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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Deep Dive Podcast von Digital Kompakt. Ich bin Joel Kaczmarek und mollig warmen, aber wirklich sehr gemütlichen und fast schon romantischen Serverraum bei einem Unternehmen. Also man würde jetzt eigentlich denken, der Typ sitzt gerade bei einem Startup, ist aber nicht so. Stell dich da mal ganz kurz vor und sag, was du machst.
Max Viessmann: Danke, Joel. Max Viessmann, ich bin Chief Digital Officer in einem 100-jährigen Familienunternehmen. Wir sind hier gerade in unseren heiligen Hallen, so ein bisschen im Auge des Sturms unserer digitalen Aktivitäten. Gerade dabei, unser Unternehmen nachhaltig zu erneuern und links und rechts auch ein bisschen zu digitalisieren.
Joel Kaczmarek: Gib uns mal so ein bisschen Gefühl von deinem Unternehmen. Du sagst ja selber 100-jährige Geschichte. Das ist ja für ein Internetunternehmen, das ist ja nicht mehr Hunde. Ich sage mal, Gründerjahre sind Hundejahre, sage ich mal. Also ein Jahr Gründer ist so wie sieben Jahre in der Realität. 100 Jahre, das ist ja schon fast Dinosaurier-Zeitalter für die. Gib uns mal ein bisschen Gefühl, was du eigentlich für ein Unternehmen da sozusagen führst. Also was macht ihr im Kern? Wie groß seid ihr? Was ist so euer ganzes Spektrum eigentlich?
Max Viessmann: Ja, sehr gerne. Also die Ursprünge, wie du eben gerade schon gesagt hast, mollig warm hier drin. Ursprünge sind in der Heiztechnik. Wir haben als Unternehmen In den letzten Jahren sehr stark internationalisiert und das Wachstum sehr stark vorangetrieben. Wir machen jetzt ungefähr 2,3 Milliarden Euro Umsatz mit 11.500 Leuten als Teil unseres Familienunternehmens. Wir haben Fokus nach wie vor auf den Heizsystemen, Energiesystemen, Industriesystemen und Kühlsystemen. Wir sind da in Summe sehr solide aufgestellt und erschließen jetzt für uns völlig neue Möglichkeiten, nicht nur aus dem Serverraum heraus.
Joel Kaczmarek: Ja, aber ich meine, da kriegt man ja mal ein Gefühl dafür, von was wir eigentlich reden. Das ist ja so ein bisschen spannend. Jetzt fragt sich ja vielleicht der eine oder andere, Moment mal, der Onkel von Digital Kompakt, sonst interviewt er immer nur Startups. Nee, ist ja genau der Gedanke, eigentlich über Digitalisierung zu sprechen und unter diesem Graben. Also auch diese Brücke eigentlich, muss man ja fast eher sagen, zwischen eher klassischen Unternehmen und den eher jungen. Und das ist ja eigentlich hyperspannend zu sagen, wie kriege ich es hin, eine Organisation mit irgendwie 11.500 Menschen sozusagen zu drehen, die irgendwie 2,2 oder 2,3 ist gesagt, Milliarden Euro Umsatz macht. Da ist ja schon echt ein Brett hinter. Das heißt, du hast auch eine hohe Verantwortung. Vielleicht sagst du auch mal einen Satz zu dir und deinem Job genau. Du bist irgendwie Chief Digital Officer. Ich habe gelesen, du bist 2017. Ist das bei euch so ein Ding, dass man das befristet?
Max Viessmann: Der Hintergrund in Familienunternehmen ist, dass du in der Regel ähnlich wie ein Early-Stage-Startup einen sehr bereinigten Cap-Table hast. Und das ist bei uns auch so. Das heißt, es ist ein sehr fokussierter Gesellschaftskreis, der es mir und der restlichen Familie möglich macht, da sehr unternehmerische Entscheidungen zu treffen. Wir haben in der Vergangenheit das Glück gehabt, dass wir eigentlich in den vorangegangenen drei Generationen immer Gründerunternehmer gehabt haben. Also Gründungen in 1917, Gründungen nach dem Zweiten Weltkrieg und in gewisser Weise eine Neuerfindung des Unternehmens in den 90er Jahren. Und letztendlich Zum gewissen Teil stehe ich jetzt genau vor der selben Herausforderung, dass wir das Unternehmen ein Stück weit neu erfinden bzw. neue Opportunitäten für uns erschließen. Und da steht natürlich die Verantwortung für die 11.500 Leute erstmal überall.
Joel Kaczmarek: Und was machst du da als Chief Digital Officer?
Max Viessmann: Im Wesentlichen kann es drei teilen. Großteil der Aufgabe ist, das bestehende Geschäft besser zu machen, also größere Skalierbarkeit in die Prozesse reinzubringen, digitale Touchpoints zu erschließen. Also das, was einem so normalerweise einfallen würde, was sich schnell erschließt auf Basis der bestehenden Plattform. Der zweite Teil ist, dass wir angrenzend an das bestehende Geschäft für uns neues digitales Geschäft erschießen. Und der dritte Teil ist, dass wir sehr stark diversifizieren. Also über ein Company-Building-Vehicle, über einen Venture-Capital-Fonds, da für uns Möglichkeiten schaffen, eher breit an Deep-Tech-Themen zu partizipieren und weniger nur auf unseren strategischen Core zu schauen.
Joel Kaczmarek: Aber ich staune. Für einen Corporate hast du ja eigentlich schon die ganzen guten Buzzwords drauf. Also Deep Tech, Incubation. Man merkt, ihr seid ja auch vielfach ausgezeichnet worden für die Aktivitäten, die ihr im Digitalbereich macht. Was ich mich am Anfang immer frage, ist, wie begreift jemand eigentlich Digitalkompetenz? Weil da geht es ja so ein Stück weit darum, wenn man sagt, digitale Transformation, ich will Digitalkompetenz erlangen. Was ist denn das für euch? Wie siehst du das denn für euer Unternehmen?
Max Viessmann: Ich glaube, was wichtig ist, ist, dass man nicht Digitalisierung der Digitalisierung willens vorantreiben sollte. Es ist kein Selbstzweck am Ende des Tages. Und das ist sicherlich auch ein Unterschied für ein 100-jähriges Familienunternehmen, dass wir keine Story für den Kapitalmarkt bauen müssen, sondern das, was wir tun, tun wir aus der Überzeugung heraus und weil wir konkrete Opportunitäten sehen. Wenn man versucht, die digitalen Kompetenzen so ein bisschen runterzubrechen, dann unterscheiden die sich halt sehr stark, ob man in der Transformation des Kerngeschäfts unterwegs ist oder in dem Aufbau oder in der Diversifikation. Mal auf das Core-Business geguckt, da geht es natürlich in der ersten Phase mal darum, überhaupt den Leuten die Möglichkeit zu geben, zu verstehen, was sind eigentlich die konkreten Anknüpfungspunkte. Internet der Dinge sprechen, unsere Produkte sind zunehmend connected, ich kann da tolle digitale Services drauf aufbauen. Das ist nicht unbedingt Teil der DNA, wenn man in der Vergangenheit sich mit Wirkungsgraden von Verbrennungsmaschinen auseinandergesetzt hat. Und da gibt es einen guten inhaltlichen Anknüpfungspunkt und dann geht man letztendlich durch alle Prozesse und Wertschöpfungstufen durch. Und schaut, was ist eigentlich vorhanden in vielen anderen Aktivitäten oder vielen anderen Unternehmen und überträgt das dann auf unser Kerngeschäft.
Joel Kaczmarek: Ich meine, da sprichst du ja was ganz Spannendes an. Diese Frage, wenn ich digitalisiere, gehe ich dann eher hin und versuche mein Geschäftsmodell, und Geschäftsmodelle haben ja per se oft eine halbwertszeit eine gewisse, versuche ich das sozusagen digital tauglich zu machen und zu retten, in Anführungsstrichen, oder gehe ich hin und versuche eigentlich digitales Neugeschäft zu erzielen. Wie tarierst du das denn bei euch aus? Also wenn du jetzt sagen müsstest, so wie viel Prozent eures Fokus geht eher so auf Neugeschäft und wie viel geht auf Altgeschäft quasi digital sicher machen?
Max Viessmann: Ja, ich glaube, das ist ganz witzig. Also viele der etablierten Unternehmen sind ja im Moment noch in so einer Realisierungsphase. Also die setzen sich damit auseinander, da gibt es irgendwie Unternehmen, die ihr Kerngeschäft angreifen oder die eine potenzielle Bedrohung darstellen und versuchen dann das zu adaptieren auf ihr Core-Business, was im ersten Schritt vielleicht ganz gut ist, aber noch nicht eine eigentliche Wertgenerierung darstellt. Und die nächste Phase ist dann, dass man sich tatsächlich damit auseinandersetzt, warum macht man das eigentlich bzw. wie kriege ich das Ganze dann auch umgesetzt. Und da sind wir, glaube ich, an dem Punkt, dass wir deutlich besser verstanden haben, dass es halt nicht nur darum geht, die Halbwertszeit unseres bestehenden Geschäftsmodells zu reduzieren, sondern eher ein bisschen kreativer zu sein. Was kann man eigentlich drum herum machen, wo nicht unbedingt jeder drauf kommt und da unsere eigenen Cases zu bauen. Und da verwenden wir schon eine signifikante Zeit drauf. Wenn du so ein großes Konstrukt hast, mit so einer gewissen Stabilität, dann ist das erstmal eine super Plattform. Und da muss man sehr genau hingucken, was man in Frage stellt bzw. was sich auch lohnt, dann am Ende weiter auszubauen.
Joel Kaczmarek: Was sind so die Ziele, die ihr da konkret setzt, wenn ihr digitalisieren wollt?
Max Viessmann: Ich glaube, Kernbotschaft ist, wir wollen und können deutlich konzentrierter sein in dem, was wir vorantreiben, in unseren Lösungen, die wir anbieten. Und wir können die Aktivitäten, die wir vorantreiben, deutlich skalierbarer machen durch Technologiegetriebenheit. Das Ganze tun wir natürlich nicht, weil wir Spaß daran haben, sondern weil wir am Ende des Tages auch so ein bisschen der Nachhaltigkeit verpflichtet sind, sowohl als Familienunternehmen als auch in der Bereitstellung von Energie und Wärme. Und da ist Digitalisierung für uns ein riesen Hebel, um auf dieses Ziel stärker einzuzahlen.
Joel Kaczmarek: Ich meine, du musst ja fairerweise auch sagen, wenn man sich das jetzt mal so ganz sachlich betrachtet, habe ich so ein bisschen das Gefühl, jeden Euro, den du in eine Innovationspipeline Richtung Neugeschäft investierst, da hast du ja oft den größeren Hebel, als jetzt irgendwie zu transformieren, oder?
Max Viessmann: Das ist eine spannende Frage. Also ich glaube, wenn du dir anschaust, wie du transformierst, dann spielt es halt eine extreme Rolle, welchen Grad der Effektivität du da erreichst. Also wenn du nur gegen politische Strukturen arbeitest, dann würde ich dir total recht geben, weil dann reibst du dich eigentlich nur an den Strukturen auf. Ich glaube, der Riesenvorteil jetzt in unserem spezifischen Fall ist, dass wir ein sehr unpolitisches Unternehmen sind und halt sehr inhaltsgetrieben. Das macht es deutlich leichter, eine erfolgreiche Transformation anzustoßen, weil die Leute am Ende des Tages halt total committed sind und verstanden haben, dass das für uns eine Riesenopportunität ist und nicht nur eine reine Bedrohung am Ende des Tages.
Joel Kaczmarek: Ich glaube das ja ehrlich gesagt nicht so richtig. Also ich glaube dir, dass ihr als Familienunternehmen jetzt nicht so eine Restriktion habt wie ein börsennotiertes Unternehmen, aber wenn du 11.500 Mitarbeiter hast, die ganzen Zwischenlevel abholen und so Du deutest ja ein bisschen an, man hat immer Politik, weil es auch Verlierer immer gibt bei Digitalisierung. Also ich stelle mir das nicht so einfach vor, 11.500 Menschen Richtung Digital zu drehen.
Max Viessmann: Ja, das ist auch die vereinfachte Variante. Es ist sicherlich so, dass wir in den letzten zwei Jahren wahnsinnig viel in Kommunikation, vor allem intern, investiert haben. Also wir haben eine Menge Plattformen geschaffen, wo die Leute sich aufschlauen können über ein Deep-Learning-Programm, also ein digitales Enablement- und Education-Programm, was wir gestartet haben. über verschiedene mobile-first-entwickelte Apps, wo die Kommunikation ein bisschen angekurbelt wird, um überhaupt mal das Wissen bei den Leuten aufzubauen. Und ich glaube, dann schaffst du halt schnell ein Verständnis dafür, dass jeder grundsätzlich die Möglichkeit hat, daran zu partizipieren und die Chance muss den Leuten auch einräumen, wenn es vielleicht mal ein bisschen länger dauert. Aber am Ende des Tages die Anzahl der Verlierer möglichst klein zu halten, Klammer auf, da wo es sich nicht vermeiden lässt, dann da auch entsprechend transparent mit umzugehen. Und das tun wir sehr aktiv, beziehungsweise haben wir bewusst im Vorhinein sehr viel Zeit aufgewendet und das zahlt sich aktuell aus.
Joel Kaczmarek: Hast du irgendwie eine Art des Umgangs gefunden, wie man mit diesen Ängsten, die sich vielleicht aus sowas ergeben und diesen Widerständen, wie man damit am besten umgeht?
Max Viessmann: Ja, ich glaube, du musst einfach eine Bühne schaffen für einen offenen Austausch. Also wir haben zum Beispiel, als ich CDO geworden bin, haben wir TGIM-Meetings eingeführt. Also Thank God It's Monday-Meetings, wo ich mich eine Stunde vor die Mannschaft mit einem Livestream hingestellt habe und halt angeboten habe, dort offen Inhalte zu präsentieren, eine halbe Stunde lang, aber auch eine halbe Stunde lang, alle möglichen Fragen zu beantworten. Wirkt jetzt trivial, weil du hast irgendwo in einem Early-Stage-Venture deine All-Hands-Meetings, aber bei 11.500 Leuten, die zu erreichen, ist das nochmal ein bisschen anderer Schnack. Und ich glaube, das hat signifikant dazu beigetragen, dass diese Ängste auch öffentlich artikuliert wurden. Es hat ein bisschen Zeit gedauert, bis wir da maximale Transparenz hatten, aber jetzt mittlerweile sind wir an einem Punkt, dass das in Summe sehr, sehr gut funktioniert.
Joel Kaczmarek: Spannend. Hast du noch andere Werkzeuge, die du benutzt? Ich würde dir mal tippen, auch viel digital nehme ich an, ansonsten musst du ja auch so Treffpunkte schaffen.
Max Viessmann: Also wir haben, das ist so ein bisschen die Antithese zu dem, was dir wahrscheinlich viele Berater empfehlen würden. Wir haben sehr viel über digitale Tools gemacht. Also ich sage mal, Einführung von Slack in den Teams, um ein bisschen andere Kommunikation zu ermöglichen. Über Asana die ganzen Entwicklungspipelines zu managen und so weiter. Da halt auch eine gewisse Skalierbarkeit herzustellen und den Leuten halt zu zeigen, guck mal, das stiftet einen effektiven Mehrwert für dich. Und da ziehen wir natürlich eine Menge raus. Das ist sicherlich so. Aber ich glaube, in Summe ist es die Mischung aus Menschen zentriert zu sein, weil wir sind nun mal ein People-Business und auf der anderen Seite halt eine maximale Transparenz zu ermöglichen, dass niemand das Gefühl hat, es gibt irgendwo eine Hidden Agenda, die nur noch nicht kommuniziert ist. Und da haben wir gerade als Familie natürlich auch noch ein bisschen eine andere Glaubwürdigkeit, als das in einem anderen Unternehmen der Fall ist.
Joel Kaczmarek: Gib uns mal ein Gefühl fürs Timing. Wie lange macht ihr das schon?
Max Viessmann: Wir sind ungefähr vor zwei Jahren gestartet. Wir haben im Prinzip die Transformation von innen heraus und von außen reingeführt. Wir sind gestartet mit dem Venture Capital Vehicle, mit Vitro Ventures in München, wo wir in IoT und Deep Tech Companies investieren, Post-Seed und aufwärts. Was uns letztendlich die Möglichkeit gegeben hat, einen breiten Austausch mit Early-Stage-Companies zu ermöglichen, aber halt keinen strategischen Deal-Flow dahinter gepackt, sondern quasi rein finanziell getriebene Investments. Und auf der anderen Seite haben wir die ganzen Kommunikations- und ersten Gehversuche im Core-Business vorangetrieben. Und dann haben wir peu à peu angefangen, drumherum unsere ersten digitalen Produkte zu bauen. Und jetzt so die eigentliche Beschleunigung kommt eigentlich in den letzten Wochen und Monaten auf. Und das wird jetzt nochmal deutlich über den Serverraum hinausgehen.
Joel Kaczmarek: Ja, ich meine, man muss ja auch fairerweise sagen, lass uns mal sagen, man nimmt erstmal nur 2000 Menschen und gibt denen irgendwie ein neues Tool an die Hand. Das ist ja irgendwie unfassbar komplex.
Max Viessmann: Oder andersrum ist es unfassbar, wie schnell die Sachen skalieren. Wenn man an große Organisationen im klassischen Sinne denkt, dann sagt man immer, da ist viel Legacy, das dauert alles super lange. Ich sage mal, wenn du smart genug die Kommunikation baust, smart genug den Wissenszugang und smart genug eine Strategie kommunizieren kannst, skaliert das halt extrem. Das ist nicht immer Gott gegeben. Da muss man auch ein bisschen für kämpfen. Ich glaube, das ist für uns ehrlicherweise eine Riesenopportunität an der Stelle.
Joel Kaczmarek: Ich meine ja auch in beide Richtungen. Also ich erinnere mich, ich habe irgendwie mal die Story gehört, bei Oetker war das, der Pizzahersteller, da hat irgendwie ein Mitarbeiter mal die Schnittbreite der Salamis irgendwie um einen Millimeter zu hoch eingestellt und es kostet Oetker in einer Stunde 30.000 Euro. Das wird bei euch ja ähnlich sein. Also wenn ihr auch irgendeine Salami irgendwie zu dick schneidet, dann sind es jetzt vielleicht nicht 30.000 Pizzen, sondern 11.500, aber da hast du ja schon auch irgendwie Risk drin in der ganzen Organisation.
Max Viessmann: Absolut. Also ich glaube, du wirst eine Organisation niemals mobilisieren, wenn du Angst davor hast, Fehler zu machen. Und uns ist sicherlich auch eine Menge runtergefallen, links und rechts, aber das ist irgendwo Teil dieses iterativen Prozesses. Und ich sage mal, es wirkt jetzt sehr corporate, aber ein Riesenhebel für uns war in der Transformation zum Beispiel Umstellung auf Scrum. Also wir machen die ganzen Transformationsaktivitäten laufen in einem bi-weekly Sprint. Und jetzt kann man sagen, okay, wunderbar, das habt ihr euch ja schön angeeignet, aber das ist ein Riesenhebel, um Kommunikationsbarrieren über Hierarchien wegzuziehen in so einer großen Organisation, weil du hast halt irgendwie, alle sitzen im Sprintplanning drin, alle zahlen darauf ein, dass die Planung für die nächsten zwei Wochen gewährleistet wird und nicht weitergeht. irgendeine Hierarchiegrenze eingehalten wird und das versetzt sowohl die Mittel als auch die Topmanager in die Rolle, die Mitarbeiter entsprechend zu unterstützen. Das ist schon ein sehr großer Hebel am Ende des Tages.
Joel Kaczmarek: Wie läuft denn das so von der Orga bei euch ab? Ich habe gesehen, ihr habt irgendwie so ein Digital Steering Committee. Wie muss man sich das sozusagen rein von der Aufhängung her vorstellen? Ihr sitzt dann sozusagen einmal im Monat zusammen und redet oder wie läuft sowas ab?
Max Viessmann: Also ich bin nicht der erste CDO in der FISMA-Gruppe. Mein Vorgänger ist heute CEO, also Chief Executive Officer. Das heißt, es gibt da Aktivitäten, die auch schon ein bisschen weiter zurückgehen. Und dadurch haben wir bei uns in unserem Führungsgremium mittlerweile eine sehr starke Digitalkompetenz, sowohl auf der CEO-Position als auch auf der CDO-Position und auch in den anderen Ressorts. Wir haben so einen Modus gefunden, dass wir in den einzelnen Initiativen alle drin hängen. Da gibt es niemanden, der sich dem irgendwie entziehen kann in seinen einzelnen Disziplinen und haben eigentlich wöchentliche Abstimmungszyklen, wo wir sehr gut nachhalten können, wie kommen wir eigentlich in Summe mit den Transformationsaktivitäten voran.
Joel Kaczmarek: Ich meine, ohne dass ich jetzt despektierlich sein will, aber wenn ich mir jetzt so eure Seite angucke, eure Führung, den Martin Fiesmann und den Joachim Jansen, den du ja auch irgendwie gerade schon erwähnt hast, das sind ja so klassische Silberrücken und gefühlt schon deutlich jenseits der 40. Da stelle ich mir das nicht so einfach vor, denen irgendwie Digitalisierung mit an die Kniescheibe zu nageln.
Max Viessmann: Man unterstellt ja immer, dass es da irgendwie eine Alterskorrelation gibt. Und ich glaube, das ist so mit das geilste Learning aus der Zeit, dass das überhaupt nicht der Fall sein muss. Sondern du hast häufig in so großen Organisationen Leute, die einfach per se sehr smart sind und sich auf neue Themen einstellen können. Die sind vielleicht nicht digital born oder digital natives an der Stelle. aber haben schon eine hohe Auffassungsgabe und können sich mit den Themen intensiv auseinandersetzen. Und da haben wir eine sehr gute Brücke geschlagen. Du hast meinen Vater irgendwann angesprochen, der ist letztendlich der Initiator der Initiativen gewesen. Also bei mir hat irgendwann mal das rote Telefon geklingelt mit dem Hinweis, dass ich doch gerne die Transformation mal ein bisschen aktiver als von der Seitenlinie vorantreiben soll. Das habe ich gerne gemacht, aber das habe ich auch deswegen gemacht, weil wir beide dasselbe Verständnis hatten, wie wir uns diesem Thema nähern sollten.
Joel Kaczmarek: Was glaubst du, ist long-term deine Rolle in dem Unternehmen? Normalerweise hat man ja gesagt, der Sohn übernimmt vom Vater den Staffelstab des CEOs.
Max Viessmann: Das ist eine schöne Corporate-Frage. Was ist die nächste C-Level-Position? Das ist ganz witzig. Du bist in der Konstellation vor allem inhaltlich getrieben und da sehe ich momentan nicht, dass die spannenden Themen abreißen werden in naher Zukunft, sondern ganz im Gegenteil, die werden eher mehr und entsprechend gestaltet sich dann auch meine Rolle in der Zukunft.
Joel Kaczmarek: Ich gebe dir recht, eigentlich ist dein Job wahrscheinlich eine ganze Ecke geiler als so CEO, da kannst du wahrscheinlich viel mehr machen bei dir, viel mehr Spaßfaktor noch, aber Spaß beiseite. Wie kriegt ihr es denn hin, dass wenn ihr irgendwie Startup-Berührungspunkte habt zum Beispiel, also nochmal diesen Gedanken der Organisation zu bauen, du hast ja oft das Problem, dass ein Corporate mit seiner ganzen Prozessstruktur und seinen Hierarchien, wenn er mit Startups was machen will, die komplett ausbremst. und das ist bei deinen Aktivitäten ja genauso, kannst du ja vielleicht auf dich selbst auch übertragen. Wie schafft ihr es, dass man nicht irgendwie mit den Prozessen und Strukturen, die bestehen, sich da irgendwie Tempo nimmt?
Max Viessmann: Ich glaube, man muss das sehr fein unterscheiden. Also was ist so die Zielsetzung, die du verfolgst in der Zusammenarbeit zwischen der Early-Stage-Aktivität und einem etablierten Unternehmen? Und leider ist es häufig so, dass es vor allem für die etablierten Unternehmen um so ein bisschen Erkenntnisprozess geht. Also wie arbeiten die Unternehmen eigentlich? Was kann ich davon lernen? Und das ist dann sehr einseitig von den Benefits. Bei uns ist es genau andersrum und so sind wir auch sowohl mit unseren VC-Aktivitäten als auch mit den anderen Zusammenarbeiten, die wir vorantreiben, gestartet. Wir haben halt von Anfang an strukturiert darüber nachgedacht, wie können wir zum Beispiel im B2B-Kontext als ein guter Lead-Customer für das Produkt fungieren. sehr repräsentativ für ein etabliertes Unternehmen entsprechendes Feedback zu geben, um das Produkt besser zu gestalten bzw. die Sales-Aktivitäten besser zu strukturieren. Und auf der anderen Seite, wenn es irgendwo einen strategischen, inhaltlichen Fit gab, dann einen sehr klar strukturierten Prozess und eine sehr starke Toolbox anzubieten, wie man dem Venture einen Mehrwert bringen kann. Also keine Resources for Equity Deals, das ist nicht unser Metier, aber am Ende dafür zur Sorge zu tragen, dass man sich halt nicht in den Tiefen so einer großen Organisation verliert, sondern dass halt sehr klar kommunizierbar ist und für das Startup auch erschließbar.
Joel Kaczmarek: Was ich schon komisch fand, also das mag vielleicht eher in meinem Unverständnis liegen, als dass ihr euch da nichts dabei gedacht hättet, war, dass ich gelesen habe, dass ihr dieses What-X, also diesen Company-Builder, den ihr quasi gerade aufbaut, dass da eigentlich nicht das Ziel ist, digitale Themen in das Unternehmen zu bringen. Ist das sozusagen, vielleicht habe ich das einfach nur vom Inhalt her falsch verstanden. oder was ist da der Gedanke?
Max Viessmann: Als Familienunternehmen hast du den Riesenvorteil, dass du keinen Conglomerate-Discount hast. Also du kannst dir eine gewisse Diversifikation leisten. Und wir sehen einfach gerade im Standort Deutschland und gerade in Zentraleuropa super, super spannende Themen im Deep-Tech- und IoT-Bereich und haben für uns ganz klar gesagt, das ist das, wo wir spannende unternehmerische Aktivitäten schaffen wollen. Das ist das, wo wir auch spannende Unternehmer unterstützen wollen. Und ja, wenn du in der Gebäudeinfrastruktur im Energiekontext drin steckst, gibt es immer mal wieder eine Schnittmenge. Aber es ist ganz klar das Ziel, dort losgelöste Aktivitäten aufzubauen. auf das Kerngeschäft einzahlt, ist sehr viel stärker auch an der Marke FISMAN orientiert und am Ende des Tages sehr tief auch in der DNA der FISMAN-Organisation verurzelt.
Joel Kaczmarek: Okay, makes sense. Also vielleicht muss man noch mal einen Satz zu diesem Konglomeratsthema sagen. Also du hast als börsennotiertes Unternehmen oft das Problem, wenn du dich irgendwie an vielen Unternehmen beteiligst oder die auch irgendwie kaufst, die fern von deinem Kerngeschäft sind, dass du sogenannte Konglomeratsabschläge zahlen musst, weil du sozusagen nicht mehr sortenrein bist in deinem Geschäftsmodell. Finde ich nachvollziehbar, dass du sagst, dass es da Opportunitäten gibt und ihr habt einen anderen Druck drauf. Wie ist denn aber eigentlich noch ein Faktor? vielleicht, wenn wir über Digitalkompetenz nochmal eine Sekunde sprechen? Der Florian Heinemann hat ja bei uns einen spannenden Podcast auch zum Thema Digitalisierung gemacht und der hat so zwei Sachen rausgehoben. Er hat gesagt, für ihn bedeutet Digitalkompetenz einerseits so Aspekte rund um das Thema IT-Produkt und dann rund um das Thema Daten und auf Daten angeschlossen natürlich dann eine Monetarisierung und einen Marketingfaktor. Ist das was, was ihr auch irgendwie auf der Agenda, auf dem Schirm habt oder denkt ihr dann an anderen Sphären?
Max Viessmann: Wenn du bei uns die zweite Seite der mal heruntergeschriebenen Strategie aufschlägst, dann findest du da zwei Elemente. Das eine ist Skalierbarkeit durch Technologieinsight und die andere Komponente sind Daten. Ich glaube, es ist total naheliegend, dass man sich damit auseinandersetzt. Das ist auch da wieder kein Selbstzweck. Du kannst nicht nur versuchen, auf Teufel komm raus riesen Data Warehouses aufzubauen. Wir haben natürlich super spannende Themen auf der Produkt-Machine-Learning-Seite als auch auf der Kunden-Interaktions-Seite. Und das versuchen wir der bestehenden Plattform entsprechend zuzuführen und da halt Mehrwerte zu generieren für unsere Kunden.
Joel Kaczmarek: Und ich meine, wenn wir jetzt sagen, das sind irgendwie sozusagen zwei Fokusbereiche von euch. Behandelt ihr die eher so ein bisschen wie so eine, ja, wie ein Tanker, der irgendwie Beibote hat und die sozusagen irgendwie, also sozusagen irgendwo nah an der Organisation dran sind, aber nicht innen drin? Oder ist eigentlich das Ziel des Know-how dessen sozusagen auch in die Organisation rein zu diffundieren?
Max Viessmann: Ich glaube, Ein Riesenproblem, was viele große Organisationen haben, ist, dass sie keine saubere Aufbau- und Ablauforganisation haben. Was meine ich damit? Dass es keine klar abgesteckten Zielsetzungen und Verantwortlichkeiten gibt, sondern dass es so ein bisschen nebulös ist. Das ist ja auch häufig das, was du zu späteren Finanzierungsrunden im Venture-Bereich siehst. Und dann fängt man halt an, das ein bisschen stärker zu fokussieren. Und das ist genau das, was wir machen. Also für uns ist, ich habe mir irgendwann mal angeeignet, dass Focus is saying no, also einfach mal nein auch zu Themen zu sagen. Und das gibt dir halt die Möglichkeit, innerhalb dieses großen Konstrukts sehr strukturiert Aktivitäten aufzubauen. Wenn du zum Beispiel mal bei uns unter die Motorhaube auf der Technologie-Seite guckst, dann findest du da eine super moderne Microservices-Architektur, wie du sie wahrscheinlich nicht bei einem etablierten Unternehmen vermuten würdest. Da haben wir einfach für uns den Fokus drauf gesetzt, am Ende darauf einzuzahlen, dass wir tatsächlich die Skalierbarkeit haben, die wir mittelfristig anstreben.
Joel Kaczmarek: Es läuft ja so ein bisschen auf die Frage hinaus, wenn ich als Corporate mich digitalisiere, habe ich ja zwei Möglichkeiten. Entweder ich mache das nah an der Bestandsorganisation dran, nehme in Kauf, dass ich diese Friktionen habe, Reibung, Politik etc. pp., Also so ein bisschen Innovationsinsel bei mir im Konzern. oder du machst so komplett Greenfield, also wirklich grüne Wiese, ich starte neu, ich versuche irgendwie diese ganze Legacy zu ersparen. Was wäre da eher dein Favorit? oder was hältst du für den vielversprechenderen Weg?
Max Viessmann: Das ist ganz witzig. Ich glaube, das ist so die akademische Trennung, die man so heute hat.
Joel Kaczmarek: Die gibt es wahrscheinlich so sortenrein gerade.
Max Viessmann: Genau. Und ich glaube, wir sind so die sortenreine Mitte. Das heißt, wir sind deutlich kooperativer an der Stelle unterwegs, als das Ganze entsprechend zu trennen. Es gibt einen sehr guten und fundierten Austausch zwischen dem Venture-Capital-Vehikel und dem Company-Builder mit den bestehenden FISMA-Digitalaktivitäten, als auch einen guten Austausch mit der Core-Organisation. Und haben da, glaube ich, für uns eine Bühne gefunden, dass ich das nicht so stoisch trennen muss, weil wir die Politik am Ende des Tages so im Griff haben und dass dort keine Verluste entstehen in den schnelldrehenden Einheiten.
Joel Kaczmarek: Ich kann mir das echt nicht vorstellen. Wie machst du denn das, dass du es schaffst, diese Kompetenz in die Organisation zu tragen und die Hürden und Ängste gleichzeitig abzubauen?
Max Viessmann: Das sagt Joel, während er im Serverraum der Fisman-Organisation sitzt.
Joel Kaczmarek: Ich
Max Viessmann: kann dich nur herzlich einladen, dir das mal ein bisschen genauer anzugucken, aber ich glaube schon, dass wir sichergestellt haben, dass das Ganze am Ende des Tages authentisch ist und nicht einfach nur eine CEO- oder CDO-Agenda, die jetzt in das Unternehmen reingetrieben wird, sondern wirklich Teil der DNA geworden ist in den letzten zwei
Joel Kaczmarek: Jahren. Du hast aber immer so diesen Case, die da drüben geben das Geld aus, was wir hier hart verdienen und dann können die auch noch arbeiten, wann sie wollen und im Stehen arbeiten und so. Wie kriegt man sowas denn in den Griff? Das ist ja ein Mindset-Thema auch, ne? Ja.
Max Viessmann: Vielleicht mal andersrum. Wie haben wir angefangen in der Transformation im Kern? An unserem Kernstandort sind viereinhalbtausend Leute in der Mitte Deutschlands. Und da gibt es einen zentralen Ort und das ist die Kantine. Und direkt an die Kantine angeflanscht ist so ein Glaswürfel, der ehemals mal das Verwaltungsratscasino war und heute von den digitalen Teams besetzt wird. Das heißt, sie sitzen da sehr prominent. Aber was viel wichtiger ist, es gibt dort keine verschlossenen Türen. Also da kann Jeder Mitarbeiter reinlaufen, jeder Mitarbeiter sieht unsere Dashboards, jeder Mitarbeiter sieht unsere Scrumboards an den Themen, an denen wir momentan arbeiten. Und es ist einfach sehr anfassbar und nicht irgendwo da drüben versteckt, sondern sehr konkret. Jetzt hast du auch da natürlich manchmal einen Effekt, dass die Leute am Anfang sagen, guck mal, jetzt wird das Ganze noch auf den Präsentierteller gehoben. Das klingt nach zwei, drei Wochen ab und sorgt eher dafür, dass das Ganze eine hohe Identifikation hat. Und genauso ist das mit unseren Berlin-Aktivitäten auch. Also wenn du heute hier durchs Office läufst, triffst du eine Menge Leute von anderen Standorten aus der Kernorganisation, die heute hier sind, Workshops haben, sich entsprechend austauschen. Das heißt, da gibt es diese da drüben Barrieren im wahrsten Sinne des Wortes nicht.
Joel Kaczmarek: Okay, aber das ist ja schon mal ein gutes Takeaway. Also nämlich so ein bisschen mit transparent sein, authentisch sein, das auch irgendwie durchziehen und das irgendwie so ein bisschen zur Sache des Unternehmens machen. Und das merke ich mir mal als Mittel am Wasserloch sozusagen, wie Leute da dann irgendwie das Ganze kommunizieren.
Max Viessmann: Die Tiefenbohrung.
Joel Kaczmarek: Genau. Vielleicht sollte man einen Satz mal irgendwie auch rund um das Thema Tamondo, finde ich, sagen. Also das ist ja sozusagen eher ein Ansatz, der wirklich dahin geht, euer Kerngeschäft eigentlich in der digitalen Welt zu transformieren oder zu bewegen. Was ist denn euer Blick auf so ein Thema? Ihr könntet ja zum Beispiel auch eigentlich hingehen und sagen, mit solchen Leuten tauscht ihr euch noch intensiver aus, denkt über Beteiligung nach. Also ist das auch was, wenn ihr über Digitalisierung nachdenkt, solche wirklich kerngeschäftsnahen Sachen zu tun?
Max Viessmann: Ja, ich glaube, dass Philipp da in Summe einen guten Job macht, dass sie auf einem guten Weg sind. Und letztendlich zahlen sie ja auch auf ein übergeordnetes Ziel ein, was wir haben, dass die gesamte Wertschöpfungskette sich stärker digitalisiert und skalierbarer wird. Und letztendlich kämpfen wir zu einem gewissen Grad an denselben Fronten in dem Sinne, dass wir unsere Partner in Summe digital stärker befähigen und da gute Voraussetzungen schaffen, dass das Handwerk den Schritt in Richtung eines digitalen Handwerks schafft. Und Thermondo als Digital Born Handwerksbetrieb setzt da halt hier und da ganz gute Beispiele, wie man das erreichen kann. Und von daher ist das, glaube ich, eine sehr gute Zielkonkurrenz, wie wir da in Summe am Markt unterwegs sind.
Joel Kaczmarek: Aber ich meine, es gibt vielleicht auch mal den Menschen so ein Gefühl, wie verkauft ihr eigentlich eine Heizung? Ist das sozusagen so, dass ihr die richtig auch selbst an den Mann bringt oder arbeitet ihr da eigentlich eher mit den ganzen sozusagen Gewerken, die da bei der ganzen Installation mit drin sind? Also wo ich natürlich hinaus will, ist, könnt ihr euch eigentlich erlauben, selbst zu sagen, ihr wollt diese Kette weiter digitalisieren und selbst da noch vielleicht sogar Schritte mit übernehmen?
Max Viessmann: Ich glaube, es ist ganz unterschiedlich und da vergisst man immer schnell, wie groß das Unternehmen heute ist. Also wir sind in 75 Ländern aktiv und haben da natürlich sehr unterschiedliche Go-to-Market-Strategien. Wenn du jetzt mal auf so ein wachsendes oder schnell wachsendes Land wie nach wie vor wie China guckst, In China betreiben wir mit unseren Partnern gemeinsam über 500 Retail Stores. Das heißt, da hast du sowohl offline als auch online sehr konkrete Customer Touchpoints, was sehr gut zu unserem dortigen Geschäftsmodell und unseren Aktivitäten passt. In Deutschland zahlen wir sehr stark auf die über 100 Jahre zum Teil gewachsenen partnerschaftlichen Strukturen ein und tragen letztendlich dazu bei, dass wir gemeinsam einen starken Weg in Richtung Digitalisierung bestreiten können. Und das variiert halt über die verschiedenen Länder hinweg sehr, sehr stark.
Joel Kaczmarek: Könntest du dir trotzdem vorstellen, zu sagen, dass du diese Prozesskette noch weiter erschließt für euch und dabei mit digitalisierst?
Max Viessmann: Ich glaube, das ist ähnlich wie, warum mache ich eigentlich Digitalisierung? Das ist auch kein Selbstzweck. Das ist so der einfache VC-Pitch, ich muss end-to-end die Wertschöpfungskette kontrollieren. Ich glaube nicht, dass das in sich ein Ziel ist, sondern die Frage ist, wie gestaltest du in Summe eine positive Customer Experience für den Nutzer unserer Produkte? Und damit setzen wir uns halt auch vor allem hier mit den Berliner Teams sehr intensiv auseinander, dass wir am Ende eine tolle Customer Experience anbieten können. Und dazu trägt halt auch bei, dass ich links und rechts digitale Touchpoints habe, beziehungsweise unsere Geräte deutlich smarter mache, als das vielleicht in der Vergangenheit der Fall war.
Joel Kaczmarek: Jetzt haben wir irgendwie noch drei große Themen sozusagen für die zweite Interviewhälfte. Gründen, beteiligen, kaufen. Jetzt hast du irgendwie das WattExamen schon mal so ein bisschen angerissen. Vielleicht nehmen wir das mal so als guten Kickoff. Wie arbeitet ihr da genau? Was ist irgendwie der Fokus? Wie muss man sich das vorstellen?
Max Viessmann: Also OLX in Summe ist sehr UX getrieben. Im Prinzip gibt es kaum eine Aktivität, wo wir nicht innerhalb der ersten ein, zwei Tage, wenn wir uns mit einem Thema auseinandersetzen, wissen, was ist eigentlich das Kernproblem, was wir hier lösen müssen und dann entlang dieses Problems iterieren, ob das Ganze am Ende auch nachhaltig zu monetarisieren ist. Und du wirst nie von uns eine Aktivität sehen, wo wir irgendwo einen Businessplan gesehen haben und sagen, komm, das bauen wir jetzt mal nach, sondern für uns geht es eigentlich immer eher um die Essenz herauszufinden, okay, hier ist ein effektives Problem, was vielleicht noch niemand so gesehen und adressiert hat. Und das heißt halt dann auch im Endeffekt, dass du viele Sachen auch mal killen musst und killst dir dann halt lieber schneller als später. Der grundsätzliche Ansatz ist das aber sehr, sehr, sehr unternehmerisch aufzubauen. Das heißt, sowohl das Team WattEx als auch die Gründer der einzelnen Ventures haben signifikante Equity Shares. Und dazu tragen wir natürlich dazu bei, dass es auch in der längeren Frist eine sehr gleichgeschaltete und gemeinsame Interessenslage gibt.
Joel Kaczmarek: Ihr geht sozusagen sehr stark in diese Ideation-Phase mit rein, auch irgendwie in das Testing von Geschäftsmodellen am Anfang. Ich habe mir jetzt mal so ein bisschen die Kondition, wie ich sie verstanden habe, auf eurer Webseite angeguckt. Wobei, eigentlich müssen wir nochmal einen kleinen Exkurs machen. Was habt ihr eigentlich damit schon gestartet? Also gefühlt, es gab ein Thema, das ihr immer gesagt habt, wir wollen so eine IoT-Plattform machen für irgendwie Großgewerbe. So richtig zu sehen ist aber noch nichts. Also seid ihr da sozusagen schon bei einigen Sachen tief im Loop? oder wann kommen da die ersten sichtbaren Dinge?
Max Viessmann: Ich glaube, es ist ein riesen Unterschied zwischen dem, was man macht und was man zeigt. Und wir haben einfach in Summe sowohl in der Kernorganisation als auch in den Vehikeln sehr viel erstmal umgesetzt, also ein bisschen Visier runter und mal durchexerziert. Und die Sachen kommen jetzt nach und nach ans Licht und ich glaube, da kann jeder gespannt sein, was da noch so alles um die Ecke kommt. Ja, es ist so, dass auch breitere IoT-Plattform-Themen für uns im Fokus stehen, weil es letztendlich die Basis für viele unserer Cases ist in der Zukunft.
Joel Kaczmarek: So, und jetzt habe ich mir, wie gesagt, mal die Kondition so ein bisschen angeguckt. Also ihr hattet irgendwie gesagt, 50 Prozent der Anteile hält jetzt irgendwie euer Company-Builder, 50 Prozent hält der Gründer, der das mit euch macht und ihr gebt so zwischen 150.000 und 250.000 Euro in so ein Thema rein. Habe ich das richtig verstanden?
Max Viessmann: Das ist grundsätzlich mal nicht falsch.
Joel Kaczmarek: Ich habe ja so ein bisschen, also fairerweise, um das mal einmal vorweg zu sagen, all die Kritik auch mit großem Respekt. Man muss ja erstmal anerkennen, dass ihr überhaupt so konsequent irgendwie digitalisiert, das ist echt nicht selbstverständlich. Ihr macht viel, ich finde das ja sehr spannend. Ich habe mich bei dem Case aber nur gefragt, löst euch das wirklich euer Problem? Also ihr kriegt sozusagen diese Kompetenz in den Apparat rein, aber vor allem habe ich mich bei den Konditionen auch so ein bisschen gefragt, ist das eigentlich so, dass es euch am Markt richtig hilft? Jetzt mag IoT-Hardware ein anderer Case sein, weil da hast du irgendwie anderen Gründertypus ein Stück weit. Aber ganz grundsätzlich hätte ich gesagt, 50% der Anteile für den Gründer ist im Prinzip so wie Seed-Runde, ich gebe die Hälfte ab. Bei einem Thema, was hoch finanzierungsaufwendig ist, lange dauert und wo man eigentlich sagen kann, also ein bisschen so Faustregel, gute Gründer holen sich nicht frühen Strategen rein.
Max Viessmann: Ich glaube, was witzig ist, ist, dass du, also du musst drei Sachen unterscheiden. Das eine ist, wir betreiben ja explizit dort Aktivitäten, die nicht an das Kerngangsschiff gekoppelt sind. Also von daher sind wir, wenn du so willst, ein Financial Investor mit einer sehr ausgeprägten IoT-Kompetenz. zum Teil die FISMAN-Organisation auch wieder als Lead-Customer fungieren könnte, aber es ist überhaupt kein Muss. Es zahlt explizit nicht aufs Kerngeschäft ein. Das zweite ist, dass wir in Deutschland da manchmal echt sehr akademisch unterwegs sind, was Equity-Share-Verteilung betrifft. Wenn du dir jetzt unseren Ansatz anguckst bei WhatX, dort gibt es eine sehr lange Ideation-Phase, es gibt ein sehr tiefes Testing der Hypothesen, es gibt ein sehr klares Verständnis dafür, dass dort ein Thema zu lösen ist und dass es ein effektives Modell ist, was funktioniert. Das heißt, wenn du es mit einer Seed-Runde vergleichst, bist du eigentlich schon deutlich weiter im Prozess. Und plus hast du eine Organisation, die, das ist in Deutschland leider noch so, eine sehr ein sehr besonderes Skillset hat, was gerade im IoT- oder Deep-Tech-Bereich halt schwer zu erschießen ist für junge Gründer beziehungsweise für Leute, die dort aktiv werden wollen. Und der dritte Aspekt ist, dass du in der Kultur das Ganze vorantreiben kannst, die halt komplett auf Inhalte fokussiert ist. Das geht natürlich für WordX auch. Und da, ich sag mal, eine gute Skalierung hinbekommst, die man vielleicht auf den ersten Blick nicht so sieht. Wie gesagt, da kommt eine Menge aus der Pipeline raus innerhalb der nächsten Woche.
Joel Kaczmarek: wenn man jetzt ein bisschen die Punkte mal ein bisschen abreitet, Punkt 1, ihr seid irgendwie jetzt kein klassischer Stratege, sagst du, sondern ihr seid ja potenziell ein schlauer Investor, wenn ihr eine IoT-Plattform baut, wo man irgendwie Gewerbeimmobilien mit ausrüsten kann, um Strom zu sparen, dass irgendwie das Heizung und Lüftung aufeinander abgestimmt sind, da seid ihr ja irgendwie in der Frontrow zu sagen, ihr macht eure Customerbase auf und helft denen.
Max Viessmann: Aber was Was ist am Ende der Kern unseres bestehenden Geschäfts? Der ist nicht unbedingt das Infrastruktur-Layer, sondern das Infrastruktur-Layer ist an der Stelle generisch und dann hängt es halt sehr davon ab, was für Applikationen du darauf baust. Die Applikationen, die man darauf entwickeln kann auf der Plattform, die kann auch durchaus in der FISMA-Umgebung entwickelt werden, aber das Layer darunter ist erstmal abstrakt und dementsprechend ist das sicherlich eine Komponente unseres Geschäfts, aber es ist genauso wenig wie eine Beteiligung an SAP jetzt für uns eine strategische Aktivität wäre.
Joel Kaczmarek: Aber ich finde schon, das wird ja bei dir eigentlich auch deutlich, dass man sagen kann, ihr habt eine Customer-Base, wo ihr eigentlich Geschäftsmittel brutal leveragen könnt. Das ist ja so ein bisschen der Punkt, worauf ich hinaus will. Kriegst du es mit so einem Inkubationsansatz hin, also Company-Building-Ansatz, zu sagen, du kriegst halt die Top-Gründer, wenn die eigentlich relativ viele Shares abgeben und dann Strategen früh an Bord haben? Weil in meiner Erfahrung ist es immer so, dass du so ein adverses Selektionsthema hast.
Max Viessmann: Ja, ich glaube, to be proven. Momentan haben wir auf der Recruiting-Seite, kommen wir sehr, sehr gut voran, weil es einfach eine große Begeisterung für dieses Thema gibt. Wie können wir eigentlich den industriegeprägten Standort Deutschland oder Zentraleuropa gerade im Industrial-IoT-Bereich nach vorne bringen? Und da ist der Pull auch international brutal hoch. Aus den USA, aus Israel gibt es eine riesen Nachfrage.
Joel Kaczmarek: Sind das eigentlich eher Angestellte als Unternehmer?
Max Viessmann: Ich glaube nicht, dass du anhand von einer Equity-Verteilung definieren kannst, ob jemand unternehmerisch ist oder angestellt.
Joel Kaczmarek: Vom Mindset und von der Aufgabe und von der Freiheit.
Max Viessmann: Das ist eine totale Persönlichkeitsfrage. Und wir sind ein Unternehmen für Unternehmer am Ende des Tages. Und das gilt auch für die Core-Organisation. Du kommst halt nicht weit, wenn jemand nur Dienst nach Vorschrift macht, sondern die Leute müssen schon noch eine eigene Agenda haben und einen eigenen Spirit, den die da reinpacken. Und das gilt natürlich auch für die Company-Building-Aktivitäten.
Joel Kaczmarek: Musst du das sogar eigentlich ein bisschen so machen, was du gerade beschrieben hast, dass ihr sehr intensiv in diese Ideenfindung reingeht und diesen langen Prozess begleitet? Weil die Erfahrung, die ich mit Hardware-Startups gemacht habe, das ist ja brutal. Also ich glaube, euer ganzes Geschäft in den digitalen Bereich zu bewegen, IoT insgesamt, das ist ja ein brutales Geschäft.
Max Viessmann: Und du kriegst es nicht hin, wenn du nicht Synergien zwischen dem Domänenwissen herstellst. Und da haben wir natürlich schon jetzt durch die gewonnenen Lerneffekte und auch die Talente, die uns zunehmend verstärkt haben, haben wir natürlich einen brutalen Hebel, den wir auch anderen Unternehmen zur Verfügung stellen. Dieses kollaborative Element, was im Valley zum Beispiel total ausgeprägt ist, das ist das, was sich gerade in der Hardware-IoT-Community sehr stark ausbildet. Und da ist WordX eine gute Umgebung, in der man halt mal viele Themen diskutieren kann und die dann entsprechend auch vorantreiben kann.
Joel Kaczmarek: Warum habt ihr bei dem WordX dann als primäres Ziel ausgegeben, dass ihr Exit-Gewinne erzielen wollt? Das habe ich ja nicht verstanden, ehrlich gesagt.
Max Viessmann: Ich glaube, wenn du ein professioneller, in dem Fall dann Family Equity Investor bist, dann hast du die gemeinsame Zielsetzung mit dem Gründerteam, hier Cases zu bauen, die am Ende des Tages einen Unterschied machen, aber die auch einen Financial Return erwirtschaften. Deswegen ist das Thema ein bisschen anders zu sehen, als das, was wir in dem FISMAN Digital Kerngeschäft veranstalten.
Joel Kaczmarek: Weil mein Gedanke wäre sonst gewesen, also eigentlich musst du ja Ziel 1 haben, Branche digitalisieren als Ganzes. Und da musst du das eigentlich schaffen, wenn du so eine Themen fährst, dass du auch Co-Investoren an Bord kriegst, dass nicht so der Eindruck entsteht. Aber da bist du schon fast wieder bei so einem Thema Acceleration. Weil das wäre auch so eine Frage von mir gewesen, warum nicht eher akzeleriert, anstatt so tief mit reinzugehen. Aber wahrscheinlich musst du das wegen dem ganzen IoT-Komplexitätsthema.
Max Viessmann: Ich glaube, wenn du das Portfolio mal aufspannst, dann hast du zwei Achsen. Die eine Achse ist, wie nah sind deine Aktivitäten an einem jetzigen Kerngeschäft dran oder an dem Kern, den du für dich in Zukunft definieren willst. Und die andere Achse ist, wie artverwandt ist das mit deinem Kompetenzprofil, was du mitbringst. Und wenn du jetzt in AI-Themen zum Beispiel reingehst, dann wirst du feststellen, dass du da eine relativ große Entfernung zu unseren jetzigen Kompetenzprofilen findest und die Use Cases, die wir dort ausgestalten, auch eine gewisse Distanz zu unserem Core-Business haben. Dann sagst du als Familienunternehmer, wunderbar, das ist eine tolle Diversifikation des Gesamtportfolios. Also macht es Sinn, sich damit auseinanderzusetzen, mit dem Ziel, nachhaltige Business Cases zu bauen.
Joel Kaczmarek: Aber das ist doch ein perfektes Beispiel. AI, also künstliche Intelligenz, das ist doch super. Eigentlich wäre doch für euch ein großartiger Case, wenn ihr es schafft, die Branche zu digitalisieren, dann Unternehmen aufzubauen, was funktioniert, was erfolgreich ist, wo ihr dann darüber nachdenken könnt, das zu kaufen, vor allem Know-how-seitig, um dieses ganze KI-Know-how auf euer Heizungsthema zu applizieren, wo du garantiert tausende von Sensorenfaktoren hast, die du dann eigentlich nutzbar machen
Max Viessmann: kannst. Ja, ich glaube, wenn du dir jetzt irgendwie so TensorFlow oder sowas anguckst von Google, dann siehst du relativ schnell, dass auf der Technologie-Seite im AI-Kontext schon eine Komodisierung einsetzt. Und es ist dann eher die Frage, was baust du abstrakt darauf für Applikationen? Und dafür brauchst du, glaube ich, kein generische AI-Company zu bauen, um das zu gewährleisten. Ich sage ja nicht, dass wir uns nicht mit Artificial Intelligence auch in unserem Kerngeschäft auseinandersetzen, aber wir würden halt dann kein Business bauen, was in einer anderen Industrie unterwegs ist, sondern das ist dann eher eine Aktivität für die Diversifikation.
Joel Kaczmarek: Und wenn wir nochmal ein bisschen dieses Thema Akzelerieren sozusagen mit reinnehmen, hätte das für euch nicht auch Sinn machen können, zu sagen, ihr nehmt eher so ein großes Portfolio, holt euch irgendwie Leute rein, schlaut die auf und gebt die wieder raus?
Max Viessmann: Also wir haben einen super Kooperations- und Kollaborationsmodus mit Early-Stage-Companies aufgebaut und sind deswegen auf so ein reines Accelerator-Programm nicht unbedingt angewiesen, sondern es läuft halt eher Hier ist ein spannender Use Case, hier ist diese große FISMAN-Plattform mit einer internationalen Reichweite und guten Teams im Kerngeschäft, wie auch hier in Berlin. Und wir erarbeiteten zusammen eine Lösung, die für beide Seiten Vorteile hat. Und da ist dann nicht automatisch dran geknüpft, dass man im Cap Table auftaucht. Das ist eine Diskussion, die kann man ja an anderer Stelle noch führen. Aber wir sind da halt nicht so akademisch unterwegs, wie man das vielleicht aus dem Valley oder aus Boulder in Colorado vielleicht kennt.
Joel Kaczmarek: Okay, also ihr denkt eigentlich eher problemlösungsorientiert, denn jetzt irgendwie im konkreten Startup?
Max Viessmann: Weil wir am Ende des Tages darauf einzahlen wollen, eine bessere Customer Experience zu ermöglichen.
Joel Kaczmarek: Kannst du dir denn trotzdem vorstellen, dass ihr irgendwie wie zum Beispiel so ein Otto in etwasem About You ausgegründet habt, dass ihr so etwas auch tut, dass ihr sagt, aus eurer Organisation heraus bringt ihr eure DNA mit ein und startet eine Gründung?
Max Viessmann: Ich würde das nicht ausschließen.
Joel Kaczmarek: Aber es ist jetzt kein Thema, was dir große Freude bereut. Das lese ich in deinem Gesicht.
Max Viessmann: Nein, nein, nein. Du liest in meinem Gesicht ein großes Schmunzeln.
Joel Kaczmarek: Du bist schon dabei, willst du mir sagen.
Max Viessmann: Ich glaube, dass wir gute Voraussetzungen haben, an den Serverraum rangeflanscht, eine Menge andere Aktivitäten auch zu pushen. Und ich glaube, das, was wir am Anfang diskutiert haben, wenn das richtige Mindset da ist, wenn das richtige Verständnis für die Themen da ist und ich sage auch bewusst die notwendigen Erfahrungswerte, wie damit umzugehen ist, dann kannst du, glaube ich, auch eine gewisse Breite des Portfolios bespielen. Und das haben wir uns mittlerweile angeeignet und versuchen halt nicht, die Fehler anderer nochmal zu machen.
Joel Kaczmarek: Man kann ja auch fairerweise sagen, das hilft euch ja wahrscheinlich auch, wenn man so eine Leuchtturmprojekte entwickelt, wiederum mit der Organisationsaufschlauung. Jetzt hast du schon viel über deine Beteiligungsaspekte gesagt. Wie geht ihr denn danach vor? Wann machen denn Startup-Investments für euch Sinn?
Max Viessmann: Vito Ventures ganz explizit ist ein BaFin-reguliertes Fondsvehikel mit einem eigenen Investment-Team, die nur auf den Venture-Case gucken, Investments machen. Wir sind in Firmen, zum Teil im Valley investiert, aber auch hier in Zentraleuropa. Wir haben dort eine Kompetenz aufgebaut, die es uns ermöglicht, mit den Gründern auch auf Augenhöhe zu sprechen, wenn es um IoT-Themen geht oder auch um Deep-Tech-Themen. Und das ist ein bisschen hier und da ein Alleinstellungsmerkmal, weil wir uns halt ein sehr klares Profil gegeben haben. Was muss gegeben sein dafür, dass wir ein Investment machen? Es muss ein super geiler Venture-Case sein. Ich glaube, das ist irgendwo die Gemeinsamkeit, die wir mit anderen haben. Wenn du jetzt darüber nachdenkst, wo würde es zum Beispiel für den Corporate einen Investment Sinn machen, also aus einer strategischen Brille, Da gibt es sicherlich hier und da Übereinstimmungen im Energie- oder im Gebäudeinfrastruktur-Kontext, wo wir einfach sagen, das ist ein guter Add-on zu unserem Core-Business. Am Ende des Tages musst du aber auch festhalten, dass wenn es dein Kerngeschäft nachhaltig angreift, dann weiß ich nicht, wie groß der Gefallen ist, den du dir mit einem 1%-Share am Ende des Tages holst. Also dann musst du eher darüber nachdenken, eine Akquisition zu fahren oder dich dafür zu entscheiden, das halt selber zu bauen.
Joel Kaczmarek: Habt ihr den Fonds eigentlich nur mit eigenem Geld aufgebaut oder habt ihr auch LPs drin?
Max Viessmann: Das ist momentan ein Single-LP-Fonds. Ich würde mal unterstellen, dass das nicht ewig so bleiben wird.
Joel Kaczmarek: Hast du dir eigentlich mal die Aktivitäten angeguckt, die Kollege Sammer in dem Bereich macht? Also das macht ja vor allem der Alex Sammer, der irgendwie für die Sammers relativ viel Energieinvestments macht. Habt ihr auf solche Sachen auch einen Blick?
Max Viessmann: Ich glaube, dass Alex ein sehr gesundes Portfolio hat aus klassischen Energiethemen und guten Venture-Cases, die einen Gebäude- oder Energiebezug haben. Ich glaube, da gibt es auch durchaus Schnittmengen in den Investment-Hypothesen, ja.
Joel Kaczmarek: Wie ist denn das generell? Ich meine, eigentlich kannst du mal einen Satz sagen zu deinen Investment-Hypothesen. Wonach guckt ihr denn so? Weil du gesagt hast, wenn es ein guter Venture-Case ist, macht ihr das. Wann ist das denn für euch der Fall?
Max Viessmann: Ja, es hängt sehr davon ab, welches Problem die Company am Ende des Tages versucht zu lösen und auch wie groß das Problem ist. Aber es hängt natürlich auch sehr stark von den handelnden Personen ab. Und genauso wie wir im Core-Business und People-Business sind, sind wir das auch im Venture-Capital- wie auch im Company-Building-Kontext und setzen da halt sehr auf starke Charakteren. die die Sachen am Ende auch umgesetzt bekommen. Da haben wir für uns sehr klare KPI-Strukturen, nachdem wir unseren Deerflow managen beziehungsweise am Ende auch eine Investmententscheidung treffen.
Joel Kaczmarek: Könntest du dir eigentlich sogar vorstellen, auch irgendwie Themen zu hatchen? Dass du jetzt zum Beispiel sagst, wenn ihr mit WattEx irgendwie eine IoT-Plattform baut, könnt ihr euch irgendwie parallel noch an einem Relayer oder sowas beteiligen oder an einem Tamondo, wenn ihr irgendwie das Heizungsgeschäft im Blick habt. Oder habt ihr da irgendwie eine Marktposition, die euch das eher erschwert?
Max Viessmann: Ich glaube, was musst du ja die Frage stellen, wie schwer verteidigbar ist dein Geschäft an der Stelle. Und ich glaube, dort, wo da aktuell Probleme gelöst werden, ist das sehr gut verteidigbar. Weil die Magic Source ist da sehr überschaubar. Im Sinne von, das sind gute Technologien, das sind gute Prozesse, die dort aufgebaut werden und das ist nachhaltig. Aber es ist nicht so, dass du nicht in der Lage bist, dir das selber anzueignen an der Stelle. Und ich glaube, da haben wir einen sehr guten Blick darauf, dass wir partnerschaftlich zusammenarbeiten mit den Unternehmen. Aber das ist letztendlich eine Thematik, die du nicht über ein Cap-Table lösen kannst, sondern die du eigentlich nur in einer potenziellen Zusammenarbeit hinbekommst.
Joel Kaczmarek: Bei deinem Heizungsgeschäft glaube ich das sofort. Bei dem ganzen IoT-Thema ist das ja so ein bisschen so, da sind ja die Karten noch nicht verteilt, auch wenn sich das vielleicht so ein bisschen langsam, wie du gerade gesagt hast, commodity-mäßig ausdifferenziert.
Max Viessmann: Ich meine, Josef baut mit dem Team in Summe eine sehr spannende Company. Da sind viele coole Use Cases drauf, industrieagnostisch. Das ist sicherlich ein guter Weg und hat auch jetzt mit der mit der jüngeren Runde da nochmal einen ganz guten Schritt nach vorne gemacht. Und ich glaube, auch da muss man keine Türen zuschlagen. Im Gegenteil, da kann man ja sehr offen und entspannt zusammenarbeiten und muss da keine digitale Entscheidung treffen, im wahrsten Sinne des Wortes.
Joel Kaczmarek: Wie ist das generell? Merkst du, dass ihr als Corporate irgendwie gut an Dealflow kommt? Weil ich hatte ja vorhin schon mal so ein bisschen angedeutet, viele sind ja irgendwie so Also du hast so dieses Tempo und die Zusammenarbeit, eine Art der Zusammenarbeit mit einem Corporate, die schwierig sein kann. Dann hast du den Strategenaspekt manchmal. Also Zugang zu Dealflow ist ja so ein bisschen die Frage. Und wenn man den dann hat, kommt man auch in die Deals rein.
Max Viessmann: Ja. Also was, glaube ich, wichtig ist, ist, dass du, also du musst zwei Sachen machen. Das eine, du musst klar positionieren, wie und warum du hier Investments machst. Und wenn du das über ein strukturiertes, professionelles Venture-Capital-Video machst, dann sendest du schon mal klar die Botschaft, was deine Agenda ist, um dort dich zu platzieren. Und die ist halt nicht strategisch, sondern eher ein Investment mit Benefits im positiven Sinne, weil es nun mal die Plattform gibt. Und der zweite Aspekt ist, wie managst du deinen Dealflow? Und ich glaube, uns ist irgendwie allen bewusst, dass ich den Dealflow nicht über meine Inbox manage, sondern durch eine gute Vernetzung im Ökosystem beziehungsweise einen sehr offenen und strukturierten Austausch auch mit anderen VCs beziehungsweise mit anderen Startups. Und Die Beteiligung, die wir gemacht haben, sowohl ich auf der Angel-Seite als auch quasi in der Vergangenheit im Venture-Capital-Konstrukt, die sind nachhaltig. Und da haben wir, glaube ich, eine klare Historie, auf die wir jetzt zurückgucken können. Und dementsprechend sind wir da positioniert. Also es ist jetzt nicht, dass wir mit FISMA Visitenkarten durch die Gegend laufen müssen, um einen Venture-Deal-Flow zu generieren.
Joel Kaczmarek: Wie ist denn so die Phase, die euch anguckt? Du hast ja schon so ein bisschen vorhin gesagt, Post-Seed. Ich habe ja immer so ein bisschen den Eindruck, es macht eigentlich für Corporates auch nicht so viel Sinn, in der Seed-Phase zu investieren, weil einfach die Entwicklungszyklen zu lang sind. Also ehe du Know-how-Zuwachs hast, ehe du Erfolge sehen kannst. Wo guckt ihr dahin?
Max Viessmann: Wir haben für uns mal so ein Framework entwickelt, wo wir gesagt haben, das ist eigentlich so ein bisschen unser ABC, also akquirieren wir, bauen wir oder kollaborieren wir. Und da merkst du schon, dass strategische Investments eher nicht so unser Fokus ist im Early-Stage-Bereich, weil wir, glaube ich, nur dann dem Startup einen Mehrwert stiften können, wenn wir nicht der einzige Strategie im Cap-Table sind, das ist irgendwie auch klar. Sondern es ist dann eher, okay, akquiriert man vielleicht an der einen oder anderen Stelle auch mal eine Aktivität und das muss man sich in Ruhe angucken. Ich glaube, in unserem Kernbereich gibt es jetzt wenig Unternehmen, die momentan in diese Kategorie fallen, also das ist auch commercial, die rechtfertigen würden. Da sind wir aber sehr relaxed und die anderen zwei Aktivitäten selber bauen oder kollaborieren, das ist eigentlich das, wo wir momentan den Fokus drauf setzen. Und von daher, ich kann dir recht geben, ja, es macht für einen Corporate nicht viel Sinn, in einer Seed-Stage zu investieren, aber ich würde sowieso in Summe mal in Frage stellen, inwieweit ein 2%-Share einer Early-Stage-Company einen Mehrwert stifte.
Joel Kaczmarek: Ja gut, ich glaube, man muss ja so ein bisschen unterscheiden, was ist der Fokus. Du kannst ja irgendwie sagen, deswegen wurde ich auch hellhörig, als ihr gesagt habt, das sind für euch Exit Cases bei dem What-Ex, weil ich eigentlich gedacht habe, eigentlich müsstet ihr eher kaufen. Also eigentlich sagt man ja so, so eine Mischkalkulation aus eher Spätphasen-Investments plus Kaufen, das ist ja das, was dich irgendwie aufschlaut. Also du hast einen Kompetenzaspekt und du hast einen Geschäftsaspekt. Das sind ja so die beiden. Genau.
Max Viessmann: Aber genau das, was du sagst. Also letztendlich kann man ab einer gewissen Stage Akquisitionen diskutieren, aber ein Microshare-Investment in der frühen Phase ist, glaube ich, nicht so wertstiftend, außer fürs eigene Ego.
Joel Kaczmarek: Wie würdest du bei Akquisitionen dann gucken? Also in Deutschland kaufen ja alle irgendwie mal gefühlt nur Geschäft, was ich ja ein bisschen schade finde.
Max Viessmann: Das ist spannend. Vor allem im Deep-Tech-Space siehst du halt, dass es eher um Talent geht als um reales Business und die notwendige Fantasie, was du damit machen kannst. Ich glaube, da gucken wir auch nicht nur auf Deutschland, sondern sind da ein bisschen internationaler unterwegs. Gerade mal so mit Blick in Richtung USA beziehungsweise auch Asien. Das spielt für uns eine größere Rolle.
Joel Kaczmarek: Also da dann auch eher Kompetenz betont sozusagen. Weil ich meine, viele haben ja auch mal so bei dem Thema Kaufen irgendwie den Aspekt, wenn du ein großer Corporate bist, kriegst du es überhaupt hin, sozusagen diese Organisation so einzuführen, dass sie auch irgendwie eine Management-Attention kriegt. Also nimm irgendwie, ich weiß nicht, es gibt ja viel diskutierte Springer, ProSieben, Ströer, das sind ja so die Klassiker, die sehr sichtbar sind, sehr visibel sind. Und da hast du ja genau diese Themen zu sagen, naja gut, ich kaufe da was, kriege ich das überhaupt sozusagen mit Management Intention hin, macht das irgendwie Sinn, hat das überhaupt einen Impact, kriege ich es aber auch hin, vor allem gute Leute da reinzukriegen, weil Employer Branding ist vielleicht so ein Thema, da haben wir auch noch gar nicht drüber geredet. Also das sind ja so die Überlegungsmomente da, ne?
Max Viessmann: Also von der Management Intention ist das bei uns sehr gut austariert, weil ich meine persönliche Zeit da sehr stark reinwerfe und das dadurch ziemlich hoch aufgehangen ist, beziehungsweise unser gesamtes Management Board halt sehr nah an den Themen dran ist. Von daher gehst du da nicht unter, was super wichtig ist, da kann ich nur zustimmen. Aber wir sind halt auch sehr strukturiert in der Zusammenarbeit über unsere Toolkits beziehungsweise über eine saubere Integration. Und ich glaube, da muss man am Ende des Tages halt auch professionell genug sein, dass man sich im Vorhinein Gedanken macht, wie gestalte ich das eigentlich. Und das haben wir getan und das hilft uns natürlich, dass uns die Themen dann nicht durch die Lappen gehen.
Joel Kaczmarek: Und wenn wir jetzt schon fleißig über Kaufen reden und du sagst, du schielst auch mal nach Asien, das ist ja auch ein Softwarethema, USA, Asien sind also die großen Spots. Was sind denn deine Hypothesen, was für euch noch spannend werden könnte an Thematik?
Max Viessmann: Ich glaube, das ist eine sehr, sehr spannende Frage und es gibt bestimmt auch viele Leute, die sich sehr dafür interessieren würden, das zu erfahren. Was ganz klar ist, dass wir momentan mit dem Spirit, mit den Teams, mit den Units, die wir auch hier in Berlin in der Anzahl aufgebaut haben, extrem gut fahren, eigene Aktivitäten zu bauen und uns nicht zu sehr in Akquisitionsgesprächen verlieren. Und solange der Strom nicht abreißt und uns die Fantasie dann nicht ausgeht, das tut sie aktuell nicht, also ich kann mich jetzt nicht vor Langeweile beklagen, dann sind wir da, glaube ich, in Summe auf einem ganz guten Weg.
Joel Kaczmarek: Das ist ja schon richtig ein gutes Schlusswort. Aber was ich dir vielleicht ganz zum Schluss nochmal abbringen wollen würde, vielleicht für all die anderen Corporates, die sich auch inspirieren lassen durch euer Handeln. Kannst du nochmal so ein bisschen sagen, was vielleicht deine drei bis fünf Key Learnings waren, wenn man eine große Organisation digitalisiert, worauf man irgendwie achten sollte?
Max Viessmann: Das erste Learning ist, eine sehr realistische Einschätzung dafür zu haben, was konkret möglich ist und sich da nicht zu sehr von Pitchdecks und oder Beraterfolien verleiten zu lassen. Ich glaube, dass das einen eingeschränkten Mehrwert liefert. Ich glaube, das zweite ist Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation. Also ich kann gar nicht zu viel kommunizieren. Das ist nicht möglich, weil die Wissensstände so unterschiedlich sind. Und der dritte Aspekt ist Authentizität wagen und oder finden. Und das ist, glaube ich, für viele etablierte Unternehmen einfach eine Herausforderung zu verstehen, dass ich nicht mit einem Hoodie durch Berlin laufen muss, um irgendwie akzeptiert zu werden, sondern man halt authentisch sich untereinander gut austauschen kann und man sich dann nicht irgendwie verstellen muss. Und andersrum, ich glaube, da auch sehr strukturiert zu sein, wo ich die besten Angriffspunkte für mich definieren kann. Und ich glaube, der letzte Aspekt ist, andere Gleichgesinnte suchen, sowohl auf der etablierten Seite als auch auf der Early-Stage-Seite, wo du einfach ähnliche Probleme löst. Also wo es wirklich darum geht, auch an den gleichen Themen zu arbeiten und da halt eine gute Basis zu finden, entsprechend zu kollaborieren. Ich glaube, das ist das, was uns letztendlich geholfen hat. Aber wir sind mittendrin, unsere Learnings da noch zu iterieren. Und ich glaube, da gibt es noch einen spannenden, weiten Weg, der da vor uns liegt.
Joel Kaczmarek: Das glaube ich auch. Das ist doch dann jetzt wirklich ein schönes Schlusswort. Ich danke dir ganz, ganz herzlich für deine Zeit. Noch, dass du mich mal irgendwie so ein bisschen aus der Akademiker-Denke in die Praxis der 11.500 Mitarbeiter gezogen hast. Das ist ja sehr respektabel und wünsche euch natürlich viel Erfolg dafür.
Max Viessmann: Ja, ich danke dir. Vielen, vielen Dank.