in die wirklich konkrete Unternehmensgründung.
Joel Kaczmarek: Also wenn ich dich richtig verstanden habe, geht es bei euch eher um den unternehmerischen Gedanken, um die Innovationsgestaltung, als dass es jetzt per se unbedingt digital sein müsste. Korrekt. Okay, wie würdest du euch denn als Konzern insgesamt verorten, auch mit dem Risiko sozusagen, dass du hinterher einen auf den Deckel kriegst, was für Frechheiten du hier von dir gibst? Meine These wäre ja, dass ihr in dem ganzen Bereich so Forschung, IoT mehr in Richtung 2019 seid und in dem ganzen Themenbereich Verkauf und irgendwie Distribution mehr in Richtung 1865 seid. Tue ich euch da Unrecht?
Markus Bold: Das ist jetzt sehr provokativ von dem her. Wenn du schaust, ich würde es nicht 1865 sagen, ich würde es vielleicht fairerweise sagen. 1890. Naja gut, ich würde schon ein paar Jahre nehmen. Also wenn du mal schaust, E-Commerce, E-Commerce-Tools, gerade in den 90er Jahren war Chemieindustrie eine derjenigen, die wirklich sehr aktiv auch betrieben hat. Aber da gibt es kräftig noch was zu tun, ohne Frage. Also ich würde deine Einschätzung teilen. Ich glaube, auf der Forschungsseite, auf dem, wo wir wirklich intern die Data Lakes selber beherrschen, auch sagen, wie können wir damit umgehen, die Binddaten, das funktioniert, glaube ich, ganz vernünftig. Auch wenn es da noch an einigen Ecken, gerade was Data Sharing und Data Mining angeht, durchaus noch ein paar Ecken gibt, wo es es lohnt, nochmal tiefer zu bohren. Und ich glaube, gerade in dem, was dann digitale Tools verfügbar machen von Informationen, noch wert zu holen ist, Aber im kommerziellen, im Frontend, da teile ich deine Ansicht, ja, da gibt es Nachholbedarf.
Joel Kaczmarek: Es ist ja auch nicht so einfach. Ich kann ja immer so viel Sand hier in meinem kleinen Kämmerlein beim Elfenbeinturm sitzen. Man muss ja auch sagen, es gibt ja auch einen Markt da draußen. Man muss ja auch mal gucken, wo steht mein Markt. Wenn ich jetzt als Chemiehersteller, glaube ich, nicht gerade an den Supermärkten um die Ecke verkaufe, muss ich ja manchmal auch gucken, wo ich bin. Also das mal außen vor, um auch mal ein bisschen die zynische Zunge rauszunehmen. Aber ich sage mal so, ich kann mir schon vorstellen, da werden wir euch später mal was zu sagen, wie so eine Organisation da halt auch drauf einzahlt, sodass das gar nicht so trivial ist. Gut, aber wie du es gerade schon angestoßen hast, in der Tat, lass uns doch mal ein Stück weit, du sagst also Chemovator, ist das so wie die Bayern immer Chemie sagen und die Norddeutschen immer Chemie?
Markus Bold: Ja, ehrlich gesagt bin ich da nicht ganz konsequent. Also es gibt welche, die sagen Chemovator, welche sagen Chemovator. Ich bin ganz gerne, weil ich in den USA war, Chemovator, also sagt dann, da die meiste Kommunikation im Englischen ist, dann ist diese CH-Frage, stellt sich da nicht vor. Aber ich wollte dir anbieten, was machen wir denn eigentlich? Vielleicht machst du es dann auch konkreter. Wir haben momentan neun Ventures bei uns drin, die wir jetzt nach einem Jahr gefunden haben. Wir haben 50 plus Ideen gesehen, quer durch die Firma. Es ist wirklich die ganze Bandbreite. Es geht von Biotech bis tiefe Elektronik, bis hin zu Bau, bis hin zu Pflanzenwirkstoffen, bis hin zu funktionalen Themen. Und von diesen fünf Themen sind fünf, die ich einfach mal als digital überschreiben würde. Und ich greife einfach mal ein Thema raus.
Joel Kaczmarek: Von diesen neun sind fünf digital?
Markus Bold: Fünf sind digital, die ich einfach digital drüber schreiben würde. Genau, danke. Ein Thema greife ich mal raus, das ist eine Gründung, die nennt sich BoxLab. Das ist ein Gründer, vor einem knappen Jahr hat mich angefunkt, gehören zu euch auch Servicedienstleistungen? Weiß ich nicht, müssen wir erstmal gucken, was die Idee ist. Was ist ein Startpunkt? Startpunkt ist, in der Logistik habe ich hochregulierte Chemikalien. Das sind letztendlich Konzentrate von Pflanzenschutzmitteln, die stehen im Lagerhaus. Jetzt ist der Gabelstapelfahrer entweder müde, hat noch, nein, Restalkohol darf ich nicht sagen, weil auf dem Ferngelände ja Alkohol nicht erlaubt ist, aber aus irgendwelchen Gründen fährt er mit der Fork in diesen Stapel rein. Das heißt, der Umkarton ist kaputt. Und was die meisten vielleicht nicht wissen, hochregulierte Chemikalien gehört die Umverpackung nicht zur Registrierung. Warum? Der Lagerarbeiter, der Logistik, der Spediteur, der LKW-Fahrer, wer auch immer, muss wissen, was ist da drin? Wo kommt denn das her? Welche Temperatur darf das sehen? Wie lange darf ich das lagern? Also ist diese Umverpackung ein Teil mit der Zulassung. Wenn diese Unverpackung kaputt ist, darf es nicht mehr verkaufen. Große Korpels heute, wir setzen damit ungefähr 7 Milliarden um pro Jahr, wenn da mal ein paar Millionen über die Wupper gehen, ist das eigentlich, ja gut, ist eine Störgröße, ist verlorenes Geld, aber es hält den großen Tanker nicht auf. Also was macht man mit dem Zeug heute? Man fährt es in den Verbrennungsofen. Obwohl das Zeug innen drin, also in also in diesen Innencontainer aus Kunststoff typischerweise, noch vollkommen in Ordnung sind, also verkaufsfähig machen. Nur die Umverpackung ist kaputt. Und was haben die zwei Gründer jetzt gemacht? Die zwei Gründer sagen, das ist doch Wahnsinn. Ich baue euch eine Lösung, in der ich dieses Individuum, jeder dieser Kartonagen ist ein Individuum, der ist als individuell erkennbar. Innerhalb von 24 Stunden liefere ich dir einen Originalkarton on-site, in den du umverpacken kannst und etwas, was nicht verkaufsfähig ist, wieder verkaufsfähig machen kannst. Das sind 24 Stunden. Dazu gehört, er hat ein digitales Frontend, in dem er das Individuum, also welcher Karton ist das, welche Etiketten, welches Land, welche Sicherheitsausstattung, die ganze Ausstattung kann er am Frontend auslesen. Diese Information wird dann übermittelt an die beiden Gründer, an ihren momentanen Firmensitz, haben die Print und Logistik, bauen damit einen Ersatzkarton, können dann durch ein Übernachtschippment über DAL, ich glaube, die nutzen momentan DAL, an die Seite auslesen, überall von Europa und können dann innerhalb von 24 Stunden dieses Ersatzteil zur Verfügung stellen. Also es ist eine Kombination von Logistik, digitalem Frontend plus die Kenntnis der spezifischen Industrie. Vielleicht ein Beispiel, ein Paket, wie so eine konkrete Unternehmensgründung aussehen könnte, was wir auch tun.
Joel Kaczmarek: Ich finde sowas immer ganz geil. Es sind so Welten, in denen man überhaupt nicht sich bewegt und wo man mal merkt, also ich kann das total verstehen. Als Konzern sagt man, doesn't move the needle, wenn mir jetzt mal ein bisschen was so fair. Als Normalstädtler denkt man, um Gottes Willen, Millionen Euro und so. Es ist spannend, was man eigentlich für Problemwelten da auch hat, an die man gar nicht denkt. Hast du noch ein, zwei weitere Beispiele? Das finde ich irgendwie erfrischend.
Markus Bold: Das zweite Beispiel, was ich gerne mal rausziehe, ist Chemikalien-Sicherheit. Wenn Sie sagen, will ich die jetzt zuhören, sagen Sie, Chemikalien-Sicherheit, was hat das mit Digitalen zu tun? Ich schreibe einfach mal die Situation heute. Ganz vorne ist immer die Behörde. Die Behörde entscheidet irgendwas. Wir als Kunden, wir als Menschen wollen wissen, da kommt eine neue Chemikalien auf den Markt. Ich will wissen, was ist das toxologische Risiko für mich? Und ständig ändert sich da was. Da gibt es eine neue Studie, da gibt es eine neue Humantalk-Studie, was auch immer. Das wird neu reguliert und das wird neu klassifiziert. Da gibt es R&S-Sätze, das sind Sicherheits- und Risikosätze. Die werden dann kommuniziert auf dem Schriftweg und zwar Printout, Papier. Das kriegt dann der Hersteller, wir oder der Supplier von uns oder wer auch immer. Das landet dann in mehreren Schritten, wird es dann immer wieder händisch übertragen. Dann wird mit der Chemikalie irgendwas gemacht. Das geht dann, nehmen wir das Beispiel für Farbpasten zum Spritzen für Autos, also dass ich das Auto einführen kann. Auch der in der Spritzkabine muss wissen, was ist denn da drin. Also in jeder dieser Stufe ist diese Sicherheitsinformation relevant. Und das ist eine der ineffizientesten Industrien, die man sich heute vorstellen kann. Also Unsummen von Geld, die da drin hängen, Aktenordner, die irgendwo rumgammeln, keiner weiß, wo was liegt. Die digitalen Schnittstellen sind alle da. Ich muss sie nur intelligent miteinander verknüpfen. Ich brauche also Chemie, ich brauche Wertschöpfungskenntnis, ich brauche IT-Kenntnis, ich brauche Digitalisierungskenntnis, wie ich diesen Gesamtwertschöpfungsansatz bespielen kann. Das sind genau zwei Gründer bei uns, die aus der Coatings kommen. Das sind Adrian und Thomas, der Name ist Sustragil. Um sich mit so einer Thematik auseinanderzusetzen, wie kann ich eine Chemikalien-Sicherheitsindustrie neu bespielen? Wie kann ich in Echtzeit meinem Kunden die relevante Sicherheitsinformation zu einer Chemikalie, die er gerade gekauft hat, überspielt? Und wenn vorne die Behörde noch was ändert, wie kriege ich das möglichst schnell mit? Also das sind dann Fragen, wo die Verknüpfung erstmal nicht nahe liegt, was hat das mit Digitalisierung zu tun? Aber wenn man dann mal zwei Stufen weitergeht und dann einfach mal durchdenkt, wie könnte dann ein abgegrenzter Use Case aussehen, wie könnte ein Ansatz aussehen, passt es dann durchaus rein.
Joel Kaczmarek: So, jetzt haben wir ein Gefühl gekriegt, was ihr eigentlich inhaltlich so tut, was ich immer ganz belebend finde, weil es ist von außen relativ abstrakt. Da kommen jetzt ganz viele so kleine Miniaturfragen. Die erste, die sich mir aufdrängte, war, guckt ihr immer nur nach Geschäftsideen, die aus dem BASF-Mitarbeiterkreis kommen? Oder wenn jetzt jemand von Merck, Bayer oder was weiß ich wen habt, guckt ihr, hört ihr euch sowas auch an und gründet mit dem auch was?
Markus Bold: Also ganz klar, wir sind ein Intrapreneurship-Programm. Das heißt, wir gucken auf BSF-Gründer. Es ist auch mal okay, wenn da mal ein externes Startup dabei ist. Da haben wir jetzt auch zwei Fälle. Aber es ist immer dabei, es muss einen BSF-Gründer haben. Warum? Ich bin ein Gläubiger davon, wirklich den Unfair Advantage, den wir als Unternehmen haben, zu nutzen. Also mit Technologie, mit Marktzugang, das ist unglaublich viel wert. Ich arbeite auch mit externen Startups zusammen und weiß, wie schwer sich externe Startups sind, wirklich relevante Industriekontakte aufzutun. Und das ist unser Startpunkt als ChemOvator, wirklich zu sagen, ich nutze die internen Kenntnisse in erster Welle und versuche daraus entsprechend ein Unternehmen zu bauen. Das kann aber auch wie in Fällen in BoxLab dazu führen, dass es eine Industrielösung wird. Das ist also keine BASF-Lösung mehr, sondern mit BASF als ersten Kunden wird das validiert. Funktioniert das? Und wenn es dann funktioniert, dann geben wir es raus und sagen dann hoffentlich als Industriestandard für solche Problemlösungen dann auch zu positionieren.
Joel Kaczmarek: Und was ist so? das finale Ziel dessen, was ihr dort tut? Ist der Gedanke, dass ihr Startups baut, die ihr hinterher wieder einkaufen könnt? oder sollen das richtig am Markt agierende Unternehmen sein? oder betrachtet ihr die eigentlich mehr wie eine Abteilung bei euch in der Firma, die sozusagen innovationsorientiert arbeiten darf? Was ist da das Ziel?
Markus Bold: Wir sind definitiv keine Abteilung im Unternehmen. Wir haben zwei Stoßrichtungen, wir lassen auch beide zu, nämlich Spin-offs und Spin-ins. Weil sich die Richtung eines Unternehmens auch innerhalb der Inkubationsphase immer nochmal ändern kann. Und wir müssen für beides auch flexibel sein. Spin-ins ist der strategische Auftrag, da hofft sich natürlich die Mutter, dass ich mir interessante Geschäftsfelder schließe, die ich ohne uns nicht hätte. Also dass ich wirklich mit einem Hochrisiko arbeite. experimentierenden Ansatz auf irgendwas stoße, was ich direkt in eine Business-Unit wieder integrieren kann. Das sind typischerweise eher die nicht-digitalen Themen. Typischerweise. Muss nicht schwarz-weiß, aber in der Tendenz. Die Spin-off-Fälle sind Fälle, in denen BASF akzeptiert, und das lernen wir gerade, dass BASF in eine Shareholder-Position geht, aber diese Unternehmen wirklich sich frei am Markt als eigenständige Unternehmen etablieren und letztendlich auch nach Risikokapital suchen, um dann die Skalierungsschritte zu machen. Also was ich beschrieben habe, wenn ich jetzt Boxlab oder Sustragil Ernst nehme und das als Industrielösung etablieren möchte, kann das keine BASF-Lösung sein. Das wird im Wettbewerbsumfeld nicht funktionieren, sondern es muss eine unabhängige Industrielösung sein, in der ein Kunde, auch die anderen Corpets, ob es jetzt die für die Bayers oder die FMCs oder die Bonds dieser Welt sind, dieser Lösung auch wirklich glauben, da es ein unabhängiges Unternehmen ist.
Joel Kaczmarek: Aber es ist natürlich immer ein bisschen schwierig. Investoren sind ja da immer so ein bisschen paranoid. Wenn man einen großen Shareholder hat als eine Firma. Das ist richtig. Mir fällt das Wort nicht ein. Ich habe keinen VC-Investor, sondern einen Stratege. Das ist ja für die immer so ein bisschen schwierig in Richtung Abhängigkeiten.
Markus Bold: Und das wird jetzt auch die nächste Lernstufe sein. Ich habe ja gesagt, wir existieren seit einem Jahr. Das heißt also, wir haben noch keine Ausgründung. Wir sind jetzt so weit, dass wir drei Ausgründungen dieses Jahr hoffentlich haben werden und vorbereiten. Und da werden wir auch wie andere Corporates und da setzen wir auf Lernerfahrungen von anderen Corporates aus anderen Industrien auf. Reden wir mit ganz vielen, ist es ganz klar, der Corporate übt keine Kontrolle mehr über diese Venture aus. Sonst ist es zum Scheitern für ein Einwerben von Drittkapital zum Scheitern verurteilt.
Joel Kaczmarek: Und wie ist das mal so? Hand aufs Herz? Also der geneigte Zuhörer hört dich ja nur. Ich kann dich ja auch sehen. Ja. Ich erlebe dich als extrem, also sehr sympathisch. Du hast einen richtig lieben und auch sozusagen mit Begeisterung gefüllten Blick und kannst halt sehr gut erzählen und verkaufen, was ihr da tut. Aber ich stelle mir das so vor, wenn ein Gründer, der eigentlich eher gelernter Chemiker ist, auf dich zukommt, oder das ist ja eher nicht eigentlich ein Mitarbeiter, das ist ein Angestellter, der sich über das Gründen Gedanken macht. Können die das auch mal so verkaufen und so rüberbringen? Oder sind das so ein bisschen die Technokraten? Weil ich habe das immer so erlebt, ja. Wissenschaftler sind jetzt nicht die besten Verkäufer leider.
Markus Bold: Im Prinzip stimmt das auch. Aber ich beantworte gerne darauf, wir haben 120.000 Leute und das, was du gerade sagst, stimmt vielleicht für die Mehrzahl. Aber wir suchen ja gerade Menschen, die sich ihre eigenen Aufgaben stellen. Also die Frage des Ownerships, ist es meins? Und ich kann dir sagen, wir haben jetzt ein Jahr von den 50 plus Erfahrungen. Auf der Bühne, wenn die pitchen, merkst du sofort, ist das meins oder ist es nicht meins? Und halte ich mir noch ein Hintertürchen offen. Und die wirklich guten Gründer, die es auch gibt bei uns, die verschreiben sich der Aufgabe ganz. Die machen das auch ganz. Es ist wirklich ihres. Und können die das? Ja. Und was wir gemacht haben, und das fand ich begeisternd. Und das haben bei uns die Lisa und Hannah auf die Beine gestellt zusammen mit Björn. dass wir nach einem Jahr die Tore mal aufgemacht haben und wir haben unsere Ventures zusammen mit sieben externen Startups, damals waren wir sieben, antreten lassen. Einfach mal zu gucken, wie schlagen wir uns. Und ich fand, nach einem Jahr, wir mussten uns überhaupt nicht mehr verstecken. Also einfach, du hast recht, die ersten Veranstaltungen waren eher so, ja, ich habe hier mal sowas und erkläre es nicht meinem Investor, sondern ich erkläre es intern meinem Corporate Steering Committee, klassischer Ansatz. Dann wirklich mit der breiten Brust rauszukommen, ich bin der, der, ich mache das, ich löse das Problem und dem stelle ich mich. Das ist eine Reise. Das Reisen, die kostet Zeit, aber die bewegt sich in die richtige Richtung.
Joel Kaczmarek: Und bevor wir jetzt mal spezifizieren, was ihr eigentlich tut, was ist denn so? die typische Demografie von so einem internen Gründer?
Markus Bold: Den typischen, würde ich sagen, gibt es gar nicht. Also wir haben mit der Hypothese losgelegt, das sind alles die jungen Wilden. Also maximal drei Jahre im Unternehmen und dann wollen die mal. Wir haben eigentlich kreuz und quer durch den Gemüsegarten. Also es gibt von welchen, die fünf Jahre von der Rente kommen, ich wollte immer schon mal. Es gibt den Mittelbau, die viele Erfahrungen haben, sagt dann, ja, ich habe hier etwas, dem ich mich ganz verschreibe. Natürlich auch die Jungen, die noch nicht einfach so ein Körper durchseucht sind. Von dem her und das noch nicht mit der Muttermilch aufgesogen haben. Ich würde sagen, in der generellen Sicht eher auf der jüngeren Seite, aber durchaus ein sehr gemischtes Tableau.
Joel Kaczmarek: Okay, und jetzt Hand aufs Herz. Bisher saß der Papa abends immer am Tisch und hat irgendwie der Mutti erzählt, er hätte da so einen Traum. Er will irgendwie neue Verpackungen machen für Chemikalien, damit nicht so viel verbrannt wird. Und jetzt kommt er zu euch. Was passiert da? Was kriegt er von euch an Unterstützung?
Markus Bold: Erstens mal bekommt er überhaupt die Chance, weil er nämlich freigestellt wird von seinem Tagesgeschäft. Also wir nehmen interne Gründe aus ihrem Tagesgeschäft raus zu 100 Prozent und er bekommt überhaupt den Freiraum mal machen zu dürfen, also den Zeit und den Rahmen zu haben, ohne dass ihm einer in die Suppe spuckt. Das zweite ist, wir leben diesen geschützten Raum ernst. Das heißt, wir nehmen jemanden nicht nur raus, sondern wir setzen ihn auch zu uns ins Gebäude. Wir sind also fünf Kilometer von der Mutter weg. Die fünf Kilometer reichen. Das heißt, es latscht dich jeder vorbei und guckt sich mal auf einen Kaffee an, wie Unternehmertum aussieht. Sondern es ist eine bewusste Entscheidung. Ich fahre einmal rüber. Ich muss mich entsprechend mal ein bisschen bewegen, um zu sehen, wie geht das. Und allein diese räumliche Trennung bringt unglaublich viel, wenn du mich so direkt fragst. Das Dritte ist, wir machen ganz viele Dinge nicht selbst. Also wenn ich ein Chemieunternehmen bin und ich habe ein, sag ich mal, wir verbraten im Jahr ungefähr 4 Milliarden an CapEx, dann muss ich risikoavers agieren.
Joel Kaczmarek: Was ist CapEx für die Laien?
Markus Bold: Das ist Investitionen in Sachanlagen, also Anlagen bauen. Also so eine teure Chemieanlage kostet ungefähr eine Milliarde. Eine billige kostet so 100 bis 200 Millionen.
Joel Kaczmarek: Ich kenne das wohl, ich habe auch zwei davon im Portfolio.
Markus Bold: Und Abschreibungszeiten sind 30 Jahre.
Joel Kaczmarek: Das ist schon ein Merkmal, ne? Das ist eine andere Welt.
Markus Bold: Das ist eine ganz andere Welt. Und wenn ich jetzt die Entscheidungsträger auf der einen Seite frage, gib mir einen garantierten Cashflow für die nächsten 30 Jahre für C3-Chemie und baue die Acrylsäureanlage in die richtige Region mit den richtigen Steuern im politischen Rahmen. Und an der selben Seite kommen dann Projektchen von uns, also wie Boxlab. funktioniert es technologisch, weiß ich nicht. Braucht es der Kunde? Weiß ich noch nicht. Kannst du mir einen Geschäftsplan machen? Ne, weiß ich auch noch nicht. Weißt du, wie dann das? Regulatorenstrukturen, weiß ich auch nicht. Also die Welten passen einfach nicht zusammen. Anders ist, wir sind frei, Leistungen einzukaufen. Also dann einfach nicht durch die Konzernstrukturen gehen zu müssen, sondern einfach auch mal Shortcuts zu gehen. Wo bekomme ich meinen IT-Provider her? Wo bekomme ich jemanden her, der mir mal schnell liefern kann mit einer Kompetenz draußen? Wir machen keine Zielvereinbarung. Also wo ich sage, wir bauen ein Geschäft, Punkt. Ich brauche keine künstlichen Ziele, ich muss kein Ziel erreichen, Gespräch, was eh alle demotiviert, meiner Ansicht. Das sollte man natürlich vielleicht in der Firma nicht so lange zitieren, aber das ist mein Glaube. Dann das Letzte, was wir vielleicht am radikalsten machen, und das habe ich noch gar nicht adressiert, ist, dass wir ja die Zielrichtung haben, Unternehmen zu gründen. Und wir haben dafür keine Prozesse, sondern wir ersetzen Prozesse durch Erfahrung. Wir arbeiten also mit erfahrenen Gründern zusammen, momentan acht, die ihre persönlichen Erfahrungen mitbringen. Das sind also Menschen, die selber Unternehmen gegründet haben.
Joel Kaczmarek: Coaches meinst du jetzt?
Markus Bold: Coaches, also erfahrene wirklich Startup-Gründer, die Fehlschläge hingelegt haben, auf den Bauch gelandet sind, wieder aufgestanden sind, fünfmal serielle Gründer. Einige davon sind Business Angel, einige davon haben selber auch ein Portfolio, in das sie investieren. Welche, die von der Allerspanne 60 sind, sind welche beide, die 30 sind. Aber alle, die einfach Bock drauf haben, mit einem Corporate zu arbeiten, diese externe Gründungsperspektive zu uns reinzutragen. Und wie du schon gesagt hast, ich akzeptiere selber auch als Leiter einer, ich habe nie ein Unternehmen gegründet. Ich kann mich nicht hinstellen und sagen, ich weiß, wie es geht. Sondern, dass wir diesen Menschen, die von extern mit diesem Impulsgeber eine ganz kragende Rolle zuweisen und auch zusprechen und auch die Autorität dazu geben, wirklich mit unseren Gründern zu arbeiten. Und das macht was mit unseren Gründern. Weil es dann entsprechend nicht nur nach dem Cover-My-Ass-Corporate-Ansatz geht, sondern es sagt dann, was hilft meinem Produkt? Wie kriege ich den Kunden nicht wirklich übersetzt? Mit wem muss ich noch sprechen? Wo kann ich Shortcuts gehen? Wie kann ich relativ schnell mit bescheidenen Mitteln ein Produkt bauen, das ich ganz schnell validieren kann und zur Not nochmal einmal über die Wupper schmeiße, wenn es entsprechend nicht funktioniert? Und das ist ein Mindset, den gerade unsere erfahrenen Gründer mitgeben. Vielleicht die letzte Facette, die ich noch ergänzen möchte. Selbst wenn wir Ventures auswählen, ist die Majorität der Jury externe Gründer. Das sind zwei Legacy-BSFler drin, drei, vier oder fünf erfahrene Gründer. Und wir machen es nach mehreren Majoritätsvote. Ich habe kein Vetorecht. Zu was führt das? Das führt, dass bei jedem Pitch, Die Frage, der Thüringer vorne steht, ist, wem nutzt das? Ist es der Richtige und ist es der Glaubhaft für uns? Und es ist nicht klassisch in einem Tech-Konzern, also wirklich Deep-Tech-Konzern wie BASF, der chemielastig ist. Ja, da hinten gibt es technologische Produktion, passt das in die Asset-Struktur? und hier gibt es noch einen wissenschaftlichen Parameter, den möchte ich genauer verstehen. Das ist eine wissenschaftlich und analytisch valide Frage, hat aber mit dem Kundennutzen gar nichts zu tun.
Joel Kaczmarek: Jetzt hänge ich noch im Kopf an der Freistellung der Leute. Das ist ja erstmal cool,
Markus Bold: weil es
Joel Kaczmarek: ist ja auch so ein Stück weit so, Konzerne haben ja oft das Thema, man hat unternehmerisch denkende Leute, die so ein bisschen zermalmt werden, die hätten eigentlich Lust und das kann für die echt ein Hebel sein, die richtig hoch zu motivieren, weil die haben Lust, was zu tun. und gleichzeitig haben sie aber sozusagen Verpflichtungen, weil sich Häuser diese abzahlen, Familien diese ernähren müssen, weshalb sie den Sprung sonst nicht wagen würden. Kotzt so ein Abteilungsleiter nicht aber tierisch ab, wenn du dem da vielleicht sein bestes Pferd aus dem Stall nimmst, so? Der wird einfach freigestellt. Ich meine, wie hat das auch organisatorisch aufgegangen? Hast du so eine Green Card oder so, dass du sagst, so hier Wild Card, ich nehme jetzt den Bernd mal weg, der kann jetzt irgendwie mal gründen?
Markus Bold: Also die generelle Card Blanche oder Out-of-Jail-Card habe ich nicht. Es kommt, wie gesagt, auf die Fälle drauf an. Es gibt Venture-Teams, die reden mit ihrer Linie vorher und dann gibt es Führungskräfte auch im Unternehmen drüben, die einfach sagt, reißen, das soll man nicht aufhalten. Weil wenn es wirklich sind, welche, die für eine Aufgabe brennen, die hältst du nicht auf, weil du arbeitest ja aktiv gegen den Willen des Mitarbeiters. Und gute Führungskräfte, ehrlich gesagt, erkennen das auch. Natürlich gibt es auch konfliktäre Fälle. Unser Prinzip des geschützten Raums geht so weit, dass wir Teams bis zum Pitch schützen. Also dass, wenn Teams mir sagen, rede mit meiner Linie bitte nicht. Weil ich noch nicht weiß, wie meine Linie oder wie mein Chef oder mein Abteilungsleiter auf das reagiert und die meisten, ehrlich gesagt, der Pitches fallen auch durch, also ungefähr 80 Prozent, dann zerschlage ich so viel Personal auf der Personalseite und auch die Glaubwürdigkeit, dass jemand es versucht hat und gescheitert ist, dann letztendlich auch ein bisschen seinen Ruf und Stellung in seiner formal abgebenden Einheit macht. Die erste Diskussion führt dann entweder der Gründer. Er sagt, ich frage ihn dann immer. Er sagt, dann fühlst du dich komfortabel mit deinem Gruppenleiter, mit deinem Abteilungsleiter alleine zu diskutieren. Oder soll ich dir helfen? Und das machen wir dann auch. In der Regel, mit ein paar wenigen Ausnahmen, hat das, wie ich gesagt habe, auch ganz gut funktioniert. Manchmal dauert es ein bisschen länger. Manchmal müssen wir auch ein bisschen flexibel sein. Du arbeitest noch vier Wochen in deiner alten Funktion und dann kommst du rüber. Manchmal dauert es auch noch ein bisschen länger. Aber im Großen und Ganzen ist das Unternehmen doch mit den 120.000 Mann so flexibel, dass keiner unabkömmlich ist. Und wir reden über zwölf Ventures maximal. Das sind zwei bis drei Leute. Wir reden über 36 Leute. Wenn ich einfach mal die Ratio mache, 36 von 120.000, da reden wir über ein paar Stellen nach dem Komma.
Joel Kaczmarek: Wie sieht es denn mit dem ganzen Faktor Zaster aus? Weil man braucht ja Geld, selbst wenn man jetzt einen MVP baut, der vielleicht erstmal auf Papier basiert und dann irgendwie so ein Klickdummy ist. Man muss trotzdem irgendwie Recherche investieren, man muss vielleicht manchmal Sachen kaufen, man muss irgendwie, gerade wenn ich mit Chemie Dinge tue, muss ich vielleicht auch manchmal einen längeren Atem haben, bevor ich richtig valide Infos habe, weil es einfach verantwortungsvoller ist. Also da geht es manchmal um Gefahrenstoffe, da geht es irgendwie um komplexe Prozesse. Was für ein Vorgehen habt ihr denn auf der finanziellen Seite, solche Gründer oder potenziellen Gründer dann zu unterstützen?
Markus Bold: Ich mache gerne da mal drei Töpfe auf. Das eine ist, wir existieren aufgrund eines Vorstandbeschlusses. Also der Vorstand hat mit der Weisheit der sieben beschlossen, wir brauchen euch. Und als Teil der Entscheidung davon ist auch verknüpft, dass alles das, was wir Programm nennen, also Chemovator-Programm, free of charge ist für die Organisation. Dazu gehört mein Gehalt, dazu gehören, wir sind zu fünft, wir würden den Laden schmeißen. Das sieht keiner auf seinen Venture-Kosten. Also das Chemovator-Ökosystem intern ist frei. Das gilt auch für unsere erfahrenen Gründer. Das absorbieren wir. Keiner. Wir machen Investitionen in Gründer vor, wo es nicht richtig ist. Taugt meine Idee was? Muss ich mal mitspielen. Wir machen zwei Tages-Bootcamps, wo potenzielle Gründer zu uns kommen können und einfach mal im kleinen Format experimentieren können. In der Ideation-Phase taugt meine Idee was. Das ist alles frei für die Organisation. Davon sieht keiner was. Warum wir das auch so machen? Wir wollen nicht haben, dass im Vergleich Projekt im Konzern versus Venture bei uns, das Venture gleich so viel teurer ist, weil ich alle Kosten umlege. Das ist eine liebe Gründung. Ich habe selber einen Topf, der aus Konzernmitteln kommt, mit dem wir limitiert auch Ventures finanzieren können. Das macht auch Sinn, beispielsweise wenn etwas aus einer Technologieplattform kommt. Haben wir auch einen Fall. Wenn wir Digitalthemen hätten, die Querschnittsfunktionen sind, da finde ich ja keine Business Union und sage dann, ich zahle das. Sondern das kommt mehreren zu Pass. Oder ich habe einfach einen Ansatz, wo eine Einheit aus finanziellen Gründen einfach klammengepudert dasteht. Der dritte Topf der Finanzierung, das ist die Majorität der Finanzierung. kommt aus einer Sponsorenschaft aus dem Unternehmen. Also ich habe vorhin Boxlab gesagt, Boxlab bezahlt das Agrogeschäft. Das Agrogeschäft erkennt den Wert davon, sagt dann, das ist für uns gleich, auch wenn ihr es ausgründet, ein strategischer Mehrwert für uns, diesen entgangenen Sales zu sichern. Das Projektwertberechnung ist da ganz einfach. Und sagt dann, das finanzieren wir. Und trotzdem akzeptiert dann die Geschäftseinheit. Das Team kommt zu uns rüber. Wir üben darüber, über die Reise dieses Ventures keine Kontrolle aus. Und wir kriegen regelmäßig mal einen Report, was er so treibt. In einem anderen Fall dürft ihr mal hören, was da entsprechend rauskommt. Und wir kaufen die Leistungen dann von dem Venture ein. Also das sind letztendlich die drei Finanzierungstöpfe, die wir haben.
Joel Kaczmarek: Und zu Hand aufs Herz, wie viel vom E-Bild wird da committed? Wie viele Euros könnt ihr irgendwie investieren, dass man mal ein Gefühl kriegt für eure Schlaggröße?
Markus Bold: Also Zahlen disclosen wir nicht. Ich sortiere es aber trotzdem mal ein. BSF gibt in diesem Jahr ungefähr 2,1 Milliarden in Forschungsgeldern aus. 4 Milliarden in CapEx. Und wir reden dort über irgendwas im Promillbereich. Also das ist mit ein paar Millionen sind wir mit unserem Programm mit einem Vollkostenansatz dabei. Also es sind keine Unsummen. Im größeren Konzernbild spielt das eigentlich keine Rolle.
Joel Kaczmarek: Wie ist denn denn insgesamt so organisatorischer Aufgang? Wie hoch? Also welchen Impact genießt du? Hast du da regelmäßig Vorstandsmitglieder, die mal die Nase reinstecken, die sich bei dir erkundigen, was sich da so tut? Oder ist das eher noch so Forschung und Entwicklung ein bisschen am Rand?
Markus Bold: Also ich lasse mich bewusst nicht Entwicklung in die Ecke drücken, weil es nämlich keine Forschung und Entwicklung ist, sondern wir sind ja kundenzentriert. Das heißt, unsere Stoßrichtung ist kommerzielle Relevanz für den Kunden. Über Vorstandsinteresse können wir uns mangelndessen momentan überhaupt nicht beklagen. Als Gesellschaft muss ich ja irgendwo hängen. Ich hänge nicht beim Vorstand, sondern ich hänge bei der BSF New Business. Das ist eine separate Legal Entity, die sich dem Thema Geschäftsbuildup innerhalb des Konzerns verschreibt. Das ist der Guido Freud, das ist mein Chef, offiziell direkt. Wobei die Vereinbarung mit ihm ist, was auch aus meiner Sicht hervorragend funktioniert, dann auch die lange Leine zu haben. In meinem Aufsichtsrat meiner GmbH sitzt ein Vorstand. Also ich bin direkt zusammen mit Guido, einem Vorstand, regelmäßig mindestens einmal oder zweimal im Jahr, wo er sagt dann, wo steht ihr, was macht ihr? Das ist, weil der Konzern auch irgendwo ein bisschen, was macht ihr mit unserem Geld? Wir sind sehr aktiv, da wir in Mannheim, unsere Location ist also am Stammsitz Ludwigshafen, über den Rhein einmal unterwegs sind. Hat natürlich auch der Standortleiter, das ist der Mike Heinz, ein dezidiertes Interesse. Wir waren auch mehr in Veranstaltungen, der mit uns interagiert. Und auch der CEO selber, also der Martin Brudermöller, der jetzt für BASF den Vorstandsvorsitz Vorsitz innehat, dessen, jetzt einfach mal etwas schnippisch, die Grundüberzeugung war, dass es uns gibt, hat ein dezidiertes Interesse, trotz der Kleinheit von uns im Vergleich zum Konzern, dass er sich mit uns auseinandersetzt. Hatte vor ihm gerade vor vier Wochen einen Aufschlag, in dem wir nicht die klassische BSF Dog & Pony Show gemacht haben, also 30 Folien und da einmal durchgeritten und dann wird über die Briefbox einmal mit einer Runde erzählt. Sondern wir haben einfach zwei Ventures oder ich habe zwei Ventures mitgebracht zusammen mit einem Entrepreneurs in Residence. Erzählt ihm einfach mal, was ihr macht. Und da war Boxlab auch dabei. Facilitate war das zweite, das forschungsnäher ist. Und dann hat er verstanden und seine spontane Reaktion war einfach das Produkt, was produzieren wir, greifbar zu machen, erlebbar zu machen. In der Reaktion über den Tisch geguckt, also suchen Sie sich mal einen Termin aus, ich komme mal vorbei. Also einfach mal in diese Welt. Und ich glaube, was ich sehr, sehr positiv finde, ist, dass der Vorstand diesen Spagat verstanden hat. Ich muss im Kerngeschäft vieles richtig machen. Was Effizienzsteigerungen, was die ganzen Dinge, was man auch momentan in der Presse kolportiert, sieht, was alles passiert. Aber gleichzeitig muss ich mir diese Experimentierfähigkeit erhalten und diese Struktur dafür bauen, dass ich das auch wirklich kann. Das wird sich in den nächsten zwei, drei Jahren, aber wir können es momentan über mangelnde Aufmerksamkeit wirklich nicht beklagen.
Joel Kaczmarek: Verstanden. Jetzt gehen wir gleich garantiert nochmal tiefer rein in die Organisation. Aber zwei Fragen beschäftigen mich noch zu euch. Das eine ist der Standort mit Mannheim. Musst du nicht fast auch mal ein bisschen drüber nachdenken? Also ihr könnt natürlich so Lernreisen durch Berlin einmal machen, wie das so ganz viele Corporates machen. Aber bist du nicht schon manchmal so da, dass du sagst, okay, gerade wenn das Firmen werden sollen, die wirklich mal irgendwann, also ihr seid jetzt in Jahr 1, das ist ja noch Frühkindphase. Wenn die dann aber sozusagen mal ausgründen, eigene Räume beziehen, Personal suchen etc. pp. Also müsst ihr da nicht fast drüber nachdenken, auch mal den Ort zu verlassen?
Markus Bold: Die Überlegungen gab es natürlich. Und wie gesagt, gibt es auch unterschiedliche Stimmen. Ich würde trotzdem mal eine Lanze für unseren Startort brechen. Über den Rhein im Stammsitz sitzen 35.000 Leute. Ich habe Zugang zu allen Geschäftseinheiten. Ich habe Zugang zu allen Märkten. Also als Unfair-Advantage. Es wäre rausgeschmissene Ressource, wenn ich das nicht täte. Vor allen Dingen, wenn ich Themen bearbeite, die noch sehr nah am Konzern sind. Alles, was in Fahrweite, Laufweite oder Fahrradfahrweite erledigt werden kann, ist ein unschätzbarer Vorteil. Andererseits hast du natürlich auch recht, dass es ein, gerade hier das Ökosystem in Berlin, wir sind natürlich ständig stimuliert, herausgefordert, mein, machst du eigentlich das Richtige? Was heißt es denn wirklich auch, ein Unternehmer zu sein? Wir leben diesen Spagat momentan, indem wir unsere Teams regelmäßig auch erstens unseren Entrepreneuren interagieren lassen. Die meisten kommen hier aus Berlin. Wie gesagt, die meisten Entrepreneure fangen jetzt auch an, Mannheim zu schätzen, erstaunlicherweise. Und das Zweite ist, dass wir unsere Venture-Teams auch durchaus ermuntern, nach Berlin zu gehen, in kleinen Formaten auch hier mal selber Meetups zu organisieren. Unsere Onboarding-Woche ist eine Woche hier, wo einfach dann die man aus, ich hätte es beinahe gesagt, als Klassenfahrt mal aus der Soße eines Corporate-Umgebungs wirklich rauskommen und mal eintauchen. Das sind alles wohl Zwischengang, aber ich glaube durchaus, dass die Rhein-Neckar-Region für einen Chemiekontext gar nicht mal die schlechteste Option ist, da wirklich in dem Bereich auch Gründungen auf die Beine zu stellen.
Joel Kaczmarek: Okay, ich sehe schon, ihr habt doch noch mehr Fragen als zwei, weil wenn du schon diesen ganzen Konzernzugang ansprichst, wie viel Leverage hast du denn da? Also das ist ja so ein bisschen das Fund, mit dem ihr wuchern könnt. Da gebe ich dir recht, ich erlebe viele Unternehmen, wenn die was in eurem Segment machen wollen, brauchen die genauso einen Zugang und dann weißt du meistens von außen nicht, welche Abteilung ist diejenige, die für mich verantwortlich ist, wo schlimmer ein Budget ist, wo gibt es irgendwie smarte Köpfe, die da unbedingt mal reinschauen sollten oder die haupt und haben noch Input und so weiter. Kriegt ihr das wirklich so effizient auf die Straße und was sind da so eure Techniken und Taktiken, um irgendwie diesen Leverage hinzukriegen?
Markus Bold: Ja, ich würde jetzt gar nicht so sehr verkopfen über Techniken und Taktiken. Das ist vielleicht der Hauptvorteil und den Hauptwert, den hoffentlich ich bringe, weil ich 18 Jahre durch dieses Unternehmen durchgelaufen bin in verschiedenen Rollen. Ich habe es ganz zu Beginn skizziert. Ich kenne also sehr viele und dieser Weg ist der effizienteste im Unternehmen. Also man kennt jemanden, der jemanden kennt und dann fragt man sich einfach durch. Also das wertvollste Asset ist das Telefonbuch. immer noch. Und dann einfach mal eingründen und kannst mir da mal helfen. Und wenn ich eine kulturelle Eigenschaft im BASF wirklich rausstreichen möchte, ist wirklich diese auf Arbeitsebene Kollegialität wirklich auch zu helfen. Und ehrlich gesagt, gute Venture-Teams schaffen auch so, ein Venture von Teams nennen das Fankurve, finde ich einen ganz witzigen Begriff, die wirklich auch schaffen, so ein auch firmeninternes Ökosystem aufzubauen. Also dann informelle Unterstützer, Kollaborateure, welche, die einfach so mit derselben Agenda da agieren, so ein Kondant von Unterstützern zu bauen. Und gute Teams machen das und die kriegen das auch hin. Also es funktioniert auf dem Weg erstaunlich gut. Was dann vielleicht auch noch erstaunlich ist, auf dem kommunikativen Weg, wenn man die Kommunikation externalisiert, also wenn man überlegt in dem Instagram und sonst in den sozialen Medien geht, kommen wir auf diese Gruppe auch firmenintern viel besser dran. Also die klassischen internen Kommunikationswege funktionieren nicht. sondern eher dieses informelle Networking von Botschaftern aufpassen, ist deutlich leistungsfähiger.
Joel Kaczmarek: Was sich mir noch nicht erschlossen hat, final, ist, wonach ihr eure Ventures eigentlich aussucht. Was ist euer Ziel, eure Prämisse? Du hast gesagt, 80 Prozent der Leute, die da aufschlagen, werden wieder nach Hause geschickt.
Markus Bold: Ja, hat in ganzen verschiedenen Ursachen. Erstens mal, was sind unsere Kriterien? Ich will nach zwei Jahren eine investierbare und skalierbare Geschäftsplanung haben. Nach zwei Jahren muss ich was Konkretes haben. Wenn dann einer kommt und sagt, ich mache einen Pflanzenwirkstoff, dann lacht sich erstmal die Forschung kaputt und die Zeitachse kann ich auch vergessen, weil dann unter zehn Jahren passiert dann nichts. Das Zweite ist, es muss die richtigen Typen vor allem stehen. Dann ist es wirklich eine Unternehmensgründung oder bleibt es auf der Meta-Ebene irgendwo stehen. Sondern ich brauche etwas, was greifbar, umsetzbar und der Use Case muss clever gewählt sein, dass das skalierbar wird. Dann, es muss im Chemiedunst irgendwas mit zu tun haben. Also dass wir als Firma, das ist das, was ich mit unfair advantage immer genutzt habe, wir müssen eine Kenntnis haben, in die wir gleich einen guten Startpunkt haben. Ich nehme mal ein Extrembeispiel, was wir haben. Wir haben bei uns Coworking mit drin als Gründung. Ich habe immer auf die Fahnen geschrieben, wir machen was mit Chemie. Dann kommt natürlich die Frage, was hat ein Coworking mit Chemie zu tun? Die Antwort ist relativ einfach, wir verstehen die Bedürfnisse von Pendlern. von Corporate-Pendlern, die momentan nur die Chance haben, ich arbeite entweder im Büro und stelle mich jeden Morgen in eine halbe Stunde, dreiviertel Stunde in den Dreck, im Verkehr, oder ich arbeite von zu Hause, Kind, Mann, Haus und sonst was quäkt. Also ich habe keine Chance dazwischen. Aber ich verstehe die Bedürfnisse der Belegschaft. Also habe ich doch wieder einen Anfährt, daraus kann ich den drechseln. Und ehrlich gesagt, das entscheidende Kriterium, das allerentscheidendste ist Nummer eins, verstehe ich die Kundenrelevanz? Also wer da draußen braucht das? Und warum von dir? Also die Frage der Person und des Teams. Das sind eigentlich unsere zwei Hauptdebatten, wenn ich unsere 50-plus-Bit-Veranstaltungen mal reflektiere, eigentlich die Hauptdiskussionspunkte.
Joel Kaczmarek: Also ein bisschen der Sales-Klassiker. Why buy, why you, why now?
Markus Bold: Genau.
Joel Kaczmarek: Okay. Wie international ist das, was ihr da tut? Also euer Konzern ist ja mittlerweile so China-orientiert auch als zweites großes Standbein. Seid ihr auch so, dass ihr sagt, Teams reden auf Englisch, ihr guckt euch irgendwie internationale Märkte an, ihr holt euch irgendwie auch mal aus dem Kasachstan-Standort irgendwie ein Team rüber?
Markus Bold: Wird mir gerne gemeint, wir sind jetzt ein Jahr in Existenz, wir haben momentan zwei Teams, die außerhalb von Mannheim-Lüdwigshafen sind. Eins kommt aus Münster, eins kommt aus Kassel, also aus den Grenzen von Deutschland haben wir uns noch nicht bewegt. Die Märkte und Überlegungen sind aber international, klar. Aber er sagt, wir fangen erstmal mit den Use Cases an, die einem vor der Flinte direkt sind. Also nicht zu träumen, was ich dann irgendwann in Kasachstan machen könnte, um da eins aufzugreifen, sondern er sagt, wähl den Use Case clever. Aber im Hinterstübchen ist schon, was kann ich damit sonst noch machen. Wir hatten in den Pitches aber auch schon durchaus Vorschläge, die aus den USA oder aus Asien kamen, mehr als einen. Und die Organisation lechzt aber auch danach, baut eine Depondance vor Ort. Also ich bin ein Freund davon und ein Gläubiger davon. Um den Wert eines Chemo-Water-Konzepts wirklich auch heben zu können, brauche ich eine lokale Präsenz. Weil Coaching geht durch Interaktion, wo man sich über Kaffeemaschinen, über einen Tisch, über Wie machst du das, über eine kritische Masse wirklich so einen Ansatz hinkriege? Und das ist auch das, was wir gerne machen wollen, nachdem wir unsere Lernkurve in Europa und Deutschland hingelegt haben. Was geht, was nicht geht, weil wir ganz viele Lernerfahrungen auch gemacht haben, was alles nicht funktioniert. Und dann diese Lernkurve nicht nochmal international zu machen. Also wir werden zwei Geografien anpeilen, das wird China und USA sein.
Joel Kaczmarek: Okay. Spannend. Wonach habt ihr denn eigentlich eure Coaches ausgesucht? Ich habe mir die ja so ein bisschen angeguckt. Ich kenne ja irgendwie auch den einen oder anderen da, so einen Christoph Rädke, der glaube ich sonst mal gerne Whisky trinkt hier in seinem Founders Unscripted Format. Dann irgendwie mit dem Vasco war ich sogar mal lustigerweise ein paar Tage auf dem Rand Kanaria, der irgendwie Gründer von Blog.de oder die Tanja Bogomil, die hier Kizura, wenn ich mich nicht täusche, gemacht hat. Also ich saß so da und habe gedacht, okay, what the heck, was genau macht jetzt irgendwie eine Fashiongründerin, einen Contentmacher und irgendwie einen Podcaster in einem Chemiekonzern und bringt da Gründern bei?
Markus Bold: Schön, dass du fragst. Du meint auch, wie ich Christoph das erste Mal begegnet bin, hat er mich gefragt, Markus, weißt du, dass ich eigentlich nach der 10. Chemie abgewählt habe? Und darf ich dann überhaupt am Bergstor dann da reingehen? Und er sagt dann, ja, selbstverständlich, weil da passiert ja was ganz Spannendes. Weil da treffen ja zwei Welten Überzeugung, also Technologie, Chemietechnologie mit deeply science rooted auf einen get-go pragmatischen Gründertypus. Und in diesem Spannungsfeld passiert was. Was wir achten bei der Auswahl unserer Mentoren, Coaches, Entrepreneurs und Residents, ist, dass wir auch in dieser Gruppe Diversität haben. Also welche, die Geschäftsmodelle verstehen, welche, die Produkte verstehen, welche, die wissen, wie ich mit dem Kunden arbeite, welche, die Digitales verstehen, welche, die aus verschiedenen Industrien kommen. Wir haben einen dabei, der hat einen Agro-Hintergrund, einer hat einen Biotech-Hintergrund. Tanja ist natürlich ganz aus der Dinge mit Fashion-Texte gekommen, das hat natürlich jetzt erstmal keine Relevanz, aber als Mentorin Die Essenz dessen, was ist eigentlich der Aufbau eines Teams und eines Geschäftsmodells, das auch tragfähig ist, schätze ich genau in dieser Runde sehr. Und wir schauen dann auch, dass unsere Jury dann auch diese Diversität irgendwo widerspiegelt. Also es gibt den Product-Gläubigen, es gibt den Geschäftsmodell-Gläubigen, den Team-Zentrierten. Dann wir als die Firmenpolitik dann auch intern verstehen, was geht, was geht nicht. Und das schmeißen wir entsprechend dann in einen Pott. Und wenn du direkt fragst, haben wir ein Scoring- und ein Rating-System? Nein, haben wir nicht. Bewusst nicht, sondern wir streiten uns pro Fall, der vor uns steht, weil wir einfach akzeptieren, jeder Fall ist unik. Und wir diskutieren es mit allen Stärken und Schwächen aus und treffen dann auch in diesem Kreis eine Entscheidung, akzeptieren auch, dass diese Entscheidung vielleicht falsch sein kann.
Joel Kaczmarek: Gut, also ich kann sagen, ich hatte Leistungskurschubi, ich darf sogar einen Parkplatz bei euch dann kriegen, wenn ich mal bei euch komme. Da hat mich meine Chemie dann damals zu breit geschlagen. Ich hätte mal Physik nehmen sollen. Hätte ich bestimmt 0,2% besseres Abitur gehabt. Ich gebe es zu. Gut, aber back to topic. Wie schon angedroht, lass uns doch auch zwei, drei Sätze mal sagen zum Thema Organisation. Weil ich glaube, ganz viele Mittelständler, Konzerne, die jetzt zuhören, nehmen sich das als Anregung. Wie kriege ich es hin, diesen Kulturwandel und diese Andockung an so einen Konzern zu realisieren? Weil ich kann jetzt ganz viele Stichworte zuwerfen, so irgendwie, die da drüben geben das Geld aus, das wir verdienen oder die Politik, die da drin schlummert und so weiter und so fort. Wie machst du das? Wie gehst du da ran?
Markus Bold: Erstens mal hast du ganz zu Beginn schon mal gesagt, das ist auch für mich der Startpunkt, für was sind wir eigentlich da? Weil es gibt ganz viele Corporates und Mittelständler, die sagten, ich mache einen Inkubator für Employer Branding oder ich will damit Kulturwandel stimulieren. Die Begriffe sind mir alle viel zu groß, sondern wir gehen pragmatisch auf die Ebene runter, ich baue ein Unternehmen, Punkt. Ich setze auf eine unternehmische Idee und ich suche mir in der Organisation einfach Alliierte, die sich auf dieses Experiment einlassen, die einfach an Veranstaltungen bei uns teilnehmen. Und ich glaube an eine Ansteckung von in den Zeiten, in denen ich durch ein Bootcamp durchgehe, in denen ich durch eine Open-Mic-Veranstaltung gehe, in denen ich Thought Leader bei uns, also erfahrene Gründer, die mir auf der Bühne ihre Story erzählen, davon infizieren zu lassen, gibt es eine Welt außerhalb dieser Konzernnauern. Und da trifft sich auch eine stabile Gruppe, die sich von diesen Ideen auch irgendwo Inspiration holt. Nennt es Kulturwandel. Jeder, der bei uns irgendwo war, trägt ja irgendwas mit. Unsere Bootcamps beispielsweise sind Zweitagesinvestitionen für dich selber, kostet dich nichts. Wir monitoren das nicht. Und wenn einer dann nach zwei Tagen zurückgeht, meine Idee war nicht so gut, nimmst du aber trotzdem was mit. Eine andere Art der Arbeitsweise. Und vielleicht an der richtigen Stelle erinnerst du dich mal in deiner Gruppe, in deiner täglichen Arbeit dran, dann das kann man auch vielleicht mal anders machen. Und das mitzunehmen, wir nennen das Kulturwandel. Wir haben sehr wohl oder ich habe sehr wohl von Anfang an darauf geachtet, dass wir greifbar, erkennbar und möglichst wenig in den Konzern mit reingezogen werden. Also wenn du bei uns auf die Webpage schaust, wirst du lange gucken müssen, wo das BSF-Branding auftaucht, nämlich nahezu gar nicht oder eigentlich gar nicht und auch bewusst. Wir sind aus dem IT-Tenant ausgezogen, um einfach die Freiheitsgrade dann auch zu haben, dass wir selber machen dürfen. Wir haben sehr wohl darauf geachtet, unsere Ventures freizustellen, dass die Krake der Funktion, die gerne durch die Hintertür reinkommt, wenn man das entweder in Corporate-Strukturen oder Mittelstandsstrukturen drin lässt, die entsprechend draußen vorzuhalten, unsere Ventures freizuhalten. Nennen das alles Kulturwandel? Auch, dass wir keine Zielvereinbarung haben, ist genauso eine Frage. Wie gehe ich mit solchen Themen um? Ehrlich gesagt lernen wir, diese Schrittchen an Eigenverantwortung selber mal zu machen, selber auch mal auf die Schnauze zu fallen und wieder die Kompetenz haben, am nächsten Tag wieder aufzustehen. Das mal auf die Schnauze zu fallen, wenn man die richtigen Lehren daraus sieht, sehr heilsam ist. Und wenn man das früh macht und das nicht was in einer Konzernstruktur, oh, da hat einer was falsch gemacht, gar nicht schlimm, sagt dann, mach ja nichts falsch. Wenn man das alles mit Kulturwandel überschreibt, sehr, sehr gerne, aber es ist kein Programmpunkt, wo ich sage, der Markus, der macht jetzt Kulturwandel, das machen wir nicht.
Joel Kaczmarek: Finde ich ja nett und irgendwie charmant, dass du sagst, der Employer Branding ist dir ein zu großer Begriff. Und eigentlich passiert ja hier sowas mit dem Gespräch, genau. Gut, hervorragend. Ich glaube, da war ganz viel drin. Also ich glaube, ganz viele Unternehmen können jetzt auch mal sich ein Gefühl irgendwie bei dir abholen, wie man eigentlich so seine Teams auch erweckt, so ein Stück weit für solche Gedanken. Da ihr noch sehr jung seid, baue ich mal darauf, dass wenn ihr ein bisschen mehr auf der Schippe habt, du nochmal wieder kommst und uns erzählst, wie das so gelaufen ist.
Markus Bold: Sehr gerne.
Joel Kaczmarek: Und dafür wünsche ich dir natürlich ganz viel Erfolg und danke dir heute für deine Zeit und die schönen Einsichten.
Markus Bold: Ganz herzlichen Dank.
Joel Kaczmarek: Hey!