Wie Blinkist komprimiertes Wissen monetarisiert

21. Mai 2019, mit Joel Kaczmarek

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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Deep Dive Podcast von Digitalkompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek heute soll es um Bücher gehen. Oder genauer gesagt um Zusammenfassung von Büchern. Und ich habe total die Premiere. Ich sitze das erste Mal, wirklich das aller allererste Mal im Raum eines anderen Unternehmens, der deutlich, deutlich schallisolierter ist, als das bei uns der Fall ist und wo das Equipment sogar noch besser ist. Also wir sind hier nämlich beim schönen Blinkist, meinem guten Holger. Hallo erstmal lieber Holger. Hallo. Hier hat man sich ein eigenes Studio eingerichtet im schönen Neukölln. Also finde ich ganz faszinierend. Vielleicht teilen wir nachher noch mal ein paar Foto-Eindrücke davon. Aber bevor wir dazu kommen, stell dich doch erstmal ganz kurz selbst vor und erzähl uns, was Blinkist eigentlich genau macht.

Holger Seim: Ja, sehr gerne. Ich bin Holger. Ich bin einer der Gründer von Blinkist. Wir haben Blinkist vor sieben Jahren gegründet, um ein Problem zu lösen, was wir damals hatten. Wir waren seit einem Jahr in Jobs und hatten immer weniger Zeit, all die Bücher zu lesen, die wir gerne lesen wollten. Immer schwieriger off the job, wie man so schön sagt, sich weiterzubilden. Zur selben Zeit wurden Apps immer wichtiger und das App-Ökosystem ist immer stärker gewachsen. Wir haben gedacht, Moment mal, nicht nur wir, sondern auch andere haben das Gefühl, sie schaffen es nicht, all das zu lesen, was sie lesen wollen. Aber zur selben Zeit hängen wir die ganze Zeit vor unserem Smartphone und Lesen oder konsumieren Inhalte. Und das war der Funke, aus dem später Blinkist geworden ist. Wir bringen mit Blinkist Kernaussagen von Sachbüchern in ein Format, das man mobil lesen oder hören kann. Wir nennen das Format Blinks, weil man es in a blink of an eye, in einem Augenblick konsumieren kann. Und ja, helfen so unseren Nutzern mehr Lernen in ihren Alltag zu integrieren.

Joel Kaczmarek: Bei dem finde ich total gut. Also hier so Blinks ist bei ganz vielen Leuten auch irgendwie haften geblieben. Wenn ich mich manchmal überhalte, wessen Blink ist, dann sage ich, ja, die machen so Zusammenfassungen für mich. Ah ja, diese Blinks, ne? Ja, stimmt, genau.

Holger Seim: Ja, dankeschön. Das ist auch eines der Dinge, die mich sehr stolz macht, weil wir hatten damals in unseren naiven Stünderköpfen vor sieben Jahren so die Intention, lass uns einen Namen finden, der an dem Format hängt. und Leute dazu zu bekommen, auch das Format als Verb zu nutzen. Es gibt ja immer das Beispiel, dass Google es geschafft hat, Googlen als Verb für Suchen zu etablieren. Und unser Ziel war es, irgendwie so blinken, als sich schnell die Kernaussagen eines Buchs anzueignen, das dafür als Verb zu etablieren. Und es ist uns auf einem kleinen Scale, also unter unseren Nutzern, gelungen, dass es tatsächlich so passiert. Und das freut mich besonders, wenn so eine Idee dann so eine Realität wird.

Joel Kaczmarek: Ja, aber ich bin ja auch großer Verfechter von Marke. Also das ist, glaube ich, sehr sinnhaft, sowas zu tun. Und ich ertappe mich dabei, was du beschrieben hast. Mir geht es auch so, ich kaufe immer so mehrere Bücher gleichzeitig gefühlt. Also ich wurde von Christoph Werner von dm, wo ich gefragt habe, ja, Katschmarek, was lesen Sie denn eigentlich gerade? Und dann sage ich so, na ja, passen Sie auf. Und dann habe ich die Peak-Performance von dem und dem. Gewaltfreie Kommunikation von Marshall Rosenberg. Das, das, das, das, das, das. Das war ich so bei vier Büchern, glaube ich, oder fünf. Wo ich so meine, ich habe so die Krankheit, ich kaufe fünf Bücher, lese 100 Seiten und dann liegen sie und ich lese immer so parallel, ja. Und diese Problematik, die du beschreibst, ist es ja in der Tat so. Man fährt irgendwie mit den öffentlichen Verkehrsmitteln und von irgendwie 15 Leuten, die da sitzen, hängen 12 mit dem Gesicht wie so ein Sklave in ihrem Smartphone drin. Das heißt, was ich mich so ein bisschen gefragt habe, als du das beschrieben hast, ist, ist das Medium Buch auch so ein Stück weit durch dieses Analoge? Also für einige ist das, glaube ich, so ein Rückzugsort. Es ist so angenehm, man kann sozusagen so runterkommen, sich hinsetzen, mal ein gutes Buch lesen. Aber ist das sonst so im Alltagsgeschehen so ein Stück weit, dass dieses Medium quasi nicht mehr mithält mit dem, wie wir konsumieren?

Holger Seim: Ich glaube schon, dass das Medium Buch noch mithält, weil es eben genau das macht, was du sagst. Es war ja vorher auch nicht häufig so, dass unterwegs Bücher gelesen wurden und diese Zeit jetzt durch Smartphones ausgefüllt wird, sondern Buch war das Medium, was man zu Hause liest, wenn man ein bisschen mehr Zeit hat. Ich glaube, jetzt hat man auch in diesen Momenten noch mehr die Versuchung, dann das Smartphone zur Hand zu nehmen und sich diese Momente nicht mehr für ein Buch zu nehmen. Aber die Zeiten, auf die wir abzielen, wenn Leute unterwegs sind, viele nutzen Blinkist beim Pendeln oder wenn sie einfach kurze Wartezeiten füllen müssen, da konkurrieren wir eigentlich nicht mit dem Buch. Es gibt natürlich Leute, die dann auf ihrem Kindle oder auch mit einem physischen Buch lesen, aber das ist nicht die Mehrheit.

Joel Kaczmarek: Ja, ich habe heute gerade mit meiner Frau darüber gesprochen, als ich erzählt habe, dass ich hier hinfahre und so. Da meinte ich so, weißt du, ich frage mich, wie hat das der Lagerfeld immer geschafft, der da 300.000 Bücher gesammelt hat? und wann hat der das gelesen? Und dann hat man eigentlich festgestellt, dass man schon lesen könnte. Man sitzt dann nur abends irgendwie vor Netflix oder Amazon Prime oder liest auf dem Handy oder, oder. In der Tat kann ich mir vorstellen, was du meinst, dass ihr gar nicht in so einer Konkurrenzsituation seid, weil euer Verhalten sozusagen anders ist.

Holger Seim: Mir geht es so, also ich habe natürlich das gleiche Problem, ich lese gerne sowohl Sachbücher als auch Belletristik und lese das meistens abends, aber stehe dann auch immer vor der Entscheidung, schaue ich jetzt eine Serie auf Netflix, mache ich noch ein bisschen E-Mails auf meinem Smartphone oder lese ich ein Buch oder natürlich unterhalte ich mich mit meiner Frau, das sollte ich nicht vergessen. Ich muss mich immer wieder ein bisschen überwinden zu einem Buch, aber in den Momenten, und da kommt auch Blinkist ins Spiel, in dem Moment, in dem ich ein gutes Buch habe, was so gut ist, dass es für mich gar keine Überwindung ist, sondern ich sage, natürlich lese ich jetzt das Buch und gucke nicht die Serie auf Netflix, weil das Buch super ist, dann ist es super einfach. Das heißt, ich muss aber erstmal an den Punkt kommen, ein Buch zu haben, was ich gut finde, was mir Spaß macht und mich wirklich reinzieht. Und wir mit Blinkist können helfen, indem wir Bücher einfacher zugänglich machen. Und schon ein bisschen was preisgeben aus dem, was man in einem Buch lernen kann. Wir können eben helfen, diese Momente häufiger zu schaffen. Dass auch dann das ganze Buch, sei es jetzt, ob es ein Audiobuch ist oder ein Printbuch oder ob man es auf Kindle liest, um auch das wieder ein bisschen wettbewerbsfähiger zu machen.

Joel Kaczmarek: Lassen Sie es nochmal spezifizieren. Jemand, der euch noch gar nicht kennt. Wie muss ich mir das vorstellen? Ich komme auf eure Seite. Was für ein Produkt kaufe ich da eigentlich? In welcher Form?

Holger Seim: Du hast ein Abo für Blinkist und das Abo ermöglicht dir, Buchzusammenfassungen durchzulesen oder anzuhören. Wir haben aktuell rund 3000 Titel in unserem Programm auf Englisch und Deutsch. Also mehr davon sind auf Englisch. Nicht alle 3000 gibt es auch auf Deutsch. Und ein Buch in Blinks repräsentiert die Kernaussagen von einem Buch. Und das ist im Schnitt rund zehn Blinks. Ein Blink ist immer eine Kernaussage und das kannst du in gut einer Minute durchlesen oder anhören. Und so dann ein ganzes Buch in Blinks in zehn bis 15 Minuten durchlesen oder anhören.

Joel Kaczmarek: Wie muss man das vorstellen? Ich tue mich ja immer sehr, sehr schwer. Jochen Krisch macht es mir immer lustig, dass ich immer so lange Texte schreibe. Und ich finde das manchmal gar nicht so trivial, wenn ich mal in der Uni teilweise so mit dem Textmarker Texte von mir hatte. Also 15 Seiten lesen für irgendwie Besprechungen in der nächsten Sitzung. Da waren bei mir immer bald mehr Stellen bunt als weiß zu meiner Krankheit gewesen. Wie schafft ihr denn das sozusagen zu entscheiden, welcher Teil eines Buchs wichtig ist und welcher nicht?

Holger Seim: Ganz wichtig erstmal, dass es keine keine Unterscheidung zwischen wichtig und unwichtig. Wir gehen da mit dem Pyramidenprinzip vor und versuchen die Kernaussagen des Buchs zu identifizieren und für jede Kernaussage dann Beispiele und Argumente zu finden, die die Kernaussage stützen. Und da müssen wir natürlich viel wegstreichen. dann bei den Argumenten und bei den Beispielen. Und es geht auch sicherlich viel verloren. Manche Kernaussage wird sehr stark abgewogen und es werden sehr, sehr viele verschiedene Perspektiven im Buch aufgemacht und viele anschauliche Beispiele und Geschichten damit verbunden. Da müssen wir natürlich sehr, sehr stark abschneiden, links und rechts, und uns auf das Wesentliche fokussieren. Das heißt aber nicht, dass alles andere unwichtig ist. Das heißt nur, dass in dem Nutzungsszenario, in dem unsere Nutzer sind, man nicht alles in Gänze ausbreiten kann. Wir haben Leute, die eben in der Uni auch gut waren, die sehr analytisch denken können, die sich mit dem Thema auskennen, dann eben sehr, sehr stark abstrahieren können und clustern können und schauen, was sind eigentlich die Kernaussagen und wie kann ich die in einer guten Story in Blinks wiedergeben, damit jemand, der das Buch noch nicht kennt, sehr schnell einsteigen kann und sehr schnell versteht, worum geht es hier und was kann ich auf einem High-Level auch schon als Deckernstoß mitnehmen.

Joel Kaczmarek: Das interessiert mich ja am brennendsten, wie der Prozess aussieht, dass ihr von 300 Seiten Buch zu 15 Seiten Blinks quasi kommt oder 10. Wie macht ihr das? Ich habe bisher immer gedacht, dass ihr das mit externen Mitarbeitern macht, dass ihr sozusagen einfach rauslagert. Wie muss man das vorstellen? Habt ihr Leute, die angestellt sind dafür, dass die Bücher lesen und zusammenfassen?

Holger Seim: oder wie läuft das? Wir machen es tatsächlich mit externen. Wir haben natürlich auch eine interne Redaktion. Die fokussieren sich hauptsächlich auf die Auswahl der Titel, auf die Weiterentwicklung des Formats und die Koordination des ganzen Prozesses. Und die eigentliche Lese- und Schreibarbeit und dann auch Aufnahmarbeit für unsere Hörversion, die wird dann von freien Mitarbeitern übernommen. Und das sind Leute, die zeigen sich durch zwei Dinge aus. Die sind Experten in dem Bereich, über den sie lesen und zusammenfassen, weil man braucht ein bisschen Überblickswissen, um dann besser entscheiden zu können, was sind hier die Kernaussagen, was ist hier wichtig. Und die sind informativ. analytisch super fit. Die können also Inhalte sehr gut strukturieren und clustern. Das sind letzten Endes die Leute, die in der Uni auch immer die besten Zusammenfassungen von einem Unistoff gemacht haben. Die versuchen wir zu finden. Da haben wir in den letzten sieben Jahren sehr viel darüber gelernt, wo wir die finden, wie wir die schnell die Spreu vom Weizen trennen sozusagen und dann auch schnell dahin bringen, dass sie Bücher sehr gut lesen und dann auch nach unseren Vorstellungen zusammenfassen können.

Joel Kaczmarek: Ist das deine Secret Sauce oder kannst du da ein bisschen was von Preis geben?

Holger Seim: Da ist viel Secret Sauce, weil es ist tatsächlich nicht so trivial. Wir haben da viel, viel gelernt in den letzten sieben Jahren, sind deutlich schneller geworden, was die Auswahl angeht und was das Coaching angeht und sagen deswegen da nicht zu viel drüber, um es potenziellen Webwerbern nicht zu einfach zu machen. Weil wir wissen von größeren Unternehmen, die jetzt nicht ein direkter Wettbewerber sind, aber die potenziell auch in den Bereich gehen können, weil sie auch Inhalte rund um Lernen anbieten, wissen wir, dass sie probiert haben, Buchzusammenfassungen on scale und mit hoher Qualität zu produzieren. Und die sind gescheitert oder haben es nicht hinbekommen, wie sie es gerne hinbekommen wollten und haben wieder aufgehört. Und deswegen sind wir da vorsichtig und teilen nicht zu viel.

Joel Kaczmarek: Aber kannst du sagen, wie lange es für euch dauert, ein Buch zu erfassen und was es ungefähr kostet?

Holger Seim: Becoming von Michelle Obama, wo man weiß, das wird ein Bestseller, den wollen wir so schnell wie möglich im Programm haben. Da können wir es in fünf Werktagen an den Start bringen. Dann greift alles ineinander, dann ist der Leser und Schreiber da, dann ist direkt ein Sprecher mit dabei, dann ist jemand, der die Qualitätssicherung macht und nochmal gegenliest, direkt dafür geblockt. Dann geht es ja schnell. Es gibt auch Bücher, die brauchen wir jetzt nicht so dringend. Unsere Freien Mitarbeiter machen das ja alle nebenher. Die haben auch noch einen anderen Beruf. Das heißt, wenn es für uns nicht so dringend ist, kann es auch mal sein, dass es vier Wochen dauert. von wir geben dir das Buch bis wir haben die fertige Version und können sie veröffentlichen.

Joel Kaczmarek: Ist dann immer eine Person für ein Buch verantwortlich? oder habt ihr sozusagen vielleicht sogar drei Leute, die das lesen, habt dann drei Zusammenfassungen und Merch, die zu einer zusammen Also über sowas habe ich auch mal für uns nachgedacht, wenn wir Podcasts quasi in Zusammenfassungen bringen würden, dass ja jeder so ein bisschen andere Sachen relevant findet an so einem Buch. Also macht dir das eine Person ein Buch oder machen mehrere ein Buch?

Holger Seim: Also wir haben immer eine Hauptperson, die das Buch macht, haben wir aber jemanden, meist eine interne Person aus unserer Redaktion, die nochmal gegenliest. Die liest das Buch dann nicht so tief, bedient sich teilweise auch anderer Quellen, um dann high-level nochmal so einen Logik-Check und Qualitäts-Check zu machen. Jede Zusammenfassung hat einen subjektiven Charakter. Ich lese Lean Startup anders, als du The Lean Startup lesen würdest. Es geht aber für 99% unserer Kunden nicht darum, 100% objektive Zusammenfassungen zu haben, sondern so eine grobe Idee zu haben, worum geht es in dem Buch, um Denkanstöße zu bekommen, mit denen sie weiterdenken können und um eine gute Entscheidung treffen zu können, ob das Buch und das Thema spannend genug für sie ist, um tiefer einzusteigen und das ganze Buch zu lesen.

Joel Kaczmarek: Was kostet das ungefähr, so ein Buch zusammenzufassen, alles summa summarum?

Holger Seim: Überschaubar. Das ist jetzt nicht der größte Kostentreiber in unserem Geschäftsmodell.

Joel Kaczmarek: Also ein paar hundert Euro, paar tausend?

Holger Seim: Überschaubar.

Joel Kaczmarek: Okay, verstanden. Kannst und magst du sagen, wie viele verschiedene Leute ihr habt, die für euch Bücher lesen? Habt ihr da irgendwie 50, 100, 10?

Holger Seim: So rund 100. Ich habe die genaue Zahl jetzt nicht im Kopf. Es kommen ja immer mal neue dazu und es gehen mal andere, aber der Pool ist so rund 100 freie Mitarbeiter. Und manche davon machen mehr und manche davon haben jetzt nicht so viel Zeit und machen nur ab und an mal ein Buch und sagen uns, jetzt hätte ich Zeit, jetzt könnte ich mal wieder eins machen und dann geben wir ihnen eins.

Joel Kaczmarek: Und wie stellst du dabei sicher, dass du so eine gewisse Einheitlichkeit bei eurem Produkt hast? Weil jeder hat ja so ein bisschen einen anderen Schreibstil, jeder hat einen anderen Fokus. Also Subjektivität der Zusammenfassung auf der einen Seite, aber wie kriegst du das trotzdem hin, dass sich das einheitlich anfühlt?

Holger Seim: Wir wählen die sehr gut aus, sind sehr, sehr nah an den Lesern und Schreibern am Anfang. Das heißt, coachen sie. Wir haben ein ausführliches Manual, was wichtig ist, um dadurch schon mal einen gewissen Standard sicherzustellen, was das Lesen und das Zusammenfassen angeht. Und Schreibstil, wir haben natürlich am Ende nochmal ein Lektorat, dass dann nochmal eine kleinere Gruppe an Lektoren drüber gehen. Und auch diese Lektoren haben dann wieder ein Manual, was ist uns wichtig, wie soll Sprache sein bei uns, um da verschiedene Versionen zu einem gewissen Standard zu bringen.

Joel Kaczmarek: Jetzt fällt auf, wenn man sich euer Produkt anguckt, ich habe immer gedacht, wenn man eine Zusammenfassung schreibt, dass man viel so Bullet Points macht, Stichpunkte. Die wichtigsten drei Einsichten zu gewaltfreier Kommunikation sind ABCDE.de. Das ist bei euch nicht so, sondern ihr habt eher so zehn Blinks, also man hat ein bisschen mehr als eine Seite vielleicht als eine Buchseite. Da steht was drauf, klickt sich durch, also ihr arbeitet mit Fließtext. Gibt es dafür einen Grund?

Holger Seim: Wir versuchen eigentlich eine gute Balance zu finden zwischen Effizienz und Lesevergnügen, Entertainment. mit Stichpunkten arbeitet, dann hat man zwar noch effizienter und noch schneller die Kernaussagen und kann das vielleicht für sich logisch noch schneller erfassen, aber irgendwann macht es keinen Spaß mehr. Irgendwann fühlt es sich nur noch an wie Lernen und es soll halt schon auch Spaß machen und auch ein bisschen entertaining sein und nicht zuschrocken. Deswegen arbeiten wir mit Fließtexten. Wir überlegen auch, ob wir hier und da Fließtext ergänzen sollen um Bullet Points. Dann machen wir auch hier und da mal wieder Experimente, aber bisher eignet sich das Fließtextformat am besten und wird am besten angenommen von unseren Kunden.

Joel Kaczmarek: Funktioniert das eigentlich nur für Sachbücher? oder könntest du dir auch vorstellen, Romane quasi auf die Art zusammenzufassen? Ist das für euch ein Thema oder ist es wirklich Lernen und Sachbuch?

Holger Seim: Es ist Lernen und Sachbuch. Also natürlich kann man das auch für Romane machen. Wir denken aber, Romane liest man ja noch eher, um unterhalten zu werden. Das heißt, da ist die Lesezeit ein Feature und kein Bug. Bei Sachbüchern ist halt der innere Schweinehund häufig größer. Die brauchen noch einen Natsch und brauchen irgendwie noch eine Hilfe, um einzusteigen. Was wir immer mal diskutiert haben, ob wir so Klassiker, die man jetzt nicht unbedingt aus Unterhaltungsgesichtspunkten liest, sondern aus Allgemeinbildungsgesichtspunkten.

Joel Kaczmarek: Krieg und Frieden oder so.

Holger Seim: Krieg und Frieden, ob man sowas irgendwie zusammenfasst. Aber wenn wir das jemals machen, dann eher als PR-Gag und als Marketing-Tool und nicht als wirklich ernst gemeinte Produkterweiterung.

Joel Kaczmarek: So, und dann habt ihr auch angefangen, Audio hinzuzunehmen. Das war ja, glaube ich, nicht von Stunde 1 da an, ne?

Holger Seim: Ende 2014 haben wir Audio hinzugenommen. Wir haben Linkist Mitte 2012 gegründet und wir waren im Sommer 2014 das erste Mal in San Francisco und im Valley, um Investoren kennenzulernen, potenzielle Partner und uns dort mal inspirieren zu lassen. Und neun von zehn Leuten, mit denen wir da gesprochen haben, haben uns gefragt, gibt es das auch als Audio? Und als wir zurück kamen, dachten wir, was haben wir jetzt gelernt im Valley, wo alle so weit denken und so weit in die Zukunft blicken? Und dann gedacht so, ja, Audio. Das war die Botschaft, die jeder gesendet hat und haben dann angefangen, Hörversionen hinzuzufügen. Das war für uns game changing als Produkt und gefühlt ein Jahr später fingen dann auch Podcasts an, durch die Decke zu gehen. Also es war wirklich so ein Moment, wo man dachte, okay, da haben dort Leute schon ein bisschen weiter geblickt als andere.

Joel Kaczmarek: Und wie ist jetzt die Verteilung? Also wie viele Leute konsumieren Bücher in Blinks und wie viel in Audio-Blinks?

Holger Seim: Hält sich die Waage. Wir sehen, dass rund 40% eher audioaffin sind, 40% eher textaffin und 20% wechseln. Wir sehen aber, dass Nutzer, die audioaffin sind, mehr konsumieren, weil man Hörversionen oder Audioversionen natürlich einfacher in den Alltag integrieren kann und es einfacher ist, engaged zu bleiben und mehr zu hören. Es gibt aber auch einen sehr stabilen und großen Pool an Nutzern, die lieber lesen, weil manche, und da gehöre ich auch selbst dazu, um wirklich was zu lernen, was zu verinnerlichen, müssen viele das lesen. Wenn ich wirklich was mitnehmen will, muss ich es auch lesen, weil beim Zuhören habe ich oft das Problem, dann doch wieder abzuschweifen und meinen Gedanken woanders zu sein und dann einfach nochmal hören zu müssen. Und das passiert mir beim Lesen nicht so stark.

Joel Kaczmarek: Denkt ihr denn über weitere Ausbauprodukte nach? Also wenn ihr sagt, dass jetzt Lernen und Lernen mit Spaß so ein bisschen euer Why ist, euer Firmenkern, könnte man zum Beispiel darüber nachdenken, Infografiken zu bauen oder was du gerade gesagt hast, man lernt durch Lesen mehr. Ich finde, noch mehr lernt man durch Schreiben teilweise oder durch Anwenden. Denkt ihr über sowas nach? oder ist es jetzt erstmal so, Sachen verkleinern, das sozusagen in Masse skalierbar vertreiben?

Holger Seim: Also unser Purpose als Unternehmen ist, we want to inspire people to keep learning. Lustigerweise schon in dem ersten Artikel, den damals Gründerszene Ende 2012 über uns geschrieben hat, wo wir so das Produkt angekündigt haben und dass wir bei Hubschrauben jetzt mit an Bord sind, war die Headline, wir wollen lebenslanges Lernen einfacher machen. Das war tatsächlich von Anfang an unsere Vision und das ist es bis heute. Das heißt, wir sind sehr flexibel und pragmatisch, in welche Richtung das Produkt sich entwickelt. Wir denken wirklich breit. Was wir in zwei, drei Jahren machen werden, kann ich noch nicht sagen. Wir gucken immer, was ist jetzt das nächstbeste Ding, das unseren Kunden hilft, mehr Lernen in den Alltag zu integrieren. Und das können neue Formate sein, wie Infografiken, wie Bewegtbildvideo, animiert oder tatsächlich irgendwie reale Videos. Es können neue Features sein, dass man sagt, wir machen nach einem Blinks irgendwie ein Quiz dahinter, um nochmal abzufragen oder einfach nochmal mehr für Retention zu sorgen oder eine kleine Aufgabe. Jetzt schreibt ihr das nochmal auf, also reflektiert nochmal über das. gelesen. Es können auch neue Formate sein, dass wir sagen, wir machen Dinge über Bücher hinaus kompakt. Wir nehmen uns ein TED-Video oder wir nehmen uns Kurse von linda.com und versuchen, die in ein kürzeres Format zu bringen.

Joel Kaczmarek: Was mir bis heute nicht so gelungen ist, wenn ich Bücher lese, mittlerweile bin ich sozusagen weg von den bösen Textmarkern und dass sie sozusagen bunt sind. Ich nehme noch Bleistift und habe mir so ein Annotationssystem geschaffen. Also wenn ich Wenn ich ein Buch aufschlage, ist es ganz nett. Ich kann relativ schnell erfassen auf der Seite, was ist wichtig, was nicht. Aber was ich bisher nicht geschafft habe, ist, ein Buch in eine Lernbibliothek zu überführen oder als Teil einer Lernbibliothek zu machen. Das heißt, ich habe gesehen, bei euch gibt es ja zum Beispiel auch, dass man Blinks markiert oder dass man sich zu Evernote irgendwie Sachen rüberzieht. Wie nutzen euch Leute eigentlich? Ist das wirklich so, ach, inspirieren oder sind das so Leute wie ich, die sich ein Buch kaufen zum Thema, wo sie sagen, da will ich besser werden und ich will dann irgendwie was haben, wo ich immer noch mal reingucken kann, wenn das wieder ausgegraut ist in meinem Gehirn, wenn ich das wieder vergessen habe. Seid ihr mehr so in dieser Richtung Lernbibliothek auch unterwegs und kriegt ihr das gut hin?

Holger Seim: Es war witzigerweise eine unserer anfänglichen Produktideen, wo wir ganz, ganz breit gedacht haben, bis wir irgendwann von der Realität eingeholt wurden und dann erstmal das MVP gebaut haben, The Lean Startup lässt grüßen. In dem initialen Feature Set, wir haben es Wissenslandkarte genannt, dass man sich dann wirklich so sein Gelesenes, seine Bücher, sein Wissen organisieren kann und so eine Art Wissensdatenbank Lernlandkarte hat, um neben dem effizienteren Lesen dann auch sein Lernen verbessern kann. Und das haben wir dann zuerst nicht entwickelt, weil es einfach viel zu komplex gewesen wäre. Und dann hätten wir ein Jahr später gelauncht und haben es seitdem auch nicht mehr ernsthaft aufgegriffen, weil wir sehen, das ist ein Feature für Heavy-User. 10, 15 Prozent derer, die richtig viele Bücher lesen und die es richtig ernst meinen. Das ist jetzt nicht so, wenn man jetzt rein aus Business-Gesichtspunkten drauf schaut, kann man die noch glücklicher machen, aber die bezahlen ja schon und die renewen schon und nutzen uns schon sehr häufig. Und für die Organisation ihres Wissens finden sie auch andere Wege. Also da ist die Urgency nicht so hoch. Es gibt aber viel, viel, viel, viel mehr Nutzer, die gerne mehr lesen würden, die aber schon den ersten Schritt nicht hinbekommen. Und die holen wir nicht ab, indem wir sagen, du hast jetzt hier die tolle Wissens- und Lerndatenbank und die Lernfeatures, sondern die müssen wir abholen, indem wir Discovery vereinfachen, indem wir schneller lernen, was magst du, was sind deine Ziele und ihnen dann mit dem richtigen Kontext das richtige Buch oder den richtigen Lerninhalt, um es breiter zu denken, vorzuschlagen. Die müssen wir an Bord holen, indem wir die Inhalte noch verbessern, noch unterhaltsamer machen, Wow-Effekte schaffen, dass man nach dem Lesen von einem Buch in Blinks denkt, wow, das habe ich jetzt mitgenommen, das setze ich morgen um oder das erzähle ich heute Abend auf der Party. Also irgendwie mehr Real-Life-Momente schaffen, wo man das, was man bei uns liest, dann auch wirklich spürt, dass man daran wächst. Das sind Dinge, über die wir uns gerade Gedanken machen, weil der Mehrwert für Kunden größer ist und auch der Addressable Market größer ist. Entschuldigung für die Anglizismen zwischendurch. Wir sprechen ja Englisch bei Blinkist und manchmal hat man dann halt die Sachen zu stark im Englisch im Kopf.

Joel Kaczmarek: Wie ist das eigentlich mit Lizenzen? Also musst du Lizenzabgaben zahlen, wenn du jetzt zum Beispiel Tim Ferriss die 4-Stunden-Woche irgendwie zusammenfasst?

Holger Seim: Nee, müssen wir nicht. Wir verletzen mit unseren Büchern im Blinkist keine Urheberrechte, weil wir nichts von dem Originalbuch kopieren. Nichtsdestotrotz sind wir interessiert, mit Verlagen und Autoren zusammenzuarbeiten, weil wir natürlich von deren Werken profitieren. Wir glauben aber auch, dass genauso sehr wie wir profitieren, geben wir auch was zurück, indem wir es einfacher machen, für Kunden Sachbücher zu entdecken und sie in das Lesen reinziehen. Und das können wir durch regelmäßige Kundenumfragen auch nachweisen, dass Leute, die Blinkist nutzen, am Ende genauso viele oder mehr Sachbücher lesen. Dass es also nicht kannibalisierend wirkt, sondern den Markt vergrößert.

Joel Kaczmarek: Interessant. Also bist du gar nicht der Feind der Buchbranche, sondern eher der Freund.

Holger Seim: Genau, so sehen wir uns schon seit Anfang. Es hat ein bisschen gedauert, bis uns auch die Verlagsindustrie so sieht, aber mittlerweile sind so alle großen Verlage eigentlich neutral bis freundschaftlich gegenübergestellt. Es gibt wenige Skeptiker. Am Anfang waren es mehr Skeptiker.

Joel Kaczmarek: Ich habe es nur beobachtet, bei uns ist es so, wenn wir zum Beispiel unsere Leadership-Podcasts machen, da gibt es dann teilweise Leadership-Modelle, also Hogan-Assessment ist zum Beispiel so ein Klassiker, um irgendwie zu assessen, um jetzt bei den englischen Begriffen zu bleiben, wie gut jemand in einem Team funktioniert, was hat er Präferenzen und so weiter. Und da habe ich es beobachtet, in dem Fall ist es zum Beispiel sehr, sehr stark so, dass die ihre Gedankenmodelle versuchen zu lizenzieren. Also wenn du jetzt sagst, ich will die Hogan-Matrix von dem und dem irgendwie anwenden, musst du theoretisch Lizenzgebühren zahlen für dieses Hogan-Vorgehen. Ist das echt so, dass man ein Buch, wo ja auch irgendwie, weiß ich nicht, nimm jetzt hier irgendwie gut Harari, ist vielleicht schlechtes Beispiel, was alle gerade lesen, aber wenn du jetzt sowas wie Tim Ferriss nimmst und er sagt so, es gibt irgendwie eine Methodik, mit der kannst du in vier Stunden, 18 Stunden Arbeit schaffen, die sieht so aus, 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7. Ist das nicht schützenswürdig in irgendeiner Form?

Holger Seim: Ideen sind nicht schützenswert, nur Text an sich, solange ein gewisser Grad an Originalität in einem neuen Werk drinsteckt. Und das ist es ja bei uns, weil wir tatsächlich ein großes Buch zusammenfassen und da auch eine neue Struktur erschaffen. Es ist ja nicht so, dass wir sagen, das Buch hat zehn Kapitel und wir machen daraus jetzt zehn Blinks, so Kapitel ein Blink, sondern wir gucken, was sind die Kernaussagen, die können auch alle im Kapitel eins stehen und machen da eine Struktur, die sich für mobiles Lesen und Lernen ereignet.

Joel Kaczmarek: Was waren so in dem Prozess die härtesten Lernerfahrungen, die ihr hattet, wo ihr vielleicht Fehler gemacht habt, wo ihr gemerkt habt, so habt ihr ganz anders gedacht, dass es angenommen wird und hinterher hat man aber einen doch besseren Weg gefunden?

Holger Seim: Die größten Fehler oder Learnings waren, wir haben angefangen in Deutschland und haben gesagt, wir lassen uns das erstmal in einem kleinen Markt testen, so Soft-Launch-mäßig, erstmal lernen hier in unserer Muttersprache und dann mit den Learnings das Ganze global ausrollen. Und das war eigentlich eine falsche Entscheidung, weil es wäre für uns genauso einfach gewesen, das Produkt auf Englisch zu machen. und die ersten Bücher auf Englisch zusammenzufassen. Gerade hier in Berlin, wo man irgendwie in jeder Sprache Content sourcen kann. Das hätte also den gleichen Aufwand, die gleichen Kosten bedeutet. Unser Markt wäre aber viel, viel, viel größer gewesen und auch viel affiner für digitale Modelle. Ich weiß, dass der deutsche Markt bei digitalen Geschäftsmodellen immer so ein bisschen hinterherhinkt. Es ist hier noch nicht so einfach, Kunden für ein digitales Abo zu gewinnen, weil alle von den Jambas und Co. irgendwie verbrannt sind und Angst haben vor der Abo-Falle. Das ist in Märkten wie den USA deutlich einfacher. Und da haben wir es uns einfach unnötig schwer gemacht am Anfang, indem wir im falschen Markt, der zu klein war und nicht affin genug für das, was wir tun, gestartet sind. Das war ein großes Learning. Ein anderes Learning war, dass wir uns die ersten zwei Jahre eigentlich gar nicht bewusst aktiv über Organisationen Gedanken gemacht haben. Welche Kultur ist uns wichtig? Welche Werte sind uns wichtig? Was wollen wir aktiv leben? Und wie strukturieren wir uns so, dass wir agil sind und Mitarbeiter motivieren? Wir waren auf das Produkt und auf Marketing fokussiert und haben Organisation und Kultur. Das war so ein Afterthought. Und haben nach zwei Jahren irgendwann gemerkt, so Moment mal, das Unternehmen fühlt sich ja ganz anders an als das Unternehmen, was wir gründen wollten. Und haben dann das bewusster gemacht. Und das würde ich, wenn ich es jetzt nochmal mache, auch immer von Tag 1 bewusster mitdenken.

Joel Kaczmarek: Und so beim Produkt, also bei dem ganzen Zusammenfassen von Büchern, habt ihr da irgendwie so zwei, drei Sachen gehabt, wo du sagtest, Wahnsinn, hätte ich das von Tag 1 an gewusst, hätte ich mir viel Geld sparen können?

Holger Seim: Wir haben irgendwann herausgefunden, wie finden wir die Leute schneller, die das gut können? Also aus welchen Pools fischen wir? Hätten wir das schneller gewusst, hätten wir schneller gute Leute gefunden? Und wir haben irgendwann herausgefunden, wir müssen, um diesen Prozess skalierbar zu machen, um schnell gute Leute an Bord zu holen und dann auch auf ein Level zu bekommen, wo sie wirklich performen und für uns Wert generieren können, brauchen wir einfach standardisierte Prozesse und Manuals, um da halt viel skalierbar zu machen und uns nicht immer wieder mit jedem One-on-One hinsetzen zu müssen und ihm alles erklären zu müssen, ihm oder ihr. Da einfach viel Prozess-Know-how gelernt. Und hätte uns jemand diesen Prozess von Anfang an hingelegt, dann hätten wir selbstverständlich viel Zeit und Geld gespart.

Joel Kaczmarek: Wie ist es denn eigentlich mit dem Thema Internationalisierung? Ihr habt ja jetzt deutsche Buchzusammenfassungen. Der Charme ist ja, sobald du einmal so eine Zusammenfassung hast, kannst du die ja quasi unendlich lang bespielen, weil so ein Buch ist ja eigentlich nie outdated. Also es ist ja jetzt nicht wissenschaftlich, dass man sagt, weiß ich nicht, die 4-Stunden-Woche ist jetzt irgendwie in 6 Jahren, soll es eine 5-Stunden-Woche oder 3,5 sein? Mhm. Könnt ihr sowas einfach nutzen, indem ihr zum Beispiel auch hingeht und es einfach eins zu eins übersetzt und habt es dann irgendwie auf Englisch, auf Französisch, auf Spanisch, auf Arabisch, auf Chinesisch, was weiß ich?

Holger Seim: Bisher gibt es Blinkist in den Sprachen Deutsch und Englisch. Und Englisch ist unsere Leadsprache mittlerweile. Also jetzt ausgenommen mal Bücher von originär deutschen Autoren, machen wir Bücher immer zuerst auf Englisch. Die, die dann in Deutschland relevant sind, übersetzen wir auch auf Deutsch. Wir skalieren damit weltweit, weil Englisch ist eine Sprache, die gerade im Sachbuchsegment, wir sprechen ja Leute an, die tendenziell eher gebildeter sind. Gebildete Leute weltweit haben auch eine Tendenz dazu, Englisch zu sprechen. Sachbücher, Fachtexte, also Lerninhalte generell häufig auch in Englisch zu konsumieren. Das heißt, wir können mit Englisch dieses sehr gebildete Premiumsegment in jedem Markt adressieren, ohne dass wir überhaupt in eine andere Sprache gehen müssen. Wir haben uns dazu entschieden, das erstmal dabei zu belassen, weil mit Englisch und Deutsch können wir einen sehr, sehr großen Teil uns des Addressable Markets abschöpfen. Wir können die englisch-nativen Märkte aufbauen, wir können die deutsch-nativen Märkte aufbauen, was schon einfach die größten Märkte sind. Und dann gibt es auch noch eine ganze Reihe englisch-affiner Märkte, die groß sind, großes Potenzial haben. für die wir nie lokalisieren müssen im Sinne von die Sprache lokalisieren. Das ist Indien, das sind die Nordics, das sind die Niederlande, das sind sicherlich auch südostasiatische Märkte, die so fragmentiert sind in ihrer Sprache. Und zusammengefasst ist das ein großer Markt, aber jeder einzelne Markt ist vielleicht von dem Segment, was wir adressieren können, nicht groß genug. Da werden wir also immer mit Englisch weiterfahren. Wir haben gesagt, lass uns darauf erstmal fokussieren und die Märkte, für die wir jetzt wirklich in eine neue Sprache gehen müssen, hinten anstellen. Natürlich könnten wir jetzt sagen, wir bauen ein Team auf, was alles auf Spanisch übersetzt. Aber es ist ja nicht nur das Team, das kostet Geld. Man kann das halt nie perfekt isolieren. Es kostet uns dann auch Headspace. Irgendjemand muss das managen, muss sich darum kümmern. Wir brauchen Schnittstellen in andere Teams. Jedes Feature, das wir neu machen in der App, braucht auf einmal auch eine dritte Sprache. Wir brauchen also viel, viel mehr Schnittstellen, viel mehr Abstimmung. Und diese Komplexität darf man nicht unterschätzen. Es macht uns letzten Endes langsamer.

Joel Kaczmarek: Das ist jetzt die spannende Frage eigentlich, in welchen Märkten seid ihr denn schon aktiv? alles?

Holger Seim: Wir haben Kunden in 95 Prozent der Länder, die es weltweit gibt. Also irgendein Kunde findet sich immer. Also wir haben bestimmt irgendeinen Kunden im Vatikan, in kleinen Inselstaaten oder so. Irgendjemand entdeckt es und bezahlt es. Aber das ist natürlich ein sehr, sehr, sehr langer Longtail.

Joel Kaczmarek: Dann würde ich ja tippen, dass Deutschland bei euch gar nicht Number One Country ist, sondern deutlich weiter unten, oder?

Holger Seim: Deutschland ist an zweiter oder dritter Stelle, wechselt sich ab mit UK, kommt auf den Monat an. Die USA ist der mit Abstand größte Markt, dann kommen Deutschland und UK, danach Kanada, Australien, dann kommt auch schon Indien.

Joel Kaczmarek: Auch wenn es ein krasses Detail ist, aber wie macht ihr das dann? Also ich denke ein bisschen über das Inventar nach. Also wenn du sagst, du könntest jetzt hingehen und könntest Bücher auch übersetzen. Wenn du zum Beispiel sagst, ihr nehmt ein Buch und fasst es auf Englisch zusammen. Ist die deutsche Zusammenfassung dann von einem deutschen Macher gefertigt, der das deutsche Buch liest? Oder geht ihr hin und übersetzt die englische einfach nur eins zu eins auf Deutsch?

Holger Seim: Was in der Mitte? Bleiben wir bei The 4-Hour Workweek, die 4-Stunden-Woche von Tim Ferriss. Wir haben jetzt nicht zwei Leute das Buch lesen lassen, also jemand Englischen das englische Buch lesen lassen und einen Deutschen das deutsche Buch lesen lassen, sondern wir haben das Buch einmal gelesen. Das war damals sogar noch auf Deutsch, weil wir damals noch Deutsch als Erstsprache hatten. Jetzt würden wir das auf Englisch lesen, dann ins Deutsch übersetzen. Das ist jetzt aber keine 1 zu 1 Übersetzung von dem Englischen ins Deutsche. Das klingt meistens blöd, sondern wir haben da Tricks gefunden, wie man das übersetzen kann, ohne dass es nach einer Übersetzung klingt. Und natürlich schaut dann der deutsche Übersetzer nochmal in die deutsche Ausgabe des Buches und schaut sich an, wie gewisse Begriffe dort im Buch genannt sind. Wie wird The 4-Hour-Workweek übersetzt?

Joel Kaczmarek: Ich würde gerade sagen, weil manchmal hat man ja da Eigenbegriffe, wie die sozusagen geprägt sind. Okay, verstanden, verstanden. Jetzt sollten wir noch mal ein, zwei Sachen zum Thema Pricing sagen. Also vielleicht schenken jetzt ganz viele Leute zu und tippen mit dem Finger und sagen, geil, will ich haben. Was kostet das denn eigentlich? Wie sind denn eure Abo-Strukturen gestrickt vom Pricing her?

Holger Seim: Das Wichtigste, es gibt ein kostenloses Trial und es ist keine Abo-Falle. Man kann das tatsächlich kostenlos testen und wenn man das nicht möchte, kann man einfach sein Trial beenden. Und dann buchen wir auch nichts ab. Wenn man dabei bleiben möchte und das Trial nicht beendet, dann geht es irgendwann in ein Abo über. Und unser aktuelles Pricing für die Abos sind 79,99 Euro für ein Jahresabo, 12,99 Euro für ein Monatsabo.

Joel Kaczmarek: Heißt also, wenn ich es im Jahr kaufe, ist es quasi die Hälfte billiger?

Holger Seim: Genau. Gang und Gäbe bei Abo-Modellen. Natürlich ist es für uns ein Vorteil, wenn man ein längerfristiges Abo bucht und deswegen bieten wir es auch so einen hohen Rabatt an, weil wir einen schnelleren Return bekommen. Wir wachsen sehr, sehr stark durch Performance-Marketing. Also wir müssen sehr viel vorab in die Akquise von Neukunden investieren. Und wenn dann jemand direkt für ein Jahr bezahlt, haben wir halt einfach einen schnelleren Return, kriegen den Cash schneller wieder rein und können das Rad schneller drehen und so schneller wachsen. Deswegen diskontieren wir das so stark.

Joel Kaczmarek: Denkt man ja gar nicht so drüber nach, aber das stimmt natürlich. Je schneller du mehr Cash einsammelst, desto mehr kannst du wieder neue mit der Schippe reinladen.

Holger Seim: Ja, das unterschätzt man oft, dass die Payback-Periode von dem, was man in Wachstum investiert und was zurückkommt, das ist eine sehr, sehr wichtige Größe für Businesses, die darauf schauen, dass sie halt irgendwie profitabel sind oder nicht zu weit weg von der Profitabilität. Wenn man jetzt einfach nur Risikokapital reinholt, was wir ja auch machen, aber wenn man sich zu sehr davon abhängig macht, dann ist Payback egal. Dann denkt man in der Customer Acquisition Cost versus Lifetime Value denke und egal wann der Lifetime Value kommt, wenn der erst in fünf Jahren kommt, ist mir egal, weil ich habe ja Risikokapital, um das zu bridgen. Wir wollen uns nicht zu abhängig von VCs machen und haben deswegen auch das Thema Payback immer auf dem Schirm.

Joel Kaczmarek: Finde ich einen guten, validen Punkt. Aber aus eurer Sicht, Abo sofort verstanden. Warum brauche ich das als Nutzer? Ich habe immer gedacht, es sei so, oh, ich wollte schon immer mal da mit Scham lesen, aber ich komme nicht dazu. Was steht denn da eigentlich drin, dass ich ein Buch habe oder zwei und gar nicht Bock habe, jeden Monat sowas mir an die Brust heften zu müssen?

Holger Seim: Also ganz ehrlich, ohne Abo-Modell kann man das nicht nachhaltig skalieren. Also ohne Abo-Modell gibt es dieses Geschäftsmodell nicht. Lernen ist irgendwie ein inneres Schweinehund-Thema. Man muss sich immer wieder neu motivieren. Wenn man sich dann mal motiviert und dann kommt auch noch so eine Kaufbarriere, dann muss ich auch immer wieder was bezahlen. Ich habe immer wieder diese psychologische Hürde, jetzt muss ich auch noch was bezahlen. Wir haben es anfangs getestet, haben es nicht geschafft, das möglich zu machen. Nein. ist die psychologische Hürde für Kunden einfach zu groß, da mal sorglos ein bisschen mehr Lernen in den Alltag zu integrieren. Und die Warenkörbe, wir können ja jetzt für so ein Buch im Blinks nicht 10 Euro nehmen, wie für ein Buch müssten dann irgendwas 1 bis 2 Euro nehmen oder so. Das ist ein zu geringer Warenkorb, um da auch gut mit Remarketing arbeiten zu können, um Raum zu haben, Leute dann immer wieder reinzuziehen. Deswegen haben wir sehr schnell festgestellt, es funktioniert nur als Abo. Was wir dann später gelernt haben, ist, dass so ein Abo auch sehr aktivierend sein kann. Ich will das machen, also kaufe ich ein Abo. Und dann mache ich es auch, weil ich habe ja dafür bezahlt.

Joel Kaczmarek: Macht total Sinn, glaube ich auch. Du schaffst dir selbst ein Druckmomentum, um das dann zu tun, was du tun willst. Also kann ich mir lieber vorstellen. Habt ihr Zahlen darüber, wie viele Leute so ein Buch eigentlich nochmal kaufen? Oder macht ihr zum Beispiel auch so Affiliate-Marketing-Deals, dass ihr sagt, wenn du jetzt Tim Ferriss auch noch zu Ende lesen willst, hier gibt es den Schmöker zu kaufen?

Holger Seim: Machen wir aktuell nicht, weil es nicht so einfach ist. Die meisten Leute kaufen ihre Bücher ja mittlerweile bei Amazon. Amazon hat auch ein Affiliate-Programm. Man kann Amazon-Affiliate-Links zum Beispiel nicht in iOS-Apps integrieren. Das ist weder die Apple-Guidelines noch. die Amazon-Guidelines erlauben das. Warum auch immer. Es ist deswegen nicht einfach möglich. Das ist ein Grund, warum wir es nicht machen. Der zweite Grund ist, dass es kein wirkliches Kundenproblem löst. Jeder hat so seinen komfortablen Buchkaufkanal. Der eine geht zu Amazon, die andere geht zum Buchhändler des Vertrauens um die Ecke. Da ist nichts broken, was wir reparieren können. Was broken ist, ist Discovery. Wie finde ich das richtige Buch? Und daher fokussieren wir unsere Energie eben mehr auf die Dinge top of the funnel. Und nicht dort, wenn du ein Buch gefunden hast und du fandest es gut, dann findest du auch einen Weg, das zu kaufen. Der Affiliate-Revenue ist letzten Endes nicht hoch genug, um dass wir sagen, wir machen es trotzdem, weil es business-technisch Sinn macht.

Joel Kaczmarek: Ja, glaube ich sofort. Habt ihr trotzdem Zahlen, wie viele Leute sich ein Buch kaufen, nachdem sie es geblinkt haben?

Holger Seim: Eben, weil wir diesen Funnelich haben, können wir es jetzt nicht eins zu eins.

Joel Kaczmarek: Ich dachte, ich habe es gesehen bei euch auf der Seite, dass ihr da sagt, dieses Buch kaufen. Da hatte ich einen Link.

Holger Seim: Ja, da auf der Website haben wir es, weil es da möglich ist. Auf der iOS-App ist Das ist unsere größte Plattform, haben wir es nicht. Oder da haben wir nur einen Link zu iBooks. iBooks ist keine sehr große Plattform zum Bücherlesen und Kaufen. Deswegen haben wir da keine verlässlichen Zahlen. Wir machen regelmäßig Umschlagen und schlagen unsere Kunden. Das ist also zwischen qualitativ und quantitativ. Und da sagen 42% der Kunden, sie lesen durch Blinkist mehr Bücher, auch voll. 9% sagen, sie lesen weniger. Und die restlichen 49% sagen, es hat keinen Einfluss. Sie lesen genauso viel wie vorher und nutzen Blinkist dann eben einfach komplementär.

Joel Kaczmarek: Benutzen Sie eigentlich auch Teams oder Unternehmen richtig, um sozusagen Ihre Mitarbeiter zu schulen?

Holger Seim: Ja, wobei das nicht im Fokus steht. Wir haben jetzt keine aktive Vertriebsmannschaft draußen, die Blinkist an Unternehmen verkauft. Es gibt aber manche Unternehmen, die auf uns zukommen, weil sie uns über unsere Consumer-Marketing-Kanäle entdeckt haben und gerne eine Lizenz für ihr Team oder das ganze Unternehmen kaufen wollen. Und das machen wir dann möglich. Der Grund, warum wir das nicht proaktiver angehen, wir wissen von den Interaktionen, die wir mit Unternehmen hatten, dass, wenn wir es wirklich richtig angehen und ein Vertriebsteam hinstellen, bräuchten wir mehr Funktionen. Und wir sind im Moment nicht in der Lage oder nicht bereit dazu, diese Funktion umzusetzen, weil wir unsere Ressourcen lieber auf das Konsumergeschäft legen. Das erstmal richtig aufbauen und da groß werden, bevor wir irgendwie eine zweite Front aufmachen und dann so beides so halb machen.

Joel Kaczmarek: Was ist denn eigentlich generell so euer Tech-Stack gerade, dass man auch mal ein Gefühl dafür bekommt, wie ihr technologisch so aufgestellt seid? Also was baut ihr alles? Wie viele Menschen arbeiten daran?

Holger Seim: Die Customer-Facing-Seite von Blinkist ist eine iOS-App, eine Android-App und eine Web-App, jeweils über alle Screengrößen, die es auf den Geräten so gibt. Darüber kann man sich anmelden, ein Abo kaufen, unsere Inhalte entdecken, unsere Inhalte lesen und hören und hat alle Features, die es so gibt. Und dazu braucht man da natürlich ein Backend, was das alles managt. Wir haben auch noch einen kleinen Alexa-Skill draußen. Das ist jetzt gerade so eine neue Plattform, die kommt, auf der wir noch eher experimentell unterwegs sind. Ich kann mir aber vorstellen, dass wir da auch bald ein bisschen stärker reingehen, Voice-Plattformen.

Joel Kaczmarek: Was sagt man dann, Alexa, was ist das Wichtigste aus dem Buch?

Holger Seim: Wir haben im Moment die Blinkist Minute. Das ist so ein neues Format, was wir etabliert haben, was so eine Kernaussage in einer Minute wiedergibt. Auf Deutsch nennen wir es Blinkist Impuls. Da kann ich mir einfach eine Minute einen schnellen Impuls jeden Tag. Und das haben wir im Moment als Skill im Alexa Store ohne Account, ohne Abo. Man kann da einfach, ohne sich anzumelden, das aktivieren und dann Alexa spielt mir die Blinkist Minute vor oder den Blinkist Impuls im Deutschen. Und wo wir jetzt gerade stark investieren und das Team aufbauen, ist Data Science und für das Thema Recommendation. Discovery, Recommendation ist für uns natürlich sehr wichtig. Mittlerweile sind wir auf einem Scale, dass wir auch immer mehr machen können mit Daten. Und das ist jetzt was Neues, was wir technisch aufbauen.

Joel Kaczmarek: Ja, wollte ich auch gefragt haben, müsst ihr eigentlich relativ nahe liegen, dass ihr versuchen wollt zu verstehen, also Leute so ein bisschen addictive machen, wenn die gerade nur den Monat im Abo buchen und nicht das Jahr, dass man sagt, okay, letzte Woche fandest du Yuval Harari toll, da gibt es auch noch einen ganz anderen tollen aus den Niederlanden, den solltest du auch mal lesen und zwar hier.

Holger Seim: Genau, das ist unser Anspruch. Wir sind im Moment noch zu stark einer Bibliothek, zu der die Leute kommen und das, was sie extern kennengelernt haben, dann suchen. und finden und lesen, das ist super. Weil wir wollen noch viel destruktiver werden und wirklich so ein Smart Companion werden und dich kennenlernen und dir dann empfehlen, das Thema ist spannend für dich.

Joel Kaczmarek: Man weiß ja manchmal gar nicht, was man spannend findet. Also never judge a book by its cover, sagt man auch so schön im Englischen. Eine Buchhandlung macht es ja auch so, dass man irgendwie so eine Wand hat aus Büchern. Von daher, also ich verstehe, mehr Push, weniger Pull oder Push-Ergänzung zum Pull. Mal als Brücke zum Thema Nutzer-Gewinnung-Marketing, was ich mal ganz spannend finde. Was sagt denn deine Beobachtung? Sind die Leute bereit, so ein Abo abzuschließen? Musst du da viel Überzeugungsarbeit leisten? Weil man hat ja gefühlt Spotify für Musik, Netflix für Filme, Amazon für Filme, Audio und ein bisschen alles im Gemischtwarenladen. Vielleicht ein Blendle für Zeitungen, wenn man irgendwie sehr affin ist. Haben die Leute da Bock, sich noch ein Abo reinzuknallen? Oder ist das was, wo man viel Überzeugungsmarketing leisten muss?

Holger Seim: Wir sehen, dass Leute Bock haben, weil jeder sich mit dem Problem sehr stark identifizieren kann. Gehe auf die Straße und frage zehn Leute, ob sie gerne mehr Bücher lesen würden und ob sie all das lesen, was sie gerne lesen würden. Und neun sagen dir, nee, das schaffe ich nicht. Also jedem leuchtet das Problem sofort ein. Und wenn wir eine Lösung dafür präsentieren, sind sehr viele Leute excited und sagen, geil, danach habe ich gesucht. Das heißt, wir schaffen es eigentlich, Leute sehr schnell zum Ausprobieren zu bekommen. Und dann auch genügend Leute sehen den Wert dann, verstehen den Wert und sagen, das ist ja ein No-Brainer. Also 80 Euro im Jahr dafür, dass ich mich so weit weiterbilden kann, muss ich nicht lange drüber nachdenken. Und wir sehen nicht, dass Leute dann denken, ach, jetzt habe ich schon diese drei Abos, jetzt wird es mir zu viel, sondern dass das dann eher eine Kaufentscheidung für sich, eine isolierte Kaufentscheidung ist.

Joel Kaczmarek: Wie viele Kunden habt ihr denn momentan eigentlich?

Holger Seim: Wir gehen jetzt auf eine halbe Million zahlende Kunden zu. Und wir glauben, dass wir hier was richtig, richtig Großes bauen können und da immer noch nur an der Oberfläche kratzen.

Joel Kaczmarek: Gib uns mal so ein Gefühl, wie viele Mitarbeiter habt ihr momentan?

Holger Seim: Wir gehen auf 120 zu.

Joel Kaczmarek: Okay, wenn ich jetzt also mal eine halbe Million, mal sind wir mal vielleicht Mittelpreis, 8 Euro nehme, da müsst ihr aber immer noch relativ drauf buttern. Das heißt, ihr müsst eigentlich noch mehr Geld einnehmen durch Investoren, oder?

Holger Seim: Nicht so viel. Der größte Kostentreiber ist Marketing, weil wir sehr stark über Performance-Marketing wachsen und da natürlich vorinvestieren müssen. Wir sind, wie man so schön sagt, auf Unit-Economic-Basis. Wenn man den Customer Acquisition kostet im Vergleich zum Customer Lifetime Value, sind wir profitabel und verdienen deutlich mehr Geld mit Kunden, als dass sie uns kosten. Aber wir müssen ein bisschen vorinvestieren. Das heißt, auf einer Cashflow-Perspektive verbrennen wir Geld auf Jahresbasis, aber nicht so viel. Wir haben Anfang letzten Jahres unsere letzte Finanzierungsrunde gemacht und haben nicht viel von dem Geld, was wir da aufgenommen haben, angerührt bisher.

Joel Kaczmarek: Wobei ich mich so erinnere, habe ich heute auch nochmal nachgelesen, deutsche Startups machen ja mittlerweile gerne immer Bundesanzeigenanalysen, wo die so vorgerechnet haben, dass sie irgendwie, ich glaube, letztes Jahr waren so 7 Millionen Jahresfehlbetracht für 2017. Also ist schon signifikant gestiegen, was er da vorrechnet. Da sagst du aber, hat er irgendwie einen Denkfehler drin?

Holger Seim: Also entweder versteht er es nicht oder er stellt es absichtlich so dar, um Klicks zu generieren. Was wir in Bundesanzeigen veröffentlichen, ist unser Accounting nach deutschen Accounting-Maßstäben. die super konservativ sind, die nicht sehr auf digitale und Abo-Geschäftsmodelle zugeschnitten sind. Wir müssen laut deutschem Accounting unsere Marketingkosten jetzt sofort realisieren, zu 100 Prozent. Wenn wir aber ein Jahresabo verkaufen, müssen wir den Ertrag von dem Jahresabo auf zwölf Monate splitten. Das heißt, wenn ich im Dezember ein Jahresabo verkaufe, habe ich ein Zwölf von dem Jahresabo als Umsatz mit drin, aber eben die vollen Kosten, um das zu akquirieren. Deswegen ist der Fehlbetrag, den wir im Accounting haben, eine ganz andere als die Burnrate, die wir in einem Cashflow haben. Eigentlich sollte man das wissen. als Berichterstatter über die Startup-Szene und entweder ist es wirklich Unvermögen oder eine kalkulierte, damit macht man eben mehr Klicks.

Joel Kaczmarek: Muss ich zu meiner Schande gestehen, hätte ich aber glaube ich auch nicht gewusst, dass die deutschen Standards da anders sind. Also man hat ja immer hier die IFA, Okay, aber interessante Einsicht. Also man muss mal die Zahlen mal mit Vorsicht genießen. Kann man ja mal mitnehmen als Learning.

Holger Seim: Also niemand muss sich Sorgen machen. Wir haben noch genug Cash von unserem Funding auf der Bank und das ist uns tatsächlich wichtig. Wir hatten in den ersten Jahren, als es noch nicht so gut lief, waren wir recht abhängig von Investoren und hatten da auch eine Situation, wo wir fast kein Geld mehr bekommen hätten und fast pleite. gewesen sind, wo wir auch zwei Monate keine Gehälter zahlen konnten. Ein sehr wichtiger Moment für uns. Und wir haben uns damals geschworen, wir wollen es nie mehr so abhängig von Investoren machen. Und sobald wir aus dem Schlüpfen raus sind, managen wir das Business so, dass wir immer auch aus eigener Kraft überleben können. Und deswegen verschenken wir ein bisschen Geld für Wachstum, aber sind immer nah genug am Break-Even, wenn es nicht mehr so gut läuft, um switchen zu können und das Business in eine Unabhängigkeit zu. Das ist unser Anspruch. Natürlich muss das dann auch aufgehen, aber so versuchen wir, das Geschäft zu führen.

Joel Kaczmarek: Ich wollte euch gerade fragen, was so euer Plan in Richtung Profitabilität ist, aber das hast du dann quasi schon damit beantwortet. Da haben wir auch nochmal einen kleinen Schritt zurück zum Thema Marketing, wo ich ja eigentlich mit dir drüber sprechen wollte. Wie findet ihr denn eigentlich eure Nutzer? Also wenn du sagst, das ist eigentlich ein Problem, was potenziell jeden betrifft. Wer ist bei euch so Kernzielgruppe, Kernpersona und auf welchen Marketingkanal adressiert man den?

Holger Seim: Wir haben angefangen, da war unsere Kernpersona der Young Professional. Personen zwischen 25 und 35, tendenziell eher männlich als weiblich, weil die männliche Zielgruppe auch im Sachbuchmarkt, auch mehr Sachbücher in einem Business-Kontext liest, warum das so ist. Vielleicht, weil sie kompetitiver sind, das weiß ich nicht. Aber das war so unsere Anfangs-Zielgruppe und mittlerweile ist von dem Alter her zwischen 35 und 45 die größte Zielgruppe und thematisch deutlich breiter. Nicht mehr nur Business, viel Ratgeber, viel auch persönliche Weiterentwicklung, Psychologie und, und, und. Aber auch darüber hinaus so Allgemeinbildung, Geschichte, Politik, Gesellschaft, Populärwissenschaften. Wir werden immer mehr so breit in unserer Audience, wie der Sachbuchmarkt auch ist. Von esoterischen Büchern über Business-Bücher bis hin zu Biografien und Geschichte haben wir alles da. Die Leute finden wir am Anfang, diesen Young Professional, diese eher junge Zielgruppe, haben wir sehr, sehr stark über Facebook und Instagram gefunden. Das ist zum Kontext, wir machen viel Performance-Marketing. Und in dem Performance-Marketing, wenn man das macht, dann fängt fast jedes digitale Unternehmen heutzutage mit Facebook, Instagram an, weil man sehr gut targeten kann, also sehr gut bestimmen kann, wer sieht die Anzeige, weil Nutzer es gelernt haben, in dem Kontext Facebook, Instagram Werbung zu sehen und auch mit Werbung zu interagieren. Weil ich ja in den meisten Fällen, wenn ich auf Facebook oder Instagram bin, gerade nicht weiß, was ich tun soll und Zeit totschlage und empfänglich bin, wenn mich was anspricht, dann da auch tiefer einzusteigen. Was anderes wie Bannerwerbung im Internet, wenn ich im Internet surfe, dann suche ich irgendwas, dann lese ich irgendwas und dann stört mich ein Banner und ich sehe es gar nicht. Auf Facebook, wenn es spannend ist, dann gucke ich mir das an. Damit haben wir angefangen. Mittlerweile ist Paid Content der größte Kanal für uns. Das sind Plattformen wie Outbrain und Taboola. Da kann man dafür bezahlen, dass Artikel von einem selbst unter anderen Artikeln angezeigt werden. Also wenn du Spiegel Online liest oder irgendein digitales Magazin, findest du unter den Artikeln empfohlene Artikel. Da sind dann immer zwei von Spiegel Online und zwei, die eben dafür bezahlen, da platziert zu werden. Das ist ein Bidding-Mechanismus. Wir bieten da auf Kost-per-Klick-Basis und wenn wir das Gebot gewinnen, dann werden wir da angezeigt. Und dann sind das so. Artikel wie diese fünf Bücher werden dein Leben verändern oder diese App ist der Geheimtipp unter Deutschlands CEOs. Also natürlich ein bisschen klick-baity. Wir versuchen da die Balance zu schaffen zwischen die Marke nicht zu stark zu beschädigen, aber natürlich muss man irgendwie ein bisschen auffallen, um Leute zum Klicken zu. Und wenn Leute klicken, kommen sie dann auf unser Magazin, lesen den Artikel und finden, dann hat der häufig dann auch zu Blinkist hinführt, also von der Storyline. Und finden am Ende des Artikels hoffentlich Blinkist. so spannend, dass sie sagen, hier melde ich mich mal an. Das funktioniert gut für uns. Andere Kanäle, es gibt kleinere Paid-Social-Kanäle, Quora, Twitter, Snapchat, Reddit und Co. Wir versuchen im Google-Universum Fuß zu fassen. Das ist nicht so einfach für uns, weil niemand sucht nach Buchzusammenfassungen. Und wenn wir auf Buchtitel bieten, dann sind wir im Wettbewerb mit Amazon und Co., dann wären die Preise sehr teuer. Das ist also nicht so trivial. Und was wir gestartet haben Mitte letzten Jahres und jetzt im Januar noch einen zweiten Flight gemacht haben, ist TV. Läuft okay für den Start, aber wir müssen noch viel Arbeit reinstecken, um das für uns skalierbar zu machen.

Joel Kaczmarek: Ich habe gerade überlegt, das naheliegendste wäre ja zu sagen, unsere heute schon viel zitierte 4-Stunden-Woche auf den Suchbegriff. Aber in der Tat, glaube ich, da hast du ja auch ein paar verschiedene Audible vor der Brust und Amazon und Co. Was ja auch zunimmt, ist ja so das ganze Amazon-System selbst. Also Amazon geht ja mittlerweile eigentlich hin, kauft Google seinen Traffic weg und verkauft ihn dann bei sich sozusagen nochmal weiter. Wobei ich das Gefühl habe, das ist noch gar nicht so stark durchdrungen. Also du könntest ja theoretisch, auf Amazon kannst du ja nur Werbung für Amazon-Produkte machen und ihr habt ja nichts da stehen.

Holger Seim: Das wäre dann schon ein recht feindlicher Move gegenüber Verlagen und Autoren, in einer Umgebung, in der Leute Bücher kaufen, dann auf das Buch zu bieten. Weil wir wollen ja, dass Leute Bücher kaufen und wenn wir sie dann vom Buchkauf weg zu Blinkist ziehen und dann sagen, ja, aber am Ende bringen wir sie euch wieder, das wäre ein bisschen scheinheilig und das wollen wir deswegen nicht machen. Was für uns noch gut funktioniert, habe ich gerade vergessen, aber passt ja zum Kontext, Podcast-Marketing natürlich. Also Podcast und auch Radio hoffentlich in Zukunft. Leute, die generell, deswegen funktioniert Outbrain Tabula so gut für uns, das adressiert Leute, die digital lesen. Und Podcast adressieren Leute, die digital hören. Das heißt, beide Gruppen haben schon das Habit, das heißt, diese Kanäle haben einen perfekten eingebauten Filter für uns und wir haben weniger Streuverluste.

Joel Kaczmarek: Gut, okay, wir führen hier gleich nochmal ein Gespräch danach, sehe ich schon. Und in der Tat, ich erinnere mich aber auch, ich habe bei Facebook Anzeigen bekommen, das sind die sechs Bücher, die jeder CEO gelesen haben sollte oder sowas und lande dann in eurem Fond. Und hast nicht geklickt? Nee.

Holger Seim: Gibt es ja gar nicht.

Joel Kaczmarek: Ja, muss ich mal nachholen. Okay, verstanden. Die Klassiker, aber mit einem gewissen Twist drin. Wie teuer ist denn eigentlich, was du erzählt hattest, dieses ganze Content-Marketing? Das ist ja eigentlich ein schlauer Move, zu sagen, ich gehe Leute an unter diesen Spiegelartikeln mit Outbrainer und Co. Ist das teuer?

Holger Seim: Teuer liegt ja beim Auge des Betrachters. Wir kriegen es profitabel hin mit einem guten Return. Hat uns aber neun Monate gekostet, diesen Kanal aufzubauen, die richtigen Inhalte zu finden, das richtige Targeting, den richtigen Funnel dahinter, um das wirklich mit einem positiven ROI machbar zu machen. Es ist nicht so trivial wie Facebook. Man kann nicht so gut steuern. Auf Facebook kann ich Lookalike Audiences bauen und nur Leute ansprechen, zu denen Facebooks Algorithmus sagt, das sind Leute, die wahrscheinlich dein Produkt mögen. Bei Outbrander Bula gibt es das nicht. Da muss ich sehr breit streuen. Und dann gibt es bei Facebook eben, Leute haben gelernt, wenn ich auf Facebook auf eine Ad klicke, komme ich in den App Store, dann leite ich mir die App runter und probiere sie aus. Das ist ein gelernter Funnel. Wenn ich online Artikel lese, habe ich noch gelernt, ich bin im Discover-Modus. Das heißt, ich klicke auf einen anderen Artikel. Das ist noch recht gut und gelernt. Aber dann auf einmal von einem Artikel zu sagen, Jetzt lade ich eine App schon, dann melde mich wo an und kaufe vielleicht sogar auch noch ein Abo. Das ist was, was einfach noch nicht gelernt ist in diesem Kontext und deswegen ist das nicht trivial, aber es funktioniert für uns.

Joel Kaczmarek: Hast du einen Tipp für jemanden, der jetzt zuhört, das vielleicht für sein Unternehmen auch nutzen möchte? Was sind so zwei, drei Hausaufgaben, die man machen muss, damit dieser Bruch irgendwie funktioniert?

Holger Seim: Auf der Metaebene, man darf es nicht unterschätzen, man muss ein Team dafür abstellen, was den Funnel von A bis Z aufbohren kann und testen kann und dem Team dann auch Zeit geben. Das heißt, ich brauche jemanden, der gute Artikel schreiben kann und einfach über das Schreiben vieler Artikel und Testen vieler Storys versucht, das zu finden, was am besten funktioniert. Und dann einen Webentwickler und einen Webdesigner, weil das findet ja im Web statt. Ein Artikel muss ja dann gehostet werden, die halt schauen, wie muss die Blog-Experience oder die Landingpage aussehen, welche Conversion-Elemente kann ich wo verwenden, um dann Leser letzten Endes zum Service zu konvertieren. Und das dauert ein bisschen.

Joel Kaczmarek: TV hast du ja noch erwähnt als Beispiel. Was sind denn da so die Stellmerkmale, von denen du gemerkt hast, die könnten irgendwie wichtig sein? Weil es nimmt ja zu, dass Startups TV-Werbung buchen.

Holger Seim: Der Spot ist unglaublich wichtig. Und da ist so der idealistische Gründer oder der ambitionierte Gründer tendiert dann dazu, und da spreche ich auch von mir selbst, wir brauchen einen schönen, inspirierenden Spot, so Typ Superbowl-App. Das soll lustig sein, das soll eine Story erzählen, High-Production-Value. Vergiss es. Funktioniert nicht. Funktioniert erst, wenn man schon eine bekannte Marke hat und es darum geht, dann irgendwie Leute mit Humor dazu zu bekommen, die Marke zu consideren. Für ein Produkt wie Blinkist, das viele Leute noch nicht kennen, funktioniert ein einfacher Erklärspot am besten, wo einfach irgendeine Person dir ganz stumpf erklärt. Das ist das Problem. Blinkist ist da, um es zu lösen und hol dir die App und probiere es aus. So ganz, ganz plain und simpel. Dann funktioniert es am besten. Und das ist wahrscheinlich für die meisten jüngeren Unternehmen der richtige Weg.

Joel Kaczmarek: Was denn sonst so mit Referrals? Ist das für euch ein relevanter Kanal? Befördert ihr sowas auch?

Holger Seim: Das Schöne ist, wir haben einen inhärenten viralen Mechanismus, weil Menschen die Angewohnheit haben, über Gelesenes zu erzählen. Wenn du ein Buch liest oder wenn du irgendwas liest, dann erzählst du darüber. Entweder weil es spannend ist, eine spannende Anekdote oder weil es vielleicht deinem Kollegen weiterhilft mit einem Problem, was er hat oder oder oder. Und das funktioniert für uns sehr gut. Wir sehen, dass je mehr wir die Paid-Komponente, also das Marketing hochschalten, umso mehr Nutzer kommen dann auch organisch. Also das Verhältnis zwischen bezahlten Nutzern und organischen Nutzern, die wir gewinnen, ist recht stabil über die letzten Jahre. Und ja, wir müssen dafür gar nichts tun, weil Menschen dieses Habit haben. Und wir haben uns jetzt nicht so stark darauf fokussiert, dann irgendwie noch ein Referral-Tool einzubauen weil uns nichts Gutes eingefallen ist. Also dieses klassische empfiehle es jemand und dann kriegen beide sieben Tage oder so. Das ist so abgelutscht und auch technisch nicht so einfach, weil wenn du schon ein Abo hast, wie können wir dir dann noch sieben Tage geben? Du musst das Buch schicken. So was, ja, aber dann wird es halt wieder sehr kompliziert. Dann ist man wieder in der physischen. Da haben wir auch drüber nachgedacht. Wäre spannend, aber dann muss man irgendwie ein komplettes Fulfillment dahinter haben. Und wir haben gedacht, okay, es ist nicht einfach und die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass es einfach den Referral Traffic, den wir ohnehin haben, einfach nur kannibalisiert. Dann können wir es zwar messen, aber wir haben nichts gewonnen.

Joel Kaczmarek: Hast du eigentlich irgendeine Form von Saisonalität bei deinem Geschäft?

Holger Seim: Januar, New Year's Resolutions. Leute wollen gerne mehr lesen. Funktioniert für uns gut. Und interessanterweise auch Sommer, so Back-to-School-Zeit. Wenn Leute in Urlaub fahren, haben sie Zeit, sich mit sowas auseinanderzusetzen. Also das sind Thesen. Wir sehen, dass es da einfacher ist. Warum das so ist, sind Thesen.

Joel Kaczmarek: Gut, jetzt haben wir schon viel von deiner Zeit in Anspruch genommen. Vielleicht noch zwei kleinere Komplexe, was mich auch mal interessieren würde. Wie beurteilst du denn eigentlich so deinen Wettbewerb? Also was ich kannte in eurem Zusammenhang war so dieser Klassiker Get Abstract. Das ist ein anderer Zugang als eurer. Also da hätte ich eher fast so ein bisschen so einen wissenschaftlichen Background gesehen. Wenn man sich damit auseinandersetzt, so ein Liviato war bei euch mal auch genannt. Oder in den USA gibt es ja auch sowas wie Read It For Me, Hyper Inc. Wie seid ihr demgegenüber aufgestellt? Wie verortet ihr euch? Was sind so eure USPs? Was hebt euch hervor?

Holger Seim: Also Getabstract ist so der Incumbent oder das Unternehmen, das gibt es irgendwie schon 15 Jahre, gab es auch schon, als wir Blinks gegründet haben und wir kannten das. Die machen aber fast ausschließlich B2B. Das heißt, wir sehen die oder haben sie lange Zeit nicht so stark als Wettbewerber gesehen, weil die machen B2B, wir machen B2C. Das sind zwei verschiedene Märkte mit zwei verschiedenen Produkten. In den vergangenen zwei Jahren haben sie gemerkt, dass das auch ein großer Konsumermarkt ist. Und sind jetzt dort auch ein bisschen aktiver geworden und versuchen da auch reinzukommen. Das heißt, die werden jetzt mehr zu einem Wettbewerber und wir schauen uns das genau an. Aber wenn man jetzt nur den Konsumermarkt betrachtet, sind wir deutlich, deutlich größer als sie. Und es sieht jetzt nicht so aus, als ob sie die Lücke schließen gerade. Anderen Webweber, die du genannt hast, die gibt es teilweise gar nicht mehr. Es gibt neue, es gibt jetzt klassischere Copycats in den USA, einen im Stasilien und bestimmt auch noch ganz viele andere kleinere. Alle gucken wir uns immer genau an. Bisher war jetzt noch nichts dabei, wo wir dachten, verdammt, die haben das Feature oder die haben dieses Problem so gelöst, wie wir es gerne gelöst hätten. Und es ist im Moment nicht so, dass sich die Schere zwischen dem Wettbewerber und uns schließt. Das soll jetzt nicht überheblich klingen und wir gucken uns das genau an und versuchen einfach immer das Beste zu tun, um denen einen Schritt voraus zu sein, indem wir uns eben auf unsere Kunden fokussieren und nicht auf sie.

Joel Kaczmarek: Ja, aber in der Tat, wie gesagt, so ein Get-Abstract war mir auch irgendwie bekannt. Bei den anderen muss ich schon auf den Zettel gucken, da kann ich die Namen teilweise noch nicht mal. Merkt man ja, wenn ich hier sogar schon mal falsch ausspreche. In der Tat scheint mir das noch verhältnismäßig unterpenetriert zu sein, was ihr tut. Was eigentlich merkwürdig ist. Also finde ich fast bizarr.

Holger Seim: Ich glaube, wir waren lange ein bisschen unter dem Radar geschwommen, haben nicht so viel PR gemacht. Liegt auch sicherlich in der Natur von uns geschehen. dass wir jetzt nicht so die Extrovertiertesten sind, die auf jedem Event rumspringen und irgendwie den riesen Bass erzeugen. Das ist ein Grund. Das ist nicht trivial. Man kann es nicht so einfach kopieren. Also so Inhalte erstellen, nicht so einfach. Es gibt ein paar Dinge, die man einfach überwinden muss, damit es dann wirklich Spaß macht. Ja, es war bis vor drei Jahren auch gar nicht so einfach, Geld dafür zu raisen. Weil alles, was uns jetzt in die Karten spielt, wir sind ein Abo-Modell. Consumer-Subscription-Modelle sind jetzt gern gesehen bei Investoren. Vor drei Jahren haben die uns gesagt, Abo-Modell kannst du vergessen. Wir haben Content. Content skaliert ja nicht. Ist ja nicht Tech, was irgendwie unendlich skaliert. War vor drei Jahren ein Ding der Unmöglichkeit. Jetzt findet jeder Investor das super, dass wir. überschaubare Kosten haben für Content, der evergreen ist, den wir dann einfach immer verkaufen können und dementsprechend eine hohe Marge langfristig. Das Thema Audio ist auf einmal, wird wie die Sau durchs Dorf getrieben, war vor vier Jahren noch nicht so heiß und also mittlerweile kommen in unserem Business-Modell einfach viele Sachen zusammen, die es spannend machen. Deswegen gibt es jetzt auch Wettbewerber, die sich entweder neu gestründen oder auch etablierte Unternehmen, die sich anschauen, ob sie das in den Markt einschäden können. Passiert sicherlich hier und da auch noch was in Zukunft. Aber wir hatten Gott sei Dank lange genug Zeit, uns einen Vorsprung zu erarbeiten.

Joel Kaczmarek: Ja, aber Investorenschaft war in der Tat so. der zweite Faktor, den ich nochmal gefragt haben wollte. Was ist denn so eure Funding-Strategie gewesen? Also wenn man mal guckt, mittlerweile habt ihr einen Greylock an Bord, einen eVentures, die ich schon als sehr gut betrachten würde. Wenn ich mich nicht täusche, habt ihr auch hier mit der IBB so ein bisschen begonnen. Also am Anfang ist es ja immer schwierig, von Visionen zu überzeugen, wenn die noch nicht so etabliert sind und so weiter. Hattet ihr eine aktive Funding-Strategie oder musstet ihr auch so ein bisschen danach gehen, was geht?

Holger Seim: Blinkist ist unser erstes Business. Das heißt, wir hatten vor sieben Jahren keine Ahnung von nichts und schon gar keine aktive Funding-Strategie, sondern wirklich einfach geguckt, was geht. Das erste Funding mit Hubstaum und einer Gruppe von Business Angels hat sich ergeben aus einem persönlichen Netzwerk von mir. Ich habe vor allem mal bei der Telekom einen Trainee-Programm gemacht, kannte da Leute und die Business Angels haben sich auch über persönliche Kontakte ergeben. Das war dann einfach verfügbar und dann haben wir das gemacht. Und ehrlicherweise die Finanzierung danach, die Seed-Finanzierung, da konnten wir jetzt auch nicht aus dem Vollen schöpfen und irgendwie zwischen fünf Investoren wählen, sondern bei die Runde eher undersubscribed und wir mussten nehmen, was wir kriegen, was nicht heißen soll, dass wir nicht sehr happy sind mit den Investoren. Damals ist die IBB und MGO Digital Ventures an Bord gekommen, die von Anfang an sehr stark an uns geglaubt haben, die die Vision geteilt haben, die auch nach der Investition lief es noch nicht gleich ganz so rund, die uns auch wirklich bis zu Series A begleitet haben und geholfen haben, wo nötig, um da hinzukommen. Also das kam nicht aus einer aktiven Funding-Strategie, war aber dennoch nicht schlecht, sondern sehr, sehr gute Partner, mit denen wir immer noch sehr gerne zusammenarbeiten. Und dann so Und mit der Series A, als wir aus dem Kripsen raus waren und wirklich Zahlen hatten, die wir vorzeigen konnten und auch unsere Visionen ein bisschen stärker geschärft hatten, da kamen wir dann in einen Bereich, wo wir wirklich aktiver darüber nachdenken konnten, welche Investoren sprechen wir an, welche wollen wir an Bord holen und zu wem sagen wir letzten Endes auch ja. Da haben wir dann in der Series A E-Ventures und Greycroft, es gibt Greylock, aber bei uns sind Greycroft-Partners investiert, mit an Bord geholt. E-Ventures ist ein Restaurant mit super viel Erfahrung und hier vor Ort in Berlin und Greycroft hat halt einfach so die Stücke in die USA geschlagen. USA war damals schon unser wichtigster Markt und wir fanden es sinnvoll. wenn möglich auch einen US-Investor mit an Bord zu nehmen, um uns zu helfen, im Business Development vor Ort näher an die Verlage ranzukommen und, und, und. Und Series B. dann ist Inside Venture Partners an Bord gekommen. Dazu muss man nicht viel sagen. Das ist einer der größten Fonds weltweit mit einem super guten Track Record, mit sehr, sehr viel Expertise, einem großen Netzwerk. Die haben uns wie alle anderen Investoren seitdem auch schon sehr, sehr gut weitergeholfen.

Joel Kaczmarek: Das passiert mir wirklich selten, dass ich Investorennamen durcheinanderbringe. Also ich packe dafür heute ein Euro in das Phrasenschwein. und du für deine ganzen Anglizismen. Okay, mache ich. Aber Spaß beiseite. Einen Satz fände ich noch interessant, weil du vorhin gesagt hattest, ihr standet mit dem Rücken zur Wand, ihr konntet zwei Monate nicht die Gehälter zahlen. Wie kommt man aus so einer Situation raus? Weil es hören vielleicht Leute zu, die sowas auch haben. Es ist nicht ungewöhnlich. Es sieht alles mal geleckt aus und besonders hinterher ist es währenddessen aber gar nicht immer. Wie hast du das geschafft zu überkommen?

Holger Seim: gegenüber dem Team einfach mit Ehrlichkeit den reinen Wein einschenken. Nicht so tun, als ob alles super ist und dann auf einmal einfach nicht mehr bezahlen, sondern wir haben uns vor das Team gestellt und ihnen ehrlich die Situation erklärt, dass wir dachten, dass wir die Runde schon hätten closen können, dass es sich jetzt aber noch hinzieht und dass wir guter Dinge sind, dass es funktioniert. Aber bis es eben so ist, müssen wir Gehälter aussetzen, weil wir sonst in einer Zahlungsunfähigkeit laufen. Das Team hat da sogar mitgezogen, um sich da persönlich zu eine emotionale Distanz dazu aufzubauen und nicht zu stark dann schlaflose Nächte zu haben und sich zu sehr zu krämen. Versuchen Ausgleiche zu schaffen, nicht erst, wenn es soweit ist, sondern eigentlich schon immer klar machen, das ist Business und das kann gut gehen, das kann auch schief gehen, das ist nicht alles im Leben und sich einfach auch einen Ausgleich schaffen, ob das Familie, Freunde, Sport ist, also was das für jeden Einzelnen ist, muss jeder für sich selbst wissen, aber das hat mir immer gut getan. Damals war es so, ich bin vier Jahre gependelt zwischen Berlin und Düsseldorf, weil meine Frau noch in Düsseldorf gearbeitet hat Und da war ich einfach so am Wochenende raus aus der Berliner Startup-Welt. Und das war für mich einfach gut, auch in der Phase gerade, dass ich einfach wirklich in den Zug steigen konnte und raus war und abschalten konnte, so gut es geht. Selbstverständlich als Schritt ist es, sich einfach mit anderen Gründern austauschen, sich Mentoren suchen, sich Rat suchen. Und wahrscheinlich 90 Prozent der Probleme, auf die man so stößt als Gründer, hatten 90 Prozent der anderen Gründer auch. Also ich bin jetzt bei Entrepreneurs Organization. Das ist so ein Verein, wo man sich jeden Monat mit anderen Gründern trifft und da sehr stark die Hosen runterlässt, sehr offenen Austausch hat. Da bin ich immer wieder erstaunt, wie sehr sich die Probleme doch ähneln. Also jeder geht irgendwie durch dieselben Ups und Downs und das zu teilen, macht die Sache manchmal schon einfacher.

Joel Kaczmarek: Steht eigentlich so euer Endplan schon? Also hast du schon so Gedanken, wo du irgendwann mal hin willst? Willst du irgendwie von Amazon gekauft werden? Willst du irgendwie an die Börse? Willst du dich mit jemandem merchen? Hast du da schon Pläne oder bist du noch so?

Holger Seim: Dass irgendwann mal, also wenn es gut läuft, in irgendeiner Form ein Exit ansteht, das wird so sein, weil wir Risikokapital an Bord haben. Da sollte man nicht naiv sein. Also wenn ich jetzt sage, wir wollen das Für immer selbstbestimmt weiterführen, bloß kein Exit, dann würde ich lügen, weil die Entscheidung haben wir vor sieben Jahren abgegeben. Das ist jetzt nichts, was wir irgendwie schon sehr aktiv planen oder aktiv versprechen. Wir haben keinen Exit-Plan in der Schublade. Uns ist wichtig, wenn es mal so weit kommt, dass wirklich unsere Produktvision weiter Bestand hat. Im besten Fall auch die Marke, dass man jetzt nicht sagt, man verkauft sich an wen auch immer, an Amazon und dann wird einfach unser Content in ein Produkt wie Audible integriert und dann blinkt es, verschwindet. sondern an irgendeinen Partner, der sagt, geil, ich finde euer Produkt, eure Marke, ich finde das alles super und das ist einfach komplementär zu dem, was ich schon habe. und ich kann das nochmal deutlich leveragen und euch helfen, eure Vision noch stärker zu erreichen, noch stärker zur Leading Destination for Lifelong Learners, sorry für das Englische, zu wachsen und noch mehr Leute zu inspirieren, mehr lernen, in ihren Alltag zu integrieren.

Joel Kaczmarek: Also ich glaube, Anknüpfungspunkte dafür gibt es ja genug. Von daher bin ich ja mal gespannt, wenn wir uns demnächst mal wieder sprechen, was sich da tut. Ich muss auch gestehen, ich habe euch unterschätzt. Also wenn man so mitkriegt, wie viel Cash ihr aufgenommen habt, wie groß ihr mittlerweile seid. Also in der Tat, wie du gerade ausgeführt hast, die Dynamiken, die jetzt in deine Karten spielen, die sind sicherlich groß. Aber nevertheless ziehe ich ja meinen heute nicht aufgesetzten Hut vor. Und das war von daher auch ein sehr, sehr spannender Ritt mit dir. Ich danke dir ganz, ganz herzlich, auch für all dein Wissen. Und ja, ich sage, ich muss mal hier nochmal einen Nachgang in ein, zwei Jahren machen.

Holger Seim: Ja, vielen Dank für das Interesse. Hat mich sehr gestreut. Hey! Hey! Hey!