Streitgespräch: Marcus Diekmann und Christoph Werner über Digitalisierung

14. Januar 2019, mit Joel Kaczmarek

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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Deep Dive Podcast von Digitalkompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und heute habe ich einen ganz besonderen Einsprechpartner hier. Meine Frau hat sich sehr gefreut, als sie das gehört hat, weil sie regelmäßiger Kunde ist. Stell dich mal ganz kurz vor, sag, was du machst und was du einem Unternehmen machst, obwohl das, glaube ich, die meisten Leute eigentlich wissen sollten.

Christoph Werner: Mein Name ist Christoph Werner. Ich bin bei DM Drogeriemarkt verantwortlich für das Ressort Marketing und Beschaffung. Das mache ich zusammen mit einem Kollegen und habe auch die Vertriebsverantwortung für die Filialen oben im Norden. Das heißt für Schleswig-Holstein, Hamburg, Bremen und große Teile Niedersachsens.

Joel Kaczmarek: Ah, okay. Ist das richtig sozusagen aufgeteilt, dass einzelne Akteure einzelne Regionen sozusagen sich aufteilen?

Christoph Werner: Ja, es ist so, dass jeder Geschäftsführer bei dm Drogeriemarkt auch eine Vertriebsverantwortung hat. Jeder, bei uns heißt es Ressortverantwortliche, ist auch für eine Region in Deutschland verantwortlich. Das heißt, arbeitet dort zusammen mit den Gebietsverantwortlichen, die dann wiederum so ungefähr 20 bis 25 Filialen verantworten.

Joel Kaczmarek: Also Gedanke ist vermutlich, dass man ein Stück weit die Berührung zum Kunden hat, zum Kundengeschäft, wie die Uhren dort ticken quasi?

Christoph Werner: Es ist ja so, dass wir als Einzelhandelsunternehmen, filialisiertes Einzelhandelsunternehmen, auf der einen Seite filial unterstützende Dienste haben in Karlsruhe. Und unsere Aufgabe ist es ja, unsere Filialen eben zu unterstützen. Das heißt, alles, was wir machen in Karlsruhe, soll dazu dienen, um die Filialkollegen in die Lage zu versetzen, für ihre Kunden den Unterschied machen zu können. Und es ist natürlich die Frage, ob das, was wir uns da ersinnen und was wir uns überlegen, auch wirklich in den Filialen ankommt. Und da ist es unheimlich wichtig, dass man in die Wahrnehmung kommt, um das dann auch wirklich vor Ort zu sehen. Und natürlich ist da eine gute Voraussetzung zu sagen, man ist nicht nur verantwortlich für das zentrale Ressort, wie beispielsweise Sortimentsgestaltung oder Kommunikation, sondern eben auch für Filialen, um zu sehen, ob das, was man sich ersonnen hat, da auch ankommt und die Filialen tatsächlich unterstützt. Viele Filialunternehmen haben ein bisschen das Problem, dass sie halt Vertriebsgeschäftsführer haben und dann wird immer der eine verantwortlich gemacht, wenn was nicht funktioniert, statt sich zu überlegen, ob man vielleicht durch eine bessere Zusammenarbeit es besser hin hätte bekommen können. Und das war eben der Kunstgriff, würde ich mal sagen, bei DM Drogeriemarkt schon in den 90er Jahren, dass wir uns damals entschieden haben, eben keine Vertriebsgeschäftsführer mehr zu haben, sondern direkt zu sagen, jeder Ressortverantwortliche hat auch eine Vertriebsverantwortung.

Joel Kaczmarek: Wie viel Zeit verbringst du an der Front?

Christoph Werner: Ich versuche im Monat vier Tage.

Joel Kaczmarek: Okay, richtig festgesteckt.

Christoph Werner: Ja, also in der Regel zwei Tage hintereinander, weil von Karlsruhe in den Norden hoch ist noch ein bisschen Rüstzeit, die man braucht. Deswegen ist es einigermaßen effizient zu machen und dann den ganzen Tag unterwegs. Viele Gespräche natürlich in den Filialen mit den Verantwortlichen dort. Manchmal auch, wenn Meetings sind. Diese Woche beispielsweise hatte ich Gelegenheit, auch mit Lernlingen zu sprechen, also Menschen, die bei uns die Druckistenausbildung machen. Die hatten einen Workshop und da bin ich dazu gekommen, einfach mal das Ohr auf der Schiene zu haben.

Joel Kaczmarek: Munzelt man so ein bisschen, wenn man in seine Heimatstadt in so einen DM-Markt geht und die wissen vielleicht gar nicht, dass man zu dem eigenen Unternehmen gehört? Wie gehst du da eher so versteckt durch, wie ein ganz normaler Kunde? Oder outest du dich auch mal und sagst, ja, ich bin auch beim Unternehmen, erzählen Sie mal so ein bisschen?

Christoph Werner: Naja gut, es kommt drauf an. Also ich bin ja auch Kunde, also ich kaufe ja auch ein. Also wenn ich einen Kater einkaufe, manchmal kennen mich die Filialkollegen, manchmal auch nicht. Wenn es kein besonderes Anliegen gibt, also dann kaufe ich einfach ein. Wenn mir was auffällt, dann spreche ich es schon an, weil es ist ja ein Feedback, was auch wichtig ist. Hoffe ich zumindest.

Joel Kaczmarek: Ja, einfach mal aus dem Legkästchen. Das ist ja manchmal ganz unterhaltsam. Wir können ja mal ein paar Zahlen zusammenfassen. Also wenn ich mir die Webseite anschaue, aktuelle Infos lauteten 61.700 Mitarbeiter. Also schon echtes Schwergewicht an der Front. Richtig Verantwortung, ne? Können wir auch mal drüber sagen, wie schwer so eine Verantwortung wiegt. Gut 10 Milliarden Euro Umsatz, 10,3. 13 Länder Europas, die bespielt werden und 3.500 Märkte. Ich habe übrigens gestaunt, als ich mir die Marken von DM mal angeguckt habe, wie viele Eigenmarken DM hat, die man auch gefühlt kennt. Also Balea, Babylove, Alverde, Denk mit, Ebelin, Dontodent, Pussblue. Also gerade wenn man Kinder hat.

Christoph Werner: Da ist eine ganze Menge dabei.

Joel Kaczmarek: Kommen wir sicherlich gleich nochmal zu. Beschreib doch nochmal ein bisschen deine Rolle auch. Also was du eigentlich genau tust. Was tut man als Geschäftsführer Marketing und Beschaffung? Was sind deine Kernaufgaben?

Christoph Werner: Also Kernaufgabe ist, die Kolleginnen und Kollegen zu unterstützen, die operativ die Dinge dann auch tun. Da ist die große Herausforderung zum einen natürlich, am Ball zu bleiben, weil durch die Art und Weise, wie wir versuchen, die Zusammenarbeit zu organisieren, es so ist, dass wir eigentlich die Führungsaufgabe vor allem darin sehen, die Menschen zu unterstützen. Das heißt also nicht, der Flaschenhals zu werden. sondern die Initiativen, die es gibt, möglichst schnell gedanklich zu durchdringen, um dann in eine Bewertung zu kommen, ist es etwas, was wir unterstützen wollen, weil es uns stärkt, oder ist es etwas, was uns vielleicht schwächt, und dann muss man versuchen, einen Zusammenhang für die Kollegen herzustellen, damit die sich wiederum selbst orientieren können. Also das ist unheimlich viele Meetings dadurch. Bei der dm-Drogeriemarkt ist es so, dass Marketing und Beschaffung sich um die Sortimentsgestaltung kümmern, das heißt also die Frage, wie die Sortimente zusammengestellt werden, welche Artikel im Regal sind oder online sind, wie die Preisgestaltung davon ist, dann haben wir das ganze Thema Kommunikation auch dabei und natürlich Online ist dabei, also dm.de und was wir so auf den ganzen Kanälen machen, also auf den Social Media Kanälen. Das ist bei uns alles zusammengefasst und dann auch Zukunftsthemen wie zukünftiges Ladenbild, da arbeiten wir dann ressortübergreifend, aber das ist auch etwas, worum ich mich kümmere. Dann bei den ganzen Prozessen natürlich, dass es auch klappt, dass also ein Artikel auch mit dem richtigen Preis dann dem Kunden berechnet wird. Wirkt alles so selbstverständlich, also eine ganze Menge Infrastruktur dahinter, damit das auch skalierbar ist. So verbringe ich eigentlich den Großteil meines Tages in Terminen, auch von vielen Projekten in Lenkungsteams, wo Entscheidungen, die nicht so ganz offensichtlich sind, auch manchmal getroffen werden müssen, wo es halt oft so ist, dass es nicht ein Richtig oder ein Falsch gibt, sondern eine Frage, was trauen wir uns zu, was trauen wir uns nicht zu.

Joel Kaczmarek: Jetzt verrät dir schon dein Nachname, dass du der Sohn des Gründers bist und tendenziell ein großes Erbe antrittst, also Fußstapfen auszufüllen hast. War das dadurch ein besonderer Weg, ein anderer Weg für dich in das Unternehmen? Wird man da kritischer beäugt? Hast du irgendwie einen bestimmten Werdegang genommen, um dort durchzustarten?

Christoph Werner: Ich würde mal sagen, da gibt es natürlich die Innensicht und die Außensicht. Von der Innensicht, also sozusagen von mir aus gesehen, versuche ich die Dinge so zu machen, wie ich sie verantworten kann, um den eigenen Weg zu gehen. Deswegen mit Fußstapfen ist das Problem, dass man keine Eindrücke hinterlässt. Also deswegen sollte man das gar nicht erst versuchen, in Fußstapfen anderer zu treten, sondern man muss seinen eigenen Weg finden. Das andere, was wir aber auch nicht vergessen, ist natürlich die Außensicht. Das heißt, es ist, glaube ich, schon wichtig, gerade wenn man, wie in meinem Fall, einen Vater hat, der viel geleistet hat in dem Bereich, dass man natürlich auch daran gemessen wird. Und das muss man halt einfach im Bewusstsein tragen.

Joel Kaczmarek: Ist das eine Bürde?

Christoph Werner: Das ist eine Realität, würde ich sagen. Bürde oder nicht, das ist ein Umstand und es ist die Frage, was machen sie damit. Die Leute hören einem zunächst vielleicht mal zu. Jetzt muss man aber aufpassen, dass man kein dummes Zeug redet, nämlich die Leute widersprechen einem dann auch nicht. Dann ist natürlich die Gefahr, dass man irgendwann mal glaubt, dass man das Schießpulver erfunden hat. Deswegen ist es ganz gut, ab und zu mal auf Elternabende von den Kindern zu gehen zum Beispiel oder in irgendwelche Versammlungen, wo einen keiner kennt, dass man mal wieder merkt, wie es auch ist, wenn man was sagt und keiner hört einem zu.

Joel Kaczmarek: Ja, kann ich mir lebhaft vorstellen. Okay, also Sortimentskompetenz war ja gerade so ein Stück weit schon mal angeklungen. Ich habe so den Eindruck, dass das so ein Stück weit eine der Secret Sources von DM ist. Interpretiere ich das richtig? Und wenn ja, was sind denn die Prämissen? bei dem ganzen Thema Sortimentsgestaltung?

Christoph Werner: Im Einzelhandel geht es nicht darum, alles anzubieten, zumindest so wie wir es bisher verstehen, sondern es geht darum, die richtigen Artikel anzubieten. Und das ist jetzt genau die Aufgabenstellung, die es in der Sortimentzusammenstellung zu leisten gilt. Und da ist natürlich wichtig, sich zunächst mal zu fragen, also wer ist denn die Kundschaft, also wen wollen wir denn ansprechen, ohne dabei zu vergessen, dass sich diese Kundschaft auch verändert im Laufe der Zeit. Und für was wollen wir stehen? Das hat was mit Profil zu tun. Und dann ist es eigentlich so, also man kann das in so ein Bild bringen, wie wenn man eine Steinstatue aus dem Marmor meißelt. Und da gibt es die nette Geschichte, ich weiß nicht, ob sie stimmt, und wenn sie nicht stimmt, dann ist sie gut erfunden worden, dass der Michelangelo mal gefragt worden sei, wie es ihm denn gelingt, solche tollen Marmorstatuen zu schaffen. Da soll er gesagt haben, das ist ganz einfach. Alles, was nicht dazu gehört, einfach wegschlagen. Und das ist genau die Aufgabe, wenn man etwas gestalten möchte, um ein Profil zu haben. Sie müssen wissen, was muss weg. Was darf ich dazu?

Joel Kaczmarek: Woher weiß ich das?

Christoph Werner: Sie müssen sich erst mal fragen, was möchte ich erreichen? Und dann müssen Sie sich überlegen, wie kann ich das stimmig rüberbringen? Also wenn Sie jetzt sagen, wir wollen eine Kompetenz in Haarpflege haben. Man muss fragen, welche Warengruppen gehören da dazu? Und dann sind wir natürlich auch viel im Gespräch mit denen, die da auch gestaltend dabei sind. Das heißt mit den Markenartikelherstellern. Wir müssen allerdings auch gucken, was sonst los ist. Das hat sich sehr verändert jetzt auch in letzter Zeit, weil der Einzelhandel doch eigentlich ein bisschen ein Oligopol geworden war. Also die Eintrittshürden waren relativ hoch geworden. Es hatte sich sehr konsolidiert auf der Herstellerseite wie auch auf der Händlerseite. Das kann man sehen, wenn man schaut, wie vor 20 Jahren noch die Liste der Einzelhändler war. Also wie viel gab es da, wie viel haben da 80 Prozent des Umsatzes ausgemacht. Und wenn man jetzt schaut, wie sich das dann vor drei Jahren dargestellt hat, konnte man sehen, dass sich das sehr, sehr konsolidiert hatte. Und das war allerdings auch auf der Angebotsseite auch. Also es gibt sehr, sehr große Hersteller, also wenn Sie an Beiersdorf denken, Procter & Gamble, Henkel, L'Oreal, Es war dann eigentlich so, dass im Einzelhandel es eine relativ oligopolistische Situation war mit hohen Eintrittsbarrieren. Durch die Digitalisierung können wir jetzt erleben, dass das eigentlich aufgebrochen worden ist. Also dass wir auf der einen Seite auf der Angebotsseite über die vielen Startups viele neue Marken haben, die jetzt plötzlich einen Zugang zum Kunden gefunden haben über das Internet. die davor überhaupt nicht in der Lage waren, Kontakt aufzunehmen zu ihren potenziellen Kunden oder wahrgenommen werden konnten von ihren potenziellen Kunden, weil TV-Werbung zu schalten oder großen Anzeigen, das war einfach für Startups nicht drin. Das heißt, da sind die Eintrittsbarrieren wesentlich kleiner geworden. Und auf der anderen Seite können wir sehen, auf der Händlerseite, dadurch, dass es eben jetzt Online-Shops gibt, ist es nicht mehr notwendig, dass man einen Laden anmietet und dass man die Einrichtungen zusammenkauft und dass man diese ganze Vorleistung erbringen muss, bis man überhaupt mal abverkaufsbereit ist. Deswegen hat sich das unheimlich dynamisiert. Das heißt für die Sortimentsgestaltung, um auf die Frage zurückzukommen, ist es jetzt auch unheimlich wichtig, da wirklich am Puls zu bleiben. Also Sortimentsmanagement ist heute nicht mehr, dass man am Schreibtisch sitzt und wartet, bis das Telefon klingelt. So war das doch früher zum Teil. Sondern man muss sich wirklich fragen, was ist los, dass man auf die entsprechenden Messen auch geht, dass man auch guckt, was im Ausland ist, weil Trends einfach heute sehr, sehr schnell um den Globus wandern. Es geht nicht mehr über Jahre, dass das erstmal in Asien anfängt oder in Kalifornien und sich dann langsam vorarbeitet, bis es in Europa auch mal aufschlägt. sondern über die Vernetzung, die wir heute sehen, hat es eine unheimliche Dynamik angenommen. Und das bedeutet natürlich für einen stationären Händler vor allem, sich immer fragen, welche Artikel gehören ins Sortiment und welche nicht.

Joel Kaczmarek: Also Zyklen sind kürzer geworden. Ich habe mir ja gesagt, dass das DM auch relativ hart nachbaut. Stimmt das? Also wenn so große Hersteller kommen, haben sozusagen sich Innovationen für die neue Saison überlegt. DM hat ja eine große Einkaufsmacht per se. Das heißt, man kann bei den Preisen und bei den Nachfragemengen sowieso

Christoph Werner: Sie meinen Einkaufsabhängigkeit.

Joel Kaczmarek: Ja. Und da habe ich mir sagen lassen, dass es durchaus auch mal passieren kann, dass dann in DM Eigenmarke relativ schnell sozusagen auch so entwickelt wird. Das heißt, hat DM wirklich so eine eigene, sagen wir mal, Business Development Unit, die auf der Markenseite sich Trends anguckt und möglichst schnell versucht, das auch in eigene Produkte umzuwandeln?

Christoph Werner: Was man beobachten kann, ist, dass in den Kategorien, wo hohe Innovationskraft da ist, seitens der Markenartikelindustrie, die Eigenmarken keine so große Rolle spielen. Und dort, wo sehr wenig Innovation ist, sind die Eigenmarken zum Teil sehr, sehr mächtig. Also gerade in der Papierware, wenn Sie da mal schauen, also Toilettenpapier, Taschentücher und so. sind Eigenmarken doch sehr, sehr stark. Wenn Sie in der Kosmetik gucken, da sieht es schon wieder anders aus. Auch in der Haarpflege sieht es anders aus. Also kommt ein bisschen drauf an. Aber bei uns ist es grundsätzlich so, dass wir ganz bewusst darauf achten, dass alles, was Eigenmarke ist, dass das auch von einem separaten Team bearbeitet wird. Also auch bei uns in den Ressorts ist es so, dass Eigenmarken ein eigenes Ressort ist und eben nicht am Einkauf hängt. Das ist bei manchen Einzelhändlern anders. Und es ist auch wirklich so, dass wenn wir als Marketing und Beschaffung mit der Markenartikelindustrie sprechen, verhandeln, die Informationen fließen im Unternehmen nicht weiter ans Eigenmarkenressort, weil wir sonst jegliche Glaubwürdigkeit verlieren würden. Und unser Ziel als DERM Drogeriemarkt ist es ja auch, nicht so viel Eigenmarke wie möglich zu verkaufen. sondern Sortimente anzubieten, die für den Kunden höchst relevant sind. Und da kommt es eben darauf an, die richtigen Sortimente zu haben. Und wenn das eine Eigenmarke ist, dann ist es gut. Und wenn die Eigenmarke sich nicht bewährt, dann muss die genauso Platz machen für erfolgreichere Konzepte wie jeder andere Artikel auch. Also wir müssen wirklich schauen, dass wir immer vom Kunden aus denken und nicht anfangen plötzlich aus einer Innensicht heraus versuchen, gewisse Sachen zu dominieren. Das wird vielleicht ein Weilchen gut gehen, aber langfristig ist es mit Sicherheit kein Erfolgskonzept.

Joel Kaczmarek: Ich muss ja lernen, man darf ja nicht immer von sich selbst als Kunde ausgehen. Ich bin so ein Kandidat, Codecheck-App rausholen, alle Deos oder Zahnpasten irgendwie einmal durchchecken, sind da die Stoffe drin, die mir gefallen und so weiter. Aber ich habe mir sagen lassen, dass viele Drogerieartikel eigentlich eher in die Richtung gehen, entweder Markenaffinität, man geht rein, Deo, Nivea, danke, meins. Oder man guckt, lässt sich inspirieren und das ist sozusagen auch so ein sehr hochfrequentes, niedrigschwelliges Produkt. Also ich stelle mir gar nicht so trivial vor. Startups war eben so ein Thema. Wonach entscheidet denn die EM, welche Startups eigentlich ins Angebot kommen und wann sie das Angebot auch wieder verlassen müssen? Also was ist so der Algorithmus sozusagen oder der Prozess dafür?

Christoph Werner: Zunächst mal ist es eine Frage des Zutrauens, welches man hat, wie bei jeder Listungsentscheidung. Also gerade im stationären Handel ist es ja so, dass jedes Mal, wenn wir ein neues Produkt anbieten wollen, unseren Kunden, dann müssen wir ein anderes dafür rausnehmen. Da sind wir wieder beim Verzichten. Auf was möchte ich verzichten, um was anbieten zu können, was im Profil hoffentlich schärft. Und das ist also zunächst mal eine Frage des Zutrauens, welches man hat. Und da gibt es keinen Algorithmus dafür. Das ist eine Frage von Gespür, was man einfach entwickeln muss und von Professionalität. Und das zeichnet eben auch einen guten Einkäufer aus. Also es ist nicht nur die Frage des Verhandlungsgeschicks, sondern es ist wirklich auch die Frage der Fantasie, wie man ein Sortiment weiterentwickelt. Und wenn es dann erst mal gelistet ist, der Artikel, dann sieht man auch, wie es sich abverkauft. Das heißt, dann hat man auch die ganzen betriebswirtschaftlichen Kennzahlen. Über unsere Kundenkarte können wir dann auch sehen, inwiefern Wiederkaufsraten da sind, wie die Loyalität ist, ob es Exklusivkaufraten, die hoch sind oder ob die niedrig sind. Also mit anderen Worten, ob es uns in unserer Sortimentskompetenz wirklich stärkt. Und dann bleibt es im Sortiment oder es muss dann wieder Platz machen für was anderes. Aber ich sage bei uns immer, wir listen eigentlich nicht aus. Wir listen immer nur ein und realokieren dann den Platz und dafür müssen andere Artikel weichen. Jetzt kann man natürlich sagen, ja, das ist alles Wortklauberei, ist doch egal, der Artikel fliegt trotzdem raus, um das trivial zu sagen. Aber es ist eine Frage der Haltung und der Perspektive, die ich habe. Wir müssen, glaube ich, schauen, dass wir immer Sachen für was machen und nie gegen. Deswegen taktische Auslistungen, also nur um Verhandlungsdruck aufzubauen. Das geht am Kunden vorbei und das ist sehr, sehr gefährlich.

Joel Kaczmarek: Ich finde es insofern ja interessant, als dass ich mich erinnere, ich hatte Frank Thelen zum Gespräch da und er erzählte mir dann auch, ich weiß gar nicht, ob On-Tape oder Off-Tape, dass es im LEH halt mittlerweile ein richtiger Krieg ist. Also Regalmeter ist da richtig hart gehandelte Ware. 6.000, 7.000 Euro muss man teilweise erst mal zahlen, sozusagen Garantiesum, um reinzukommen. Der Druckpegel ist schon sehr, sehr hoch, den sich gerade junge Unternehmen gar nicht leisten können und denen sozusagen auf diesem Wege dieses Phänomen verwehrt bleibt. Und jetzt ist so ein DM irgendwie aber ganz präsent mit so Sachen wie Einhorn-Kondome oder Amorelie-Kooperationen. Die sind vielleicht schon ein bisschen weiter, gerade so Amorelie, Pro701-Beteiligung, fair. Aber in der Art gibt es ja ganz viele Sachen. Darum staune ich, dass es sozusagen da so eine Bereitschaft gab. War das so eine Entscheidung, dass man irgendwann gesagt hat, okay, wir wollen uns jetzt mal relativ radikal-innovativen Konzepten öffnen?

Christoph Werner: Du hast jetzt gerade die Listungsgebühren angesprochen und das ist ja wirklich total schizophren. Nämlich auf der einen Seite möchte man als Händler möglichst aktuell und attraktiv in seinem Sortiment sein, baut allerdings dann Hürden auf, die es gerade innovativen Konzepten sehr schwer macht, reinzukommen. Und deswegen haben wir bei dem Drogeriemarken schon lange entschieden, keine Listungsgebühren mehr zu verlangen. Sondern es gibt eigentlich nur noch Trennungsgelder, wie wir sagen. Das heißt, wenn wir einen Artikel einlisten und dieser Artikel verkauft sich dann nicht ab und es gibt dann bessere Alternativen, die den Platz danach belegen sollen, dass man dann schon am Anfang darüber spricht, wie man sich wieder trennt voneinander. Also was passiert mit der Ware, die im Verteilzentrum zum Beispiel ist oder die in den Läden sind und dann ja die Regalmeter noch blockieren und wenn sie sich nicht abverkaufen, kann ja der Neue auch nicht nachkommen. Also dass man sich schon darüber spricht und auch die Frage, wie da dann die Kosten getragen werden, aber dass man das nicht als Hürde davor macht, damit man überhaupt mal wahrnehmen kann, ob ein Artikel sich abverkauft. Das ist der Grundsatz, den wir schon lange haben. Und dann kommt jetzt natürlich gerade bei kleinen Marken noch die Herausforderung dazu, dass wenn jetzt ein Unternehmen wie DM Drogeriemarkt mit so vielen Verkaufsstellen, wie wir haben, so vielen DM-Märkten und in der Erstbestückung dann schon unheimliche Mengen ziehen, dann ist das für ein kleines Unternehmen eine Riesenherausforderung natürlich. Die Produkte müssen ja produziert werden und wenn sich das dann nicht rechnet, dann haben sie eine Produktkapazität, die am Schluss dann überhaupt nicht ausgelastet wird. Also da ist es auch wichtig, dass wir ein bisschen kreativer dran gehen und fragen, wie gehen wir jetzt vor? Muss das denn gleich in alle Märkte oder fangen wir vielleicht erst mal online an oder gehen wir mal in Bestellmärkte? bestimmte DM-Märkte, die nach gewissen Kriterien ausgewählt werden, also je nachdem, wo sie jetzt sind oder was da für Kunden einkaufen, um da einfach Erfahrung zu sammeln. Und ich glaube, das ist auch der Weg, den wir gehen. Und es ist organisatorisch eine riesen Herausforderung, dass wir da einfach ein bisschen beweglicher werden, weil das bedeutet experimentieren. Und experimentieren heißt eben nicht alles nach Standard. Und gerade der filialisierte Einzelhandel ist ja groß geworden durch das Prinzip der Standardisierung, also niedrige Prozesskosten. Günstige Einkaufspreise, niedrige Prozesskosten. Aber niedrige Prozesskosten bedeutet gut eingespielte Routinen. Und gut eingespielte Routinen heißt, bitte nicht anders machen, das heißt, bitte nicht experimentieren. Und insofern ist das schon auch eine Transformation in der Herangehensweise, die wir im Moment erleben. Und da tun sich ja viele große Unternehmen unheimlich schwer. Da sprechen wir von Digitalisierung und Disruption und so weiter. Aber das ist so der Hintergrund.

Joel Kaczmarek: Ja, du merkst ja, glaube ich, ich will so ein bisschen am Anfang mal verstehen, wie ihr so bestückt, wie ihr funktioniert, wie ihr operativ arbeitet, damit wir dann, also A, können, glaube ich, viele Startups da ganz viel lernen, die mit euch was tun wollen. und B, Digitalisierung ist ja so das Kernthema, was wir heute haben. Zwei Fragen hätte ich noch zu dem ganzen Thema. Das erste ist, du hast es auch schon angedeutet oder eigentlich gesagt, dass diese Prozesse im Hintergrund, die man nicht sieht, die aber ganz viel ausmachen, man sieht sie erst, wenn sie nicht funktionieren in der Regel, dass die dir sozusagen sehr viel Aufmerksamkeit abverlangen. Wie habt ihr denn so Sachen wie Logistik organisiert? Wie sind denn eure Operations, eure Prozesse aufgesetzt? Habt ihr da so bestimmte Standardmuster?

Christoph Werner: Wir haben das Ressort Logistik natürlich, die sich darum kümmert, welches auch unsere Verteilzentren betreibt. Und die sind permanent dabei zu schauen, wie die Logistikströme am besten organisiert werden müssen. Und da ist es so, dass nicht jeder Artikel gleich behandelt werden sollte. Also beispielsweise macht einen Unterschied, ob ich einen Kajal habe, also aus der dekorativen Kosmetik, oder ob ich ein Paket mit Toilettenpapier habe. Also allein mal schon vom Volumen und auch vom Stückertrag, den der einzelne Artikel hat. Das heißt, so ein Toilettenpapier, was sehr, sehr scharf kalkuliert ist und sehr, sehr viel Volumen braucht, das heißt, eine Logistik relativ teuer ist, muss anders behandelt werden als ein relativ kleiner Artikel, der in einer anderen preislichen Positionierung ist und deswegen auch vom Warenbestand natürlich eine ganz andere Finanzierung braucht. Das heißt, man braucht unterschiedliche logistische Prozesse. Also zum Beispiel Toilettenpapier über ein Zentrallager in Deutschland abzuwickeln, macht keinen Sinn. Wenn du dir schon überlegst, wie viele Packungen in einen LKW einpassen. Aber ein Kajal über ein zentrales Lager für Gesamtdeutschland abzuwickeln, das macht wiederum Sinn. Das heißt, da muss eine ganze Menge Expertise rein in der Bewertung, welcher Artikel muss wie behandelt werden. Und das macht unsere Logistik. Und dann noch die Frage, wie die einzelnen Lager eben funktionieren. Was ist der Technisierungsgrad? Da sind wir im Moment ja auch am Bauen eines neuen Lagers in Wustermark vor den Toren Berlins, in welchem wir einen ganz hohen Technisierungsgrad dann einführen wollen, weil wir uns auch fragen, wie wir flexibler werden können in der Sortimentspolitik. Und da müssen wir halt einfach zusammenarbeiten und wirklich auch nach vorne denken und uns fragen, gerade in der heutigen Zeit, wie müssen wir uns aufstellen, damit wir bei der Volatilität, die wir sehen im Markt, schnell reagieren können. Und wiederum, das ist eine riesen Herausforderung für vieler dieser Unternehmen, weil es eben niedrige Prozesskosten eigentlich unmöglich machen, dass man flexibel ist.

Joel Kaczmarek: Die zweite Frage, die ich noch habe, ist wahrscheinlich relativ banal zu beantworten, aber wenn man durch so einen DM-Markt geht und den mal mit einem Rossmann zum Beispiel vergleicht, dann fallen so ein paar Sachen auf. Das erste ist, es gibt gar keine Aktionsware. Also so diese Geschichten mit, ich kaufe mal einen Föhn oder irgendwie, da ist jetzt ein Fußbad irgendwie im Angebot, ist das erste, was fehlt. Dann so Schreibwaren, Multimedia, Spielsachen habe ich das Gefühl, ist auch eher irgendwie klein. Dafür ist relativ viel, was so auf Familie ausgerichtet ist. Also ich kriege es ja selber mit, ich habe ja zwei Kinder, dann hat man irgendwie immer diese Babyclubs, in denen man da drin ist, kriegt dann irgendwelche Geschenke zu gewissen Milestones. Es gibt ganz viele Babykleidungen. Dann zweiter Bereich, der hochgefahren wurde, gefühlt für mich war so Kosmetik. Also ich sehe auf einmal so ganz stylische, sieht fast aus wie so Maybelline New York mäßig, ganze Abteilungen, die bei den Amps hochgezogen werden. Ja. Ist das alles Sortimentspolitik? Also steckt da ganz viel Kalkül hinter, wenn ja, welches?

Christoph Werner: Wir bei der M-Drogerie-Markt stehen auf dem Standpunkt, dass wir schauen müssen, dass wir nicht so sehr in die Sortimentsbreite gehen, sondern vor allem in die Sortimentstiefe. Das heißt, nicht so viele unterschiedliche Kategorien, aber die Kategorien, die wir haben, die möglichst kompetent. Das heißt, mit einer Auswahl, die dem Kunden ermöglicht, hoffentlich das Produkt zu finden, welches seinen Bedürfnissen am besten entspricht und dem auch dann eine entsprechende Inszenierung zu geben. Deswegen ist es beispielsweise so, dass wenn man sich die dekorative Kosmetik anguckt, also alles, was Make-up ist, Lippenstifte und Nagellacke und was es da so alles Schönes gibt, da haben wir ein wesentlich tieferes Sortiment als manch anderer und entsprechend auch eine Marktbedeutung. Aber Marktbedeutung von heute, Marktanteile von heute sind die Früchte unserer Saaten von gestern. Das heißt, wir müssen natürlich auch permanent dranbleiben und uns überlegen, was sind die richtigen Marken. Gerade auch in einem Umfeld, was sich eben so dynamisiert durch die vielen Startups, die sogenannten Indie-Brands, die jetzt kommen. Da müssen wir nah am Kunden bleiben. Also zunächst die Frage, was macht einen Drogeriemarkt aus? Bei dem Drogeriemarkt, sagen wir, sind die Kategorien Schönheit, Haushalt, Baby und Gesundheit. Und dann haben wir auch noch das ganze Thema Foto, wobei Foto durch die Digitalisierung sich auch enorm weiterentwickelt hat zu der Zeit, an die sich vielleicht viele der Podcast-Hörer schon gar nicht mehr so erinnern können, als man noch seine analogen Filme, Filmrollen gekauft hat, die man dann abgegeben hat und dann ein paar Tage oder Wochen, je nachdem, wo man das gemacht hat, dann die Bilder wiederbekommen hat. Das sind also die Kategorien, die wir haben. So, und jetzt geht es darum, die richtigen Artikel dann da eben jeweils zu finden.

Joel Kaczmarek: Gut, da haben wir jetzt ja die Grundlagen gelegt. Du hast ja selber gerade ganz schön gesagt, die Samen sind gesät, die Früchte werden eingezogen. Jetzt kommt ja sozusagen die nächste Saatperiode, Digitalisierung. Vielleicht fangen wir mal ganz grundsätzlich an, weil ich glaube aus eurer Brille, was ich so gemerkt habe im Einzelhandel, kann man Digitalisierung aus ganz vielen Ebenen sehen. Was betrachtest du denn für dich als Digitalkompetenz und wie würdest du euch dort aufgestellt sehen?

Christoph Werner: Ich glaube, das Entscheidende ist, dass wir spüren, was die Bedürfnisse des Kunden sind und wie die sich verändern. Und dass wir die Technologien, die es gibt, auch dafür einsetzen, um uns selbst weiterentwickeln zu können. Also wenn wir schauen, das Phänomen der Digitalisierung ist ja eigentlich vor allem Phänomen der Dematerialisierung, die wir sehen können. welches enorme Auswirkungen hat auf die Frage, wie Skalierbarkeit zum Beispiel funktioniert, wie sich Menschen informieren können, wie wir mit Informationen umgehen. Und da müssen wir uns permanent natürlich anstrengen, weil das bedeutet, wir müssen unsere Prozesse verändern, unsere Routinen verändern. Und es fällt letzten Endes darauf zurück, was ein Unternehmen in den Mittelpunkt stellt und welche Perspektive es einnimmt. Was ich oft beobachte in den Gesprächen ist, dass sehr, sehr viel über Größe gesprochen wird, dass über Wachstum gesprochen wird. Also eingangs hast du ja auch die Zahlen von dm so ein bisschen genannt. Das sind ja eigentlich alles Quantitäten. Das ist alles Größe. Aber es ist ja alles Gewordenes. Jetzt ist die Frage, was ist denn eigentlich das Geheimnis dahinter? Ich glaube, wir bei dm glauben, dass es vor allem eine Frage der Stärke ist. Stärke führt zu Größe. Aber was führt zu Stärke? Das ist die große Frage. Und was zu Stärke führt, ist die Veränderungsfähigkeit. Das heißt, die Fähigkeit, immer wieder sich zu verändern, ob man sich jetzt mal gleich ganz neu erfinden muss, sei mal dahingestellt, aber sich immer wieder zu verändern. Und wenn man sich die Frage stellt, wie kann es uns gelingen, dass wir veränderungsfähig bleiben, dann müssen wir eigentlich dahin kommen, dass man auf die Frage kommt der Lernfähigkeit und Lernwilligkeit. Also wenn ich lernen kann und lernen möchte, dann bin ich bereit, mich zu verändern. Und jetzt die Frage, was führt es dazu, dass ein Mensch bereit ist, Vertrautes aufzugeben, um was Neues zu lernen. Jeder Lernprozess beginnt mit einer narzisstischen Kränkung. Das ist nicht so einfach auszuhalten. Und das ist, wenn ich einen Sinn in der Sache sehe.

Joel Kaczmarek: Du hast den Begriff Digitalisierung quasi auf so eine metaphysische Ebene rum, dass du gesagt hast, für dich ist Digitalisierung Anpassungsfähigkeit und der Wille, sich zu verändern, am Kunden auszurichten. Wenn man jetzt ein bisschen blasphemisch fragt, Müsste ich ja eigentlich dir irgendwie anraten, ob man dann nicht sehr, sehr viele Filialen wahrscheinlich zumachen müsste oder den Aufbau neuer sozusagen entschleunigen und dafür darüber nachdenken, wie man denn die Waren, nicht mehr das Klopapier per LKW in die Filiale kriegt, sondern im Prinzip per Mini-Wagon irgendwie zum Endkunden der Online bestellt.

Christoph Werner: Das ist interessant. Warum würdest du diese These aufstellen?

Joel Kaczmarek: Jetzt drehst du dir den Spieß um, das gefällt mir aber. Endlich mal einer. Unterschiedliche Tendenzen, glaube ich, die da zusammenkommen. Also A, sieht man ja die Innenstädte nebenab, was Frequenzen angeht. Das ist ja erstmal für jemanden wie euch ein potenzieller Todbringer oder zumindest ein Schmerzpunkt. Zweiter Faktor, ich bin im Prinzip durch die bestehende Handelslandschaft dazu erzogen worden, dass ich Sachen kostenlos nach Hause geschickt bekomme. Dritter Faktor, drehen wir das mal sozusagen um. Hast du zuwärts die Analyse gelesen zu Rossmann von Kassenzone, von dem Alexander Graf?

Christoph Werner: Ist mir jetzt so nicht bekannt. Nein? Was stand da drin?

Joel Kaczmarek: Der hat im Prinzip gesagt, dass bisher sind ja klassische Drogeristen hingegangen und gesagt, Moment, Online-Umsätze sind für uns nicht relevant, da A, das Thema Online bei Beauty- und Drogerieprodukten bisher keine große Abdeckung hat und B, margenseitig und prozessseitig es eigentlich nicht abbildbar ist, bei kleinen Warenkörben Sachen zum Endkunden zu schicken. Und ich glaube, der Punkt, und das ist dann sozusagen die nächste Ebene, löst sich auch auf, zumal man einerseits Leute hat wie in Amazon, wo ich die relativ gut schätzen kann, was die mittlerweile an Umsatz machen mit Drogerieartikeln, der ist substanziell. Oder man hat Leute, die das sozusagen frequenzseitig einfach mit reinstreuen. Also Beispiel Zalando nimmt seine Customer Base und packt in die Pakete zusätzlich zu den Schuhen und dem Top noch irgendwie ein Deo und eine Creme rein. Also es sind ja erstmal Player, die man an eurer Stelle gar nicht auf dem Schirm hat. Und wenn ich so diese ganzen Entwicklungen zusammennehme, müsste für mich eigentlich die Logik sein, dass ihr relativ brachial, und da kommen wir jetzt wieder auf den Alex Graf Artikel zurück, der gesagt hat, es gibt jetzt zwei Hypothesen. Hypothese 1, du glaubst daran, dass ein Drogeriegeschäft im Online-Segment funktionieren kann und dass du es genonline transferierst. Hypothese 2, du glaubst daran, dass Drogerie nicht online funktioniert und dann musst du dir überlegen, was anderes zu bauen, dass du deine derzeitige Stärkeposition so nutzen kannst, dass du etwas komplett anderes aufbaust. Also im Prinzip Altgeschäft digitalisieren versus Neugeschäft aufbauen. Wenn ich jetzt diese ganzen Tendenzen mal zusammenwerfe, wäre meine These, dass DM relativ radikal anfangen müsste, nicht mehr marktgetrieben zu denken, sondern online getrieben.

Christoph Werner: Also habe ich die richtig verstanden, dass du sagst, wenn du die Entscheidungen treffen könntest, dann würdest du Filialen einfach schließen?

Joel Kaczmarek: Jetzt machst du mir hier sozusagen die Mitarbeiter-Entlassungswelle, schneidest du mir ans Bein?

Christoph Werner: Nein, überhaupt nicht. Das Geschäftsmodell interessiert mich.

Joel Kaczmarek: Tendenziell würde ich darüber nachdenken, ob ich sie noch brauche, wenn ich meinen Endkunden über den digitalen Kanal erreichen will. Die Antwort kann ja ja lauten. Also ich habe es zum Beispiel ausprobiert bei Müller. Wenn ich mir auf der Müller-Webseite, die haben sehr gute Naturkosmetikprodukte bei sich im Angebot. Wenn ich mir da meine Speikseife bestelle, wird die mir in so eine Müller-Filiale geschickt. Das finde ich unglaublich anachronistisch. Aber man könnte darüber nachdenken, ob so ein Filialnetz an der Front eine Stärke hat, dass man im Prinzip zum Beispiel über Konzepte nachdenkt, wo man eine Filiale als Abholort nutzt.

Christoph Werner: Also du bist offensichtlich kein klassischer Müller-Kunde, ne? Ja, sonst hättest du jetzt nicht gesagt, es wäre anachronistisch. Also ich kenne die Argumente. Also ich kann das auch gut nachvollziehen. Ich glaube allerdings, was unterschätzt wird, ist, dass wenn Sie verantwortlich sind in einem Unternehmen, in einem bestehenden Unternehmen oder in einem Unternehmen tätig sind, dann hat es ja ein Geschäftsmodell, was funktioniert zunächst mal. Es ist richtig, dass die Dinge sich verändern. Und da sind wir wieder bei Veränderungsfähigkeit. Die Frage ist, wie muss ich das weiter verändern? In der Diskussion beobachte ich oft, das ist ein interessanter Gesichtspunkt, aber ich finde es bemerkenswert, dass oft so im Alles-oder-nichts-Modus gedacht wird. Also jetzt kommt die Digitalisierung und deswegen sollten jetzt die Filialen möglichst zurückgefahren werden und online sofort hochgefahren werden. Also so nach dem Motto, Schalter war auf links und jetzt nehmen wir ihn mal auf rechts. Ich glaube, dass die große Herausforderung im Gestalten von Unternehmensprozessen oder überhaupt, wenn man als Unternehmen an einem Markt ist, ist eben die Übergänge zu managen. Also Sie sind im Prinzip wie ein DJ und müssen jetzt die Übergänge von dem ersten Lied auf das zweite Lied hinkriegen. Und zwar so, dass die Tanzfläche sich nicht leert. Und deswegen, man kann ja zugucken, wie die das machen, wie die da stehen mit ihrem Hörer so auf einem und so, ne? Und da versuchen da die Beats per Minute zu synchronisieren und so weiter. Das ist genau die Aufgabe. Das heißt, es wäre verrückt, wenn der DJ einfach von dem ersten Lied auf das zweite geht und davor das nicht synchronisiert hat. Das heißt, die Aufgabe heute ist, die Übergänge zu managen. Und wenn sie die Übergänge managen, dann müssen sie aufpassen, dass sie zum richtigen Zeitpunkt das Richtige machen. Nämlich, wenn sie zu spät kommen, haben sie verloren, wenn sie zu früh kommen, haben sie aber auch verloren. Das heißt, genau den richtigen Moment zu erwischen, das ist die Herausforderung. Und jetzt ist es natürlich wichtig, auf der einen Seite zu gucken, was da kommt, also die Digitalisierung, und dort auch zu experimentieren, nämlich wie die Digitalisierung jetzt, wenn wir sagen, wenn wir Digitalisierung jetzt mal mit Onlinehandel gleichsetzen, kann doch keiner heute sagen, was genau wie online gekauft werden wird. Du hast einen skeptischen Blick jetzt. Aber die Frage ist, welchen Maßstab legen wir denn an? Also wir haben heute schon viele Akteure natürlich im digitalen Bereich. Nur betriebswirtschaftlich bewährt haben die sich noch nicht, weil die andere Finanzierungsmodelle haben. Die Finanzierungsmodelle der bestehenden Unternehmen ist vor allem aus dem Cashflow das zu machen. Die Finanzierungsmodelle der Newcomer ist es über Finanzierungsrunden das zu machen. Und das macht einen großen Unterschied. Nämlich wenn sie es über den Cashflow machen, dann muss das Geld kommen von den Kunden, die bereit sind, die Leistung abzunehmen, die wir heute generieren. Wenn ich es aus der Finanzierung mache, dann kommt das Geld von Investoren, die eine Vorstellung von der Zukunft haben, aber die Investoren sind nicht diejenigen, die meine Leistung mehr abnehmen. Das macht einen riesigen Unterschied.

Joel Kaczmarek: Ja, aber die Zielsetzung ist ja ähnlich. Mal vorneweg, ich rede ja hier mit der Hybris des Internet-Fuzzis. Uns ist ja so eine gewisse Arroganz zu eigen.

Christoph Werner: Ja, nicht mit der Hybris, ich würde mal sagen mit der Nonchalance.

Joel Kaczmarek: Ja, charmante Gesichtswahrung mir erlaubt. Das mal unbenommen. Aber ich gebe dir ganz recht, das ist eine Timing-Frage. Der Schmerz beim Internet ist ja immer nur, meine Hypothese ist, der Druck, der Schmerzpunkt im Drogerie-Beauty-Segment, der ist noch nicht spürbar genug. Das ist ja so ein bisschen, wir haben ja diesen Amazon Report entwickelt, Amazon Watch, habe ich dir auch schon mal grob gezeigt, den haben wir jetzt auch gerade veröffentlicht. Da haben wir ja so ein bisschen den Blick gewonnen, dass so ein Amazon, mal als ein Beispiel für so einen Online-Akteur, beileibe nicht erschöpfend, aber als einer, eigentlich so ein Stück weit hingeht, nach einem bestimmten Schema F vorgeht und das ganze Schlumpfhausen sich nimmt. Erst fängt das Haus mit den Büchern anzubrennen, dann fängt irgendwie das Haus mit der Elektronik anzubrennen. Und wenn ich mir die Zahlen so angucke, wenn ich mich richtig entsinne, hat Amazon, wir haben so eine 1-10-Skala aufgemacht, was Dominanz angeht, hat Amazon bei Beauty eine 4. 4 von 10? 4 von 10. Das ist jetzt noch nicht verrückt. Das ist eigentlich noch so, also da kann man noch was drehen, würde ich sagen. Das ist ein Segment, wo man noch Chancen hat, aber es kippt ja irgendwann sehr, sehr schnell. Das heißt, der Tipping Point, der manchmal wie so eine Exponentialkurve kommt, der sehr, sehr spät. Und wenn ich jetzt mir den Umsatz angucke, also ich würde schätzen, wenn ich mir das Q1 von Amazon angucke und die Umsatzzahlen, dass Amazon ungefähr eine gute Milliarde Umsatz macht mit Beauty-Produkten über seine Plattformen.

Christoph Werner: Da lese ich in der Lebensmittelzeitung heute oder gestern in den Schlagzeilen allerdings was anderes.

Joel Kaczmarek: Ja, dann hat die vielleicht nicht so gute Zahlen wie ich.

Christoph Werner: Ach, das ist halt die Frage. Wer hat die besseren Zahlen? Also ich möchte dir nicht unterstellen, dass du die falschen Zahlen hast. Für dich ist es interessant. Für uns ist eine Frage, worauf setzen wir? Und da müssen wir sehr, sehr vorsichtig sein, dass wir nicht plötzlich einer Sache hinterherlaufen, die vielleicht noch nicht so weit ist, dass es in die Richtung gehen kann, keine Frage. Nur, Veränderungen brauchen länger als man denkt, aber wenn sie kommen, kommen sie schneller als man denkt.

Joel Kaczmarek: Genau, also was ist denn das Schlimme, wenn ich jetzt schon darin investiere?

Christoph Werner: Ja, Sie können das Geld nur einmal ausgeben.

Joel Kaczmarek: Ja, aber wenn ich es früh ausgebe, bin ich dann zweifelsfrei besser aufgestellt, weil ich eine längere Lernperiode habe.

Christoph Werner: Kommt drauf an. Also wenn ich, so habe ich gelesen damals, ich gehe mal davon aus, dass es gestimmt hat, Neckermann, die sind ja vom Markt verschwunden. Und Neckermann hat ganz am Schluss, als es dann schon ziemlich schwierig war, die ganzen Kataloge eingestellt und hat ganz auf online gesetzt. Und damit war es schlagartig vom Markt weg. Warum? Weil die Kundschaft, die Neckermann damals noch hatte, hat eben den Katalog gewollt. Das heißt, die haben den Cashflow generiert. Und wenn ich diese Menschen vernachlässige, dann ist die Frage, wo kommt denn das Cash her?

Joel Kaczmarek: Okay, verstanden. Also Digitalisierung ist kein Selbstzweck, sondern man muss das schon mit einer gewissen Zweckhaftigkeit tun.

Christoph Werner: Also ich würde mal so sagen, es geht immer darum, für den Kunden relevant zu bleiben. Und ob ich das jetzt online mache oder offline mache, kommt darauf an, was der Kunde gerne möchte. Und die Kunden sind nun mal sehr, sehr vielfältig.

Joel Kaczmarek: Gut, aber dann lass uns doch mal die Gleise wieder zusammenführen. Wenn du sagst, es ist eine DJ-Aufgabe und Timing ist alles, Was glaubst du? Hört ein Lied gerade auf und das nächste fängt an? Oder ist das Lied noch mitten am Spielen? Wie siehst du das?

Christoph Werner: Na gut. Als DJ hätten wir jetzt ein Stück, wo wir nicht wissen, wann es zu Ende ist. Das ist genau die Herausforderung. Das heißt, letzten Endes, wenn man es mal betriebswirtschaftlich anguckt, ist es ja so, dass wenn wir die Hypothese haben, die durchaus berechtigt ist, aber es ist trotzdem eine Hypothese, dürfen wir nicht vergessen, bei aller Begeisterung, dass online wirklich große Bedeutung bekommen wird. Und der Markt wird nur begrenzt wachsen. Also insofern wird es ein Shift sein vom stationären zum online. Dann wird es ja so sein, dass man im stationären Geschäft weniger Geld verdient. Und im online Geschäft wird man dann Geld verdienen, wenn eine gewisse Skalierung möglich ist, damit die ganzen fixen Kosten auch verdient werden können. So, und jetzt ist die Frage, diese Kurve, die abnimmt aus dem Stationären, hat als Gegenbewegung die Kurve, die aus dem Online kommt.

Joel Kaczmarek: Aber halten wir uns mal fest, du sagst, der stationäre Handel wird eine Kurve nach unten nehmen. Also bist du sozusagen dir schon bewusst?

Christoph Werner: Ja, auf jeden Fall, auf jeden Fall. So, jetzt ist aber die Frage natürlich, wie kann es mir gelingen, im Sinne des DJs, dass der Übergang so ist, dass das stationäre Geschäft noch lange genug die Deckungsbeträge erwirtschaftet, die ich brauche, um mein Geschäft weiterzuentwickeln. Und auch die betriebswirtschaftliche Voraussetzung genommen, dass die ganzen Menschen, die im Unternehmen arbeiten, auch ihre Entgeltabrechnung am Ende des Monats bekommen. Und dann geht es doch letzten Endes darum, dass ich eben gerade auch die Kurve, den Bereich des stationären Geschäftes, nicht vorschnell abbaue, wenn das andere noch nicht zündet. Weil sonst sind Sie wie jemand am Trapez, der das eine schon losgelassen hat, aber das andere ist noch nicht da. Und dann fliegen Sie unten, wenn Sie Glück haben, ins Netz.

Joel Kaczmarek: Gut, ich meine, wir können ja mal. die Prämisse, dass man offline sozusagen im gleichen Tempo abbauen muss, wie man online aufbauen muss, können wir ja mal außen vor lassen. Fragen wir es mal andersrum. Wann ist denn ein Zeitpunkt gegeben, wo du sagen würdest, ihr werdet bereit, Geld aus der Ladenstruktur abzuziehen oder was tendenziell für die Ladenstruktur vorgesehen ist, zum Ausbau und das in online zu investieren?

Christoph Werner: Das machen wir ja heute schon. Die ganze Infrastruktur hintendran. Es ist ja nicht so, dass ich einfach nur einen Online-Shop online stelle und dann funktioniert es. Sondern es muss ja so sein, dass es skaliert werden kann. Und gerade auch die Diskussion, wie kann es denn gelingen, dass die Produkte, die angeboten werden, auch wirklich von der Qualität sind, dass der Kunde sich darauf verlassen kann. Das ist ja das Riesenthema für Plattformen auch, die eben keine Sortimentsfunktion mehr übernehmen wollen. Und dann bestellst du irgendwas und dann ist das überhaupt nicht verkehrsfähig. Das sind ja alles Dinge, die gemacht werden müssen im Hintergrund und das muss alles funktionieren, dass auch die Deklarationen richtig sind. Das ist eine Infrastruktur, das kriegt man am Frontend überhaupt nicht mit, aber das ist Backend und zwar richtig dicke. Oder dass auch die ganzen Bezahlprozesse funktionieren und dass die Rechnungen auch bezahlt werden. Und dass die Ware auch gut ankommt und nicht kaputt. Also der Teufel steckt im Detail. Das kriegt man als Konsument zum Glück so nicht mit.

Joel Kaczmarek: Du hast ja vollkommen recht. Das haben wir auch so eingangs ein bisschen angedeutet. Also wenn ich mich auch mit so einem Rewe unterhalte oder so, die denken ja Digitalisierung gar nicht nur im Sinne von Online-Handel. Also das ist ja so das letzte Schwanzstück sozusagen dessen. Sondern da geht es ja ganz viel auch um die Fläche. Wie kriege ich die digitalisiert? Da geht es um die Prozesse im Hintergrund. Aber lerne ich dann so ein Stück weit daraus, dass ihr eure Digitalisierung vorantreibt. Man merkt es nachher auch.

Christoph Werner: Ich weiß jetzt nicht, was du erwarten würdest, damit du es merkst. Vielleicht kannst du das mal umreißen, dann kann ich da besser drauf antworten.

Joel Kaczmarek: Erwarten würde ich, dass ihr diese unfassbare Markenpower, die ihr habt, also in dm.de, wahrscheinlich alleine durch Type-in-Traffic habt ihr da so viel Verkehr auf der Seite, wie andere sich wünschen würden nach zwei Jahren mit irgendwie teuren SEM-Maßnahmen. Erwarten würde ich, dass ihr sowas sozusagen weiter forciert, dass ihr über Modelle nachdenkt, Wenn man zum Beispiel sagt, okay, die niedrigen Margen, die hohen Logistikkosten erlauben nicht, den Kajal zum Kunden zu schicken, dass man über Abo-Ansätze nachdenkt, dass man Erweiterungen nachdenkt, dass man irgendwie überlegt, wie online. Weil wenn ich zum Beispiel Sortimentskompetenz als euer Kernthema nehme, das ist ja online völlig auf den Kopf gestellt, wenn der Shelf-Space auf einmal unendlich wird. Das heißt, da sozusagen mit Sachen zu experimentieren, schon jetzt die Fehler zu machen, das wäre so meine Meinung.

Christoph Werner: Ja, klar, das machen wir ja. Das machen wir ja. Aber daran sieht man ja, du bist also offensichtlich nicht so ein Kunde so im Detail wie manch anderer. Das ist auch klar. Du bist ein Mann. Wenn du eine Dame wärst und online auch in dem Bereich suchen würdest, würdest du vielleicht manche Dinge auch schon sehen. Aber was ich noch gerne sagen würde, ist so die Meinung, naja, online kann ich alles anbieten. Also sozusagen Longtail überhaupt kein Problem. Naja, also ich muss es auch verlässlich anbieten können. Das heißt, ich brauche schon eine Lager-, eine Logistik-Infrastruktur hintendran. Gerade wenn ich sage, ich möchte auch Qualitätsstandards haben und möchte das nicht nur so als Plattform machen, wo die Waren irgendwie dann durch Deutschland geschickt werden, mit vielen unterschiedlichen Paketen auch ankommen, wird man ja auch sehen, wie sich das langfristig sortieren wird. So ganz unendlich ist es auch nicht. Und selbst dann, wenn ich sagen würde, ich würde sehr, sehr viel mehr Artikel anbieten als wir heute. Also wenn ich mich verabschieden würde von dem Prinzip, es geht nicht darum, so viele Artikel wie möglich, sondern die richtigen Artikel anzubieten, ist ja immer noch die Frage, wie kann es mir gelingen, dass der Kunde auch seine Artikel findet.

Joel Kaczmarek: Ich wollte es gerade sagen, das Pendant zur Sortimentsgestaltung online ist sicherlich die Auffindbarkeit, die Kuration. Klar, fairer Punkt. Und was ich jetzt gerade herausgehört habe, finde ich ja charmant, dass du mich da kritisierst, das finde ich mal gut, wenn man mal Feuerwerk auch kriegt, war, dass ich euer Produkt nicht gut genug kenne, was online angeht. Aber macht ihr wirklich schon signifikante Online-Umsätze? Ihr weist ja nicht mal aus. Also wenn ich eure Seite angucke, sehe ich den Umsatz und da ist kein Online-Element sozusagen abgebildet. Also meiner Wahrnehmung nach seid ihr sehr offline-ig unterwegs.

Christoph Werner: Weil wir nicht kommunizieren, wie viel Umsatz wir online machen.

Joel Kaczmarek: Ja, generell, also was ich so aus Gesprächen sozusagen mit dir erlebt habe, wenn man Interviews von euch verfolgt, wenn ich irgendwie so die einstiegige Presse, ich habe jetzt nicht mitgekriegt, dass ihr irgendwie 500 Python-Entwickler in Dortmund irgendwie aufbaut, ich habe nicht mitgekriegt, dass ihr auf

Christoph Werner: dem Event seid und so weiter. Also DM Tech, unsere Digital-Unit, das sind über 700 Menschen. Ist es viel, ist es wenig?

Joel Kaczmarek: Bei 35.000 ist es überschaubar. Also es ist deutlich größer, als ich gedacht hätte. Ich lasse mich auch gerne korrigieren. Don't get me wrong. Wie gesagt, die Hybris der Internetler.

Christoph Werner: Die Nonchalance?

Joel Kaczmarek: Ja, die Nonchalance.

Christoph Werner: Also da ist schon eine ganze Menge, aber du hast recht. Wir reden da nicht so viel drüber. Allerdings, wir sind da auch wirklich in einem Experimentiermodus. Weil nochmal, das Modell ist noch nicht geknackt in Deutschland. Auch ein Amazon, würde ich behaupten, hat das Modell noch nicht geknackt.

Joel Kaczmarek: Nee, Amazon kommt durch die Hintertür und Zalando auch. Das ist das Gemeine für euch, finde ich. Oder auch wenn der Lebensmitteleinzelhandel jetzt Modelle entwickelt, wo man irgendwie hochfrequente Produkte, die kleinmargig sind, zum Kunden bringt. Das ist ja der Schmerzpunkt für euch.

Christoph Werner: Was heißt Schmerzpunkt für uns? Konkurrenz belebt das Geschäft. Und ich finde es auch sehr, sehr spannend, natürlich genau zu beobachten, was die anderen machen, weil lernen können wir immer etwas. Aber ich würde nochmal wiederholen, das Modell ist noch nicht geknackt heute. Es geht noch darum, das Modell zu finden. Und da ist es, glaube ich, einfach opportun, wenn man nicht sich aufs Dach stellt und das laut rausbrüllt, sondern da mal ein bisschen Piano macht und auch mal ein bisschen mit einer gewissen Demo dran geht. Und deswegen sprechen wir da nicht so viel drüber, um auch beweglich zu bleiben.

Joel Kaczmarek: Also wenn ihr das wirklich so macht, das würde ja meinen starken Respekt abbringen. Das finde ich ja mal intelligent, wenn ihr es schaffen würdet.

Christoph Werner: Das ist doch mal ein Kompliment.

Joel Kaczmarek: Ja, in der Tat. Also wenn ihr es wirklich schafft, solche Online-Kompetenz aufzubauen, so im Hintergrund und keiner kriegt es so richtig mit, fände ich eine Leistung. Aber lass uns mal zuspitzen. Was sind denn deine Hypothesen zur Rolle des Online-Handels dann?

Christoph Werner: Ich würde sagen, es geht darum, dass wir als Händler relevant für unsere Kunden bleiben. Und Kunden werden Produkte anders kaufen als in der Vergangenheit. Sie werden sich anders informieren als in der Vergangenheit. Also gerade die junge Generation, die schon mit den ganzen Möglichkeiten des Internets, mit den mobilen Endgeräten aufgewachsen sind, da wird Konsum anders stattfinden. Oder Entscheidungen für Konsum wird anders stattfinden. Und das ist ja zunächst mal Information und danach ist es dann Transaktion. Und da wird sich Stationäres und Online ergänzen. Deswegen auch Omnichannel Retailing. OCR ist ja das große Schlagwort in unserer Branche. Das heißt, es wird sich ergänzen und da wird es Dinge geben, die werden vor allem online sein. und da wird es Dinge geben, die werden vor allem offline sein. Welche das sein werden, ist noch nicht ganz klar. Aber interessant ist ja auch zu beobachten, dass die Online-Pure-Player durchaus auch stationäre Ladengeschäfte aufmachen wollen. Und da könnte man sich jetzt sagen, wie kommen die denn auf die Idee, so etwas Steinzeitliches zu machen wie ein stationäres Geschäft, wenn die doch wirklich schon die Zukunft gepachtet haben. Also da scheint offensichtlich ja schon was zu sein, dass ein Mensch ja letzten Endes frei sein möchte in seinen Entscheidungen. Und es macht natürlich auch einen Unterschied, Joel, ob ich ein Kind zu Hause habe, welches Windeln braucht und mir sind die Windeln ausgegangen und die brauche ich jetzt. Und dann runtergehen kann und die Windeln kaufen kann. Oder mir ist das Toilettenpapier ausgegangen und es kommen Gäste. Und ich will das jetzt haben. Dann brauche ich aber vielleicht keine 24 Rollen. Dann brauche ich weniger. Aber die will ich jetzt haben. Und da ist mir ein stationärer Händler sehr, sehr lieb. Oder wenn ich sage, das ist etwas, was sehr, sehr vorhersehbar kommen kann, wo ein Abo-Modell Sinn macht. Abgesehen von der Frage, wie sich das Ganze rechnet und zu welchem Preis ich bereit bin, das zu menzeln. Also ein Kunde wird sich hybrid verhalten. Und als Einzelhändler muss ich mir die Frage stellen, wie kann ich mit einem Kunden, der sich künftig hybrid verhält, in ein paar Jahren wird man nicht mehr von hybriden Verhalten sprechen, dann wird man wieder von Kundenverhalten sprechen, weil das dann wieder das Normale ist. Wie wird sich das ergänzen? Online und offline. Und das könnte auch durchaus sein, dass es in der Innenstadt anders aussieht als auf dem flachen Land.

Joel Kaczmarek: Ich habe halt noch keinen Omnichannel-Ansatz gesehen, der funktioniert. Kennst du einen?

Christoph Werner: Nicht so richtig, ne? Was bedeutet funktioniert für dich? Woran machst du? funktionieren fest?

Joel Kaczmarek: Profitabilität, Wachstum, Marktrelevanz?

Christoph Werner: Kommt jetzt drauf an. Also ich könnte jetzt natürlich mich ganz frech auf den Standpunkt stellen und sagen, ein stationärer Einzelhändler, der jetzt auch noch online präsent ist und sich in Richtung OCR entwickelt, ist durchaus nicht erfolgreich, weil er schafft es durch Innenfinanzierungskraft, sich dahin zu entwickeln. Wie weit es dann gehen wird und wie sich das ausprägen wird, wird man sehen. Aber gerade für die Menschen, die sehr, sehr im Online-Bereich unterwegs sind, also so wie du und deine Kollegen, mit denen du das ja auch oft analysierst in deinen Podcasts, ihr schaut es an unter dem Blickwinkel, wie digital ist das schon? Das ist auch ein legitimer Gesichtspunkt, den man einnehmen kann. Aber jetzt als Menschen, die in einem Unternehmen arbeiten, das stationär stark ist, ist es ja nicht die Frage, wie digital sind wir schon, sondern wie nah sind wir denn am Kunden und wie gelingt es uns denn weiterhin relevant für unsere Kunden zu bleiben. Und die Realität ist halt, dass heute sehr, sehr viele Kunden stationär einkaufen. Und wenn wir unsere Läden zumachen würden und nur noch über die MDE verkaufen, ist es nicht der Umsatz eins zu eins transferieren wird Richtung online, selbst wenn wir das logistisch in der Lage wären zu stemmen. Also nochmal, es geht darum, die Übergänge zu managen.

Joel Kaczmarek: Nö, ist ja ein fairer Punkt. Da hast du ja auch absolut recht, dass es jetzt keinen Sinn macht, das eine für das andere sozusagen 100% zu opfern. Aber welche Radikalität vermutest du denn bei diesem Übergang? Also glaubst du, dass das irgendwie ein radikal-strategischer Schritt ist, wo man relativ intensiv shiftet? Oder ist das was, was eher für dich so ein bisschen evolutionär ist?

Christoph Werner: Also ein gutes Beispiel hat mich auch sehr beeindruckt, muss ich sagen. Als Schlecker damals in die Insolvenz gegangen ist, wurden die Assets ja angeboten auf dem Markt. Unter anderem auch das Online-Verteilzentrum in der Nähe von Ehingen damals gebaut wurde. Uns wurde das auch angeboten und wir haben uns das auch damals angeguckt. Es hat mich schwer beeindruckt, weil damals Schlecker offensichtlich zu einem relativ frühen Zeitpunkt sich gesagt hatte, Wir investieren in online und haben damals, und so wurde auch ein Betrag genannt, der sehr hoch war, investiert in diese Infrastruktur. Und diese Infrastruktur hat halt nicht gepasst für das, wie sich der Markt danach entwickelt hat. Aber das Geld war ausgegeben. Das Geld war ausgegeben. Und das ist natürlich eine ganz unangenehme Situation in einem Unternehmen, wenn sie ihr Geld ausgegeben haben, in eine Infrastruktur, die am Schluss nicht funktioniert. Deswegen, das Entscheidende ist, sich so aufzustellen, dass ich dann skalieren kann, wenn ich weiß, es funktioniert.

Joel Kaczmarek: Wenn ich mir jetzt mal so angucke, die sind vielleicht nicht mal vergleichbar zu euch, aber zum Beispiel in Otto, was jetzt Fashion als Thema hat. Otto sagt, wir wollen jetzt Plattform sein. Also selbst Otto, was ja jetzt latent angestaubt ist, darf man ja mal so sagen, in der einen oder anderen Ebene. Nicht in allen, aber in manchen. Ist das auch sozusagen eine Denkrichtung, in die ihr vorstoßt, dass ihr DM perspektivisch euch vorstellen könnt als jemand, der ein Plattformanbieter ist mit digitalem Bezug, aber auch mit stationärer Komponente?

Christoph Werner: Also unter Plattform verstehst du?

Joel Kaczmarek: Jemand, der Marktrelevanz aufgebaut hat, diese für sich nutzt, online und offline, und aber auch Dritten zur Verfügung stellt, um in irgendeiner Form zu kooperieren.

Christoph Werner: Mein Vater erzählt immer, dass als er damals mit DM losgelegt hat, also in den 70er Jahren, ist ja die Zeit war, wo auch die SB-Warenhäuser großen Aufschwung hatten. Und dass, wenn er dann bei Veranstaltungen war und gefragt wurde, Mensch, was machen Sie denn? Und er sagte, ja, ich habe mich da selbstständig gemacht mit dem Drogeriemarkt. Dass er sehr oft die Reaktion bekommen hätte, ach, das können Sie vergessen. Da geht kein Mensch mehr hinkünftig. Die gehen alle in die SB-Warenhäuser, in die Massas und was es da alles gegeben hat damals. In gewisser Weise ist es heute auch wieder die Diskussion, diese Plattformen sind eigentlich, was damals die SB-Warenhäuser waren. Also die sozusagen alles anbieten. Also ist es besser, das alles anbieten oder ist besser die Spezialisierung auf etwas? Das ist eine grundsätzlich strategische Frage, wo man jetzt nicht sagen kann, das ist richtig oder falsch, sondern es ist die Frage, was traut man sich zu?

Joel Kaczmarek: Glaube ich auch, aber du kannst ja spezialisieren und trotzdem Plattform sein. Also wenn du zum Beispiel sagst, Zalando ist eine Plattform für Fashion, dann könnte DM die Plattform für Drogerie und Beauty sein.

Christoph Werner: Ja gut, also Beauty ist ja Drogerie. Wenn du jetzt sagst, Beauty sind auch Schuhe oder ist auch Fashion?

Joel Kaczmarek: Accessoires könnte man sicherlich denken, aber ich hätte es jetzt eher in Richtung Schminke, Kosmetik gedacht und Drogerie mehr in Richtung Haushalt, Gesundheit, Baby, was ihr hattet.

Christoph Werner: Gut, aber Beauty ist ja heute schon ein großer Bestandteil unseres Sortimentes. Also da ist schon klar, wenn es darum gehen würde, dass wir sagen, wir wollen auch Textilien anbieten, also Fashion anbieten, für Menschen, die bei uns auch dekorative Kosmetik kaufen, also Fashion für sich kaufen und dekorative Kosmetik auch für sich kaufen, so ein bisschen, was Zalando im Moment macht. Man wird sehen, ob diese Vorgehensweise erfolgreich ist und ob Kunden auch so einkaufen wollen.

Joel Kaczmarek: Wenn es danach ginge, könntest du ja auch Depot kaufen und sagen, jetzt mache ich auch noch irgendwie Deko. Wäre ja auch irgendwie zumutbar zu eurer Zielgruppe. Glaube ich, jetzt macht es nicht so den Sinn, fairerweise. Also to be fair, die Spitzheit muss man ja schon irgendwie aufrechterhalten.

Christoph Werner: Also du könntest dir ja auch fragen, ob du deine Podcasts künftig nicht mehr nur über digitale Themen machst oder vielleicht jetzt auch über Gartenarbeit. Ja. Könntest du schon machen. Also du hast das Aufnahmegerät hier, du hast hier dein Office Space. Warum machst du das eigentlich nicht? So als Plattform, so mal in alle Bereiche mal rein. Warum machst du das nicht?

Joel Kaczmarek: Plattform wäre bei mir aber anders. Oder ich glaube, wir haben vielleicht auch ein unterschiedliches Verständnis von Plattform. Also Plattform wäre mein Gedanke, dass du zum Beispiel sagst, ihr macht jetzt dm.de zur starken Marke. Zum Go-To-Place, wenn ich online Beauty und Drogerie haben möchte. Oder Beauty ist bei dir bei Drogerie mit drin. Oder auch die Services, die sich damit verbinden. Also das, was du unter der Haube gerade baust. Logistik, Payment, gibt wahrscheinlich noch drei, vier andere Sachen, weiß ich nicht. Einfach handelsnahe Sachen. Marketing, by the way, haben wir noch gar nicht drüber geredet. BI, Business Intelligence. Solche Sachen im Beauty-Bereich könntest du ja auch sozusagen weiterverkaufen und dann deine Plattform mit einbringen. Also so in den Dimensionen

Christoph Werner: Ja, aber das machen wir in gewisser Weise. Wir verkaufen ja nicht nur Eigenmarken. Wenn du so willst, sind wir heute auch schon Plattformen. Also für Marken L'Oreal, Coty, Cosnova, was es da alles gibt. Also so gesehen sind wir Plattformen.

Joel Kaczmarek: Offline ja. Könntest du dir das auch online vorstellen, ist die Frage.

Christoph Werner: Ja, online sind wir es doch auch.

Joel Kaczmarek: Wie viel macht ihr denn Umsatz online schon?

Christoph Werner: Wir machen es so, dass wir kräftig investieren müssen in die Infrastruktur.

Joel Kaczmarek: Was heißt das?

Christoph Werner: Das heißt, dass es sich gut entwickelt. Aber Joel, es ist ja auch egal, wie viel das ist letzten Endes. Auch für den einzelnen Kunden jetzt hier in Berlin oder in Karlsruhe oder Eschwege, dass DM ein Unternehmen ist mit 10 Milliarden Euro Umsatz, ist Schnurz. Für den Menschen in Eschwege ist DM das, was er sieht. Das ist die Filiale und es ist dm.de.

Joel Kaczmarek: Lass uns mal deine Haus- und Hofdisziplin Marketing noch ein Stück weit durchdeklinieren. Was macht ihr denn in dem Bereich zum Beispiel schon? Also so rein Business Intelligence mäßig, Data Warehousing. Habt ihr da irgendwie schon breite Armaturen gebaut mit euren 700 Mitarbeitern?

Christoph Werner: Wir haben ja über Payback eine Kundenkarte, die wir schon seit Beginn des Jahrtausends haben. Also seit 2000, 2001 haben wir damals begonnen. Und damit ist ja alles, was Kundendaten anbelangt, was Analyse, Analytics anbelangt, etwas, was uns schon sehr, sehr lange beschäftigt. Jetzt kommt natürlich über dm.de nochmal eine ganze Ecke dazu, was auch die Frage von, wie sprechen wir die Kunden an und zwar immer so, dass es relevant ist. Also das kommt jetzt noch dazu und da müssen wir natürlich auch kräftig unsere Systeme weiterentwickeln, was wir auch machen.

Joel Kaczmarek: Alle reden ja über Loyalty, ja, spätestens seit Prime. Habt ihr darüber nachgedacht, sowas mal selbst abzubilden? Also Roskund macht es ja, glaube ich, mit einer eigenen App, wenn ich mich nicht täusche.

Christoph Werner: Also wir glauben, dass Multipartner-Karten für die Kunden einfach attraktiver sind. Allein schon aufgrund der Einkaufsfrequenz, die in den Drogeriesortimenten vorherrschen. Und Payback ist ja auch nach unserer Beurteilung ein recht erfolgreiches System, was auch von anderen Systemen in Deutschland nie erreicht wurde, auch wenn es Versuche gibt und gab. Also Multipartner kommt beim Kunden an und das ist gut.

Joel Kaczmarek: Was hat das dann für eine Funktion? Also ist dann sozusagen rein die Warenkorbzuordnung, das Verstehen des Kunden, dass ich in der Lage bin, den Einkauf von Montag und Donnerstag in Bezug zu setzen?

Christoph Werner: Ja, schau Joel, also früher ist es ja so gewesen, da kann ich mich auch noch erinnern, wenn ich einkaufen war mit meiner Mutter, also wenn ich klein war, sind wir zu Einzelhändlern gegangen. Zum Milchmann, zum Obst- und Gemüsehändler in dem Ort, wo wir damals gewohnt haben. Und die kannten sich. Also der kannte meine Mutter. Und wenn meine Mutter da einkaufen war, also beim Metzger beispielsweise, und ich war dabei, dann habe ich noch ein Rädchen Leona am Zweizack überreicht gekriegt und habe mich da direkt gefreut. Alles Mehrwertangebote, könnte man jetzt ja auch mal so unter der Perspektive, wie man heute auf Marketing guckt, sagen. Also der Einzelhändler hat den Kunden gekannt und hat deswegen sich auf ihn einstellen können und war deswegen in dem, was er für ihn gemacht hat, sehr personalisiert. Da ging es nie um Discounts, da ging es immer um Mehrwert. Und dann ist die ganze Filialisierung gekommen. Was bedeutet hat, dass zum einen wesentlich mehr Menschen an der einzelnen Einkaufsstelle eingekauft haben und der Einzelhändler, deren Kunden einfach persönlich auch gar nicht mehr kennen konnte. Ganz abgesehen davon, dass es oft nicht mehr der selbstständige Einzelhändler war, der im Laden gearbeitet hat, sondern Menschen, die auch öfters mal gewechselt haben. Und damit ist eigentlich die Beziehung zwischen dem Kunden und dem Einzelhändler anonymisiert worden. Und die Folge davon sind die ganzen Sonderangebotspolitiken, die ja letzten Endes alles anonymisierte Gießkannenvorgänge sind. Gerade unter logistischen Gesichtspunkten alles andere als effizient sind. Also Sonderangebote sind sauteuer unter Prozessgesichtspunkten für den Einzelhändler. Und jetzt ist ja die Frage, wie kann es mir gelingen, dass ich meinen Kunden wieder besser kenne, auch wenn ich ihm jetzt nicht die Hand schütteln kann, weil ich ihm nicht persönlich begegne. Und da sind natürlich Kundenkarten die Möglichkeit, dass ich als Einzelhändler wieder in die bessere Wahrnehmung komme, was beim Kunden wirklich ankommt. Nämlich, dann weiß ich nicht nur, was ist der Warenkorb, also der einzelne Kassenbon, was der Kunde kauft, zum einzelnen Zeitpunkt, sondern ich kann Zeitreihen bilden. Ich kann sehen, wie ein Kunde reagiert auch auf die Sachen, die ich mache. Und noch einen Schritt weiter, ich kann natürlich dann auch, gerade wenn Sie online denken, kann ich dem Kunden online, also in dem, was er auf seinem Bildschirm sieht, ob er jetzt mobil ist oder ob es der Desktop ist, kann ich dann wesentlich besser auf ihn eingehen, was er sieht, damit es für ihn relevanter wird. Und es geht ja nicht darum, dass wir sagen, wir wollen so viel wie möglich verkaufen. Es geht darum, dass wir für den Kunden relevant sind, dass er sagt, die Informationen, die ich bekommen habe, das ist etwas, was mich interessiert und was mir hilft, mein Leben ein bisschen einfacher zu machen und ein bisschen schöner zu machen.

Joel Kaczmarek: Und ist so ein Payback dann für euch nur offline relevant oder bleibt es das eigentlich auch online?

Christoph Werner: Naja gut, es hilft natürlich dann online und offline zu verbinden und da sind es ein paar OCR. Also für einen Einzelhändler OCR zu betreiben, wenn ich keine Kundenkarte habe, wird schwierig werden, weil ich die 360 Grad Wahrnehmung des Kunden nie bekommen werde. Ich werde immer nur den Online-Kunden haben, aber was der dann offline macht, weiß ich nicht. Aber wenn wir es mal wirklich ernst nehmen und sagen, als Einzelhändler bin ich dafür, dafür den Kunden relevant, Und zwar da und dort, wo er und wie er einkaufen möchte. Dann ist es online und offline. Und das muss ich versuchen, in den Blick zu kriegen. Und da hilft mir natürlich eine Payback-Karte bei DM-Trucker Riemann ungemein, wenn der Kunde auch online seine Punkte sammelt und ich damit offline und online verbinden kann und einfach viel besser weiß, was möchte er denn online, was möchte er offline. Und auch das kann sich wieder unterscheiden von inner city und flachem Land. Das heißt, ich kann mit meinem Sortiment darauf reagieren, was ich sonst gar nicht könnte.

Joel Kaczmarek: Worüber wir noch gar nicht geredet haben, was ich aber angesichts eurer Unternehmensgröße mal interessant fand und ganz viele haben mich zu dem Thema auch gefragt. Ich habe in unserer Messenger-Gruppe, wir haben so einen Dienst, der findet sich bei uns irgendwie unter digitalkompakt.de slash messenger, da schreibe ich dann, dann kriegen die Leute auf ihrem Handy eine Nachricht, habe ich eingeladen, mal dir Fragen zu stellen. wäre dieses ganze Thema Digitalisierung in der Organisation. Also das heißt Kulturwandel ist eigentlich so das Stichwort. Mal ganz naiv gefragt, wie betreibt man Kulturwandel, wenn man 60.000 Menschen irgendwie erreichen möchte und irgendwie auf eine Linie bringt?

Christoph Werner: Also auf eine Linie bringen, das kannst du schon mal vergessen. Wäre auch nicht menschengemäß. Aber es sind ja zwei Fragen dazu. Also zum einen nochmal Digitalisierung in der Organisation. Die Digitalisierung kann uns helfen, die Menschen zu ermächtigen in der Organisation, damit sie sich besser orientieren können. Also die ganze Frage von Information, von Vernetzung untereinander. Bei dm beispielsweise haben wir uns entschieden, dass alle unsere Filial-Mitarbeiter ein Smartphone bekommen haben. Jetzt nicht zum Telefonieren, sondern zur Wahrnehmung der Online-Fähigkeiten und Vernetzungsfähigkeiten von den Geräten, womit wir die ganze Microsoft Office 365 nutzen können. Was ja letzten Endes wie so ein Facebook allerdings in einer geschlossenen Gruppe sind. Das heißt, damit versetzen wir uns in die Lage, dass Menschen in der Organisation sich vernetzen können. Dass Best Practices beispielsweise wesentlich schneller bekannt werden können. Dass wenn irgendjemand eine Erfahrung gemacht hat, dass irgendwas besonders gut funktioniert, das kann er in Yammer-Gruppen einstellen oder er kann es kommunizieren. Und andere kriegen das mit, die das sonst immer über den Flaschenhals der Organisation hätten bekommen müssen. Also das ist das eine, was dadurch möglich ist. Und es ist natürlich auch möglich, dass die ganze enorme Informationsflut, die wir haben, wesentlich personalisierter ausgespielt werden kann. Weil das Problem, was wir in der Filiale haben, dass da unheimlich viele Informationen natürlich reingehen, aber nur ein Teil davon ist relevant. Und indem wir die Digitalisierung wirklich nutzen, können wir die Informationen wieder so zur Verfügung stellen, dass die relevante Information ankommt und dass Mitarbeiter sich Informationen auch ziehen können, die für sie relevant sind. Also das ist das eine, was die Digitalisierung bringt. Das andere die Frage, mit so vielen Menschen, wie kann es gelingen, dass da auch so eine kulturelle Weiterentwicklung stattfindet. Das hängt damit zusammen, glaube ich, dass wir immer wieder über das Warum sprechen auch. Wenn man eine Organisation hat, wo es immer nur um den Chef geht und immer nur alle auf den Chef gucken, dann kann der Kunde sich verändern, aber keiner kriegt es mit. Es sei denn, der Chef sagt, der Kunde hat sich verändert. Aber wenn es dir gelingt, eine Organisation zu kultivieren, die immer auf den Kunden guckt, Dann kriegt jeder mit, wenn der Kunde sich verändert. Dann muss keiner mehr sagen, wir müssen uns verändern, weil der Kunde sich verändert hat, sondern dann sagen die Menschen, guck mal, der Kunde wird anders. Was können wir denn anders machen? Schon beginnt die Transformation von alleine.

Joel Kaczmarek: Wir haben ja vorhin Digitalisierung so ein bisschen metaphysisch definiert, also als Veränderungsfähigkeit. Das hast du ja auch gerade nochmal aufgegriffen. Wie kriegst du das denn aber trotzdem hin, diese Bereitschaft, den Blick auf den Kunden, den Veränderungswillen zu generieren, wenn sich Digitalisierung, A.K.A. Veränderungsbereitschaft auch immer so ausspielt, dass du hast Gewinner und Verlierer. Du hast ja auch Widerstände. Das ist ja sozusagen auch ein politischer

Christoph Werner: Wer ist der Verlierer?

Joel Kaczmarek: Na, Veränderung bedeutet immer jemanden, der auch irgendwie Sich selbst verändern ist immer Schmerz auch.

Christoph Werner: Na gut, ich meine, das Prinzip gilt, wer sich nicht verändern möchte, wird verändert. Wenn du so willst, dein ganzes Leben ist Veränderung.

Joel Kaczmarek: Ja, aber sagt sich leicht, jetzt wir beide

Christoph Werner: im

Joel Kaczmarek: Elfenbeinturm, aber an der Front bei euch im Laden, wenn die Mitarbeiter auf einmal Sachen anders machen müssen, weil man erkannt hat, dass manche Prozesse sozusagen in dieser und jener Richtung mehr Sinn machen, da regt sich doch garantiert regelmäßig Widerstand über Dinge.

Christoph Werner: Ja, es regt sich dann Widerstand, Joel, wenn ich angewiesen werde, das zu machen und den Sinn nicht darin sehe.

Joel Kaczmarek: Okay, also deine Antwort darauf ist Aufklärung quasi und Transparenz?

Christoph Werner: Unbedingt, ja. Transparenz, Zusammenhänge herstellen. Es ist leicht gesagt und nicht so leicht getan. Aber der Anspruch muss es sein, dass wir die Dinge immer so machen, dass Menschen verstehen, was die Zusammenhänge sind. Und dass, wenn wir sagen, jetzt müssen wir uns um was bemühen, es nicht so ist, weil einer im Unternehmen gesagt hat, ich will das jetzt, sondern weil der Mensch versteht, ja, darum müssen wir uns jetzt bemühen, weil sonst kommen wir in Schwierigkeiten.

Joel Kaczmarek: Ich fand zwei Fragen aus unserer Gruppe sehr, sehr schön. Die kann ich dir sogar fast mal direkt vorlesen, weil die muss man fast so wiedergeben. Ich glaube, es zahlt genau auf dieses Thema ein. Das erste war, DM ist das erste Put-People-First-Unternehmen, also ein Unternehmen, das den Mensch an erster Stelle stellt, in dem Fall den Mitarbeiter. Bei Walmart, welches mit ähnlichen Konzepten groß geworden ist, ist die Zentrierung des Menschen nach dem Abgang des Gründers verloren gegangen. Wie kannst du garantieren, dass das bei DM nicht passiert?

Christoph Werner: Garantieren kann man im Leben grundsätzlich nichts. Aber die Frage ist, wie denken wir ein Unternehmen? Die grundsätzliche Frage ist, ist das Unternehmen für die Kunden da oder sind die Kunden für das Unternehmen da? Sind die Mitarbeiter für das Unternehmen da oder ist das Unternehmen für die Mitarbeiter da? Sind die Eigentümer für das Unternehmen da oder ist das Unternehmer für die Eigentümer da? Diese Fragen müssen immer wieder lebendig sein. Solange das bewegt wird in einem Unternehmen, werden wir nie in eine Vereinseitigung kommen. Und wenn wir sagen, people first, Unternehmen letzten Endes sind immer Menschen, ja. Da gibt es natürlich noch die Assets, aber das macht nicht das Unternehmen aus und schon gar nicht die Besonderheit, weil selbst Patente laufen irgendwann ab. Also es sind immer die Menschen in dem Unternehmen und es ist immer die Riesenherausforderung in einer Organisation, die Balance zu finden zwischen den Interessen des Einzelnen und den Notwendigkeiten der Gemeinschaft. Riesenherausforderung. Aber auch sehr spannend. Und wenn es gelingt, natürlich auch toll.

Joel Kaczmarek: Da sind wir wieder auf unserer metaphysischen Ebene. Da kommen wir immer wieder hin. Zweite Frage, die ich sehr schön fand, die fand ich sehr schön pointiert, war, in welchen Punkten sind dein Vater und du grundsätzlich anderer Meinung?

Christoph Werner: Das ist eine Frage, die ich mir so noch gar nicht gestellt habe, ehrlich gesagt.

Joel Kaczmarek: Das ist eine gute Frage.

Christoph Werner: Also könnte ich jetzt spontan gar nicht sagen, wo wir grundsätzlich anderer Meinung sind. Also so habe ich auch zum Beispiel auf meine Ehe noch nie geguckt. Ja. ehrlich gesagt jetzt auch, als du mich angesprochen hast, ob wir das Podcast führen, habe ich mir auch nicht gefragt, wo sind wir grundsätzlich anderer Meinung, sondern was verbindet uns? So schaue ich auf die Dinge drauf und deswegen bewege ich mich. Sonst würde ich anfangen, mich einzugraben. Das ist nie gut. Erste Weltkrieg, die hat sich gerade zum hundertsten Mal das Ende. Grabenkämpfe sind nie gut.

Joel Kaczmarek: Schönes Bild. Ich meine, was auch oft kam als Frage war natürlich, dass dein Vater ja sehr starker Verfechter vom bedingungslosen Grundeinkommen ist.

Christoph Werner: Setze ich dafür ein, ja.

Joel Kaczmarek: Ob das auch was ist, was du ähnlich notierst, wie deine Einschätzung davon ist. Bist du da auch Verfechter? Was ist da deine Haltung zu?

Christoph Werner: Also ich halte es für eine ganz wesentliche Weiterentwicklung der Frage, welcher Rahmenbedingungen es braucht, damit wir auch in den Zeiten, die auf uns zukommen, weiterhin als Gesellschaft über uns hinauswachsen können. Unbedingt. Ich glaube, dass das bedingungslose Grundeinkommen ein Paradigmenwechsel ist in der Art, wie wir auf Gesellschaft schauen, die uns ermöglichen wird, in den Zeiten, die auf uns zukommen, wirklich die Chancen zu ergreifen und nicht daran, als Gesellschaft in die Polarisierung und ins Chaos zu rutschen. Unbedingt.

Joel Kaczmarek: Na, was man ja da anschließen kann ist, war auch eine Frage, die irgendwie an mich herangetragen wurde, ist, gibt es Rollen bei euch im Unternehmen, von denen du denkst, dass sie in der Zukunft durch Maschinen gemacht werden, dass sozusagen Menschen durch Maschinen ersetzt werden? und was tut das mit so einer Organisation, wie planst du mit sowas umzugehen?

Christoph Werner: Also Menschen werden nicht durch Maschinen ersetzt, Tätigkeiten werden von Menschen ersetzt. Das hat es aber schon immer gegeben. Wenn du mal an EDI denkst, Electronic Data Interchange, also die ganze Rechnungsstellung, die ja früher per Post gekommen ist und dann erfasst werden musste, das geht heute ja alles, ohne dass da noch jemand in die Speichen greifen muss, kann man sagen, diese Tätigkeiten sind durch Menschen ersetzt worden. Und man muss sagen, zum Glück sind die ersetzt worden. Die Menschen werden ja nicht, sondern die Tätigkeiten werden ersetzt. Und die Menschen, die diese Tätigkeiten davor ausgeführt haben, können ja andere Tätigkeiten danach einbringen. Deswegen ist doch die Frage, gelingt es einer Organisation, die Fähigkeiten, die in den Menschen schlummern, zum Ausdruck bringen zu lassen, durch die Art und Weise, wie ihnen die Möglichkeit gegeben werden, sich einzubringen. Darum geht es.

Joel Kaczmarek: Zwei abschließende Fragen noch. Wir erlauben uns zum Schluss hin mal so ein bisschen in so ganz vielfältige Themen und ein bisschen oberflächlich abzudriften. Eine Frage, die kam und die finde ich ist eine schöne Brücke, zu dem jetzt auch gerade war, über dich persönlich. Wie ist denn eigentlich so dein Tagesablauf? Wer sind für dich Mentoren? Wie lernst du? Weil das, was du alles erzählst, hat ja irgendwie eine sehr, sehr breite Weisheit. Also ich könnte mir vorstellen, ganz viele sind so, ich stelle mir so vor, Kamingespräch mit deinem Vater über die alten Zeiten und wie er sozusagen Organisationen sieht.

Christoph Werner: Ja, ich bin ja mit ihm aufgewachsen. Gewachsen.

Joel Kaczmarek: Ganz viel ist aber vielleicht auch irgendwie angelesen, ganz viel ist auch irgendwie in guten Bildungseinrichtungen. Also wie tickst du so als Mensch? Wie muss man sich deinen Tag vorstellen, dein Lernen und dein Mentoring?

Christoph Werner: Ich glaube, ich bin ein relativ interessierter Mensch. Also ich lese unheimlich viel, ich höre unheimlich viel, ich stelle viele Fragen. Mir wird gesagt, dass ich als kleines Kind schon so viele Fragen gestellt habe, dass ab und zu meinem Vater die Hutschnur hochgegangen ist. Da kann ich mich sogar noch dran erinnern. Also immer Fragen stellen und wissbegierig sein, das versuche ich mir zu erhalten. Das ist natürlich, wenn man in der Verantwortung steht, einfach sich klarzumachen, es kommt nicht darauf an, die richtigen Antworten zu geben, es kommt darauf an, die richtigen Fragen zu stellen. weil die Antworten von den Menschen letzten Endes nur gegeben werden können, weil die ja die Zusammenhänge im Einzelnen kennen, die ich ja in der ganzen Vielfalt so nicht kenne. Das ist das eine. Und das andere ist zu wissen, dass die absolute Wahrheit, die ist uns als Menschen vorenthalten. Aber wenn wir alle zusammenarbeiten und unsere unterschiedlichen Blickwinkel explizit machen, also darüber sprechen, sie zusammenbringen, dann können wir uns der Wahrheit nähern. Und das bedeutet, dass es möglich darum geht, zu verstehen, was die Leute sagen und was sie denken. Weil auch das hilft uns, an bessere Lösungen eher heranzukommen. Also den anderen wirklich wertschätzen und wirklich gucken, dass man da mit dem mögliches Leben geht und somit versucht, den richtigen Weg zu finden. Und mein Tag letzten Endes sieht jeden Tag anders aus. Zum Glück. Aber es beginnt mit Aufstehen morgens natürlich. Es ist relativ durchgetaktet. Meine Assistentin macht die Termine und hat da auch freie Hand. dann versuche ich in jedem Termin, den ich habe, den Menschen gerecht zu werden, mit denen ich zu tun habe. Also jetzt hier die letzten anderthalb Stunden, die wir hatten, wirklich versuchen auch hier für dich da zu sein und nicht über andere Sachen zu denken, die jetzt mit unserem Termin hier gerade nichts zu tun haben.

Joel Kaczmarek: Ja, ist dir gelungen. Hast du Mentoren?

Christoph Werner: Ich lese viel Zeitung. Ich habe am Tag drei Zeitungen, die ich versuche wirklich auch zu lesen und plus die Fachzeitungen, die kommen. Wenn ich im Auto unterwegs bin, höre ich viele Podcasts. Im Moment finde ich es politisch natürlich auch sehr interessant, Steingarts Morning Briefing, durchaus polarisierend manchmal, aber es geht ja darum, einfach eine Perspektive, ob man das jetzt richtig findet oder nicht. So eine Perspektive. Und dann, wenn ich zurückdenke, ja klar, so ein Reinhard Sprenger mit Mythos-Motivation und alles, was er geschrieben hat, das war unheimlich lehrreich. Auch so ein Glasel mit Konflikten, unheimlich interessant. Ich habe mich auch lange mit Rudolf Steiner beschäftigt, die ganzen Dinge, die er zu der Frage, was ist denn hinter dem sinnfälligen Philosophie der Freiheit, die er geschrieben hat. Eine Frage auch unheimlich gut behandelt da drin, die Frage von Kreativität, wie komme ich zu Ideen. Ich hatte auch das Glück, glaube ich, in meiner beruflichen Laufbahn, bevor ich zu DM gekommen bin, dass ich in den Unternehmen, ich war ja im Ausland tätig, was unheimlich geholfen hat, weil da hat Werner und DM einfach, war unbekannt. Ich hatte immer das Glück, dass sich in der Organisation Menschen für mich interessiert haben, zu denen ich gehen konnte, wenn ich wieder was überhaupt nicht verstanden habe oder richtig bescheuert fand, die mir geholfen haben, den Zusammenhang wieder zu verstehen. Da muss man auch ein bisschen Glück haben und da hatte ich das Glück. Und dann ist es schon so, dass ich mit meinem Vater viele Dinge besprochen habe. Und nicht zuletzt die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens. Einfach mal so auf die Gesellschaft mal anders zu gucken.

Joel Kaczmarek: Letzte Frage, mein persönliches Passionsthema. Wir hatten mal einen Podcast zum Thema Kreislaufwirtschaft, sprich Recycling, Plastik und so weiter und so fort. Macht ihr euch bei dm über sowas Gedanken? Bedingt, ja. Drogerie gehe, mich schmerzt das. ja, diese ganzen Einwegartikel, Shampoo-Dosen und so weiter und so fort, also könnt ihr euch sowas vorstellen? oder gibt es Konzepte bei euch, wie sowas aussehen könnte von irgendwie, weiß ich nicht, Nachfüllpackungen über Pfand auf irgendwie Deos und so weiter, gibt es sowas bei euch?

Christoph Werner: Also in Österreich wird es gerade wieder getestet, Apfelstation. Wir hatten es in der Vergangenheit auch schon. In der Vergangenheit hat es nicht funktioniert, muss man wirklich ehrlich sagen. In Österreich, the jury is still out. Also wir werden sehen, ob das sich durchsetzt. Was unheimlich wichtig ist und worum wir uns jetzt auch kümmern, ist, dass wir uns darum bemühen, Allianzen zu schmieden, um die Schwierigkeiten, die wir heute haben, Bei der Verpackungsmüllproblematik, um da wirklich weiterzukommen, und ein ganz großer Komponente von Verpackungsmüll ist ja Plastik. Und dass wir wirklich in eine Recyclingwirtschaft da einschwingen können, wo Verpackungsmüll wirklich so aufbereitet wird, dass es wieder in der Produktion verwendet werden kann. Und zwar ohne Kompromisse zu machen bei der Produktqualität. Das hat ja auch was mit Haltbarkeit zu tun. Und da können wir beobachten, dass das Problem bisher gewesen ist, dass auf der einen Seite die Hersteller nicht auf Rezyklate gesetzt haben, weil sie gesagt haben, es gibt kein gescheites Angebot. Es gibt kein Angebot in der Menge, die es ihnen ermöglicht hätte, auch wirklich ihre Produktion darauf zu planen. Seitens der Recyclingwirtschaft wurde eben gesagt, die Nachfrage ist nicht da, dass wir in die entsprechenden Sortieranlagen auch investieren, um die Qualität herstellen zu können. Und da hat jetzt der Emtler Riemarkt auch, mein Kollege Sebastian Bayer aus Marketingbeschaffung ist da jetzt auch wirklich dran, mit dem Rezyklatforum, mit den großen Herstellern zusammenzuarbeiten, um verbindliche Standards festzulegen, um dann der Recyclingwirtschaft wiederum die Abnahmesicherheit zu geben, damit die auch in die entsprechenden Kapazitäten investieren können.

Joel Kaczmarek: Da bin ich ja mal guter Dinge. Freut mich ja, dass sowas mal irgendwie, dass man sich darüber Gedanken macht.

Christoph Werner: Ja, und da haben wir auch eine gesellschaftliche Verantwortung, keine Frage. Und man muss auch sagen, wenn wir uns da als Marktteilnehmer nicht drum bemühen, wird der Gesetzgeber irgendwann kommen und wird halt irgendeine gesetzgeberische Rahmenbedingung schaffen, die dann vielleicht nicht die beste sein wird. Deswegen, wir sind da als Akteure der Wirtschaft wirklich auch aufgerufen, uns Gedanken zu machen. Und wir erleben auch, wenn man mit den Herstellern spricht, die machen sich da auch große Gedanken. Aber man muss halt zusammenarbeiten, damit man diese Netzwerkeffekte bekommt, weil nur dann geht es los. Also diese initiale Zündung ist das große Problem. Aber da sind wir dran.

Joel Kaczmarek: Lieber Christoph, das war ein sehr spaßiges Gespräch. Es hat mir viel Spaß gemacht, da ruhig mal ein bisschen hitziger zu diskutieren. Endlich macht das mal jemand. Die meisten Leute ergeben sich immer nur so den Fragen. Gefällt mir gut. Hat mir viel Spaß gemacht. Und drückt euch natürlich ganz fest die Daumen. Bei so viel Verantwortung kann man euch ja nur Glück wünschen auch. Und wir setzen das bestimmt mal fort.

Christoph Werner: Ja, gerne. Und vielen Dank für die Zeit.