Wie die Lufthansa das digitale Neugeschäft aufbaut

30. April 2019, mit Joel Kaczmarek

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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Deep Dive Podcast von Digitalkompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und heute habe ich einen echten Überflieger hier. Grüß dich, stell dich doch mal ganz kurz vor und erklär, was du tust.

Gleb Tritus: Hi, Gleb Tritus mein Name. Ich bin Geschäftsführer des Lufthansa Innovation Hubs in Berlin, seit neuestem in Singapur und demnächst auch in Shanghai, China. Die längste Zeit Gründer gewesen, turne schon seit 2005 im Startup-Kontext, wie auch immer man diesen definieren mag, herum und letztendlich seit viereinhalb Jahren jetzt in Konzernfängen bei der Lufthansa Group.

Joel Kaczmarek: Okay, du hast wahrscheinlich viele Flugmalen, die du sammelst, oder, bei deinem Job?

Gleb Tritus: Früher habe ich tatsächlich sehr viele Flugmalen gesammelt. Mittlerweile gar keine, weil wir als Mitarbeiter keine Malen gutgeschrieben bekommen.

Joel Kaczmarek: Aber wir wollen ja nicht nur über das Fliegen reden, sondern auch, wie ihr sozusagen Überflieger bleibt. Das heißt, wir wollen als erstes, glaube ich, mal nachvollziehen, was genau du tust. Also wenn du sagst Lufthansa Innovation Hub, was ist das eigentlich? Weil du bist jetzt, glaube ich, nicht der CDO der Lufthansa, das müssen wir mal dazu sagen. Also du bist jetzt nicht Kernorganisation und sagst, wie der Kran nicht abzuheben hat und wie nicht, sondern leitest diesen Hub. Was genau tut der? Was muss ich mir vorstellen, was der für eine Rolle einnimmt?

Gleb Tritus: Vorweggenommen, der CDO der Lufthansa ist auch im Innovation Hub. Das ist mein Co-Geschäftsführer, der Christian Langer. Das heißt, wir haben da den direkten Anschluss an die herkömmliche digitale Organisation des Konzerns. Wir aber als Innovation Hub, wie er seit viereinhalb Jahren besteht, haben ganz klar die Aufgabe, digitales Neugeschäft für die Lufthansa-Gruppe anzubieten. Das ist ein ganz, ganz wichtiger Differenzierungspunkt. Wir sind nicht dafür da, das Kerngeschäft zu digitalisieren, also Prozessdigitalisierung zu betreiben oder die Kundenerfahrung des Lufthansa-Reisenden digital aufzuwerten, sondern wir sind dafür da, mittel- bis langfristig substanzielles digitales Neugeschäft aufzubauen. Das tun wir entlang verschiedener Vehikel. Einmal schnell vorgespult, wir vermitteln strategische Partnerschaften zwischen Digitalspielern. Wie auch immer geartet, das können kleine Startups sein, aber auch Digital Giants wie ein Uber oder ein Airbnb. Zwischen diesen und verschiedenen Lufthansa Group Units, das ist das Erste. Wir bauen, das ist ganz klar der Fokus, selber digitale Produkte und Services auf, als herkömmlicher Inkubator mit einem starken Corporate dahinter. Das heißt, wir validieren Geschäftsmodellhypothesen, überführen sie dann irgendwo in ein skalierbares Framework und gründen sie am Ende des Tages aus, mit Unterstützung der Lufthansa in der Regel. Also Inkubation ist unser zweiter Fokus. Dann immer öfter nehmen wir Anlauf, strategisch zu investieren, entlang der sogenannten Reise- und Mobilitätskette. Das machen wir vermehrt und möchten das künftig auch starten. strukturierter und prozessualisierter betreiben. Und vorweggenommen betreiben wir recht großen Aufwand im Bereich Trend & Market Intelligence. Das heißt, wir erforschen die Reisemobilitätskette explizit nicht nur aus der Perspektive einer Airline, sondern eher ganzheitlich, was sowas umfasst wie Inner-City-Mobility oder auch solche Geschichten wie E-Scooter, die jetzt auf uns zukommen, bis hin zu Vertical Take-Off & Landing, also die Liliums und Volocopters dieser Welt. Das ist für uns so ein bisschen der Grundnährboden. Wir möchten die sprachfähigsten Experten entlang der Reisemobilitätskette sein, um im nächsten Schritt überdurchschnittlich gut, schnell, effizient, erfolgreich Partnerschaften zu vermitteln, zu investieren und am Ende des Tages auch eigene Unternehmen aufzubauen.

Joel Kaczmarek: Jesus, das hast du schon ein paar Mal gesagt, was?

Gleb Tritus: Ein-, zweimal.

Joel Kaczmarek: Vor allem kann man ja bei jedem Thema in die Tiefe gehen. Aber wenn ich dich jetzt also richtig verstanden habe, ihr macht sozusagen alles, was neu ist. Bestandsgeschäft ist komplett ausgeklammert bei euch?

Gleb Tritus: Genau. Ist auch so ein Learning der ersten Jahre. Am Anfang war der Auftrag so typisch wie damals üblich, 2014, 2015 global galaktisch. Das heißt macht man ein bisschen Kerngeschäftsdigitalisierung, dann ist vielleicht irgendwo kulturelle Transformation dazwischen und by the way finde auch irgendwie noch das nächste Unicorn, also von allem ein bisschen. Das clasht natürlich inhärent kulturell, operationell und so weiter, sodass wir uns fortwährend eher ans rechte Ende des Spektrums bewegt haben, nämlich ganz klar Neugeschäft. Das ist unsere DNA, deswegen sitzen wir in Berlin und deswegen sind wir auch zu 99 Prozent Menschen aus dem Tech-Ökosystem und eben nicht aus der Lufthansa.

Joel Kaczmarek: Und wer macht dann das Altgeschäft quasi, also das Bestandsgeschäft?

Gleb Tritus: Da gibt es eine mannigfaltige Digitalorganisation in der Lufthansa-Gruppe, wie bei jedem anderen Corporate auch. Das heißt, da sitzen Menschen, die tagtäglich schon im Maschinenraum wirken, das Kerngeschäft auch viel besser verstehen als wir. Wir sind ja per Definition erstmal keine Luftfahrtsexperten, sondern eher Digital Business Model Experten. Da hat eigentlich jede Unit mittlerweile eine eigene Digitalisierungseinheit und es gibt auch als Dach und Klammer drumherum eine zentrale Organisation. auf Group-Ebene aufgehangene Digitalisierungseinheit, die unser Chief Digital Officer leitet und wo eben das Inkrementelle vorangetrieben wird. Also wirklich das, was heute stattfindet, durch digitale Mittel effizienter, schneller, sicherer abzubilden.

Joel Kaczmarek: Also ist so ein Stück weit der CDO, dein Partner, den du gerade erwähnt hast, so ein Knotenpunkt, wenn ich das richtig verstehe. Also er guckt eigentlich mit dir so in die Neugeschäftshaube und hat das Bestandsgeschäft quasi in seiner anderen Achse drin?

Gleb Tritus: Ganz genau. Der ist sozusagen der Innenminister, der schaut auch insbesondere, dass das, was wir hier im schönen Berlin treiben, in unserer sprichwörtlichen Blase irgendwo auch Anschluss finden kann intern. Gleichzeitig sind wir ein Stück weit seine Außenminister und schauen, wie wir hier im Ökosystem eben nicht als Großkonzern, sondern als Leute, die man in diesem Ökosystem auch ernst nimmt, Dinge auftun, Talente auftun, Geschäftsmodelle auftun, die irgendwo in die Kerngeschäftsrealität der Lufthansa überführt werden können in Frankfurt.

Joel Kaczmarek: Dann muss ich mit dem auch nochmal reden. Ich habe nämlich, als ich mein Publikum eingeladen habe, Fragen zu stellen, kamen ganz viele Fragen, warum euer UX noch so altbacken ist. Das muss ich Ihnen dann fragen, fürchte ich.

Gleb Tritus: Das ist die Frage, was der Benchmark ist. Wenn du dir unsere UX im Vergleich zu anderen Airlines anschaust, sind wir, glaube ich, extrem gut unterwegs. Air France war wohl das Pendant. Air France, KLM, ja, gibt es einige. Aber grundsätzlich ist der Digitalisierungslevel und auch UX-Level im Aviation-Kontext noch verbesserungswürdig.

Joel Kaczmarek: Tja, wo fängt man da bei dir an? Also du hast gesagt, ihr netzwerkt, ihr inkubiert, ihr investiert und ihr macht Market Intelligence. Ist es trotzdem deine Aufgabe, dass du Digitalkompetenz in die Kernorganisation reinbringst oder geht es einfach wirklich ums Euroverdienen durch Neugeschäft?

Gleb Tritus: Ersteres ist ganz klar ein Mitnahmeeffekt. Indem das, was wir tun, ist natürlich sehr viel kulturelle Abstrahlungsfähigkeit und Potenzial dabei. Das, was wir tun, kommunizieren wir übers Maß in die Organisation und hoffen, dass man dem Thema Digitalisierung da auf dem Meta-Level irgendwo positiv beitragen kann. Das heißt, wir machen das irgendwo passiv und als Mitnahmeeffekt, aber nicht als primären Aufhänger. Wir sind nicht die kulturelle Transformationstruppe der Lufthansa Group, sondern wir sind am Ende des Tages primär da, wirklich ein neues Geschäft hier irgendwo zu befreien und zu entfachen. Aber das zieht natürlich den Need nach, sich die Leute irgendwie auch mitzunehmen und Auffassungsgabe für das Thema digitale Transformation zu entwickeln.

Joel Kaczmarek: Okay, also seid ihr so ein Stück weit die Avantgarde, die Speerspitze. Und die Speerspitze schießt ein bisschen was nach hinten, aber dann muss eigentlich noch einer kommen, der das Schwert schwingt und die richtige Arbeit macht.

Gleb Tritus: Das ist tatsächlich das intern verwendete Bild. Wir sind die Speerspitze, die im Ökosystem, also in der Marktrealität voranläuft, viele Fehler auch macht, auch mal stolpert, wieder aufsteht. Also da haben wir alle Freiheit, die es dafür braucht und dann am Ende schaut und gefiltert und vorgekaut Dinge in den Kern zurückgibt. Also Speerspitze ist genau das Bild, was uns beschreibt.

Joel Kaczmarek: Okay, das war geraten. Ich bin nicht, ist nicht abgestimmt.

Gleb Tritus: Tatsächlich.

Joel Kaczmarek: Ist ja nett, dass ich das mal treffe hier. Was ist denn das Ziel des Ganzen? Also warum wollt ihr ein neues Geschäft erreichen? Geht es dann nur um Cash? Geht es da um Kompetenzaufbau, eine Mischung aus beidem? Geht es dann doch um Transformation? Also da kann man ja ganz unterschiedliche Wege finden. Weil gerade zum Beispiel beim Thema Beteiligen und Kaufen beobachte ich ganz viele Konzerne, die immer kaufen aus Cash-Sicht, aber nicht aus Kompetenz-Sicht, was ich irgendwie ein bisschen schade finde. Was ist da eure Zielsetzung, dass ihr euch ein neues Geschäft anguckt?

Gleb Tritus: Das ist absolut vielfältig. Also erstmal geht es mit der Feststellung los, dass diese viel zitierten disruptiven Kräfte, die Digitalisierung, jetzt mit einer gewissen Latenz auch die Luftfahrt erreicht haben. Wir waren die längste Zeit abgeschottet, gut geschützt. Das ist eine sehr präzise, Eine proprietäre Branche, eine regulierte Branche, da kannst du nicht mal eben von links reingerätschen als Tag-Spieler. Und es hat uns die längste Zeit so ein bisschen davon geschützt. Das löst sich jetzt auf und wir sehen mehr und mehr digitale Spieler, sei es kleine Startups oder Grown-Ups bis hin zu digitalen Giganten, die uns irgendwo in die Wertschöpfung reinragen. Das heißt, da allein schon reaktionsfähig zu sein, ist so ein wichtiger Pflock, das ist das Erste. Zweitens glauben wir ganz stark daran, dass wir in unserer vordergründigen Rolle in der herkömmlichen Luftfahrt, in unserer marktführenden Stellung, extrem viel in der Schmuckschatulle haben aus der alten Welt, was wir im digitalen Kontext leveragen können, wo es keinen zweiten Spieler gibt, der das so schnell auch tun könnte. Da sprechen wir von einfacher Reichweite, 140 Millionen Passagiere, über eine sehr, sehr starke Marke, die insbesondere mit dem Thema Sicherheit verbunden ist, bis hin zu ganz konkreter Anwendung. lokaler Präsenz in so ziemlich allen wichtigen Ländern dieser Welt. Das sind alles Dinge, die Stand jetzt nicht digital wesentlich Einschlag haben bei der Lufthansa. Und wir glauben, das sind Assets, die wir recht effizient im Digital-Kontext zu leveragen vermögen. Der dritte Bereich, relativ simpel, wir sind ein börsennotierter Konzern, der muss eine Wachstumsstory auch weiterhin erzählen. Und auch wenn Luftfahrt Gott sei Dank sehr stabil und stetig wächst, das Potenzial im Digital-Kontext dahingehend auch maximal unausgeschöpft. Also wir nehmen mal die gesamte Bandbreite anschaust, was so in dieser Branche stattfindet, ist da gerade Digitalisierungsstunde Null im Jahr 2019. Was echt erstaunlich ist, das hat mich zumindest extrem erstaunt. Sowas wie der Mediensektor oder der Handelssektor, die haben so die erste Welle schon so 2012, 2013 massiv gespürt. Da war die Luftfahrt noch weit davon entfernt. Und das ereilt uns jetzt, wie gesagt. Gerade als Unternehmen, was sehr Asset-heavy ist, wie eine Airline ja per Definition ist, ist natürlich eine ganz, ganz besondere Magie in diesen Asset-Light- bis hin zu Asset-Free-Geschäftsmodellen. Und eine Magie, die am Ende des Tages ein Margenpotenzial auftun können, was einfach in der Luftfahrt sehr unüblich ist. Da wird ein sehr, sehr großes Rad gedreht, um verhältnismäßig wenig Geld zu verdienen unterm Strich. Und da haben wir natürlich einen super spannenden Hebel durch digitale Geschäftsmodelle. Da muss man ein kleineres Rad drehen und kann relativ schnell in margenträchtige Bereiche vordringen.

Joel Kaczmarek: Guter Hinweis. Lass uns doch mal ein paar Zahlen durch die Kliniken. Also 140 Millionen Passagiere hast du gesagt, was so public ist. Aber die Zahlen sind noch ein bisschen alt, schon aus dem Jahr 2017. 35 Milliarden Umsatz habe ich mir notiert und 128.000 Mitarbeiter. Also ich glaube, die Mitarbeiterzahl war so alt. Kommt das ungefähr hin?

Gleb Tritus: Das kommt hin. Ich glaube, bei den Mitarbeitern sind wir ungefähr mittlerweile bei 135.000. 140 Millionen Passagiere im vergangenen Jahr. Absolutes Rekordjahr. 550 Tochtergesellschaften. Das mag man ja nicht glauben. Also Lufthansa ist viel, viel mehr als die gelbe Lufthansa, die Airline. Und wir sind, je nachdem, wie du das jetzt leist und deist, stand jetzt in unserem Vernehmen nach die digitalste Airline-Gruppe der Welt. Und das versuchen wir auch gerade zu quantifizieren. von dem Thema Digital Delivery, also wie deliveren wir am Ende des Tages in der digitalen Kundenerfahrung bis hin zu so soften Faktoren wie, wie präsent ist das Thema digital in unserer Kapitalmarktgeschichte, wie viel digitales Talent heiern wir und so weiter und so fort. Aber stand jetzt, schreiben wir uns auf die Fahne, da auch die Speerspitze der Aviation-Landschaft weltweit zu sein.

Joel Kaczmarek: Jetzt hast du ein paar Mal schon gesagt, dass jetzt der Druck langsam kommt oder die Bewegung reinkommt. Was ist denn der Auslöser davon?

Gleb Tritus: Kann man verschiedene Vermutungen anstellen. Also erstens, der klassische opportunistische Entrepreneur fokussiert sich erstmal ganz einfach auf die Lower Hanging Fruits. Da gibt es sicherlich Geschäftsopportunitäten, die deutlich einfacher zu durchdringen sind, als jetzt die Luftfahrt als Ganzes. Das passiert auch die längste Zeit, so seit dem Web 2.0 Hype, so 2.7, 2.8. Also an Travel und Mobilität hat man sich lange nicht herangetraut, weil es einfach bessere, einfachere Felder gab. Das ist meine persönliche Hypothese als Unternehmer. Zweitens, es ist eine durch und durch regulierte Branche, eine proprietär durchdrängte Branche, die auch vielfach auf Legacy-IT aufbaut. Auch nicht der beste Nährboden, um da irgendwo aus so einer typischen Berliner Brille reinzugrätschen und mal eben mal was Kleines zu bauen und dann zu validieren. Das ist viel komplexer und dementsprechend auch kapitalintensiver, was mich zu dem Punkt führt, die längste Zeit war kein Kapital da, beziehungsweise das ganze Thema Travel Mobility war nicht auf dem Schirm des klassischen VC-Betriebs. Also fehlte da so ein bisschen das Ökosystem, auf dem man hätte. aufbauen können. Das hat sich in den letzten fünf Jahren massivst geändert. Es ist mehr denn je Kapital für diesen Sektor da und sowohl die Gründerseite, die Unternehmerseite als auch die Wagniskapitalgeberseite haben das jetzt irgendwo als neues Schwarz entdeckt und pumpen da jetzt sowohl Talente als auch Kapital rein. Und das hat natürlich irgendwo eine Dynamik befeuert, die wir jetzt sehr, sehr genau indem wir konkret aus Lufthansa Perspektive rund zweieinhalb tausend Startups weltweit sehen, die irgendwo unsere Wertschöpfungskette tangieren. Und stand jetzt sehen wir diese Zahl um ungefähr 200 pro Jahr anwachsen, auch hier Tendenz stark ansteigend. Als wir losgelegt haben 2014 gab es sehr sehr wenig, was wir da als würdig erachtet hätten.

Joel Kaczmarek: Und kannst du mal dem geneigten Zuhörer ein Gefühl geben, wie digital eure Branche eigentlich ist? Also bei mir ist es so, ich war vor kurzem mal auf so einem Kongress, auf einem Event von so einem Luftfahrtverband, habe da irgendwie moderiert. Und da lernt man dann so schöne Sachen wie, dass irgendwie so eine Turbine von Rolls-Royce, die glaube ich sogar gebaut wird, von so Flugzeugen.

Gleb Tritus: Total, ja. Lustig. Tablette herstellen.

Joel Kaczmarek: dass so eine Turbine von so einem Flugzeug in einer Flugstunde irgendwie ein Terabyte Daten aufzeichnet. Nur Flugdaten, ein Terabyte. Also nicht nur Zahlen und Buchstaben, das muss man sich mal überlegen. So eine Turbine und die hat vier, glaube ich, oder zwei mindestens. Ich habe bei euch, glaube ich, mal gelernt vor ein paar Jahren hier bei diesem, ich glaube, Sky Chefs heißt das, mit dem ihr dieses ganze Catering macht.

Gleb Tritus: Genau.

Joel Kaczmarek: dass wenn am Counter klar ist, dass es irgendwie No-Shows gibt, dass dann die Anzahl sozusagen an Gerichten für den Flug reduziert wird, um Gewicht zu sparen. Oder wenn sich jemand einen Tag vorher abmeldet und sagt, er bucht um, wird ein Gericht weniger eingeladen. Also sowas passiert alles schon auf einer Digital Journey, so habe ich es gelernt. Vielleicht korrigierst du mich gleich. Ist das wirklich so, dass das sozusagen stark digitalisiert ist in der ganzen Kundenerfahrung, in den ganzen Dingen, die da passieren? Also die Leute, die ich erlebt habe auf diesen Events, die waren total unterdigitalisiert. Ja, Krawatte, total steif und mhm. Aber bei dem Produkt denke ich doch eigentlich so, okay, da gibt es ja so viele Datenpunkte, dass doch eigentlich ganz viele Sachen digital schon ablaufen müssten.

Gleb Tritus: Da muss man so ein bisschen trennen. Also bei der Grundlagentechnologie, bei der technologischen Infrastruktur war die Luftfahrt die längste Zeit ihrer Neuzeit erstaunlich explorationsoffen und auch innovativ. Ein Stichwort sind da die sogenannten Global Distribution Systeme, die GDS. Das ist so der Vertriebs-Backbone der weltweiten Luftfahrt. Amadeus ist da so ein klassisches Beispiel. Und das ist zum Beispiel ein Ding, was damals unter anderem von der Lufthansa auch tatsächlich mitbegründet wurde. Das heißt, insbesondere so Ende der 80er, Und in den 80ern und in den 90ern gab es viele Vorstöße der Branche, wo man aus heutiger Sicht gesagt hat oder sagt auch, okay, das war jetzt wirklich innovativ und vor der jeweiligen Zeit. Hat sich dann irgendwann so ein bisschen geändert? Und ob der Komplexität und des stetigen Wachstums des weltweiten Passagierverkehrs in der Luftfahrt, hat man es verändert? Und aus verschiedenen Gründen verpasst, glaube ich, da auch konsequent nachzuziehen, nachdem man da so einen guten Start hatte. Das, was du heute beschreibst, ist vielfach nicht digital. Es ist maximal irgendwo digital unterstützt, aber Prediction ist sicherlich kein Thema bislang. Zumindest datengetriebene Prediction ist kein Thema. Und auch durch digitale Übermittlung dieser Erkenntnisse, wie zum Beispiel, wie viele Passagiere sind da, was muss ich laden? Das findet auch nicht statt. Also das ist vielfach immer noch sehr manuell und auf Legacy-IT-Systemen aufgebaut, die so auch teilweise schon vor 10, 15 Jahren stattfanden. Es funktioniert. Die Branche ist immens gut darin, Komplexität zu handeln und zu managen. Sie managt das aber heute immer noch so, wie es eben halt auch teilweise Ende der 90er gemanagt wurde. Das funktioniert auch noch bis zu einem gewissen Grad, aber um mit dem stetigen Wachstum der kommerziellen Luftfahrt mithalten zu können, müssen wir da dringend nachziehen.

Joel Kaczmarek: Aber sehr erschreckend. Wo, wenn nicht dort, kann man das dann tun?

Gleb Tritus: Das ist in der Tat mindestens beunruhigend, gebe ich dir recht. Das Gute ist, dass die Awareness mittlerweile da ist, hat sich rumgesprochen und man sieht mehr denn je auch Chancen in dieser Digitalisierung, diese Versäumnisse nachzuholen, die die Branche da viele Jahre lang hatte.

Joel Kaczmarek: Wenn wir jetzt nochmal zurück zu deinem Auftrag kommen, beziehungsweise eine Nachfrage hätte ich noch im Thema Umwelt eigentlich. Also wir reden über Digitalisierung. Bei Autos würde man jetzt bei Digitalisierung zum Beispiel auch an E-Autos denken. Und ich habe auch so Fragen aus meiner Nutzerschaft bekommen, was denn eigentlich mit dem Thema Umwelt ist und wie sich Lufthansa da sozusagen auseinandersetzt. Weil so Kerosin ist ja, glaube ich, nochmal ein paar Ecken schlimmer als das, was wir sonst auf der Straße verfeuern. Gibt es da eigentlich schon Ansätze, die du siehst, die irgendwie realistisch so ein Umweltthema in den Griff kriegen können?

Gleb Tritus: Aus der Digitalisierungsperspektive noch nicht konkret, wobei wir da auch uns umschauen. Im klassischen Kerngeschäftsberitt ist die Lufthansa da tatsächlich schon marktführend. Im Sinne von, wir optimieren vor und während den Kerosinverbrauch pro Passagier. Wir investieren, glaube ich, am meisten in der Branche in treibstoffeffiziente Flugzeuge. Also da passiert schon extrem viel. Aus einer Digitalisierungsperspektive heraus ist da gerade Stunde null. Wir haben das auf dem Schirm. Wir wollen da auch aktiv werden. Konkret aus der Neugeschäftsperspektive haben wir das noch nicht zum Thema gemacht.

Joel Kaczmarek: Man darf ja mal dazu sagen, jedes eingesparte Gramm spart ja auch massiv Cash. Also wenn man Plastikbügel anstatt Metall nimmt und das auf so eine Flugzeugflotte hochskaliert, da reden wir wirklich von Millionen von Euro.

Gleb Tritus: Absolut. Da macht schon was aus, wenn du zum Beispiel die an Bord verteilten Magazine eben nur noch als E-Reader-Version verfügbar machst und eben nicht physisch mitschleppst. Das hochgerechnet auf über 600 Flugzeuge macht ziemlich viel aus.

Joel Kaczmarek: So, aber zurück zu dir. Digitalkompetenz aufbauen oder rein diffundieren und Neugeschäft. Was definiert ihr denn für euch als Digitalkompetenz? Das versuche ich mal gerne zu verstehen am Anfang. Das heißt, wann würdest du denn sagen, hast du einen guten Job gemacht, wenn es darum geht, Kompetenz in die eine Richtung zu schicken und in die andere Richtung schon mal zu gucken, was Neugeschäft sein kann?

Gleb Tritus: Also sowas wie die 0815 Digital Literacy, das setzen wir erst mal 2019 voraus. Jeder muss grundsätzlich verstehen, was so die Tools sind, wie man digital kommuniziert, wie das den jeweiligen Arbeitsalltag tangiert, im Positiven wie im Negativen. Ich glaube, da sind wir definitiv drüber hinweg. Diese Grundsatzfrage kommt in diese Digitalisierungswelle, die ist jetzt abgehakt. Jetzt ist nur die Frage, wie groß fällt diese Welle aus und wie sehr tangiert die uns dann am Ende des Tages in der jeweiligen Branche. Da ein Haken dran. Im nächsten Schritt ist, glaube ich, ein wesentlicher Teil unseres Auftrags, das Verständnis zu schärfen, dass wir eben die längste Zeit geschützt waren vor den Auswüchsen der Digitalisierung. Diese Digitalisierung ist uns jetzt links und rechts tangiert, auch in unserem proprietären, gut geschützten, regulierten Industriezweig und dass wir darauf reagieren müssen. Also Auffassungsbereitschaft mitbringen müssen, Begeisterungsfähigkeit mitbringen müssen und einfach für neue Dinge offen sind. Das irgendwo an coolen Beispielen, an anfassbaren Beispielen vorzuleben und die Leute dahingehend einfach zu öffnen, ist, glaube ich, ein ganz, ganz wesentlicher Teil unseres übergeordneten Auftrags. Konkreter runtergesumt schärfen wir insbesondere so eine Art generalistischen Bauchladen, wenn es darum geht zu verstehen, wie mache ich digitales Geschäft. Also unser klassischer Talentpool sind das, was man hier in Berlin irgendwo Venture Development Manager nennt. Also Leute, die entlang der gesamten Wertschöpfungskette beim Aufbau neuer digitaler Geschäftsmodelle von allem ein bisschen können. Die müssen verstehen, wie man ein Thema iterativ validiert, nach dem MVP-Prinzip und dem Startup-Prinzip. Die müssen verstehen, wie man so ein Thema so ein bisschen in die Breite bringt, Stichwort Performance-Marketing, also wie baue ich digital Reichweite auf. Und die müssen am Ende des Tages verstehen, wie man dann bestimmte Aspekte wie Talent und technische Skalierbarkeit nachzieht. Also irgendwo einen bunten Blumenstrauß aus einem Skillset, der mich befähigt, Themen von der Idee möglichst schnell zumindest in einen Prototypen zu überführen. Alles, was dazu gehört, ist Digitalkompetenz, die wir vordergründig hier aus Berlin heraus zu vermitteln suchen. Okay, verstanden.

Joel Kaczmarek: Und was schaut ihr euch jetzt für Themen an für Neugeschäft? Du hast ja auch schon von eurer Wertschöpfungskette gesprochen. Können da Faktoren zum Beispiel sein, dass ihr euch Startups anguckt, die irgendwie dieses Warteschlangen-Processing am Counter reduzieren? oder das Frischhalten des Essens auf dem Flug oder keine Ahnung, also was jetzt eigentlich eher Kerngeschäft bei euch ist? Oder guckt ihr in eine ganz andere Richtung, dass ihr zum Beispiel mehr in Richtung Mobilität guckt, dass ihr schaut, wie kann ich meine Kette meinetwegen in Richtung Stadtverkehr irgendwie ausweiten? Was ist denn da euer Fokus?

Gleb Tritus: Auf die Frage erstmal zur Antwort eher Letzteres. Also das, was du initial beschrieben hast, ist etwas, was sich eher die Kollegen aus dem Kerngeschäft anschauen, die an die inkrementellen Schrauben drehen. Wir wären da wahrscheinlich schon drei Schritte weiter und tatsächlich auch deutlich breiter unterwegs, nämlich entlang der gesamten Reisemobilitätskette, was dann zum Beispiel sowas wie die innerstädtische Mobilität einschließt. Drei Schritte zurück, nochmal auf so einer Metaperspektive verargumentiert. Wir sehen unser Business in drei Layern. Oben hast du alles, was Customer-Facing ist, was der Kunde am Ende des Tages erlebt von der Lufthansa-Welt. In der Mitte hast du die Planungssysteme. Die können Endkunden gerichtet sein oder aber Assets gerichtet, also Flugzeug gerichtet in unserem Fall. Und unten hast du die Assets. Und unsere Hypothese ist, dass oben die Messe weitgehend gelesen ist. Wir werden also als Airline-Gruppe oder als Reisekonzern nicht das nächste Booking.com, Expedia oder sonst was bauen. Unten Bei den Assets ist erstmal alles okay und da wird sich auch so schnell nicht viel tun. Deswegen fassen wir das auch Stand jetzt nicht an. Also bleibt für uns die Perspektive der Planungssysteme sowohl in Richtung Kunde als auch in Richtung Assets. Wieso? Da haben wir sehr viel zu leveragen. Lufthansa ist in vielen Planungssystemkategorien, Branchen und Markt führend. Revenue Management, Netzwerkplanung, Flottenplanung, Flottenmanagement. Da haben wir sehr viel Expertise, haben wir fähige Leute und vor allem auch, da haben wir schon ein, zwei Mal bewiesen, dass wir es können. Und dieses Know-how gilt es auf einer digitalen Ebene zu leveragen. Das heißt, am Ende des Tages wollen wir uns eher auf den infrastrukturellen Layer konzentrieren und Produkte bauen, die eher andere dazu befähigen, bestimmte Dienstleistungen in Richtung Endkunde auszuspielen. Klingt ein bisschen kryptisch. Was heißt das konkret? Beispielsweise haben wir gerade ein Venture, das nennt sich airlinecheckins.com, das überführen wir gerade in etwas Größeres, was letztendlich Service-Pakete für viele Reisende schnürt und diese verkauft. Ja, beispielsweise haben wir als erste so eine Airline-übergreifende Wi-Fi-Flatrate eingeführt, was nicht trivial ist. Du kannst mit uns für einen Zehner im Monat, stand jetzt demnächst ein bisschen mehr, unlimited surfen bei 36 Airlines weltweit. Wir gehen da nicht in den Endkundenkampf und versuchen dann eine Brand aufzubauen, die in vielen Reisen irgendwo auftaucht. sondern wir gehen eher einen Schritt zurück und wollen andere dazu ermächtigen, das an ihre Reisenden zu verkaufen. Heißt, wir sprechen jetzt ganz konkret DAX 30 Unternehmen oder auch große Mittelständler an, bieten ihnen diese Pakete an, also Service, und die können es dann im Rahmen ihres Travel Managements an ihre reisenden Mitarbeiter ausspielen. Das heißt, die haben den Endkundenkampf in Anführungsstrichen. Wir stellen hinten lediglich die Infrastruktur an. Also Takeaway, Middleware, ganz, ganz wichtig für uns. Planungssysteme, eher aus dem Hintergrund Pakete und Dienstleistungen schnüren, die andere wiederum für uns vermarkten.

Joel Kaczmarek: Was heißt Planungssystem für dich?

Gleb Tritus: Planungssystem ist zum Beispiel Revenue Management. Wie bepreise ich etwas? Dynamisch, automatisiert, da hat ja die Luftfahrt sehr viel Know-how aufgebaut. Für viele ist das Dynamic Pricing im Airline-Kontext immer noch so die Blaupause für den Bereich. Und das können wir auch sehr, sehr gut im anderen Kontext leveragen, nicht nur im im Airline-Kontext. oder ein Planungssystem ist Netzwerkplanung. Wie kann ich ein Netzwerk von Zielen möglichst effizient und bedarfsgerecht bedienen? Das ist auch Know-how und eine Mechanik, die man sehr, sehr schön im anderen Kontext leveragen kann. Das sind nach unserem Verständnis Planungssysteme.

Joel Kaczmarek: Und warum schreibt ihr diese ganze Customer-Facing-Ebene schon so schnell ab? Ist ja irgendwie ein bisschen traurig. Also dass ihr jetzt nicht sozusagen die Buchungsplattform number one seid, wobei ich mal tippen würde, ihr habt sehr, sehr viel Direct-Traffic, also wenn ich nach meinem Buchungsverhalten zumindest gehe auch mal. Aber es muss ja nicht immer nur lauten, dass ihr jetzt irgendwie ein Booking.com schluckt. Da kann man ja auch mal drüber diskutieren, ob ihr Leute kaufen könnt und selbst zur Plattform werden, ob das her gäbe. Aber es gibt ja so viele, so viele, so viele, so viele Services. Also ich denke jetzt gerade hier an Stefan Uhrenbacher mit seinem Flio. Sowas könnte von euch kommen. Diese WLAN-Geschichte, die du gerade gemacht hast, könntest du auch an deine ganzen Endkunden direkt in den Fliegern alle verscheuern und, und, und. Also da gibt es ja zig Sachen, die du eigentlich tun könntest. Warum schreibt ihr das so ab?

Gleb Tritus: Das stimmt. Also abschreiben ist vielleicht ein bisschen zu drastisch formuliert. Wir haben es zumindest depriorisiert. Wir haben es die längste Zeit versucht und haben einfach gesehen, dass der Hebel eben aus dieser Planungssystemperspektive aus der zweiten Reihe für uns a. größer ist schlichtweg, b. auch irgendwo kommerziell trächtiger ist. Wir sind näher am Geld, wir sind näher an der Transaktion und müssen uns eben nicht mit den Bookings.coms dieser Welt bei den Google-Adwords-Preisen um den Endkunden kloppen, was auch keine gesunde, also zumindest wirtschaftlich gesunde Geschichte ist, wie ich den nach vielen Jahren in dem Bereich versichern kann. Wir sind einfach opportunistisch und glauben, dass wir da mehr hebeln können und eher zum Erfolg kommen als im Customer-Facing-Kampf. Was nicht heißt, dass wir das vollends ausschließen. Da, wo wir ganz klar Permission to Play haben, beispielsweise in den direkten Endkunden-Reach, versuchen wir auch noch immer, bestimmte Dienstleistungen an den Kunden direkt zu bringen. Es ist aber nicht mehr unser Fokus. Das Das heißt, wir ziehen uns jetzt, und das ist irgendwo im Rahmen der Digitalstrategie der Lufthansa Group seit letztem Jahr festgeschrieben, da so ein bisschen raus und versuchen eben diese Planungssystemperspektive einzunehmen. Da sind wir also noch knietief und mittendrin und die vollendete Wahrheit ist da noch nicht gefunden.

Joel Kaczmarek: Unterscheidet ihr eigentlich, wie das so ein Händler tut, nach klassischen Offline- und Online-Umsätzen? Oder wo würden zum Beispiel eure Geschichten, die ihr jetzt baut, bei der Lufthansa firmieren?

Gleb Tritus: Klar wird das unterschieden. Es steht auch aus der Frage, dass der Online-Vertrieb der Fokus ist, also auch schon heute Realität für alle Airlines. Flüge kauft man nicht mehr ganz so oft im Reisebüro, auch wenn der Vertriebskanal erstaunlich stabil funktioniert und auch in der reizüberflutenden Welt von heute sogar Potenzial für Wachstum hat, weil die Leute immer mehr wieder Bedarf an Kuratierung haben, an Beratung und auch persönlichen Input. Nichtsdestotrotz ist der Fokus ganz klar auf Online-Distribution, steht außer Frage und wir würden uns irgendwo da einfinden. Das wäre aber sehr kerngeschäftsbezogen eingeordnet. Wir sagen ja am Ende des Tages, wir wollen ein neues Geschäft befeuern. Das heißt, wir sehen uns irgendwo in einem neuen Bucket, einem dritten Bucket. der da heißt, digitale Umsätze fernab des Kerngeschäfts. Also nicht unbedingt verbunden mit dem Fliegen von Gütern oder Menschen von A nach B.

Joel Kaczmarek: Aber man hat doch bei Konzernen wie euch und bei der Mitarbeiteranzahl, dem Umsatz nochmal ganz gesteigert. immer dieses Problem von doesn't move the needle, sagt ja irgendwie der Neudeutsche immer. Also Wenn du etwas Digitales tust, wenn du jetzt ein Startup wärst, würdest du dich voll abfeiern, High Five sagen und sagen, geile Umsätze. In so einem Corporate sind halt irgendwie 10, 20, 30 Millionen Umsatz, die so ein Ding vielleicht macht, halt ein Witz. Das interessiert doch gar keinen eigentlich. Habt ihr diese Problematik auch und wie geht ihr damit um?

Gleb Tritus: Definitiv ja und das ist auch symptomatisch für jede große Organisation, wie du schon sagst. Und das muss man irgendwo als Teil des Spiels verstehen. Wir sind da noch mitten drin in der Entwicklung, in Richtung der Wahrnehmungsschwelle eines börsennotierten Konzerns. Irgendwo musst du anfangen und wir haben recht klein angefangen mit zehn Mann in Berlin in einem Airbnb. Jetzt sind wir irgendwo, glaube ich, in der Mitte der Journey und die nächsten Jahre werden ganz aktiv dazu genutzt, eben über diese Wahrnehmungsschwelle zu kommen. Das siehst du auch fortwährend in unserer Entwicklung. Wir haben halt mit kleinen MVPs angefangen, die irgendwie 10.000 Leute adressiert haben. Jetzt sind wir schon ein gutes Stück weiter, adressieren teilweise Hunderttausende und bauen auch Ventures, wo auch schon Finanzierungsvolumen hintersteht, was definitiv über der Wahrnehmungsschwelle eines DAX30-Konzerns ist. Also das ist ein fortwährender Prozess, eine fortwährende Entwicklung und wir sind da irgendwo bei 30 Prozent wahrscheinlich, wie so ziemlich alle Digital-Units, herkömmliche, althergebrachten Unternehmen. Oder muss man die Geduld mitbringen und bis dahin um Vertrauen und Welpenschutz bei den Entscheidern in solchen Konzerns werben? Da haben wir zum Glück ein sehr, sehr starkes Backing. Ein sehr, sehr geduldiges Top-Management, was auch klar daran glaubt, was wir hier tun und dementsprechend auch eine lange Leine und nicht diesen unmittelbaren Bottom-Line-Druck. Also dass man schon nach drei Jahren fragt, okay, jetzt habt ihr da so ein bisschen rumgewurschtelt in Berlin. Was ist denn jetzt rausgekommen, was ich meinen Aktionären erzählen kann? Es war von vornherein klar, das ist so ein Ding. Das ist mittel- bis langfristig ausgelegt. Das ist nichts, was nach drei bis fünf Jahren hier irgendwo signifikant zum Umsatz beitragen kann. Selbst wenn wir hier 500 statt 50 Leuten irgendwo auf der Payroll hätten. Lange Rede, wir werben da ganz klar um Geduld und haben das Verständnis geschärft, dass sowas nicht von heute auf morgen passiert.

Joel Kaczmarek: Bevor wir auf eure Organisation mal tiefer eingehen, lass uns noch mal einen Satz sagen, was ihr eigentlich aufbaut, wenn du sagst 50 Leute. Macht ihr zum Beispiel sehr viele Dinge mit BI, Business Intelligence? Macht ihr Marketing? Habt ihr sozusagen eigene Units, die ihr quasi auch an eure Ventures dann weiterverkauft, in Anführungsstrichen? Weil wenn ihr sagt, ihr macht Incubation, das ist ja eigentlich so ein gar nicht mal so triviales Geschäft. Also haben ja die ganzen klassischen Inkubatoren irgendwie alle eingestellt. Was muss ich mir vorstellen, was da für ein Apparat quasi bei euch steht?

Gleb Tritus: Also ein Großteil der Organisation ist tatsächlich das, was wir Venture Development nennen, also wirklich Inkubation, wobei Inkubation auch wieder so ein bisschen mit Sternchentext. Wir fokussieren uns sehr, sehr stark auf das erste Drittel in dieser Inkubationswertschöpfung, sage ich mal. Wir sind extrem gut darin, binnen kürzester Zeit mit verhältnismäßig wenigen Mitteln anzugehen. eine initiale Geschäftsmodellhypothese für die Lufthansa zu validieren. Und am Ende des Tages auch zu sagen, ja, liebe Lufthansa, bei dem Thema ist Musik im Spiel und hier lass lieber die Finger von. Das können wir sehr, sehr gut. Was danach kommt, wenn einmal so eine Hypothese validiert ist, da sind wir auch gerade mittendrin und haben den Modus für uns gefunden, dass wir eine validierte Hypothese relativ schnell in eine eigenständige Gesellschaft überführen, also wirklich ausgründen. Das haben wir jetzt zum ersten Mal recht groß im vergangenen Jahr getan. Dort ein separates Team aufbauen, ganz und gar nach den Maßgaben des Technologie-Ökosystems. Das heißt, das wird sich im ersten Blick in keinster Weise von jedem Berliner Start-up unterscheiden. Und sie dann an einer betont langen Leine von der Lufthansa eher weiter entfernt loslaufen und hoffentlich auch florieren lassen. Das ist so ein bisschen der Modus. Das heißt, wir haben nicht die End-to-End-Inkubator-Sparte bei uns irgendwo intern. Wir haben nicht eine eigene Dev-Abteilung, Online-Marketing, HR. Ops und so weiter, sondern wir haben einen kleinen Stoßdruck von Menschen, die sehr, sehr schnell nach den üblichen Maßgaben von Lean Startup, Design Thinking, you name it, Hypothesen validiert bekommen. Und wenn wir so eine validierte Hypothese haben, überführen wir sie in einem eigenen Bereich, einen eigenen Nährboden, wo es dann separat und eigenständig weiter floriert. Das ist ganz klar der Kern und Großteil unserer Leute. Daneben haben wir Partnerschaftsmanager, die nichts anderes machen als BizDev und zwar auf beiden Seiten. Also wirklich schauen, dass man Digitalspieler irgendwo für die Lufthansa begeistert, was zum Glück ein recht einfaches Spiel ist bislang und viel wichtiger dann die Anschlussfähigkeit im Konzern für diese digitalen Spieler schafft. wirklich ganz klassisch Stakeholder bespielen, educaten, erklären, wo denn jetzt der Wert bei dem jeweiligen potenziellen Partner liegt und dann diese beiden Seiten zusammenführen. Das ist so ein Bereich. Dann haben wir ein wachsendes Team wirklich von ganz klassischen Researchern, Trend and Market Intelligence Analysts nennen wir sie, die nichts anderes machen als systematisch die gesamte Reisekette zu betrachten und zwar entlang der zwei Dimensionen Gründungsdynamik, wo entsteht was Neues, wo wird gegründet und Finanzierungsdynamik, wo wird VC eingefahren. Das ist für uns ein sehr, sehr starker und zuverlässiger Indikator, was die thematischen Richtungen angeht, die wir bespielen. Und dann haben wir so ziemlich alles, was dazwischen stattfindet. Also von Backoffice, HR, People und Organisation, also das Öl in so einem Unternehmen ist. Aber der Fokus stand jetzt ganz klar auf diesem Bereich Venture Development und da ganz klar gemünzt auf das initiale Validieren von Geschäftsmodellhypothesen.

Joel Kaczmarek: Und wie machst du es, dass dir dann nicht dein bestes Talent gleich wieder sozusagen weggeht, diesen Braindrain, den man dann immer hat, was dann die Leute sagen, oh, das ist so cool, dieses Venture, ich habe das jetzt ein halbes Jahr als Projektmanager betreut, ich habe mich darin verliebt, jetzt will ich das machen, ciao Leute.

Gleb Tritus: Extrem schwierig und haben ja sicherlich auch noch nicht die vollendete Wahrheit gefunden, also unsere Retention ist sehr gut, der Churn verhältnismäßig niedrig, nichtsdestotrotz haben wir natürlich ständig damit zu kämpfen. Ein Grund dafür ist, dass wir mittlerweile 160 Labs in Deutschland haben, die zumindest vorne dran sagen, sowas ähnliches zu tun. Mit denen kloppt man sich. Andererseits natürlich auch, weil wir hier eine besondere Herausforderung haben, genau das zu deliveren, was wir vorhin im HR-Prozess versprechen. Am Ende des Tages dauern Dinge beim Konzern, ob du willst oder nicht, schon ein bisschen länger. Und du musst schon mal eine politische Schleife drehen und eine Überzeugungsrunde mehr, als du es vielleicht im Tech-Kontext machen musst. Und das irgendwo realistisch vorne zu verkaufen, also Expectations-Management, und dann aber auf ein Minimum zu halten in der operativen Realität des Alltags, ist eine Riesenschwierigkeit und ein Balanceakt. Und wie tun wir das am Ende des Tages? Erstens haben wir uns, glaube ich, mittlerweile für Konzernverhältnisse den wohl mitunter besten Freiraum erkämpft, den man sich so einen DAX-30-Kontext vorstellen kann. Also es ist as startup as it gets in einem börsennotierten Konzern. Das ist das eine. Und das andere, wir versuchen die Leute tatsächlich, auch wenn es ein bisschen abgedroschen klingt, zu empowern und in den Driver Seat zu setzen. Du hast bei uns Budgetfreiheit. Das heißt, du hast eine Hypothese. Das ist so ein kleines Venture. ein Validierungsprojekt, du hast ein Budget X dafür und eine Timeline Y und was du dazwischen tust mit dem Geld, obliegt dir. Das heißt, die Leute können sich austoben, die können die Dienstleister reinholen, die sie für richtig halten und können das Geld allokieren, ohne sich irgendwie alle 5.000 Euro abzeichnen zu lassen. Das heißt, ein verhältnismäßig hoher unternehmerischer Freiheitsgrad, der so im Konzernkontext extrem schwierig A, initial abzubilden und B, zu bewahren ist. Und das hält unsere Retention überdurchschnittlich gut. Wir haben aber definitiv noch Potenzial nach Rom hier, ohne Frage.

Joel Kaczmarek: Und wenn ihr so eine Bude ausgegründet habt, was ist denn das Ziel? Also ist das dann die 551. Tochter von Lufthansa? oder wollt ihr die finanzieren, mal verkaufen, selbst an die Börse bringen? Was passiert damit?

Gleb Tritus: Wir agieren sehr strategisch. Das heißt, es stand jetzt immer irgendwo einen ganz klaren Bogen zurück zu dem, was die Lufthansa tut, nämlich schon Leute und Güter transportieren im Kern. Und hat auch eine ganz klare Perspektive, bestimmte Lufthansa-Assets zu leveragen. Sei es die Reichweite, sei es bestimmte Daten, das Standing im Markt und so weiter und so fort. Also Stand jetzt gründen wir aus einer Lufthansa-Perspektive aus, versuchen aber gleichzeitig niemals die Türen in Richtung Industrie und Markt zu verschließen. Das heißt, das, was wir ausgründen und bauen, ist nicht Lufthansa-gebrandet. Da steht nirgends so Lufthansa drauf, auch wenn die Lufthansa signifikant an den jeweiligen Companies ownt und sie auch in der Regel singulär finanziert. Wir haben immer die Geschichte dabei, dass es ein Plattform-Play werden kann, wo beispielsweise auch perspektivisch Wettbewerber von uns andocken können. Das haben wir jetzt auch so im Fadenkreuz bei unserem ersten größeren Venture. Das heißt, wir bauen schon irgendwo aus einer Marktperspektive, schauen aber gleichzeitig hinten dran, dass da ganz, ganz konkrete Teils strategischer Natur zur Lufthansa-Organisation bestehen. Und wir eben uns irgendwo ein unfair advantage daraus holen, also irgendwo einen unfairen Startvorteil, sei es über die Reichweite, über die Marke, was auch immer. Es ist keineswegs das Ziel, weitere Beteiligungen aufzubauen. Nein, das langfristige Ziel ist, maßgeblich zu einem rein digitalen Ertrag beizutragen. Da sind wir ganz, ganz am Anfang, ohne Frage. Aber das langfristige Ziel ist tatsächlich, digitales Neugeschäft zu befeuern, was über die Wahrnehmungsschwere eines DAX30-Konzerns kommt.

Joel Kaczmarek: Lass uns mal ein Stück weit über deine Organisation reden, deine Mutterorganisation sozusagen. Ich habe ja immer so den Gang, dass ich mir so eine Entscheidungsgremien dann mal angucke und dann guckst du da so rein und merkst, dass so der Vorstand der Lufthansa eigentlich größtenteils aus alten Männern besteht. Also ich glaube, eine Frau ist dabei, wenn ich mich nicht täusche, ansonsten alles Männer. Der Aufsichtsrat ist eigentlich so ein sehr stark von Arbeitnehmervertretern durchsetztes Gremium, aus guten Gründen wahrscheinlich. Also da sind auch mal Exoten drin, wie irgendwie so ein Adidas-CEO. Aber an und für sich guckt man sich das ja an und denkt sich so, das sind jetzt nicht unbedingt Gremien, von denen ich denken würde, dass sie stark innovativ digital denken. Tut man denen da Unrecht? Also sind auch die Silberrücken in so einem Konzern irgendwie mittlerweile auf einem Level, dass sie sagen, okay, haben wir verstanden, wollen da loslegen oder ist da schon was dran?

Gleb Tritus: Da ist sicherlich einerseits was dran und das ist keineswegs eine Lufthansa-Herausforderung, sondern am Ende symptomatisch in den meisten großen Legacy-Organisationen in Deutschland auch darüber hinaus. Gleichzeitig tut man denen auch punktueller, glaube ich, auch massivst Unrecht. Verständnis für die Implikation der Digitalisierung, für die Notwendigkeit des Handels und für die verschiedenen Vehikel des Handels, Venture Capital, Inkubation, interne R&D und so weiter, ist, glaube ich, deutlich ausgeprägter als man meinen mag. Nicht immer wird das wirklich evident vorne dran geäußert. In den Gesprächen zwischen den Zahlen und die auch dann hinter verschlossenen Türen stattfinden, merkt man dann doch, dass die Leute und auch die Entscheider von solchen Großkonzernen deutlich digitaler sind, als man anfangs meint. Aber am Ende des Tages, großes Ausrufezeichen, ist deren Job eben nicht zu digitalisieren oder hier gerade zum Beispiel digitales Neugeschäft zu befeuern, sondern erstmal zu schauen, dass der Laden läuft und weiterhin von A nach B fliegt und 140 Millionen Menschen pro Jahr befördert. Deswegen ist es auch vollkommen okay, dass ihr Fokus durch und durch auf dem Kerngeschäft liegt. Die Kunst ist, parallel eben diese viel zitierten Überholspuren zu schaffen, wo eben das Digitale stattfinden kann. Erst mal im Kleinen und dann aber mehr und mehr mit einer zunehmenden Wahrnehmung auf Vorstandslevel und auf Top-Entscheider-Level. Das ist bei uns insofern der Fall, dass wir seit letztem Jahr ein sogenanntes Digital Executive Board etabliert haben. Das ist ein Vorstandsgremium, was sich ganz und gar den Digitalthemen widmet. Das tagt ungefähr alle sechs Wochen. Und hat nichts anderes auf der Agenda, als digital-strategische Entscheidungen zu fällen. Und da sind Stand heute drei der fünf Vorstände drin. Unter anderem auch Thorsten Dirks, der von der Telefonica kommt, CEO der Eurowings und zum Beispiel ein durch und durch digitaler Top-Manager ist, der das Thema definitiv verstanden hat.

Joel Kaczmarek: Na, wie hoch seid ihr mit euren Aktivitäten denn sonst aufgehangen? Man sagt ja auch immer so schön, being accountable und being empowered. Also accountable heißt, es gibt Metriken, an denen man dich misst. Und empowered ist die Frage, wie stark kannst du das eigentlich durchsteuern? Das heißt, wenn ihr jetzt mal so eure Aufhängung betrachtet, wie ernst nimmt man euch in dem Konzept?

Gleb Tritus: Im Ernst, was aber auch das Ergebnis einer Evolution ist von jetzt nunmehr viereinhalb Jahren. Also ursprünglich werden wir losgestoßen tatsächlich vom CEO, was schon mal halbe Miete ist, insbesondere in der internen Perspektive. Wenn der CEO etwas ausruft und sich dann auch mit den Leuten vorne auf die Bühne stellt, dann hat das schon mal eine extrem starke Symbolwirkung bis in die tiefste Arbeitsebene. Dann heißt es, da muss doch was dran sein. Du hast nicht diese natürliche Abstoßungsreaktion, die du sonst bei solchen eher marketingorientierenden Initiativen hast. Das war schon mal das erste Ausrufezeichen. Und das Commitment des CEOs und damit auch des Gesamtvorstandes seid ihr auch sehr spürbar. Wir haben regelmäßig Interaktionen. Herr Spohr, unser CEO, lässt keine Gelegenheit aus, um zu betonen, dass wir eine der wichtigsten Digitalisierungsmaßnahmen der Lufthansa Group sind und gibt uns dementsprechend auch die Bühne. Dieses Digitalgremium, dieses Digital Executive Board, was ich eben erwähnt habe, ist ständig mit uns im Austausch. Also wir sind tatsächlich alle sechs Wochen mit einem wesentlichen Beitrag in diesem Gremium. Das heißt, da haben wir auch wirklich Knie-Tief-Interaktionen mit drei Vorständen. Und wir sind regelmäßig irgendwo auch auf dem Vorstandssichtbarkeitslevel unterwegs. Beispielsweise, indem wir maßgeblich zusammen mit dem CDO die Digitalstrategie der Lufthansa-Gruppe für die nächsten fünf Jahre mitentwickelt haben. Also spätestens, wenn du wirklich digitalstrategisch die Klammer für die gesamte Organisation mitgestaltest und dafür auch die Credits bekommst und die Sichtbarkeit bekommst, hast du den Proof of Concept, dass es ein bisschen mehr ist als eine Fußnote in der Pressemitteilung, die besagt, dass auch die Lufthansa jetzt irgendwas in Berlin

Joel Kaczmarek: macht. Sonst ist ja immer so der Cash-Faktor, womit man die Relevanz beziffern kann. Das heißt, Wie viel Umsatz oder Risiko committet ihr denn generell auf das Thema Digitalisierung? Also habt ihr da so eine Marke, dass ihr sagt, so und so viel Prozent eures EBITs seid ihr bereit auch mal zu riskieren, wenn dies und das gelingen soll? oder Betrag X?

Gleb Tritus: Das, was wir kommunizieren, in einem groß angelegten strategischen Projekt, was 2014 losgestoßen wurde, wo der Innovation Hub eine der ersten Maßnahmen war. Da wurde kommuniziert, rund 500 Millionen in Digitalisierung zu stecken bis 2020. Da sind wir also noch unterwegs. Und im Neugeschäft sind wir Stand jetzt noch nicht in einem Modus angekommen, wo es eine feste Allokation gibt, beispielsweise prozentual. sondern es ist immer noch fallabhängig. Das heißt, wir haben erstmal einen Bedarf, diesen Bedarf melden wir an und dann werden mittlerweile extrem unbürokratische Mittel dafür freigeschaufelt. Ein sehr dankbares Vehikel dafür ist der sogenannte Lufthansa Digital Fund, ebenfalls im vergangenen Jahr etabliert, zusammen mit diesem Digital Executive Board. Da werden jetzt seit letztem Sommer pro Jahr immerhin schon mal 20 Millionen Euro extrem unbürokratisch bereitgestellt für digitale Geschäftsmodelle. Und dazu haben wir auch nochmal eine Art Seed-Vehikel, nochmal 10 Millionen, wo wirklich für die initiale Validierung von Hypothesen bis zu 500k binnen eines Tages ausgeschüttet werden. Ich glaube, da sind wir auch schneller als herkömmliche Seed-VCs in der Realität da draußen. Also haben wir jetzt aus der Innovation-Perspektive einen Topf von 30 Millionen, auf den wir sehr unbürokratisch und effizient zugreifen können, um unsere Ventures anzuschieben.

Joel Kaczmarek: Jedes Jahr?

Gleb Tritus: Jedes Jahr.

Joel Kaczmarek: Bist du zufrieden damit? Weil wenn du sagst, 500 Millionen hat man ausgerufen, das ist so ein Siebzigstel eures Jahresumsatzes. Glaubst du, dass das Zahlen sind, die reichen, um das anzuschieben, was ihr vorhabt?

Gleb Tritus: Um langfristig über die Wahrnehmungsschwelle eines DAX30-Konzerns zu kommen, sicherlich nicht. Aber wie auch schon erwähnt, es ist halt ein fortwährender Prozess, wo wir irgendwo in der Mitte stecken. Du kannst nicht direkt mit der Keule schwingen und sagen, jetzt 500 Millionen in Digitales. Das würde nicht zu der Branche passen, das würde nicht zu der Risikoaversion der Luftfahrt passen. Wir sind mehr peu à peu schrittweise unterwegs und versuchen, testgetrieben bestimmte Dinge zu validieren, bevor wir da zwei, drei Schritte weitergehen. Und das ist ein Modus, der bislang für uns funktioniert und wo wir eher über substanzielles, über konkrete Ergebnisse dann begründet mehr verlangen, dem nicht sofort mit dem Kopf durch die Wand gehen. Das ist kulturell, glaube ich, bekömmlicher bei der Lufthansa und das ist auch bekömmlicher auf die gesamte Innovationsauffassungsfähigkeit der Luftfahrt. Lange Rede. Es ist okay, es ist immer ausbaufähig und wir bewegen uns aber, und das ist das Wichtigste, fortwährend in größere Sphären und haben da auch eine sehr, sehr, sehr klare Entwicklung in den letzten viereinhalb Jahren vorgelebt. Und entsprechend bin ich extrem positiv und optimistisch, dass diese Entwicklung so weiterlaufen wird.

Joel Kaczmarek: Kultur, gutes Stichwort. Kulturwandel ist ja immer so ein Faktor, wenn es darum geht, Digitalisierung in einem Bestandsunternehmen, was schon sehr, sehr lange existiert. Ich glaube, bei euch schon seit den 20er Jahren, 1926 ist in dem Dreh gegründet. Du hast so ein bisschen so einen Erweckungsfaktor. Also du musst Leute irgendwie dafür motivieren. Du hast diese Lehmschichten auf der Mittelebene oft, die dich ausbremsen. Du hast Mitarbeiter, die du mitnehmen musst, die halt Angst haben auch mitunter. Wie gelingt euch das, dieser kulturelle Balanceakt, wie du es gerade selber gesagt hast, zwischen DAX 30 Unternehmen und Tech-Ökosystem?

Gleb Tritus: Sehr, sehr, sehr gute und relevante Frage. Und auch hier, wir haben da nicht die vollendete Wahrheit gefunden, meine aber jetzt nach viereinhalb Jahren da irgendwo schon so ein Proof of Concept zu haben, mit dem wir mindestens gut funktionieren. Drei Dinge sind dafür ganz, ganz wesentlich und das war ein stetiger Lernprozess. Das hatten wir nicht auf dem Schirm jetzt irgendwie im zweiten oder dritten Jahr des Innovation Hubs. Das erste, relativ simpel, Sprachfähigkeit, also Expertentum. Tatsächlich irgendwo proprietäres Wissen und eine Expertenstellung im Konzern manifestieren. Wenn heute irgendwas rund um das Thema Travel Mobility Tech in der Lufthansa Group stattfindet, sind wir relativ schnell die ersten Ansprechpartner, spätestens die zweiten. Das heißt, es hat sich herumgesprochen und wir haben da auch durch Taten und einen konkreten Beitrag auch bewiesen, dass wir einfach ein wertiger Ansprechpartner rund um das Thema Reisemobilitätstechnologie sind. sind insbesondere aus einer Marktperspektive, also Expertentum, diese Permission to speak, Permission to play. Lufthansa ist in einem sehr speziellen, eben proprietären Sektor unterwegs, wo wir sehr viele Experten haben, die ihren Bereich wirklich industrieführend beherrschen. Und diesen Anspruch legen die Leute dann auch solchen neuen Spielern wie uns zugrunde. Und diesem Anspruch müssen wir begegnen und das tun wir sehr konsequent, indem wir uns fortwährend als die sprachfähigsten und wichtigsten Experten rund um Trail-Mobility-Tech im Konzern positionieren. Das ist der erste Pflock. Der zweite Block, und dann kann ich Max Fisman zitieren, Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation, extremst wichtig. Extremst wichtig und wahrscheinlich eines unserer schmerzhaftesten Learnings. Wir haben die ersten anderthalb Jahre wenig bis gar nicht kommuniziert, intern wie extern. So ein bisschen im jugendlichen Leichtsinn, wir sollten erst die Kommunikationskeule schwingen, wenn wir auch wirklich was zu verkünden haben, also Ergebnis generiert haben. Das war ein Riesenfehler. Das, was du in so einer großen Organisation, und das gilt für alle großen Organisationen, nicht wirklich zu fassen bekommst, ich glaube, das ist eine ganz natürliche Reaktion, füllst du ganz schnell mit Mythen und Legendenbildung aus und Flurfunk. Und das kann sehr, sehr schnell kippen, weil auf dem ersten, sehr flüchtigen Blick sind wir mit ganz vielen Sonderrechten und Freiheiten ausgestattet. Wir sitzen in Berlin in einem hippen Office, tragen alle Turnschuhe und machen tatsächlich spannende Sachen, die irgendwo nah an der Marktrealität sind. Wenn du da nicht die Erklärung hinterher schiebst, wieso wir das machen, wie wir das machen, dann wird das ganz, ganz schnell kippen. Und das war auch bei uns ganz ehrlich der Fall. Weswegen wir dann ungefähr nach anderthalb Jahren den Modus komplett umgeschaltet haben und über Smart kommuniziert haben. Das ist auch bis heute das Learning. Du kannst niemals genug kommunizieren. Wir haben zwei Fulltime-Kräfte, die nichts anderes machen, als unsere Messages nach intern zu tragen. Und zwar über sämtliche Medien, internen Medien, vom Top-Management-Newsletter bis hin zum Bordmagazin. Aber auch darüber hinaus über die Presse und auch über Presseorgane und Medienorgane, die auch dann so ein klassischer Lufthansiat liest. Das ist nämlich leider nicht Gründerszene oder Digital Kompakt oder deutsche Startups, sondern eher althergebrachte General Interest und Special Interest Presse. Und das bespielen wir sehr, sehr aktiv, um einfach den Leuten darzubringen, was wir hier tun. Was wir tun, wie wir es tun, vielfach auch aus dem Anspruch heraus zu zeigen, wir sind keine Bedrohung, sondern vielmehr eine Chance. Wir wollen keinen den Job erklären, wir wollen keinen den Job wegnehmen. Nein, wir sind dafür da, um komplementär Neugeschäfte aufzubauen und das zu hebeln, was die Kolleginnen und Kollegen im Kern extrem gut draufhaben. Last but not least, und das schließt so ein bisschen das Thema Kommunikation an und tangiert auch das, was Max bei dir gesagt hat, authentisch bleiben dabei, extrem wichtig und zwar in beide Richtungen. Ein klassischer Konzernmensch, das sage ich bei allem Respekt, ist nicht dafür gemacht, um hier in Berlin beispielsweise eine Finanzierungsrunde zu verhandeln oder dann irgendwo eine strategische Kooperation mit einem reinen Tech-Player, so einem Digital-First-Unternehmen. Ist auch vollkommen okay, der ist auch nicht dafür angetreten bei der Lufthansa. Wir wiederum, die eben aus diesem Ökosystem kommen, sind sicherlich auch nicht die Besten, um große Truppenansagen an die Arbeitssebene in Frankfurt zu vollführen. Du brauchst in beide Richtungen diese Permission to Play und du musst ernst genommen werden, du musst authentisch sein. Das funktioniert bei uns extrem gut in Richtung Ökosystem. Das heißt, wenn wir mit WCs sprechen, mit Gründern, mit Inkubatoren, Akzeleratoren, nehmen die uns mittlerweile extrem ernst. Bis hin zur Konsequenz, dass uns die meisten namhaften VCs mittlerweile proaktiv konsultieren, wenn sie einen Travel Deal am Tisch haben. Da fragen sie nach unserer Meinung. Das ist für mich so der Proof of Concept. Wir werden ernst genommen, wir sind halt nicht der 50. Corporate, der in Berlin irgendwas mit digital macht. Umgekehrt sind wir eben nicht die Besten, um dem Revenue Manager, der seinen Bereich extrem gut kann, in Frankfurt die Welt zu erklären. Das muss dann jemand machen, der da das Standing genießt, dort die Sprache spricht. Und der Merch aus diesen beiden Welten und das Handpicken von Leuten, die eben in beiden Kontexten funktionieren können, ist auch so ein bisschen unsere Secret Source, was die kulturelle Durchdringung angeht.

Joel Kaczmarek: Naja, man kennt ja auch diesen klassischen Satz, die da drüben geben das Geld aus, das wir verdienen. Das ist ja so ein bisschen der Classic. Also lerne ich daraus, dass diese Widerstände, die Politik, die man in so einem Prozess drin hat, also ist Kommunikation das einzige Werkzeug, mit dem du die Widerstände, die dieser Prozess mit sich bringt, bearbeitest. oder gibt es noch andere?

Gleb Tritus: Nein, das ist sicherlich nicht das einzige Werkzeug. Es ist aber die Basis. Grundrauschen, was man definitiv sicherstellen muss. Ansonsten Verhalt alles, was danach folgt. Ansonsten hast du natürlich ganz, ganz klassische Mittel und Wege. Erstens musst du natürlich schauen, dass du auch tatsächlich was baust, was funktioniert. Und da auch einmal mehr im nächsten Schritt kommunizierst, wie es funktioniert. Also schon irgendwo Substanz haben am Ende des Tages, Ergebnis haben. Nicht nur Marketingkeulen schwingen. Produkte bauen, die irgendwo Wert beitragen. und am Ende des Tages auch Umsatz generieren und Ertrag generieren. Relativ klassisch, weil das ist so eine Sprache, die kannst du nur schwer aushebeln. Zahlenbasiert, faktenbasiert am Ende des Tages zeigen, wir haben hier ein neues Geschäft geschaffen. Das ist das eine. Das andere ist natürlich auch so ein bisschen die Dynamik und die politische Großwetterlage eines Konzerns irgendwo zu verstehen und zu durchdringen. Du musst schon sehr, sehr genau verstehen, mit wem du wann sprechen sollst, wer die Hand auf bestimmten Assets hat. wer der Owner von bestimmten Zugängen ist. Das ist einmal mehr symptomatisch in jeder großen Organisation. Da ist die Lufthansa keine Ausnahme. Und diese politische Weltkarte sinnvoll und auch einmal mehr authentisch zu bespielen, ist, glaube ich, auch ein absolutes A und O, wenn es darum geht, Digitalisierung in die breite Masse zu tragen.

Joel Kaczmarek: Ich meine, wie macht ihr das denn generell, dass ihr quasi so eine Anschlussfähigkeit der Dinge sicherstellt, die ihr baut? Also genau dieser Faktor, du baust jetzt irgendwie so eine Check-In im Flieger und im WLAN, willst sozusagen sicherstellen, dass das auch im Konzern angedockt wird und das auch irgendwie halbwegs schnell und halbwegs effizient. Wie macht man sowas?

Gleb Tritus: Ein wichtiges Learning, was uns auch ungefähr nach zwei Jahren erhaltert, ist das Umschalten von proaktiven Pushen hin zu reaktivem Wirken. Wir waren mit dem Kopf durch die Wand unterwegs in den ersten zwei Jahren, haben überall unendliche Opportunitäten gesehen, haben sie nach Frankfurt geschleppt und gesagt, lieber Herr Müller, integriere das doch gerade mal in die Buchungsstrecke der Lufthansa.com. Das war absolut vermessen aus verschiedensten Gründen. Die Leute haben ihre eigene Agenda, ihre eigenen Zielvereinbarungen, Schlepplisten, IT-Backlog. Wenn da noch ein Jugendforscher aus Berlin von der Seite reingrätscht, dann tust du dir keinen Gefallen mit. Da haben wir uns extrem viel Erde verbrannt, auf beiden Seiten, sowohl im Konzern als auch im Ökosystem, wo wir sehr verheißungsvoll unterwegs waren und haben da recht konsequent umgeschaltet auf Reaktivität. Interaktives darbieten. Was heißt das konkret? Wir schauen sehr, sehr, sehr genau, wo sind gerade Pain Points in der Organisation, wo gibt es Opportunitäten, die ausgerufen sind. Also es gibt irgendwo ein Problem, was es digital zu lösen gilt oder es gibt irgendwo Revenue-Potenzial, was es digital zu erschließen gilt. Und erst dann fangen wir an, unsere Geschichte daran maßzuschneidern oder erst dann zum ersten Mal überhaupt zu schauen, was kann denn die mögliche Lösung sein. Entweder aus unserem Beritt oder draußen im Ökosystem im Sinne eines bereits bestehenden Unternehmens oder Services. Also Eher darauf reagieren, was die Organisation für sich ohnehin schon erkannt hat, als die ganze Zeit der Organisation die Fahne vorzuwedeln, das musstest du jetzt aber machen, weil wir opportunistisch sind und da gerade eine tolle Gelegenheit sehen. Das war schon echt die halbe Miete. Da hast du schon von vornherein deutlich mehr Attention von den Entscheidern bis hin zur tiefsten Arbeitsebene. Das ist das Erste. Das Zweite ist, wir haben sehr strategisch in Networking tatsächlich auch intern im Konzern investiert. Wir haben also unsere TIEs da gesponnen und sind überall mal vorstellig geworden und haben hier einmal mehr kommuniziert, was wir eigentlich machen, bevor wir Forderungen gestellt haben. Extrem heilsam war die Tatsache, dass wir im ersten Jahr 50-50 aufgeteilt waren im Team. Wir waren also wirklich 50% Lufthansiaten und 50% Tag-Ökosystem-Guys, wie meine Wenigkeit. Und auf der Lufthansiaten-Seite waren es allesamt alle vier Vorstandsassistenten. Und das ist eine extrem dankbare Zielgruppe, wenn es darum geht, solche Fäden und Teils zu spinnen. Die kennen Anjo und Nanni in so einer großen Organisation, wissen, wie man die Sprache spricht. Gleichzeitig sind sie auch irgendwo jung genug, um Digital Miner zu sein, also sind nicht ganz dem abgeneigt, was wir hier tun. Also das waren so unsere Funnels in Richtung Konzern, haben den Stahlgeruch mitgebracht, haben uns navigiert und auch am Ende des Tages ein bisschen übersetzt, das erste Jahr, was wir denn hier eigentlich in unserem Berlin-Sprech da meinen. Und von diesen Seilschaften, die wir damals etabliert haben, zählen wir noch heute. Das heißt, wir haben schon irgendwo so ein paar Gummipunkte gesammelt, die wir jetzt peu à peu einlösen, wenn es darum geht, Buy-in für solche Digitalprojekte zu befeuern.

Joel Kaczmarek: Das finde ich ja sehr sympathisch, dass du so offen über eure Lerneffekte sprichst. Machen ja die wenigsten. Das ist wahrscheinlich auch so ein Neuerung in so einem Corporate, dass man auch mal sagen darf, was kacke gelaufen ist. Weil gerade bei euch, also Fehlerkultur, offene Fehlerkultur, redet ja jeder drüber im Startup-Bereich. Aber bei euch hängt da halt Leben dran.

Gleb Tritus: Ganz genau.

Joel Kaczmarek: Wenn so ein Flugzeug absegelt. Was ich auch gefragt wurde von meinen Hörern und Nutzern war, wie es eigentlich schafft, dass diese Projekte und Ideen, und das fand ich ein schönes Wortspiel, ihren Jungfernflug eigentlich überlegen. Ist das ein bisschen das, was du gerade gesagt hast, dieses Instrumentarium, diese Seilschaften, dieses Reaktive, dieses vielleicht auch erstmal mehr kommunizieren und gucken, was passiert? Wie kriegst du es hin, dass das vielleicht auch vor allem in Serie geht, ja, in Serienproduktion?

Gleb Tritus: Das ist ein Teil davon, definitiv. Ein anderer Teil davon ist, die Pferde erst scheu zu machen, wenn man ein bisschen Indikationen hat, also belastbare Indikationen hat, dass die Richtung stimmt. Das heißt, wir sind in unserem Beritt hier in Berlin sehr experimentell unterwegs, also stoßen uns da wirklich die Hörner ab, versuchen Dinge an die Wand zu werfen, gucken, was davon haften bleibt, stellen auch extrem viel wieder ein. Erst wenn wir aber etwas haben, was eben haften bleibt an der Wand, machen wir den Konzern scheu und machen da die große Runde und fragen nach Ressourcen, Commitment, Integration etc. pp. Also erst im Kleinen validieren und dann über Fakten konkrete Zahlen in die Diskussion mit dem Konzern führen. Das klappt viel, viel besser als Bauchgefühle und wir meinen das und wir haben gesehen, dass mehr denn je kommt man wirklich über KPIs. Das sind ganz klassische Unit Economics, wenn du so willst. Wir haben hier Customer Acquisition Cost X. Customer Lifetime Value Y, Profitabilität XYZ. Das ist die Sprache, die ein börsennotierter, althergebrachter Konzern extrem gut versteht, wo wir mehr denn je gut vorbereitet in die Diskussion gehen.

Joel Kaczmarek: Wie findet ihr eigentlich die Leute, die für euch sozusagen arbeiten? Also War for Talent sagt ja irgendwie jeder immer. Und bei Berlin ganz besonders, dann hast du selber schon gesagt, 150, wahrscheinlich noch mehr Corporate Labs in Deutschland. Durchaus der Reiz, bei den Startups selber direkt zu arbeiten. Was tut ihr, um solche Leute anzuziehen, die ihr genau braucht für diesen Prozess?

Gleb Tritus: Extrem viel. Erstens investieren wir wirklich in Marke, eine Brand, eine authentische Brand. Das machen die wenigsten Labs, sowohl jetzt was Personalaufwand als auch finanziellen Aufwand angeht. Sind wir da sehr, sehr, sehr tiefgehend unterwegs. Versuchen uns so auch so ein bisschen aus dieser Suppe herauszulösen, die nicht mit dem besten Ruf versehen ist, die längste Zeit hier, seitdem es diese Szene gibt, so seit 2013, 2014. Dann in den meisten Fällen tatsächlich, und das ist jetzt eine platte Erkenntnis, über persönliches Netzwerk. Gerade aus unserer Position heraus findest du die Leute, und das sage ich auch mit allem Respekt, nicht über Anzeigen bei Gründerszene, deutsche Startups, vielleicht bei Digital Kompakt, aber das ist was anderes.

Joel Kaczmarek: Wir haben auch gar keine, ja.

Gleb Tritus: Also zumindest nicht über diese etablierten Kanäle, weil die Leute, die wir haben wollen, sind meistens schon aus gutem Grund irgendwo gebunden. Ganz, ganz viel Netzwerk, ganz, ganz viel im HR-Sprech, Active Sourcing. also Leute wirklich systematisch identifizieren, ansprechen und dann von unserem authentischen Footprint in diesem Ökosystem überzeugen. Das heißt, wir müssen relativ schnell, relativ eindrücklich vermitteln, wir sind nicht die deutsche Lufthansa AG hier in Berlin mit der großen Keule, sondern wir sind irgendwo die. Die eingangs zitierte Speerspitze der Lufthansa AG im Tech-Ökosystem bestehen zu 99 Prozent aus Tech-Ökosystem-Menschen. Wir haben genau einen Piloten im Team. Ansonsten sind alle von Zalando, Statista, Project A und so weiter. Wir sprechen deine Sprache und wir versuchen halt am Ende des Tages so abgedroschenes Klinken und das Beste aus beiden Welten zu subsumieren. Und die Nadel schlägt ganz klar eher in Richtung Ökosystem aus.

Joel Kaczmarek: Jetzt müssen wir nochmal zurücktauchen in euren eigentlichen Tätigkeitsbereich. Was für Entwicklungen genau interessieren euch denn eigentlich? Du hast schon gesagt, die Mobilitätssparte sozusagen weiterzutreiben. Aber was genau muss ich mir darunter vorstellen? Vielleicht auch, was sind deine Hypothesen für diesen ganzen Bereich Travel und Mobility?

Gleb Tritus: Übergeordnet ist eine Hypothese, dass mehr denn je alles konvergiert und zusammenwächst und langsam zu so einer Suppe verkommt, die es digital irgendwo zu konsolidieren gilt. Die sogenannte Seamless Travel Journey ist gefühlt seit den ersten Tagen des Innovation Hubs ein Thema, so seit 2014. Da hat jeder auch schon über nahtloses Reisen gesprochen. Wir sind jetzt in 2019, das ist aber nicht Realität. Also irgendwo auf dem Meta-Level diese zunehmenden Akteure der Reisemobilitätskette miteinander zu verknüpfen, ist so das eine große Thema. Und die Tatsache, dass diese Reisemobilitätskette mehr oder weniger fragmentiert und facettenreich ist, ist da durchaus hinderlich. Also wenn du vergleichst, was heute so kreucht und fleucht und vor 30 Jahren, das ist schon ein Riesenunterschied. Früher gab es irgendwie Taxi, Bus oder öffentlichen Nahverkehr, Flugzeug, Zug, Bus, Mietwagen, that's it. Heute hast du Carsharing, Carpooling, du hast jetzt hier Irgendwie die E-Scooter-Welle. Du hast perspektivisch irgendwann Vertical Take-Off & Landing, also diese viel zitierten Flugtaxis und so weiter und so fort. Also die Reisemobilitätskette wird immer komplexer und damit steigt mehr denn je der Need, sie irgendwo aus einer Kundenperspektive zu konsolidieren und intelligent nutzbar zu machen. Was heißt das konkret? Reiseassistenten, die irgendwo bedarfsabhängig dir einen Transportmodus vorschlagen, buchen, empfehlen. Das wird ein ganz, ganz großes Thema sein. Und generell soll. die Intersection dieser einzelnen Transportmodi untereinander, also auf einer Infrastrukturebene, wird mehr denn je an Bedeutung gewinnen. Weil Stand jetzt sind das alles isolierte Pflöcke. Jeder kocht sein eigenes Süppchen. Es gibt wenig offene Schnittstellen. Beispiel Airlines. Vier Prozent der Airlines weltweit haben überhaupt eine API im Jahr 2019. Das ist der absolute Wahnsinn. Und da gilt es erst, bevor wir wirklich dann über Nahtlosigkeit sprechen und Meta-Layer am Nährboden des Ganzen, diese ganze Pläne miteinander zu verbinden, also Infrastruktur zu schaffen. Da sind wir einmal mehr bei diesem ganzen Thema Middleware-Layer und Planungssysteme. Das ist so eine große Hypothese, auf die wir setzen. Wir müssen schauen, dass wir diese Reisekette sinnvoll miteinander verknüpfen. Da haben wir auch das erste große Venture rund um das Thema ausgegründet und im nächsten Schritt auf dieser Basis anfangen, irgendwo Customer-Facing-Applikationen zu befeuern, die das nutzbar machen und verdaulich machen für den mehr denn je reizüberfluteten Kunden der Mobilität und Reiseerfahrungen sucht. Das ist so eine Hypothese. Zweite Hypothese ist, dass wir mehr denn je auch breiter unterwegs sein müssen. Also klar, wir schauen diese Reisemobilitätskette betont aus der Perspektive einer Airline an. Das sind unsere natürlichen Anknüpfpunkte, Flughafen zu Flughafen und alles, was so ein bisschen in der Peripherie drumherum ist. Gleichzeitig, die Margenmagie ist so ein bisschen weiter weg, wenn du vom Aviation-Kern nach links und rechts entlang dieser Kette weggehst. Und dementsprechend glauben wir, dass wir uns auch mehr denn je mit Dingen beschäftigen müssen, die noch vor fünf Jahren nicht unbedingt auf dem Kurs einer Airline standen. Also sowas wie zum Beispiel On-Site-Experiences. Ja, was mache ich eigentlich am Zielort? Themen wie, was sind denn eigentlich potenzielle Reisesubstitute? Muss ich denn überhaupt noch reisen? Beispielsweise Geschäftsreise-Context. Die meisten Geschäftsreisen finden statt, weil man ein physisches Meeting hat. Wie sieht es denn in 15 Jahren aus, wenn das mehr denn je durch Virtual Reality oder Videoconferencing der nächsten Stufe abgebildet werden kann? Also Reisesubstitute. Lange Rede. Wir versuchen die Organisation fortwährender zu erziehen, so ein bisschen die Comfortzone des Aviation-Bereichs zu verlassen. Und zu akzeptieren, dass man eine sehr, sehr exponierte Stelle in der Mitte der Reisekette hat, von der man aus extrem gut nach links und rechts die Fühle ausbreiten kann. Das heißt, wir versuchen, so das thematische Spektrum und die Definition von Reisemobilität aus einer Airline-Perspektive deutlich zu dehnen. Das ist das Zweite. Das Dritte, wiederum ein bisschen spezifischer und weniger globalgalaktisch. Die Musik spielt für uns mehr denn je in Asien. Das ist so der Innovationsmotor für Reisemobilität gleichermaßen. Alle sprechen auch noch heute 2019 vom Silicon Valley. Da ist der Sturm längst vorbei, was Reisemobilität angeht. Europa hat noch nie so recht eine federführende Rolle gespielt. Und jetzt ballt sich das ganze Mehr denn je wirklich auf Asien, weshalb wir jetzt auch nach Singapur und demnächst nach Shanghai gehen. Spiegelt sich in verschiedensten Metriken wieder. Also insgesamt wurden im letzten Jahr 44 Milliarden Venture Capital in Reisemobilität reingesteckt. 37 Prozent davon in China und wenn du noch den Rest Asiens dazu nimmst, sind wir bei ungefähr 60 Prozent. Also mehr als die Hälfte des Innovationskapitals in unserer Industrie wird in Asien allokiert. Dann sind Unicorns zum Beispiel ein schöner Indikator dafür, wie die Innovationsdynamik in einem Technologiesegment ist. Wir haben Stand jetzt 37 Travel Mobility Tech Unicorns weltweit, zwei, demnächst drei davon in Deutschland, 17 davon in Asien, 11 davon in China.

Joel Kaczmarek: Welche sind die drei Deutschen?

Gleb Tritus: Die drei Deutschen sind Flixbus, dann GoEuro oder Omeo, wie sie seit Neuestem heißen. Und demnächst mit großer Sicherheit offiziell verkündet GetYourGuide. Wie sich Mobilität und wie sich Reise darstellt in den nächsten Jahren und Jahrzehnten, lässt sich gerade sehr, sehr gut im asiatischen Raum beobachten. Und zwar durch die Bank weg, entlang aller Kategorien. Nimm Singapur als Beispiel, wo wir jetzt Lager aufgeschlagen haben vor drei Wochen. Da sind schon heute natürlich im geschützten Testrahmen autonom fahrende PKWs unterwegs, autonom fahrende Busse, autonom fahrende Trucks. Und schon jetzt wird die Stadt gesowned in Segmente, wo zum Beispiel auch autonomes Fliegen im nächsten Schritt erprobt werden soll. Also die Durchschlagskraft solcher bahnbrechenden Innovationen ist dort viel, viel eher spürbar und ertastbar als in unserem eher theoretisch gelagerten europäischen Kontext beispielsweise. Und auch durchaus als in dem Kontext der USA, die lange Zeit da irgendwo als Speerspitze verstanden wurden.

Joel Kaczmarek: Gibt es einen Grund dafür, dass Asien da so ein Vorreiter ist?

Gleb Tritus: Oh ja, da gibt es eine große Reihe von Gründen. Fangen wir an beim staatlichen Support. Also mit welcher Konsequenz da solche Modellprojekte gepusht werden. Das ist der absolute Wahnsinn. Einmal mehr Beispiel Singapur. Bei fast allen Speerspitzenprojekten rund ums autonome Fahren, autonome Fliegen und alles, was sonst so dazwischen stattfindet, hat der Staat seine Finger im Spiel. Er stellt sehr, sehr großzügig Mittel zur Verfügung, rechtsoptimierten Raum dafür zur Verfügung. Personal, lange Leine, Räumlichkeiten, also lange Rede, riesen Support von staatlicher Seite. In China auch nochmal in einer anderen Konsequenz. Also da ist man extrem entschlossen und entschieden, solche Dinge deutlich schneller in den Massenmarkt zu pushen als jetzt im eher konservativen europäischen Rechtsraum beispielsweise. Auf der anderen Seite hast du eine extrem auffassungsfähige und innovationsoffene Grundgesamtheit bei den Konsumenten. Also die Asiaten sind einfach durch und durch digitaler und offener, was neue Dinge angeht. Es gibt auch verschiedene Studien und Metriken, die das untermauern. Ein schönes Beispiel, 75 Prozent der Chinesen wären heute sehr wahrscheinlich bereit, in ein autonomes Fahrzeug zu steigen, während wir im Mutterland des Autos in Deutschland ungefähr bei 45 Prozent liegen. Und da gibt es etliche weitere Beispiele, die einfach zeigen, die Leute sind risikooffener, risikobereiter, explorationsfreudiger.

Joel Kaczmarek: Was bedeutet das für euch teilweise? Was ist denn euer Endziel eigentlich? Also wenn du jetzt sagst, ihr guckt euch auch solche Geschichten an wie Lufttaxis, Lilium Aviation, Volocopter und so weiter. Ihr guckt euch an, dass irgendwelche E-Tretroller jetzt vielleicht endlich mal ihre Verordnung kriegen, dass sie auch fahren dürfen auf deutschen Straßen. Was ist sozusagen das, was ihr damit tut? Heißt das dann, ihr baut auch solche Dienste, ihr beteiligt euch an denen? Wollt ihr eine Plattform schaffen, mit der man im Prinzip solche Sachen abdecken kann? Wo geht es da für euch hin?

Gleb Tritus: Wir haben natürlich erstmal eine bolde Vision. Also auf Innovation-Ab-Ebene haben wir uns als kommunikationsträchtiges Ziel gesetzt, perspektivisch an jedem Trip dieser Welt irgendwo einen Anteil zu haben. Und das kannst du am ehesten schaffen, indem du Infrastruktur stellst. Also wir werden niemals irgendwo den öffentlichen Nahverkehr in Peru in irgendeiner Form tangieren. Aber indem du beispielsweise Distribution-Systeme baust, technologische Infrastruktur baust, die entlang der Reisekette, wie eben zitiert, solche Transportanbieter miteinander verknüpft, dann hast du irgendwo ein Müh-Partizipation an diesem Trip in Peru mit dem öffentlichen Nahverkehr. Also irgendwo durch digitale Mittel und digitale Infrastruktur Fühler in so ziemlich jeder Art der Fortbewegung haben. Das ist jetzt unser vom Innovation aber ausgerufenes Ziel. Mittelfristig geht es darum, wie eingangs schon erwähnt, durch und durch digitalen Asset-Pre, Asset-Light-Beitrag in der Lufthansa zu generieren, dass wir da über die Wahrnehmungsschwelle kommen. Also wirklich eben nicht peripher ein bisschen Geld verdienen, wie du schon sagst, 20, 30 Millionen, sondern wirklich eine gewichtige Rolle einnehmen. Vom Jahresabschlussbericht bis hin zur Aktionärsversammlung soll das Thema digital sichtbar sein, spürbar sein und sich am Ende des Tages auch im Beitrag niederschlagen. Das ist sicherlich das mittelfristige Ziel, wo wir am ehesten Fläche bekommen in einem börsennotierten Konzern, der eben Wachstumsstory schreiben muss. Darüber hinaus gibt es, wie gesagt, viele Moving Targets, die sich immer wieder mal so ein bisschen ändern und es ist auch okay. Das ist Teil des Spiels. Wir laufen voraus und der Weg hat viele Kurven, Irrungen und Wirrungen und er wird es auch in den nächsten Jahren definitiv noch haben.

Joel Kaczmarek: Der Schmerz ist, selbst wenn ihr 300 Millionen Umsatz digital macht, ist das in eurem Konzern immer noch nicht richtig schwellig. Das stimmt. Das ist natürlich auch hart. Wenn ich dich schon hier sitzen habe, wenn du sagst, dich fragen Investoren nach deiner Meinung zu Beteiligungen, wie ordnest du sowas ein, wie Lilium oder Volocopter?

Gleb Tritus: Das ist sicherlich so ein Grundsatzmodus in der Luftfahrt. Wir haben eine sehr, sehr gesunde Skepsis. Wir glauben, das wird alles deutlich länger dauern. Dass es kommt, steht wohl außer Frage. Wo sich das als erstes darstellt, ist mal gesondert zu würdigen. Also da gibt es dankbaren Nährboden in der Welt, Dubai, Singapur, ein Grund zum Beispiel, wieso Volocopter da hingegangen ist. Und da gibt es weniger dankbare Nährboden, wie zum Beispiel die durchregulierte EU, wo ich mir und viele Experten der Lufthansa Group nicht vorstellen können, dass über dicht besiedelten Gebiet in sieben bis zehn Jahren Liliums oder Volocopters fliegen. Was wir aber definitiv für uns beanspruchen, ist ein Platz am Tisch, das mitzugestalten, zu verstehen, auch zu schauen, was können wir da von der Lufthansa mit einbringen. Wir sprechen eigentlich mit den meisten tonangebenden Spielern. Da gibt es mittlerweile so 20 weltweit, die das recht ernsthaft betreiben, gut finanziert betreiben, um mitzugestalten. Also in erster Linie geht es darum, Reaktionsfähigkeit irgendwo für den Konzern zu bewahren und Sprachfähigkeit zu bewahren. Stand jetzt wären wir nicht aktiv. Wir gehen also nirgends so proaktiv rein und sagen, wir möchten das mit befeuern und in die Realität überführen, sondern wir haben eher eine passive Beobachterrolle und vor allem eine Expertenrolle mit am Tisch solcher Unternehmen. Das heißt, schauen wir uns sehr, sehr genau an. Wir finden das auch alle extrem aufregend. Die Vorstellung ist toll. Und auch die Geschichte drumherum ist schnell verstanden und erklärt. Im Detail ist das schon ein Vorhaben, was der pure Wahnsinn ist. Also allein auf der regulatorischen Seite, dann aber auch auf der Business-Model-Seite. Das sind Dinge, die jetzt im Jahr 2019 vielfach nicht zu Ende durchdacht erscheinen.

Joel Kaczmarek: Warum hast du das bei Umweltthemen oder bei so einem Thema, dass ihr sagt, ihr wollt am Tisch sitzen, aber ihr wollt nicht handeln? Das ist für mich irgendwie ein bisschen so, ihr wollt dabei sein, aber ihr seid nicht bereit, mal irgendwie einen Sturz zu machen. Warum ist das so?

Gleb Tritus: Das hat erstmal ganz stark mit der DNA einer Airline als Großes und Ganzes zu tun. Wir sind ja per Definition risikoavers. Wir sind eher die Follower, als die, die vorauslaufen. Und das ist auch gut so. Es geht ja in unserem Kerngeschäft um Leben. Und da zu sehr die Experimentalkeule zu schwingen und zu sagen, wir haben da jetzt was Wackeliges, was irgendwie cool und sexy erscheint und erstmal Sinn macht auf der Storytelling-Ebene, das wäre nicht Lufthansa, das wäre aber auch nicht Luftfahrt, kommerzielle Luftfahrt, wie sie 2019 stattfindet. Alles muss doppel und dreifach gecheckt werden, alles muss regulatorisch total sauber sein und sicher sein, bevor man da wirklich at scale als so ein althergebrachtes, etabliertes Unternehmen wie Lufthansa einsteigen. Das ist auch vollkommen okay, so wie ich finde.

Joel Kaczmarek: Glaubst du denn, dass ihr auf lange Sicht noch eine Airline bleiben werdet? Also wird denn euer Kern immer Airline bleiben oder wird euer Kern irgendwann mal woanders hinwandern?

Gleb Tritus: extrem schwierig und da wirst du innerhalb der Lufthansa Group unterschiedliche Antworten haben, je nachdem wen du fragst. Unterm Strich die Meinung ist, dass wir definitiv eine Airline bleiben werden und du wirst auch noch in 10, 15 Jahren immer noch mit einer A320 von Berlin nach München fliegen. Allein schon der Tatsache geschuldet, solche Maschinen ungefähr 20 Jahre fliegen. Und wenn du jetzt Maschinen einflottest, die werden auch in 20 Jahren noch fliegen. Das heißt, die Innovationszyklen der Branche sind eher länger getaktet und nicht darauf eingestellt, irgendwo unterwegs und unerwartet unterbrochen zu werden. Deswegen erstmal ist die Antwort definitiv ja. Wir werden bis auf heute erst eine Airline bleiben. Wahrscheinlich wird das Verständnis unseres Kerns so ein bisschen mit der Zeit gehen. Also im Grunde, vereinfacht gesprochen, geht es darum, Leute zu verbinden und zusätzlich zu dem Verbinden mit dem Flugzeug, wird es neue Wege der Verbindung geben.

Joel Kaczmarek: Wovor oder vor wem habt ihr denn eigentlich Angst,wenn es um das Thema digital geht?

Gleb Tritus: Angst ist ein starkes Wort, mindestens Respekt. Denen, die irgendwo unsere Customer-Touchpoints tangierenund eigentlich mit der Luftfahrt nichts zu tun haben. Also dementsprechend zum Beispiel diese Risiko-Aversionnicht mit sich tragen. Wie gesagt, die längste Zeit waren wir da sehr geschützt und auch in einer luxuriösen Position, also konnten unsere Wertschöpfung sehr gut kontrollieren. Jetzt hast du immer öfter datengetriebene Player, die wirklich auf grüner Wiese das einfach mal komplett neu denken, ohne diese ganze Aviation Legacy hintendran. Gutes Beispiel ist Hopper, ein Unternehmen, wo wir gerade in eine gemeinsame Allianz investiert haben. Hopper, gegründet von Menschen, die nichts mit Airline zu tun haben, macht nichts anderes, als basierend auf historischen Daten Flugpreisentwicklung vorauszusagen. Das heißt, sie haben ein Datenasset von zehn Jahren und können sehr, sehr genau herleiten, wie hat sich eine bestimmte Flugstrecke von einer bestimmten Airline zu einem bestimmten Zeitpunkt entwickelt. Auf der Basis können sie die künftige Preisentwicklung auf die Seite bringen. Strecke, extrem zielgerichtet und genau voraussagen. Die haben hier binnen kürzester Zeit ein Business aufgebaut, was jetzt schon über die Wahrnehmungsschwelle einer Lufthansa kommt. Schlägt sich unter anderem in rund eine Milliarde, sobald eine Milliarde Grossrevenue nieder mit rund 200 Angestellten und bald auch Unicorn-Status. Das ist für uns ein sehr greifbares Beispiel, wo wir nicht Angst, aber doch zunehmend sehr, sehr, sehr viel Respekt entwickeln.

Joel Kaczmarek: Lass uns auch nochmal auf eure konkreten Produkte eingehen. Also ich muss mir das aufschreiben, weil es teilweise so vielwertig ist. Also ihr integriert Startups wie ein Option Pay in euren Kundenerlebnissen. Ihr entwickelt mit externen ganz eigene Lösungen. Also ich habe mir diesen Reiseassistenten Mission Control mal aufgeschrieben. Ich habe mir auch mal dieses Airline Check-ins angeguckt, was du gesagt hattest. Das sind ja sogar komplett eigene Produkte oder Yilu. Dann habt ihr diese Lufthansa Open API. All solche Sachen sozusagen begleitet ihr mit. Wie muss ich mir das vorstellen? Also wie ist so die Genese von sowas? Was ist auch der Schwerpunkt? Macht ihr eher Sachen, die sozusagen reinfeuern in die Sachen, die die Lufthansa schon macht? Geht ihr eher hin, baut komplett neue Sachen, Partnering?

Gleb Tritus: Ursprünglich sind wir erstmal maximal breit losgelaufen. Einfach dem Anspruch folgen, dass wir uns ausprobieren müssen, um zu verstehen, was können wir, was können wir auch der Organisation antun und was nicht. Dementsprechend waren wir die ersten zwei Jahre wirklich irgendwo zwischen Knietief, Kerngeschäft und Neugeschäft unterwegs. Aus der Zeit entstammt auch zum Beispiel eine Lufthansa Open API, die maßgeblich im Maschinenraum einer Airline stattfindet und eben nicht draußen. Stand. heute machen wir sowas eher nicht mehr. Heute sind wir eher lang alleine draußen unterwegs. Also wirklich ganz stark die Marktperspektive, grüne Wiese und am Anfang eher weniger teiste Lufthansa. Später dann aber umso mehr, wenn wir einmal den Skalierungsschlüssel für das jeweilige Thema gefunden haben. Es hat sich schon alles mittlerweile geordnet. Was du hier zitiert hast, ist vielfach irgendwo im zweiten oder dritten Jahr des Hubs entstanden. Mittlerweile folgt es doch irgendwo klaren Fokusfeldern und nicht zuletzt im Anspruch, eher Infrastruktur zu bauen, Planungssysteme zu bauen. YILU ist so ein spannendes Beispiel. Das ist unsere bis dato größte Ausgründung, letztes Jahr entstanden. ist ein Meta-Layer, der sämtliche APIs entlang der Reise- und Mobilitätskette konsolidiert. Das heißt, du hast vorne quasi eine Steckerleiste. Da gibt es das Modul Ground Transportation, das Modul Aviation, das Modul Züge, das Modul Busse. Und wenn du irgendwo eines dieser Module brauchst in einer digitalen Kundenanfahrung, beispielsweise einen Reiseassistenten brauchst, kannst du über YILO standardmäßig alle tonangebenden Spieler in deine Applikation integrieren. Die Flixbusse, MyTaxis, dieser Welt Ubers und so weiter und so fort. Das ist zum Beispiel für uns sehr klar digital strategisch hergeleiteter Play, auf dem wir künftig weitere Ventures aufbauen wollen. Ansonsten auf dem Weg zu so einer strategisch hergeleitenden Erkenntnis musstest du so ziemlich alles mal anfassen, alles mal testen, um einfach mal zu schauen, was kriegen wir überhaupt auf die Kette, was macht der Konzern mit und was macht er vielleicht auch nicht mit, was auch vollkommen legitim ist. und wo sollten wir zum Beispiel mangels Talent und mangels Permission to Play auch eher die Finger von lassen hier in Berlin.

Joel Kaczmarek: Und wie ist es auf der Investmentseite? Also du hast gesagt, ihr habt in dieses Hopper direkt investiert. Habe ich das richtig verstanden?

Gleb Tritus: Wir haben in eine gemeinsame Forschungsallianz investiert im ersten Schritt, wo wir den Einsatz von Machine Learning und Künstlicher Intelligenz im Kontext von Remedy Management ergründen.

Joel Kaczmarek: Ihr habt jetzt, was ich mitgeschnitten habe, in den letzten zwölf Monaten drei Investments gemacht. Dieses Hopper, Cargo One und Fleet Logistics. Die letzten beiden gehen ja, glaube ich, so ein bisschen in die Richtung, Logistik zu buchen. Also eine Buchungsplattform für Luftfracht, kann man eigentlich sagen. So habe ich das heute geschnitten. Beziehungsweise, ich glaube, bei Fleet Logistics gibt es auch Schiff. Welchen Investmentfokus habt ihr? Und vielleicht kannst du auch mal das eine oder andere sagen, so zu euren Terms. Also wie viel Geld allokiert ihr? Was ist so die Strategie? Wie lange zieht ihr mit? Und so weiter.

Gleb Tritus: Wir sind bei weitem noch nicht an dem Punkt angelangt, wo wir irgendwo einen klaren Modus operandi nach außen kommunizieren. Also wir sind dann auch in der ersten Stunde des CVC-Kontextes unterwegs. Das heißt, wir machen Stand jetzt, Case by Case, Einzelfallkonstellationen, wo wir irgendwo einen ganz klaren strategischen Value sehen. Und wenn der gegeben ist, machen wir auch, was die Terms angeht, Einzelfallkonstellationen. Das heißt, wir sind noch weit davon entfernt, irgendwo einen systematisierten Modus zu haben, geschweige denn ein eigenständiges Vehikel. Das ist so das nächste größeres Ziel des Innovations, das ist das, was wir jetzt dreimal ganz gut hinbekommen haben, in eine nachhaltige Lösung zu überführen. Und ich glaube, dann können wir über Terms und eine strategische Rationale sprechen. Statt jetzt ist das eher opportunistisch, opportunistisch im Sinne von, da tut sich ein Fenster auf, eine Gelegenheit, eine offene Runde, wo wir im nächsten Schritt aber einen sehr, sehr, sehr klaren strategischen Bezug zum Geschäft der Lufthansa sehen. müssen und auch eben einen unfair advantage irgendwo in die Gleichung bringen. Cash gibt es mehr als genug im Venture Capital Kontext. Jedes gute Team kommt an Cash grad dran. Da muss es schon eine sehr, sehr klare Erklärung geben, wie so jetzt ausgerechnet die Lufthansa in der Gleichung sein muss. Und das kannst du bei allen drei sehr, sehr klar herleiten. Wir haben eine starke Cargo-Tochter, Lufthansa Cargo, eine der erfahrensten Carrier, wenn es darum geht, Güter zufliegen. Die bringen in Fleet und Cargo One dementsprechend Assets, Know-how, Talente, weltweites Netzwerk, Preise, also Konditionen, die da wirklich einen unfairen Startvorteil ausmachen. Und beim Thema Hopper haben wir mitunter die besten Revenue-Management der Industrie, die wir jetzt in diese Allianz mit einbringen. Die also Hopper, insbesondere die Airline-Seite von Pricing nahe bringen und ihre Systeme fortwährend verbessern, in unserem Sinne und am Ende auch schauen, was können wir denn von Hopper entleihen und in unsere Revenue-Management-Systeme zurückspielen. Was ich übergeordnet sagen kann, ist, dass wir uns natürlich versuchen, marktüblich aufzustellen. Das heißt, wir kommen hier nicht mit der strategischen Krake rein. Ja, wir bringen klaren strategischen Value in die Gleichung, allerdings stellen wir uns am Ende des Tages weitgehend wie ein Finanzinvestor. Das heißt, wir machen die Company unfundable durch wesentliche Mitbestimmungs- und Weisungsrechte beispielsweise. Right of first refusal, so die üblichen Stichworte. Darauf verzichten wir. Wo wir sicherlich ein Augenmerk darauf haben, ist ein überdurchschnittliches Informationsrecht. Also wir wollen mitlaufen, wir wollen verstehen, wo wir Mehrwert stiften können und wo nicht. Und das bilden wir beispielsweise durch Board Seats oder Board Observer Seats ab. Das heißt, ein Experte aus der jeweiligen Fachabteilung, die mit dem Thema zu tun hat, wird in der Idealkonstellation ins Board des Unternehmens entsandt, um wirklich unmittelbar mitzukriegen, worum es da geht. Zwischen den Zahlen haben wir auch immer Teams on the ground, also das heißt, da kommt die jeweilige Fachabteilung auch wirklich zu Hopper rüber, setzt sich dahin, waltet ein paar Wochen und versucht wirklich im Daily Doing zu verstehen, was sie da machen und bringt auch im nächsten Schritt unsere Expertise ein.

Joel Kaczmarek: Und ihr habt nicht das Problem, was Strategen sonst immer haben, dass sie abstoßend sind auf Startups, weil die halt Türen schon zuschlagen, wenn man sie beteiligt?

Gleb Tritus: Du hast dieses Dogma, das musst du durchbrechen. Allerdings haben wir da im Reisemobilitätskontext eine etwas dankbarere Ausgangslage. Grundsätzlich branchenübergreifend ist bislang jeder vierte Venture-Capital-Dollar aus dem Corporate-Kontext, Tendenz stark steigend. Im Travel-Mobility-Kontext ist bereits jeder zweite Dollar aus dem Corporate-Kontext. Das heißt, das ist eine Industrie, ein Ökosystem, was deutlich eher und sogar auch proaktiv den Draht zu Corporates sucht aus verschiedensten Gründen. Erstens, weil es halt vielfach sehr proprietär ist. Du brauchst also Know-how, du brauchst Ressourcen, du brauchst Experten, um da wirklich was auf die Kette zu kriegen. Es ist meistens ein sehr, sehr reguliertes Feld. Das heißt, du kannst nicht mal eben in Berlin was gründen und dann zum Beispiel inkognitiv in den Aviation-Bereich reinkommen. Das funktioniert einfach nicht. Das ist eine sehr geschützte Branche. Und dementsprechend ist der Reach-Out vielfach auch wirklich proaktiv und dementsprechend sehen wir auch sehr, sehr viel Werting-Deal-Flow, obwohl wir jetzt offiziell gar nicht irgendwie als VC-Vehicle auftreten, weil der Need nach der Corporate-Keule, nach dem Corporate-Hebel deutlich ausgeprägter ist als in anderen Branchen.

Joel Kaczmarek: Das wäre meine nächste Frage gewesen, Deal Flow. Aber sagst du, ist gar nicht so das Problem bei euch?

Gleb Tritus: Überhaupt nicht. Wir haben eher das Problem, dass wir gerade sehr, sehr vielwertigen Deal Flow sehen und immer öfter das Problem haben, dass wir noch nicht die Strukturen geschaffen haben, da systematisch und schnell aufzusprengen. Das ist bei uns dann heute immer noch eine Case-by-Case-Entscheidung. Da gehen wir in dieses Digital Executive Board, was ich vorher erwähnt habe, und müssen das immer Case by Case auch wirklich verkaufen, fragmentieren, mit den Fachabteilungen einmassieren und so weiter. Das ist ein super Prozess, allerdings sind wir immer noch nicht auf dem Level angekommen, der marktüblich wäre im VC-Kontext.

Joel Kaczmarek: Und was für Startups sind dann für euch attraktiv? Also wenn du gesagt hast, das ist opportunitätsgetrieben, wann ist eine Startup-Beteiligung für euch eine Opportunität?

Gleb Tritus: Es kommt darauf an, ist die unbefriedigende Antwort.

Joel Kaczmarek: Die Anwältsanwälte, ne?

Gleb Tritus: Ganz genau. Ja, also ich habe ja schon so ein paar Fokusfelder vorbezeichnet. Alles, was sich irgendwo im Infrastrukturbereich, im Plattformbereich stattfindet, also nicht unbedingt um den Endkunden kloppt, ist für uns schon mal interessanter als reines Endkundenbusiness. Alles, was irgendwo das sehr spezielle proprietäre Know-how der Lufthansa leverages, spannend. Da meine ich nicht primär, dass das Aviation Know-how, sondern die spezielleren peripheren Auswüchse des Ganzen. Cargo ist so ein Beispiel. Maintenance, Lufthansa Technik ist so ein Beispiel. Predictive Maintenance ist zum Beispiel ein spannendes Beispiel in diesem Kontext. Also alles, was ein bisschen nischiger erscheint auf den ersten Blick und irgendwo einen ganz, ganz klaren Hebel der Lufthansa erfahren kann, ist für uns relevant. Alles, was irgendwo auf bestimmte digital-strategische Fokusfelder der Lufthansa Group einzahlt, da haben wir insgesamt sieben. Infrastruktur ist das übergeordnete Motiv oder darunter gibt es konkrete thematische Handlungsfelder, die wir spannend finden. Ein Beispiel Unmanaged Business Travel. Also alles, was irgendwo ohne große Travel Management Companies an Reisen stattfindet. Wo die Travel Perks, Contravos und Lanes and Planes dieser Welt gerade mit zunehmendem Erfolg walten. Das ist zum Beispiel so ein strategisches Fokusfeld für uns.