Versandhandel neu gedacht – die Digitalisierung der Otto Group

23. Juni 2017, mit Joel Kaczmarek

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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Deep Dive Podcast von Digital Kompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und heute geht es um ein super spannendes Thema, nämlich Otto. Nicht den Blödelbarden aus Emden, sondern auch Nordküste, die Otto-Gruppe. Superspannendes Unternehmen und da haben wir, glaube ich, so einen der digitalen Vordenker und Lenker schlechthin. Stell dich doch mal ganz kurz vor.

Rainer Hillebrand: Mein Name ist Rainer Hillebrand. Ich bin in der Tat schon relativ lange im Thema E-Commerce unterwegs. Ich gehöre der Otto-Gruppe seit mittlerweile 26 Jahren an, habe unterschiedlichste Funktionen durchlaufen und meine digitale Karriere begann eigentlich Ende 1998, als Dr. Michael Otto mir eröffnet hat, dass ich Vorstand werden soll in der Otto-Gruppe und er sagte dann gleichzeitig auch unter Dr. Hillebrand, dann bitte machen Sie mir auch den Konzern e-Commerce fähig. Das war im Prinzip der Start unseres unseres Themas E-Commerce und für mich natürlich auf der einen Seite eine große Freude, auf der anderen Seite eine große Herausforderung, nämlich sich mit der Frage auseinanderzusetzen, was das eigentlich bedeutet. Und dieses Thema E-Commerce habe ich eigentlich in allen Vorstandsfunktionen, die ich bislang ausgeübt habe, immer wieder mitgenommen und habe mich selber dann auch auf die Reise des E-Commerce begeben und Ich mache das auch heute noch und mache das mit großer Freude und mit viel Respekt vor dem, was vor uns steht und was alles noch auf uns zukommt. Ich bin ein sehr neugieriger Typ und das hilft sicherlich, in dem Metier eine solche verantwortungsvolle Aufgabe wahrzunehmen.

Joel Kaczmarek: Kannst du mal die Otto-Gruppe kurz so ein bisschen verorten, wo ihr gerade dasteht? Also die Klassiker, damit man mal so ein grobes Gefühl kriegt, Mitarbeiter, Umsatz. Wie seid ihr von den Marken her aufgestellt? Was sind eigentlich so eure Säulen, dass mal der geneigte Zuhörer, der da vielleicht nicht so oft drüber nachdenkt, mal ein Gefühl kriegt? Weil ihr seid ja schon sehr impactstark.

Rainer Hillebrand: Ja, die Otto-Gruppe ist in der Tat ein Unternehmen, das global tätig ist. Wir beschäftigen 50.000 Mitarbeiter roughly. Weltweit, wir sind in drei ganz zentralen strategischen Geschäftsfeldern unterwegs. Einmal im klassischen Handel. Da ist unsere Heritage, das ist unsere DNA. Früher waren wir sehr stark katalogbasiert im Handel, hatten aber auch schon frühzeitig dann auch stationäre Geschäfte dabei. Wir haben ein zweites strategisches Geschäftsfeld, das sind handelsnahe Finanzdienstleistungen. Das bekannteste und größte Unternehmen in diesem Sektor ist die EOS. Dann haben wir noch handelsnahe Servicedienstleistungen. Das bekannteste Unternehmen daraus ist die Hermes Gruppe. In Summe, das sind also die kleinen Autos, die in der Gegend fahren und wo hoffentlich viele von den Zuhörern auch Pakete entgegennehmen. Unser Schwerpunktthema und auch mein Schwerpunktthema sehr stark in diesem Thema Digitalität ist der Handel. Der Einzelhandel, da ist die prägnanteste und größte Marke, ist die Einzelgesellschaft Otto. Wir haben dann weitere Gesellschaften, Bauer, Schwab, Manufaktum, Sportcheck, Franconia, Collins, Bonprix als ein sehr großes Unternehmen, Witt als ein sehr großes, sehr erfolgreiches Unternehmen. Viele dieser Unternehmen, die ich gerade aufgezählt habe, haben ihre Heritage im Katalog-Business gehabt. Die wesentliche Aufgabe bestand eben darin und besteht nach wie vor darin, diese jetzt digital zu transformieren, sodass sie also dieses Thema online sehr stark ausprägen. Das machen wir, wie gesagt, seit 1998, 1999 sehr erfolgreich. Also Otto hat heute einen Online-Anteil von deutlich über 90 Prozent und selbst eine WIT-Gruppe, die mit Abstand älteste Zielgruppe bei uns im Konzernportfolio hat, hat mittlerweile auch einen E-Commerce-Anteil deutlich über 20 Prozent. Und das sehr stark wachsend. Von daher sind wir da auf dem Weg und treiben das nach vorne. Und in Summe hat die Otto-Gruppe mittlerweile einen weltweiten Umsatz in der Größenordnung von 12,6 Milliarden Euro.

Joel Kaczmarek: Online glaube ich so 6,5. Online sind es 7. Kannst du den Menschen nochmal so ein bisschen ein Gefühl geben, was du eigentlich tust? Also dein Titel ist ja im Prinzip Konzernvorstand, Konzernstrategie, E-Commerce und Business Intelligence. Gerade das Business Intelligence Thema wird sicherlich nochmal ganz spannend für uns beide, aber wie sieht deine Arbeit, deine Aufgabe aus und wie beurteilt jemand in deiner Rolle eigentlich Handel und die Strategien, mit denen man sich dazu ausarbeitet? Du lenkst ja einen unglaublich großen Tanker mit langer Historie, Ende der 40er Jahre gegründet. Was ist dein Blick und was ist eigentlich deine Rolle?

Rainer Hillebrand: Dieser Vorstandsbereich, so wie du ihn gerade aufgezählt hast, auch mit diesen unterschiedlichen Schwerpunktbereichen, ist eigentlich auch ein sehr deutliches Ergebnis einer Erkenntnis, die schon sehr früh gewonnen worden ist durch viele Besuche und Aufenthalte in den USA. Der allererste Besuch war beispielsweise unmittelbar, nachdem Michael Otto mir gesagt hat, machen Sie einen Konzern eCommerce-fähig, habe ich meinen alten Freund Jan-Henrik Bittner angerufen und habe gesagt, können wir uns mal zusammensetzen. Wie siehst du auf dieses Thema? Und dann bin ich rüber geflogen nach Santa Barbara, da war er nämlich gerade. Und dann haben wir eine Woche lang uns mit der Digitalstrategie für die Otto-Gruppe auseinandergesetzt und mehr oder weniger haben dort sie gebären lassen. Und was in diesen vielen Besuchen sehr deutlich geworden ist, ist, wenn man so schlagwortartig versucht, die Entwicklung darzustellen, dann dreht sich in der ganzen digitalen Transformation und Digitalität aus meiner Sicht im Prinzip dreht sich alles eigentlich um LSD. Das ist jetzt nicht irgendwie das Rauschmittel, sondern es steht für Lead, Speed und Data. Und das ist immer das eine Thema, da geht es darum, wie schafft man es in einer digitalen Welt, für etwas zu stehen, sodass Menschen zu einem kommen wollen und bei einem kaufen wollen. Also das Thema Lead zu generieren und wenn man einen ausreichenden Lead hat, dann auch ein entsprechendes Geld zu generieren, das ist ein Thema, was sehr stark strategische Komponenten hat. Also das war der eine Punkt, deshalb ist das Thema Konzernstrategie eine ganz zentrale Fragestellung. und Um deine Frage zu beantworten, was machen wir in der Konzernstrategie? In der Konzernstrategie versuchen wir ganz weit nach vorne zu gucken und zu sagen, wie entwickeln sich eigentlich Märkte, wie entwickeln sich eigentlich Kundenanforderungen insbesondere und welche Implikationen hat das für die Autogruppe und für deren einzelnen Geschäftsmodelle. Das ist das Thema Konzernstrategie, das steht für L wie Lead. Ein zweites Thema ist das Thema Speed. Da geht es im Wesentlichen, wenn man mal vergleicht, die alte Welt, aus der wir kommen, also die klassische Versenderwelt und die Online-Welt miteinander vergleiche, Da sind viele Elemente der Wertschöpfungskette ja sehr ähnlich. Also zumindest von den Abläufen und von den Elementen. Sie sind teilweise anders zusammengesetzt. Aber ein Thema ist natürlich sehr stark, es ist eine ganz andere Geschwindigkeit. Und das andere Thema ist, man braucht sehr unterschiedliche Skills und andere Skills, als die man im klassischen Kalorgeschäft braucht. Dieses Thema mit S wie Speed überschrieben, um diese Geschwindigkeit zu kriegen, brauche ich entsprechende Skills. Und dazu brauche ich eine E-Commerce-Kompetenz im Unternehmen. Deshalb ist dieser zweite Bereich, den wir haben, ein E-Commerce-Kompetenzzenter. Und das beschäftigt sich sehr stark damit, wie schaffen wir es, neueste Tools, neueste Erkenntnisse, neueste Funktionalitäten zu erkennen und die auch in die Gesellschaften hineinzubringen, dass die zur entsprechenden Anwendung kommen und die Gesellschaften dabei zu unterstützen, mit Fachexpertise zu unterstützen, diese digitale Transformation zu begleiten. Das ist der zweite Aufgabenbereich. Der dritte Aufgabenbereich, das D wie Delta, wie Data. Diese ganze Online-Welt, das war die klassische Katalogwelt auch schon, aber eine Online-Welt ist in einer ganz anderen Dimension, ist ja sehr stark datengetrieben. Wir haben schon immer unsere Informationen über unsere Kunden gehabt und wussten, wo die Kunden wohnen. Wir wussten, was die Kunden bestellen. Wir wussten, in welcher Rhythmik sie bestellen. Wir haben natürlich heute um ein Vielfaches mehr Informationen und Daten über unsere Kunden, die uns und unsere Kunden auch bereitwillig zur Verfügung stellen, weil sie bei uns wissen, dass deren Daten auch bei uns gesichert sind und gut geschützt sind und wir damit vernünftig umgehen. Und wir nutzen diese Daten eben sehr stark dazu, dann am Frontenden möglichst in Echtzeit personalisiert, algorithmusgesteuert Next-Best-Activity anbieten zu wollen. Dazu brauche ich natürlich entsprechende Informationen, dazu brauche ich entsprechende Daten, die muss ich zentral verfügbar halten. Da brauche ich Menschen, die auf diesen Daten arbeiten, Data Analysts und Data Scientists, die Strukturen entwickeln, herausarbeiten und uns auch die Möglichkeit geben, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Das ist deren wesentlicher Bereich. Und da, wie wir vorhin schon dargestellt haben, wir uns in einer Autogruppe, mit einer Gesellschaft bewegen, die deutlich über 100 Unternehmen hat und deutlich über 100 Online-Shops auch bei sich in der Gruppe hat, geht es natürlich sehr stark auch darum, und das ist der vierte Bereich, der in meinem Vorstandsbereich noch mit angesiedelt ist, geht es sehr stark darum, das Wissens- und Knowledge Management auch zu strukturieren und zu begleiten, um eben sicherzustellen, dass die guten Erkenntnisse und guten Erfahrungen, die das eine Unternehmen gemacht haben, dass die auch in das nächste Unternehmen nach Möglichkeiten der Gruppe transportiert werden. Wie auch, wenn irgendein Unternehmen irgendwas mal ausprobiert hat und gesagt hat, liebe Leute, das funktioniert aus welchen Gründen auch immer nicht, dass nicht alle anderen 90 das auch nochmal ausprobieren müssen, um festzustellen, dass es nicht funktioniert. Im Grunde, wenn ich das mal zusammenfasse, dann besteht meine Verantwortung eigentlich im Wesentlichen darin, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und gute Teams zu steuern, die in der Lage sind, nach vorne zu gucken. Was kommt auf uns zu in der Zukunft? Das abzuleiten, was bedeutet das für die Otto-Gruppe und den Unternehmen in der Otto-Gruppe die Möglichkeit zu geben, diese Erkenntnisse dann auch in Taten in den einzelnen Gesellschaften umzusetzen. Also wir sind Navigator und Unterstützer gleichermaßen.

Joel Kaczmarek: Bevor wir mal da so ein bisschen tiefer eintauchen, was ist denn so grundsätzlich dein Verständnis? Also es geht ja irgendwo um Digitalkompetenz. Du hast es gerade E-Commerce-Kompetenz genannt, man kann sicherlich noch ein Stück weiter denken. Siehst du das grundsätzlich eher als ein Tool, was für dich aufs Bestandsgeschäft angewendet wird? Oder ist das eher so eine Neugeschäftsgenerierung oder so ein bisschen eine Mischung aus beidem? Das heißt, die grundlegende Frage, die ich so ein bisschen habe, ist, was bedeutet für dich Digitalkompetenz und auf was applizierst du das in deiner Organisation?

Rainer Hillebrand: Digitalkompetenz bedeutet für mich, dass es mir gelingt, so ausreichend gut aufgestellt zu sein, dass ich in der Online-Welt positiv mich entwickeln kann. Also das bezieht sich auf unterschiedlichste Themenstellungen, es bezieht sich logischerweise auf betriebswirtschaftlichen Erfolg, dass es mir also gelingt, die langfristige Sicherung der Otto-Gruppe auch sicherzustellen in einer sehr stark digitalisierten Welt. Also diese Kompetenzen zu haben, sich dort bewegen zu können und auch sich gut entwickeln zu können, das ist für mich im Wesentlichen Digitalkompetenz.

Joel Kaczmarek: Und eher Neugeschäft oder eher Bestandsgeschäft?

Rainer Hillebrand: Es ist beides, weil ich sage mal, auf der einen Seite habe ich natürlich die Verantwortung und ich hatte ja gesagt, wir haben 99 angefangen, da war der Online-Anteil null und der Kataloganteil, ich sage mal, keine Ahnung, 90 Prozent und 10 Prozent waren vielleicht stationär Geschäft. Lass es 15 Prozent stationär Geschäft gewesen sein, aber so in der Größenordnung in etwa. Und das war ein Unternehmen, das damals schon auch schon irgendwo acht, neun, zehn Milliarden groß war. Und dann hast du Millionen von Kunden, du hast ein stabiles Geschäft, du hast eine rentable Gruppe, die wirklich auch Geld verdient. Da kannst du nicht einfach sagen, die lasse ich mal links liegen, die vergesse ich mal. und jetzt kommt die Online-Welt auf uns zu und jetzt baue ich mal eine neue Online-Welt auf. Eine der ganz entscheidenden, richtigen Weichenstellungen, die wir getroffen haben, war genau in dieser Phase, wo wir begonnen haben, uns mit der E-Commerce-Strategie auseinanderzusetzen, habe ich ja nicht nur Jan-Henrik Bittner gefragt, sondern wir haben uns auch mit vielen großen Beratungsunternehmen auseinandergesetzt. Und diese großen Beratungsunternehmen haben alle sehr gesagt, Leute, das ist ein völlig neues Geschäft. Das ist ein völlig neues Geschäft, das sind völlig andere Menschen, völlig andere Prozesse. vergesst euer altes Geschäft oder lasst es abschmelzen und baut was Neues auf. Und mir hat irgendwie immer nicht eingeleuchtet, wie ich es schaffen soll, in einer affenartigen Geschwindigkeit 9 Milliarden Umsatz aufzubauen, denn die hätte ich ja irgendwie gebraucht, um die Otto-Gruppe in der Größenordnung irgendwo zu halten und völlig neue Kundenstämme aufzubauen und die anderen irgendwie alle zu vergessen. Das fand ich dann auch irgendwie schade. Da habe ich gesagt, nee, das kann es eigentlich nicht sein. Es muss uns gelingen, Unsere bestehenden Geschäfte eben auch in die Lage zu versetzen, Online-Business betreiben zu können. und das ist eben für uns auch der Startpunkt der digitalen Transformation gewesen, weil wir gesagt haben, im Grunde, wenn es das Internet nicht geben würde, hätten wir es eigentlich erfinden müssen, weil es ist ja in etwa die gleiche Wertschöpfungskette. Also da hat jemand Da sitzt jemand irgendwo an einem Ort und möchte einen Artikel haben, der irgendwo anders verfügbar ist. Früher hat er angerufen oder hat einen Fax geschickt und heute geht er eben online und bestellt es und dann wird diese Ware ihm geliefert. Im Grunde eigentlich nichts anderes als das, was wir seit vielen, vielen, vielen Jahren machen. Mit anderen Ausprägungen und mit anderen Skills. Also da war die eine Aufgabe, wir müssen digital transformieren. Und gerade am Anfang war dann natürlich auch die Frage, was heißt denn das eigentlich? Was ist denn in diesem digitalen Business so anders als in unserem klassischen Kataloggeschäft? Sodass wir gleich von Anfang an auch gesagt haben, neben der Tatsache, dass wir unser bestehendes Geschäft haben, transformieren wollen, müssen wir Neugeschäft aufbauen auf der grünen Wiese mit der dann dazugehörigen Infrastruktur, mit den dann dazugehörigen Prozessen, mit den dann dazugehörigen Menschen und das quasi als Lernobjekt nehmen. Genau hingucken, was passiert eigentlich, was ist bei denen eigentlich anders? und was ist von dem, was bei denen eigentlich anders ist, müssen wir übertragen in unsere klassischen Geschäfte. Und wir haben von Anfang an eine duale Strategie gehabt, dass wir gesagt haben, auf der einen Seite Das war die größte Aufgabe, das bestehende Geschäft transformieren und auf der anderen Seite auch neues Geschäft aufbauen. Das haben wir im Grunde eigentlich bis heute beibehalten. Ich sage mal, auch wenn ich mir jetzt die aktuelle Situation angucke, dann lernt ein Otto, ein Bauer, ein Manufaktum, ein Witt, ein Bonprix, lernen auch heute von einem About You, weil ein About You bei Null gestartet, mit einer heute State-of-the-Art Infrastruktur, auf die Hardmanagement-Methoden dieses Unternehmen führt. Und das ist für uns ein Thema, wo wir viel von About You lernen. Und das Schöne daran ist, wenn man Tarek mal irgendwann erwischt und mit ihm darüber spricht, Tarek sagt selber von sich auch, wir haben auch viel von Otto gelernt, weil natürlich viel von dem Geschäft, was wir betreiben, die Erfahrung, die in der Otto-Gruppe vorhanden ist, bei den Fachexperten uns natürlich auch hilft, Fehler zu vermeiden.

Joel Kaczmarek: Aber glaubst du denn eigentlich wirklich, dass man bestehendes Geschäft transformieren kann? Also so ein Alex Graf oder auch Florian Heinemann, mit dem du ja sehr viel Zeit verbringst, der auch meines Wissens im Board sitzt von About You, die haben ja eigentlich die These, dass man nicht transformieren kann, also dass das nicht nachhaltig machbar ist, weil man viel Geld, viel Zeit verliert, es ist schlecht managebar, dass es eigentlich lohnender ist, sozusagen diese Kraft in neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, weil halt Geschäftsmodelle per se immer eine gewisse Halbwertszeit haben.

Rainer Hillebrand: Ja, also Es ist mit Sicherheit eine extrem herausfordernde Aufgabe, Geschäft zu transformieren. Also ich sage das ja bei jeder Gelegenheit, dass das eigentlich die viel schwierigere Aufgabe ist, als neues Unternehmen aufzubauen. Die viel schwierigere Aufgabe. Und gemessen an der Tatsache, dass von den vielen Großen, die vor 20 Jahren noch existiert haben, Katalogversendern, da sind wir eigentlich die Einzigen, die noch richtig übrig geblieben sind von den Großen. Da gibt es noch ein paar kleinere, Aber ich sage mal, von den ganzen Großen sind wir die Einzigen, die übrig geblieben sind. Und ich glaube, ein Handelsblatt-Redakteur hat einmal geschrieben, eine Autogruppe sind die Weltmeister der digitalen Transformation. Und ich würde ihm da nicht zwingend widersprechen. Das ist eine massive Herausforderung, ja, und man muss eben beides tun. Nur auf der anderen Seite, du hast Trotzdem noch diese großen Geschäfte mit diesen vielen Kunden, die ja durchaus Online-Business betreiben, die durchaus Online kaufen, die ja auch sehr ertragsstark sind. Also warum soll ich die jetzt links liegen lassen und mich nur noch um Neugeschäft kümmern? Und ich sage, ich glaube, wir fahren gut daran. Beides zu machen. und wir fahren, glaube ich, auch gut daran, den jungen digitalen Unternehmen auch die Möglichkeit gegeben, in dem eigenen Kontext dieses Geschäft zu entwickeln. Die sitzen beispielsweise nicht auf dem Campus, die haben andere Rahmenbedingungen, die haben vielleicht auch nicht den häufigen Kontakt mit dem Gesamtvorstand und mit den Konzerninstitutionen und Regularien. Die kriegen schon ihre anderen Rahmenbedingungen und da fahren wir extrem gut mit. Ob das jetzt ein About You ist oder ob das auch ein Limango ist oder ein MyToys. oder nehmen wir jetzt Liquid Labs und die Otto Group Digital Solutions, die ja viele kleine eigene Gründungen hat wie RatePay und RiskIdent und wie sie alle heißen. Wir bauen viele neue Geschäfte auf. Aber wir legen einen Schwerpunkt auch nach wie vor darauf, die bestehenden Geschäfte, die wir haben, zu transformieren.

Joel Kaczmarek: Aber lohnt das wirklich immer so? Ich meine, ihr habt ja so ein bisschen das Problem, dass viele der Handelsumsätze wegbrechen und die E-Commerce-Umsätze, die gleichzeitig generiert werden, eigentlich nicht ausreichen, um das aufzufangen komplett, beziehungsweise sich oft nicht als nachhaltig erwiesen haben. Müsstet ihr da nicht noch ein bisschen risikofreudiger sein?

Rainer Hillebrand: Ich glaube nicht, dass es uns an Risikofreude mangelt. Wir gehen durchaus ins Risiko und erleben da auch manchmal Schiffbruch. Nehmen wir mal Beispiel Japital. Da haben wir ein, wie ich finde, wirklich gutes Produkt gehabt, ein richtig gutes Produkt gehabt im Finanzbereich, im Bezahlsektor, das inhaltlich überzeugend war. Das sagen nicht nur wir, sondern alle, die sich das auch angeguckt haben. Leider Gottes ist es uns eben nicht gelungen, auch ausreichend Partner aus der Finanzwelt zu finden. die mit uns gemeinsam dieses Thema nach vorne tragen. Und dann haben wir eben festgestellt, dieses Thema setzen wir zurück. Das war ein Risiko, uns in dieses Feld zu bewegen. Und wir haben die Entscheidung getroffen, dass wir es nicht machen. Also das tun wir schon. Und in vielen anderen Themen, in dem der Tatsache, dass wir viel Risikokapital auch zur Verfügung stellen, gehen wir auch unternehmerschön ins Risiko in bestimmten Themen. Aber nochmal bezogen auf deine Ausgangsfrage. Ich habe ja extrem starke, große Geschäfte, die viel Ertrag auch erwirtschaften. Und ich sage mal, ich brauche ja auch irgendwo den Ertrag, ich brauche ja auch das Kapital aus den Erträgen der transformierten Gesellschaften, um eben neue Geschäfte aufbauen zu können. Ich kann ja nicht sagen, ich lasse das mal links liegen und das Geld kommt von irgendwo her. Das ist ja in einem Unternehmen, wie wir aufgestellt sind, einem Familienunternehmen, was wir auch bleiben wollen in Zukunft. haben wir eine etwas andere Situation als bei Kapitalgesellschaften, die Geld sich am Kapitalmarkt besorgen.

Joel Kaczmarek: Ja gut, aber du könntest ja zum Beispiel hingehen und sagen, du melkst diese Bestandsfirmen oder Bestandsmarken noch, weil du hast ja so ein bisschen die Herausforderung, die Markenwelt, die ihr habt, also wir reden jetzt mal Marke auf Endkundenseite, B2B habt ihr ja einen klasse Ruf, dass die ja schon so sukzessive überaltern. Also so ein Otto.de ist ja jetzt glaube ich nicht bei irgendwie mit 20ern oder Anfang 20ern die Marke, wo du sagst, das wird die nächsten zehn Jahre noch uns irgendwie hochtragen. Und müsste man nicht eigentlich hingehen und ein Otto.de langsam runtermanagen und eher mal versuchen, andere Marken so ein bisschen hochzuhieven oder zu sagen, ich schärfe auch noch ein bisschen mein Profil, indem ich sage, about you powered by Otto, dass man sagt, ihr geht in bestimmte Segmente, pusht irgendwie einzelne Marken mit eurer Marke Otto, dass ihr dieses hohe Ansehen, was ihr auf der B2B-Seite habt und das, was auch viele Kunden vielleicht noch kennen, dass ihr das da reingebt, aber dass ihr so sukzessive zum Beispiel so ein Otto.de irgendwie runternimmt. Da war so die Argumentation, dass das so ein Nostalgie-Thema zu sein scheint.

Rainer Hillebrand: Also wenn wir da mal ein bisschen tiefer in die Handelslandschaft einsteigen und wir haben gerade mit unserem Strategiebereich ja sehr intensiv daran gearbeitet, im Zukunftsbild 2020 und 2025 zu arbeiten, wie sieht der Handel da eigentlich aus? Und das Programm hieß Futurama, da haben wir vor fünf Jahren mal mit gestartet und haben ein Modell entwickelt, wo wir gesagt haben, wie sieht eigentlich die Handelslandschaft der Zukunft aus? Und damals war es schon relativ klar, dass es auf der einen Seite in diesem klassischen Handel Plattformkonzepte geben wird und Plattformkonzepte die Konzepte sein werden, die sich sehr erfolgreich entwickeln werden. Daneben gibt es klassische Handelsgeschäfte, die bestimmte Zielgruppen ansprechen, die aber dann in einem solchen Szenario nur extrem erfolgreich sein werden, wenn sie wirklich einen sehr, sehr klaren USP haben. Also wenn wirklich klar ist, das ist was Besonderes und da muss ich einkaufen. Alle, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, also entweder Plattformen sind oder ein sehr klares Profil haben, die sind extrem unter Druck. Das teile ich total. Der zweite Bereich, der eine sehr große Rolle spielt im Handel, sind eben auch Handelsmarken, wirklich Brands, meist vertikal aufgestellt. Und das ist das zweite Gewinnerkonzept neben den Plattformen und ich sage mal in diesem Thema Brand, also quasi nur Vertrieb von Eigenmarken, Da ist beispielsweise Bonprix verankert, da ist ein Witt verankert, da ist eine Crate & Barrel auch verortet. Und in der Tat haben wir in der letzten Vorstandsjahrestagung sehr klar uns entschieden, dass wir gesagt haben, wir werden uns auf die Markengesellschaften Bonprix, Witt und Crate & Barrel sehr stark fokussieren und da auch sehr starke Zukunftsinvestments noch tätigen. Und wir werden auf der anderen Seite die gute Position, die ein Otto nach wie vor hat und vielleicht nicht bei den Allerjüngsten, aber bei den Mittelalten, muss ich sagen, hatte schon eine sehr starke Position, eine sehr starke Position im ganzen Thema Möbel, eine sehr starke Position im Thema Living, auch sehr starke Position im Bereich Technik. Da ist Otto extrem gut aufgestellt und wir werden Otto sehr viel stärker auch Richtung einer Plattform ausbauen. Das, was du angesprochen hast, bei den übrigen nochmal, das sind Unternehmen, bei denen ist in der Transformation sicherlich wenn der Bohrtumsfähigkeit auch darauf ankommt, sind es wirklich Unternehmen, die einen sehr klaren USP haben. Nehmen wir mal so ein Manufaktum, der hat einen sehr, sehr klaren USP. Glaube ich, dass ein Manufaktum in Zukunft keine Bedeutung mehr haben wird, weil er keine Plattform ist und weil er keine Marke ist? Nö. Ich glaube, die haben nach wie vor eine Zukunft. Und ich sage mal, nehme ich mal unter anderem einen, nehme ich einen Franconia, ja, einen Franconia, der sich darauf spezialisiert hat, Menschen, die irgendwie Landlust genießen wollen, Werden die ein Problem in Zukunft haben? Ne, glaube ich nicht, weil die sehr klar kuratierte Sortimente für eine sehr klare Zielgruppe haben. Und insofern kann man, glaube ich, nicht alle Handelskonzepte über einen Kamm scheren, sondern muss sich sehr genau angucken, was sie haben und was sie nicht haben. Und um deine Frage auch zu beantworten und das auch in dieser Deutlichkeit zu sagen, bei den Gesellschaften, die diesen klaren Kern nicht haben, Da werden wir Maßnahmen treffen. Ob das jetzt heißt, wir halten die so lange, wie es geht am Leben oder ob wir sagen, nee, vielleicht gibt es da andere Best-Owner. oder ob wir sagen, wir legen bestimmte Themen zusammen. Da gibt es erste Überlegungen. Du wirst Verständnis dafür haben, dass ich das nicht schildern kann, aber da handeln wir. Nein, wir gehen durchaus in dieser Konsequenz und dieser Logik vor, die du einforderst. mit der unterschiedlichen Ausprägung.

Joel Kaczmarek: Heißt dann die Logik, dass man eigentlich versucht, immer weiter von dieser Händlerdenke wegzukommen und sich genau in dieses Sandwich eher zu begeben, also auf der einen Seite den Plattformen und auf der anderen Seite den Markengedanken, weil das fände ich jetzt keinen abwegigen Gedanken. Man sieht ja irgendwie auch bei Sportcheck macht ihr das ja gerade, dass die so ein bisschen mehr in diesen Faktor Erlebnis reingehen. Oder kann man sich auch so etwas wie Casper angucken, schlafen als Erlebnis und da so eine Welt drum aufbauen. Ist das ein Weg, der für andere Dienste auch funktionieren kann?

Rainer Hillebrand: Die Grundtendenz geht in die Richtung, wenn ich mir die Handelskonzepte angucke. Die Grundtendenz geht in die Richtung und ich sage mal so, Was wir für uns auch sehr klar erkannt haben und wo wir auch sehr intensiv dran arbeiten, wir sagen ja, wir sind zwar auf der einen Seite klassisch Händler, aber im Grunde sind wir Manager von Kundenbeziehungen und wir müssen extrem stark dafür Sorge tragen, dass wir das auch sehr technologisch betreiben können. Also ich meine, in Amazon versteht sich ja heutzutage nicht mehr als Handelsgeschäft. In Amazon versteht sich ja eher als Technologieunternehmen und ich glaube in Zalando ist auch auf dem Weg, sich als solches zu verstehen und ich glaube auch, dass wir sehr stark nach wie vor eine sehr enge Beziehung zu unseren Kunden aufbauen müssen, aber das Thema Technologie im Thema Technologie eine höhere Bedeutung geben müssen.

Joel Kaczmarek: Lass uns doch mal ein bisschen eintauchen ins Thema Plattform. Was bedeutet das für dich konkret? Also was sind eure Ziele, die ihr verfolgt in dem Bereich?

Rainer Hillebrand: Wenn ich mir eine Plattform angucke, dann ermöglicht mir eine Plattform erstmal ein schier unendliches Sortiment in der Wahrnehmung. Es ist eben nicht kuratiert, anders als beispielsweise, wenn ich das jetzt vergleiche, mit einem Manufaktum oder mit einem Franconia. Eine Plattform trägt auch dafür Sorge, dass sie eigentlich versucht, sehr stark entlang des Ablaufes eines Kunden im täglichen Zeitbedarf sich entlang zu hangeln. Also wenn ich mir angucke, Amazon hat sein Amazon Video oder bietet darüber hinaus noch Themen an, die mit diesem klassischen ursprünglichen reinen Verkauf von Ware nichts zu tun haben. Sondern immer auch zu gucken, wo gibt es entsprechende Themen, die für die Menschen und für die Kunden, nochmal, wir sind Manager von Kundenbeziehungen und nicht reine Händler, die für die Kunden eine hohe Relevanz haben im Laufe des Tages. Immer wieder zu gucken, gibt es dort Angebote, die wir anbieten können, die ein Kunde gerne von uns hätte und die wir ihm auch anbieten. zur Verfügung stellen können, um eben auch der Begleiter des Kunden über den Tag zu sein. Ich glaube, das zeichnet heutzutage sehr stark auch die Plattformen ab, dass sie den Kunden sehr viel stärker einbeziehen und sehr viel stärker auch entlang des Tagesablaufs eines Kunden verankert sind.

Joel Kaczmarek: Ich meine, was glaubst du denn sind die Voraussetzungen, um ein Plattform-Business etablieren zu können? Also gefühlt mit einem Otto kriegst du das von Größe, Relevanz, Impact hin. So ein About You und My Toys, würde ich sagen, sind irgendwie noch ein bisschen zu klein dafür. Ich bin ja kritisch bei dieser überalternden Marke. Otto so ein bisschen, merkst du ja. Aber das sind so die beiden Dimensionen, die ich da auch gedacht habe, angeregt durch Kollegen Krisch, dass man halt sagt, die einen sind irgendwo zu klein oder da musst du noch, weißt du, wenn du gegen Wenn ich als Händler hingehe und sage, ich habe einen Zalando vor der Brust, einen Amazon, einen Otto, warum gehe ich dann zum Beispiel noch hin und verfolge weitere Plattform-Gedanken bei dem About You?

Rainer Hillebrand: In unserer internen Sicht ist Otto das einzige Unternehmen, was eine echte Plattform werden soll. Also jetzt mal von der Begrifflichkeit her. About You ist ein Mehrmarkenanbieter, also von daher in ihrer begrifflichen Definition ein klassischer Händler, der aber eine extrem starke Ausprägung hat im ganzen Thema der Personalisierung und Individualisierung. Ich glaube, das macht About You nach dem, was ich so sehe, im Markt besser als viele andere. Vielleicht sogar am besten. Und das ist das, was bei About You eine ganz große Rolle spielt. Und wir glauben eben einfach, wenn man dann sehr stark personalisiert und sehr stark auch im Verständnis des jeweiligen Kunden und seiner Wünsche unterwegs ist, dass man dann auch durchaus sehr profitable Handelsgeschäft betreiben kann. Also wenn du jetzt konkret auf About You sprichst.

Joel Kaczmarek: Ich finde About You einen spannenden Fall. Ich gebe dir absolut recht. Dieses Thema Individualisierung haben die, glaube ich, sehr spannend besetzt. Ich finde auch, diese ganze Influencer-Denke ist etwas, was Zalando gefühlt sehr verschlafen hat. Wie impactstark das ist, sei mal dahingestellt. Aber ich glaube schon, dass das ein relevanter Faktor ist. Finde ich sehr, sehr interessant. Wie verortest du denn About You? Was ist denn so deine Long-Term-View? Also wie sind die in deiner Wahrnehmung eigentlich angesiedelt? Das ist ja immer so, der Leuchtturm, das Leuchtturmprojekt von Otto, mit viel Mut, mit viel Kapitaleinsatz gestartet und bisher so ein Vorzeigeobjekt, tolle Wachstumszahlen. Was glaubst du, wird da noch die weitere Entwicklung für das Unternehmen sein?

Rainer Hillebrand: Also unsere Zielsetzung ist, den Wachstumskurs von About You absolut weiter fortzusetzen und auch zwar ganz konsequent und ganz Otto. About You soll ein Unternehmen werden, das in der Größenordnung einer Milliarde und mehr unterwegs sein soll. Das heißt für uns nicht nur ein Prestigeprojekt, das wird hier intern gar nicht als Prestigeprojekt gesehen, auch gar nicht als Vorzeigeprojekt, sondern About You ist für uns ein strategisch extrem wichtiges Projekt, weil wir gerade im Bereich der Mode, mal wirklich wieder Zeichen setzen wollen als Autogruppe. Da kommen wir her, da sind wir in der Vergangenheit stark gewesen. Und wir müssen eben auch ein sehr starkes Modekonzept im digitalen Sektor am Start und im Markt haben. Und das gelingt uns offensichtlich mit About You. Zumindest haben sie bislang alles das, was wir geplant haben und was wir uns vorgenommen haben, erreicht und übertroffen, du hast es vorhin erwähnt, ja, das ist richtig, Florian Heinemann ist genauso wie Christian Leibold mit im Beirat und beide, die ja viele, viele Startups sehen und auch seit langer Zeit begleiten, haben gesagt, sie haben noch nie ein Startup gesehen, das irgendwie vor vier Jahren oder fünf Jahren mal eine Planung abgegeben hat und die Monat für Monat diese Planung erreichen. Also insofern, das ist schon ein tolles Unternehmen, das sich großartig entwickelt und für uns mit Sicherheit eine ganz wichtige strategische Säule ist.

Joel Kaczmarek: Wie wollt ihr das schaffen, dass ihr die Umsatzmilliarde da hinkriegt? Also Mobile kriegt man mit, ist ein starker Faktor. Dann haben wir, wie gesagt, dieses Personalisierungsthema. Aber wo soll denn dieses Umsatzwachstum, was man eigentlich braucht, wenn ihr auch eure E-Commerce-Ziele erreichen wollt? Ihr habt immer gesagt, acht Milliarden ist euer Ziel. Das war so 2015 die Marschrichtung. Ihr seid jetzt bei sieben. Also eine Milliarde unter dem, wo ihr eigentlich sein wolltet. Wo kommt das bei denen denn her? Was glaubst du, werden da die Hebel sein?

Rainer Hillebrand: Die sind extrem erfolgreich in der Neukundenakquisition. Und wenn man sich allein mal die Kohortenentwicklung anguckt, die von den Kohorten, die in der Vergangenheit gewonnen worden sind, sehen wir zwei Themen. Erstens, wir sehen, dass die Kohorten extrem stabil sind. Zweitens sehen wir, dass die Werthaltigkeit der Kohorten permanent steigt. Also die neuer gewonnenen Kohorten sind noch wesentlich werthaltiger als die vorherigen. Und wenn ich einfach diese Kohortenlogik mal nach vorne projiziere und sage, es gelingt und so weiter, in dem Maße neue Kunden zu gewinnen, wie es im Augenblick ist. Und im Augenblick haben wir eher eine akzelerierende Neukundengewinnung mit rückläufigen Gewinnungskosten. Da kann ich sagen, ich wüsste jetzt im Augenblick nicht, warum ich glauben sollte, dass ich dieses Wachstum nicht fortsetzen kann. Und man hat ja lange daran gezweifelt, ob Zalando diese Wachstumsdimensionen aufrechterhalten kann. Die haben ja gezeigt, dass es geht. Warum soll es bei uns nicht gehen? Also ganz saloppe, ganz platte Antwort. Das könnte ich jetzt natürlich noch mit Hunderten von Zahlen hinterlegen. Und auch belegen und wir haben uns das auch sehr intensiv angeguckt, nicht nur im Beirat, aber insbesondere auch im Beirat und sind fest der Überzeugung, dass das machbar ist.

Joel Kaczmarek: Aber ich meine, du bist ja mit About You jetzt schon in diesem Kräftesandwich. Otto, Amazon, Zalando, die sind ja schon da. Also es ist ja eine andere Marktvoraussetzung jetzt für About You, als das damals für Zalando zum Beispiel der Fall war. Und es war auch sehr teuer. Also About You wird euch sicherlich lange noch hohe Verluste einbringen und viel Kapital fordern. Total fair, ist glaube ich auch irgendwie jetzt nichts Ungewöhnliches, aber Das ist ja schon irgendwie nach wie vor ein Risikofall trotzdem.

Rainer Hillebrand: Jede unternehmerische Betätigung ist erstmal ein Risiko. Ganz einfach. Und ich sage mal, es gibt nicht wenige, die sehr stark daran gezweifelt haben, ob ein Zahlland noch jemals erfolgreich werden kann und wirtschaftlich erfolgreich werden kann. Also die aktuellen Entwicklungen zeigen zumindest auf, dass sie auf einem sehr guten Weg sind und einige Spötter und Kritiker eines Besseren belehrt haben. Das Gleiche gilt bei uns. About you ist Ich betrachte es gar nicht mehr unbedingt als Risiko. Es ist immer irgendwo ein Risiko, weil natürlich kann in einem Unternehmen mal irgendwas sich anders entwickeln. Aber ich sehe null Indikationen dafür, dass sich das Unternehmen in die falsche Richtung entwickelt.

Joel Kaczmarek: Verstehe mich nicht falsch. Ich finde das ja auch durchaus, sowohl Zalando, finde ich, ist auch nach wie vor stark unterbewertet in der öffentlichen Wahrnehmung, als auch so ein About You, eine sehr, sehr spannende Entwicklung. Aber ist das eigentlich auch immer eure Anspruchshaltung, dass sowas wie ein About You eigentlich so in diesem da diesem internen Deckel entstehen muss, sehr nah angedockt an Otto und auch mit dem vollen Risiko bei euch? oder könnt ihr euch perspektivisch auch vorstellen, sowas auch mal irgendwie offener zu entwickeln?

Rainer Hillebrand: Offener zu entwickeln? In welchem Sinne?

Joel Kaczmarek: Zum Beispiel in partnerschaftlicheren, also ihr könnt ja sozusagen quer subventionieren lassen durch andere Partner. oder ihr könntet hingehen und könntet sagen, ein Project A, was ja bei euch auch, ich glaube mit 50 Millionen im ersten Fonds finanziert wurde, mit 80 im zweiten, könntet ihr hingehen und könntet sagen, macht ihr wesentlich aggressiver zu so einer Art Venture-Sperrspitze eures Geschäfts, dass ihr sagt, das sind irgendwie die Guys, die bei uns irgendwo die mutigeren Sachen antesten, die da irgendwie mit Kapital reingehen, die ja auch so als Operational VC positioniert sind, dass sie irgendwie diese Co-Investoren-Fähigkeit bei sehr, sehr großen Fonds haben. Da könntest du ja mit viel Risiko hingehen, könntest sagen, du machst das nicht mehr so streng unter dem eigenen Dach, sondern noch mehr grüne Wiese.

Rainer Hillebrand: In der Tat sind solche Überlegungen durchaus vorstellbar, dass wir solche Themen eingehen. Wir haben es auch in der Vergangenheit schon bewiesen. Wir haben ja auch seinerzeit mal mit Professor Fein zusammen Feiti gegründet, woraus dann Blue Yonder entstanden ist. Also ein Unternehmen, das im Bereich Predictive Analytics unterwegs ist. Das hätten wir auch. gut und gerne weiterfinanzieren können nach vorne in der Entwicklung. Haben aber gesagt, wenn wir den Sprung in dem Thema Predictive Analytics und eigentlich in einem Softwareunternehmen, wenn wir den Sprung in die USA machen wollen, gibt es vielleicht auch bessere Partner, die uns dann besser unterstützen können in der Marktkenntnis in den USA. So haben wir dann im Prinzip mit Warburg Pinkus einen Partner gefunden, mit dem wir Blue Yonder gemeinsam weiterentwickeln. Das ist mal ein Modell, davon gibt es noch das eine oder andere und das ist durchaus ein Modell, wo es auch ein klares Bekenntnis des Gesellschafters, des Hauptgesellschafters oder beider Gesellschafter, Benjamin und Michael Otto, gibt, dass man solche Modelle fallweise dann eben auch machen kann. Also ausschließend tue ich das nicht, dass das auch in Zukunft durchaus ein Modell sein wird. Wir haben bei About You, auf der einen Seite sind natürlich die Geschäftsführer mitbeteiligt als eine Beteiligung und wir haben auch Mediengesellschaften mit drin in dem Thema. Das ist richtig. Ich hatte dich so verstanden, dass du sagst, eher in größeren Partnerschaften zu denken.

Joel Kaczmarek: Ja, ich meine, man kann ja mal fairerweise sagen, ein Zalando, ein HelloFresh, also so einige der großen Rocket-Gründungen, die sind ja teilweise nicht mit deutschem Geld finanziert. Das kommt teilweise irgendwie aus Schottland, im Wesentlichen aus Schweden. Also kann ja ein Modell sein. Das ist halt eine ganz andere Denke. Das ist ja dann auch viel so Richtung IPO. Wenn man sagt, ihr seid eher eine Gruppe und wollt das unter eurem Dach halten, ist halt anders.

Rainer Hillebrand: Also wo wir diese Themen sehr stark auch aktuell gerade diskutieren, ist auch bei den Gründungen, die wir bei der OGDS haben. Weil wir natürlich sagen, okay, wenn wir dann viele Unternehmen gleichzeitig starten und vor allen Dingen groß machen wollen, muss man sagen, da ist natürlich auch irgendwann mal, ist dann auch, obwohl auf der einen Seite die finanziellen Ressourcen limitiert und auf der anderen Seite auch die Nauer-Ressourcen. Ja, denn ich sage mal, es ist manchmal eben ganz hilfreich, dass man bestimmte Partner eben einfach mit an Bord holt. Nicht nur das Geld deswegen auch, aber nicht nur das Geld, sondern auch das nach Haus wegen. Die dann eine spezifische Expertise in bestimmten Themen haben und die dann einfach unter Umständen auch mehr noch zu dem Geschäftsmodell beitragen können, als wir das tun können. Absolut. Also diese Überlegung ist relevant und die ist richtig. und die ist auch, das ist nicht aus unserem Gedankenspektrum raus.

Joel Kaczmarek: Wie ist denn generell so die Verordnung, was das ganze Beteiligungsgeschäft angeht? Also wenn man sich eure Webseite mal anguckt, eure E-Commerce-Strategie, die ihr euch verortet habt, dann sind da ja zwei wesentliche Player genannt. Einmal E-Ventures und einmal Project A, was ihr sagt, das ist sozusagen eure Venture-Capital-Armen, mit denen ihr irgendwie arbeitet. Was für einen Gedanken, was für eine Herangehensweise verfolgt ihr in dem Bereich?

Rainer Hillebrand: Also unsere Venture-Aktivitäten sind in der Aufstellung, die wir haben, durchaus ein sehr strategisches Thema. Und zwar aus zwei Gründen. Der eine Grund ist, dass wir dort sehr stark auch erleben, was passiert eigentlich im Kapitalmarkt. Wir sind ja Menschen, die immer gerne beobachten und gerne lernen. Und ich habe ja vorhin mal eingangs gesagt, wir sind sehr neugierig und ich bin ganz besonders neugierig und ich will einfach wissen, wie bestimmte Themen funktionieren. Und ich sage, ich kriege Eher ein Griff an den Kapitalmarkt und seine Verhaltensweisen und Vorgehensweisen, wenn ich da selber irgendwo mit drin bin. Das war sicherlich eine der Motivationen auch seinerzeit vor acht Jahren, dem E-Venture-Ergründungsgedanken zu spielen. Ein zweites Thema, was eine hohe Rolle spielt, ist natürlich, man kann natürlich auch hohe Kapitalerträge generieren. Wenn man ein richtig gutes Team hat und eine richtig gute Mannschaft hat, ist das ja durchaus ein sehr lukratives Geschäft, das natürlich auch eine sehr große Rolle gespielt hat. Ein ganz wesentlicher Treiber aber für unsere Venture-Aktivitäten war, dass wir sagen wollen, wir wollten eigentlich mal sehr viel stärker die Hand am digitalen Puls haben. Im Grunde ist das so unser Seismograph. Was passiert eigentlich oft in der Welt des Online- und digitalen Businesses eigentlich weltweit? Wo entstehen eigentlich neue Geschäftsmodelle? Und bei diesen neuen Geschäftsmodellen, die da irgendwo entstehen, ist dann auch immer wieder die Frage, welche Implikationen haben die eigentlich für die Otto-Gruppe und kann ich die gegebenenfalls als Geschäftsmodell oder kann ich die gegebenenfalls als Funktionalität in einem bestehenden Geschäftsmodell zum Einsatz bringen. Da wollten wir also eine Transparenz gewinnen, was passiert eigentlich weltweit. Wir wollten den Zugang haben zum Netzwerk, muss man auch dazu sagen. Wir sind ja, wie gesagt, als klassische Katalogversender gestartet und Man nimmt uns jetzt mehr als digitalen Player wahr, als das in der Vergangenheit der Fall gewesen ist. Da hat mit Sicherheit auch die Venture-Beteiligung eine Rolle gespielt. Und wir identifizieren natürlich auf die Art und Weise auch gute Menschen, die auch für uns helfen können, in der Autogruppe tätig zu sein. Plus die Überlegung, was allerdings wir noch nicht realisiert haben bislang, dass man unter Umständen dann auch mal irgendwo einen Tag in einem Beteiligungsunternehmen hat, in den Venture-Capital-Gesellschaften, dass für die Otto-Gruppe von hoher Strategie relevant sein könnte, dass man dann erwerben kann. Dann aber auch zu Marktbedingungen. Das ist auch eine ganz klare Voraussetzung. und nicht mit Sonderrabatt nur, weil wir die Otto-Gruppe sind, sondern dann sehr klar zu Marktbedingungen. Aber durchaus vorstellbar, dass wir auch Targets, die dort drin sind, auch irgendwann mal für die Otto-Gruppe wieder erwerben.

Joel Kaczmarek: Ich finde das total plausibel und auch sehr valide. Du kannst ja sogar allein schon hingehen und kannst sagen, du kriegst als Corporate, der vielleicht irgendwie dann auch jungfräulich startet, auch nicht so einen guten Dealflow ab. Also sehr viele valide Gründe. Wie orchestriert ihr das und habt ihr irgendwie einen wirklich funktionierenden Weg gefunden, diesen Transfer zu leisten? Weil erfahrungsgemäß Kapitalanlagen haben ja geringe Rückwirkungen in Organisationen wie euch jetzt, wenn da irgendwie so ein Fonds zwischengeschaltet ist. Also ich glaube, es fänden viele Leute spannend, wenn du irgendwie sagst, du hast einen Dreh gefunden, deine Beteiligung, das Know-how und vielleicht auch irgendwie die ein oder andere Person in eure Bestandsorganisation rückzuführen?

Rainer Hillebrand: Also ich glaube, die erste Grundvoraussetzung ist, wir haben ein sehr gutes Setting gefunden, was Governance angeht und was Rahmenbedingungen angeht. Sowohl für eVentures als auch für Project A. Der zweite Punkt ist, ich glaube, da haben wir richtig Glück gehabt oder haben richtig gut gesucht oder whatever. Wir haben zwei richtig geile Teams gefunden, das muss man sagen, in beiden Fällen. Also das war für mich damals eigentlich immer eine Rahmenbedingung, nachdem ich gesagt habe, ich möchte wirklich ein Team haben und zwar als Team, das in der Vergangenheit schon mal zusammengearbeitet hat. Weil ich wollte nicht von Anfang an die Diskussion haben, also der kommt immer zu spät, der geht immer zu früh, der hat seine Haare zu lang, der bringt seine Kaffeetasse nie weg. Wie es so entsteht, wenn Menschen irgendwie zusammenkommen und eine Gruppe bilden müssen, eine formale Gruppe. Das war für mich immer eine der Rahmenbedingungen, ein existierendes Team zu nehmen, das schon mal die Erfahrung gemacht hat. Und durch großes Glück und durch Kontakt auch mit Jan-Henrik Büttner, da ist er wieder, habe ich dann eben Christian Leibold kennengelernt. Und im Grunde eigentlich nur auf seine Empfehlungen, weil ich ihn gefragt habe, mit wem muss man denn mal reden, um zu verstehen, was passiert eigentlich im Venture-Business. Da unterhalte ich mal mit Christian Leibold. So habe ich Christian Leibold kennengelernt. Eigentlich wollte ich lernen, in dem Gespräch und er hat mich aber so überzeugt, dass ich ihm gesagt habe, sagen Sie mal, Herr Leibold, was müssen wir eigentlich machen, damit wir zusammenarbeiten? Ich suche ein Team. Er sagt, ich lasse mich mal drüber nachdenken. und dann hat er gesagt, am nächsten Tag hat er angerufen und hat gesagt, vielleicht sollten wir uns mal unterhalten. So sind wir zusammengekommen und dann haben wir Relativ schnell festgestellt, dass es einfach passt. Die haben mir vertraut, ich habe denen vertraut, die Otto-Gruppe hat sowohl mir als auch dem Team vertraut. Und dann haben wir gesagt, wir machen das mal. Und vom Setting und von der Governance haben wir von Anfang an darauf Wert gelegt. dass sie auch, obwohl sie Corporate VC waren, sich wie ein echter VC verhalten können. Also wir haben sie von der Otto-Group-Governance ein Stück entfernt gehalten. Wir haben sichergestellt, dass das Management höchstmöglich frei entscheiden kann. Also wir haben viel Vertrauen in diese Gruppe reingegeben, was seinerzeit zumindest von außen extrem positiv betrachtet worden ist. Ich mache es an einem Beispiel klar. Wir haben seinerzeit mal gesagt, es gibt ein Investitionskomitee. Weil wir gesagt haben, wenn da der Dealflow ist und das Management was machen will, dann sollte zumindest nochmal irgendwie Expertise drauf gucken. Und in diesem Investitionskomitee waren fünf Mitglieder, zwei aus der Otto-Gruppe und drei Externe. Sodass also die externen Experten, die Fachleute, die sehr stark eben auch vom Management empfohlen worden sind, die hätten immer die Otto-Gruppe überstimmen können. Also ich hätte keine Entscheidung durchsetzen können, weder befürwortend, noch ablehnend. Und das gibt dann einem Management-Team auch die Sicherheit, die meinen das ernst. Und ich glaube, das ist wichtig, wenn man Corporate VC ist. Man muss die auch gestalten lassen. Und in dieser Kombination, die richtig gute Leute finden, die diese Erfahrung schon mal gemacht haben, ihnen die entsprechende Governance zu geben, dass sie sich frei entfalten können und sie mit einem entsprechenden Vertrauen auszustatten, da würde ich mal sagen, das sind aus meiner Sicht so die drei wesentlichen Erfolgsfaktoren, die Eventures schon sehr früh und sehr schnell erfolgreich gemacht haben. Und dann haben wir uns den Lebenszyklus angeguckt und haben gesagt, na gut, also wenn die jetzt Early Stage machen bei bei E-Ventures, dann lass uns doch mal vorne gucken im Bereich Inkubation und Akzeleration und vielleicht gibt es da auch was. Und dann haben wir eben das große Glück gehabt und so schließt sich dann der Kreis wieder. Und das meine ich mit Netzwerken. Das finde ich auch so cool in dieser Welt. Da haben wir gesagt, wir wollen da vorne was basteln. Da habe ich Christian Leibold gefragt. Er hat gesagt, Christian, kennst du irgendwelche Leute, die mir das da vorne irgendwie sicherstellen können? Und dann hat Christian gesagt, ja, unterhalte dich doch mal mit Florian Heinemann. So habe ich dann Florian kennengelernt. Und als ich dann Flo kennengelernt habe, haben wir im Grunde, es ist Copy and Paste gewesen. Dann habe ich denen erzählt, wie ich mir das vorstelle. Da guckten die noch so ungläubig, weil die kommen aus einer Rocket-Welt und hatten da eine etwas andere Ethik und Philosophie und Kultur kennengelernt, als ich denen erzählt habe, wie wir das eigentlich machen wollen. Da habe ich gesagt, dann unterhalte dich mit den Leuten, die mit uns zusammenarbeiten im digitalen Sektor. und Ja, dann haben sie das getan und so sind wir zusammengekommen. Also ist es wirklich, glaube ich, diese Kombination, Vertrauen schenken, gutes Team haben, eine vernünftige Governance aufstellen, dann kann man auch als Corporate ein gutes und erfolgreiches VC-Geschäft machen.

Joel Kaczmarek: Und wie schaffst du es dann, die Beteiligung, die diese beiden Instrumente für dich aufsetzen, dass du diesen Wissenstransfer in deiner Organisation wieder hinkriegst?

Rainer Hillebrand: Den Wissenstransfer kriege ich nicht direkt durch die einzelnen Gesellschaften. Das mag fallweise mal so sein, dass wenn wir bestimmte Beteiligungsgesellschaften durchaus auch als Partner oder Dienstleister in der Autogruppe nutzen oder wenn wir Leistungen anbieten für die eine oder andere Beteiligungsgesellschaft. Also ich habe nicht unbedingt den direkten Kontakt zu jedem Management der einzelnen Beteiligungsgesellschaften. Das ist dann eher sporadisch. Ich habe vielmehr den Überblick über die Beteiligungsgesellschaft und was dort passiert über die Beiratssitzung, wo ich dann im Prinzip die Informationen zu den einzelnen Gesellschaften kriege oder indem ich dann mit dem Management-Team, das den Venture-Fonds handelt und managt, mit denen spreche und sage, warum läuft das bei dieser Firma so besonders? und erklärt es mir bitte mal. Weil ich glaube schon, dass man sich als Corporate auch immer ein Stückchen davor hüten muss, zu tief in diese Minderheitsbeteiligung reinzugehen. Auf jeden Fall. Ich finde immer, die müssen freigehalten werden, damit die volle Kraft, volle Konzentration und vollen Fokus auf ihr Geschäft bringen können, um das erfolgreich zu machen. Und da ist jede Ablenkung, wenn da so ein Hillebrand anturnt und da tausend Fragen stellt, das ist Ablenkung, das ist Distraction. Und die können keine Distraction gebrauchen. Insbesondere nicht in der Phase, in der sich ihr Geschäft bewegt. Wenn die mal fünf oder zehn Jahre im Markt sind, dann mag das was anderes sein. Dann haben sie gegebenenfalls auch die Strukturen, die sie in die Lage versetzen, dann auch mal solche Gespräche zu führen. Weil meistens sind ja dann solche Fragen, die wir in diese Gesellschaften reinsteuern, bringen denen ja per se erstmal nichts. Das dient ja unserer Neugierbefriedigung. Und das versuchen wir eben abzuwenden, dadurch, dass wir dann eben mit dem Management der Fonds sprechen. die ja dann wiederum sehr viel tiefer in den einzelnen Gesellschaften drin sind und das Wissen aus den Gesellschaften haben.

Joel Kaczmarek: Glaubst du manchmal, dass ihr noch mutiger hättet sein sollen oder vielleicht für die Zukunft sein solltet? Ich fand das ganz eindringlich. Der Jochen Krisch hat ja so, als ihr als Bilanz gezogen habt dieses Jahr, wieder mehrere Artikel geschrieben, hat About You analysiert, hat eure Umsätze angeguckt und ein Faktor war so das Thema Project A, wo er halt sagt, er hat das Gefühl, dass ihr die noch zu klein haltet, weil irgendwie ein About You kriegt teilweise hunderte Millionen Euro überwiesen. Da sind es irgendwie einmal 50, einmal 80. Ob ihr da nicht noch mutiger sein solltet und die wirklich zu so einem sozusagen Otto-nahen Rocket bauen solltet?

Rainer Hillebrand: Naja, also unser Otto-nahe Rocket ist ja eigentlich eher Otto Group Digital Solutions. Bei Project A und auch bei eVentures ist es ja so, wir haben mit den Management-Teams immer diskutiert, wie groß sind eigentlich die Fondsgrößen. Und ich glaube, es war gut und richtig und das hoffe ich bestätigt das Management auch heute noch. Weil auch diese Zahlen ja auch gemeinsam entwickelt worden sind. Das heißt, wenn wir mit 50 Millionen angefangen haben bei iVenture und auch mit 50 Millionen gestartet sind bei Project A, das waren damals Größenordnungen, wo die Teams gesagt haben, das ist okay. Es ging dann weiter, bei Project A war es ja dann so, dass auch ein Springer mit reingegangen ist in den Fonds. Da kam das Management von Project A auf uns zu und sagte, wir würden gerne noch einen weiteren Partner mit drin haben in dem Fonds. Das war gar nicht, dass sie gesagt haben, wir wollen von euch noch 30 Millionen mehr haben, sondern die haben einfach gesagt, wir wollen einen anderen Partner mit rein haben, aber der müsste dann auch irgendwo Größenordnung 30 bringen. So kam das zustande. Und auch bei eVenture war es dann so, dass wir gemeinschaftlich entschieden haben, dass wir gesagt haben, wir wollen zwar immer größte Einzelgesellschaft da bleiben, aber es macht ja durchaus Sinn, auch andere Partner mit reinzunehmen. So haben wir mittlerweile bei den letzten Fondsgenerationen auch einige Family Offices mit reingebracht, auch teilweise industrielle Investoren. die ja auch Know-how bringen. Wir merken das eben auch schon, wenn wir dann Investoren- oder Gesellschaftsversammlungen haben, dass das da sehr befruchtend ist. Also sowohl für den Fonds und für das Management des Fonds befruchtend, als auch für die Gruppe der Investoren untereinander befruchtend. Also Ich glaube, dass es gut ist, wenn man ein offenes System hat dort. und es ist nicht die Frage mangelnden Mutes oder mangelnder Risikobereitschaft, dass wir nicht mehr in diese Fonds reintun, sondern ich glaube, es ist eine gesunde Entwicklung, die wir auch gemeinsam immer mit dem Management diskutieren. Und wir haben ja wirklich nennenswerte Investitionen da drin. Es ist ja nicht so, dass das irgendwo kleine Summen ist. Ich wage mal zu behaupten, ihr werdet in Europa keinen anderen Corporate Investor finden, der so viel Geld investiert hat in Venture Capital. Wir machen da vielleicht nicht so die große Welle draus, aber wie viele andere. Aber wir sind extrem frühzeitig mit extremen Commitments in diese Fonds eingestiegen und Es hat nicht einen einzigen Fonds gegeben, wo wir nicht die allerersten waren, die gesagt haben, jawohl, wir investieren wieder mit.

Joel Kaczmarek: Vielleicht muss man die Frage auch ein bisschen anders stellen. Müsste man vielleicht überlegen, in Project A eine gewisse Spätphasenfähigkeit mitzugeben? Weil für einen Fonds im Frühphasenbereich ist ja eigentlich so, mehr Fondsvolumen hilft ja da oft nicht. Also so ein Fondsmanager ist dann oft nicht besser inzentiviert, weil sein Outcome ist eigentlich derselbe und das Geschäft wird aber komplexer, weil du das Geld teilweise gar nicht investiert kriegst. Wäre also vielleicht ein passender Gedanke zu sagen, man gibt dem mehr Fehlertauglichkeit, indem man sagt, du kriegst mehr Geld, mehr Geld kannst du mehr ausprobieren, mehr machen, mehr wachsen, dass man so eine Wahrscheinlichkeit von der Beteiligung lange begleiten zu können und hochzuziehen erhöht?

Rainer Hillebrand: In unserem Verständnis sind es nicht unsere Gesellschaften, sondern es sind die Gesellschaften der Vorgesellschaften. Das ist ein ganz zentrales Thema. Dein Punkt käme zum Tragen, glaube ich, wenn wir eine Fondsgesellschaft identifizieren würden, die würde wie Faust aufs Auge in die Otto-Gruppe als strategische Beteiligung hineinpassen und dann würden wir sie mit entsprechenden Geld ausstatten. Das ist das Verhältnis zu unseren Venture Capital Gesellschaften. Nochmal, wir machen bei OGDS, bei Otto Group Digital Solutions, bauen wir E-Commerce-Geschäftsmodelle auf, die wir quasi aus unseren Assets heraus generieren oder aus unseren Kompetenzen heraus generieren. In der Regel sind die Asset-Light und sind in der Regel auch im B2B-Bereich, haben aber ein hohes Skalierungspotenzial. Da tun wir dann, wenn wir die Entwicklung sehen, durchaus große Summen rein und betrachten das auch als Wachstumskapitalgesellschaften. Am 1. Juli wird Sebastian Klauke kommen, der anerkanntermaßen mit viel Digitalkompetenz ausgestattet ist und sich in der digitalen Welt gut auskennt. Er wird der Chief Digital Officer der Otto-Gruppe sein und er und ich zusammen. Wir werden uns auch mit der Frage auseinandersetzen, bauen wir nicht irgendwo so einen Mini-Inkubator auf, der im Beginn erstmal dafür Sorge tragen wird, quasi als Katalysator in den Konzerngesellschaften, deren digitale Transformation zu beschleunigen, der aber durchaus ja auch denkbar ist als ein kleiner Inkubator, der dann auch mal erkennende oder anfängende Geschäftsmodelle groß machen kann. Das wäre dann der Project A-Ansatz, aber in der Otto-Gruppe und nicht außerhalb der Otto-Gruppe.

Joel Kaczmarek: Warum willst du sowas neu in der Otto-Gruppe bauen, wenn du draußen schon jemanden hast, der das irgendwie gut kann? Also musst du die immer rückwärts besitzen?

Rainer Hillebrand: Ich glaube einfach, wir bewegen uns in einer Fondsstruktur und ich sage mal, wir haben ein Management drauf, das im Prinzip sehr stark exit-orientiert ist. Und ich will ja, wenn ich solche Geschäftsmodelle hochskaliere, ich will ja nicht immer eine gezwungenermaßen Exit-Orientierung haben, sondern ich will ja durchaus, wenn ich sage, ich habe eine langfristige Perspektive mit meiner Unternehmensgruppe und Wenn die Motivation ist eines Benjamin Otto, dass sein Sohn, der nun gerade geboren worden ist, vielleicht in 50 Jahren, 60 Jahren immer noch irgendwie mit der Otto-Gruppe was zu tun hat, dann denke ich nicht in 5 und 7 Jahreszeiträumen. Dann denke ich in längeren Zeiträumen. Und von der ganzen Fondskonstruktion her, das ist ein normaler Fond, Project A. Da sind andere Investoren mit dran und wir sind minderheitsbeteiligt an diesen einzelnen Gesellschaften, Beteiligungsgesellschaften, die da drin sind. Also Ich muss ja nochmal drüber nachdenken, vielleicht habe ich deine Frage noch nicht so richtig verstanden oder mir fehlt eben auch mit die Fantasie, aber wie ich jetzt im Prinzip ein Project A dazu bewegen würde, ihr seid jetzt mein Inkubator und ihr baut für mich diese strategischen Gesellschaften auf, das würde ich sehr wahrscheinlich mit dem Management beantworten. Und das würde ich total verstehen, wenn die sagen würden, nee, das machen wir nicht.

Joel Kaczmarek: Aber ich meine, ein Rocket hat es da zum Beispiel vorgemacht mit einem Schinewick oder mit einem, wer hat das, Millicom, wenn ich mich nicht entsinne.

Rainer Hillebrand: Ja, aber ein Rocket war nur ein Rocket. Also ein Project A würde ja von sich aus sagen, ja, wir machen doch das genau, was du sagst, Joel. Wir machen doch genau das. Die einzige Frage ist, wollen wir einen Rocket in der Otto-Gruppe haben? Ja, aber für mich ist Project A kein Rocket.

Joel Kaczmarek: Was hat es denn eigentlich mit diesem Intui auf sich? Was jetzt irgendwie zuletzt auch nochmal aufgekommen ist, dass ihr da auch einen weiteren Company-Builder baut. Wie passt das zusammen? Wie orchestriert ihr das langfristig alles?

Rainer Hillebrand: Vielleicht ist das das, was du meinst, wo es darum geht, das ist ein Company-Builder, wo wir strategisches Geschäft aufbauen wollen. mit E-Commerce und E-Commerce-ähnlichen Geschäftsmodellen. Liquid Labs konzentriert sich sehr stark eher auf Finanzdienstleistungsbereich und auf den Servicebereich und baut da Geschäftsmodelle auf. Da ist dann diese RISCA, den Collector E und Raidpay entstanden, Border Guru und wie sie alle heißen. Also die sind in Liquid Labs, wir haben mehr oder weniger ihre Heimat. Und ein ähnliches Thema wollen wir jetzt eben auch für das Thema E-Commerce-Geschäftsmodelle aufzubauen. Das verbirgt sich hinter diesem Into E. Da ist der Gedanke, die kriegen eben ein Startinvestment und kriegen dann interne Finanzierungsrunden in Abhängigkeit von den entsprechenden Bedarfen. Das ist dann vielleicht so ein bisschen das Modell, was dir vorschwebt mit Rocket bei Otto. Aber ein Project A würde ich dazu gar nicht machen wollen und auch vermutlich nicht machen können. Das muss dann in der Otto-Gruppe entstehen.

Joel Kaczmarek: Okay, man merkt ja schon, ihr habt ja wirklich viele unterschiedliche Initiativen. Also ein Accelerate war ja jetzt auch nochmal ein Thema, was der Benjamin Otto gestartet hat, diese Art Coworking Space. Vielleicht sollten wir nochmal abschließend ein bisschen darüber reden, wie ihr eigentlich eure Organisation steuert. Also ich pieke dich immer so kritisch. Das ist auch mal sehr hochtramend, glaube ich. Ich sitze hier auf meinem Stuhl und kann sehr leicht sagen, dass ihr falsch macht oder anders machen könntet. Also dafür erst nochmal meinen Respekt und meinen Dank an dich. Aber lass uns doch mal so ein bisschen spannende Sachen in deiner Organisationsstruktur ergreifen. Wie gehst du vor, wenn du irgendwie eine Strategie baust und die im Prinzip durch einen Konzern kaskadieren musst, der 50.000 Mitarbeiter hat und wo ja erfahrungsgemäß speziell so dieses mittlere Management oft das Problem ist, dass du die irgendwie angetriggert kriegen musst, die aus diesen Strukturen, wo Innovation bisher eher ein Risiko ist, als irgendwie also für ihre eigene Karriere denke, dass du die sozusagen aufbrichst, dass die das Ganze mittragen und auch diesen Know-how-Transfer begleiten.

Rainer Hillebrand: Das sind ganz viele Fragen auf einmal.

Joel Kaczmarek: Im Prinzip geht es um Kommunikation durch die Organisation.

Rainer Hillebrand: Also ich sage mal, eine Strategieentwicklung passiert, wie Strategienentwicklungen passieren. Das ist bei uns genau das Gleiche. Wir sammeln externe, wir machen viele Benchmarkings, wir sammeln interne Informationen, wir sprechen mit vielen Menschen in der Organisation, entwickeln ein Bild von der Zukunft und sagen, was heißt das jetzt für die Autogruppe. Das ist das Thema klassische Strategieentwicklung. Dann hast du diese Strategie. und jetzt kommt ja deine Frage, wie kaskadierst du die? Haben wir gerade unlängst praktiziert. Wir haben ein Meet to Lead, heißt das, zum Anlass genommen. Da haben wir alle Geschäftsführer der Otto-Gruppe weltweit zusammengetrommelt. Und da hat auch unser neuer CEO dann auch die Gelegenheit genutzt, sich und seine Vorstellungen vorzustellen. Und da war natürlich unser neues Leitbild. Wir setzen Maßstäbe. Auch das ist ein ganz klarer Anspruch und ein sehr, sehr nach vorne gerichteter Anspruch, den wir formuliert haben in der Otto-Gruppe. Da haben wir dann eben auch die Strategie nochmal allen Geschäftsführern der Otto-Gruppe vorgetragen. Beginnend und ausgehend vom Geschäftsauftrag der Gesellschafter, übergeleitet in die Strategie und übergeleitet in die Handlungsnotwendigkeiten, die sich daraus ableiten, haben die also eine breite Information gekriegt. Die haben entsprechend Informationsmaterial gekriegt. Jetzt gehen die Geschäftsführer in ihre Organisation und tragen das in die Organisation hinein. Parallel dazu hat sich jeder Vorstand verpflichtet, in einem überschaubaren Zeitraum der nächsten Monate in die Konzerngesellschaften reinzugehen, nochmal als Einzelperson darüber zu berichten, wie die Strategie eigentlich aussieht und was die Erwartungshaltung ist. Dennoch, glaube ich, haben wir, und das ist eigentlich ganz gut, ich glaube, die Informationen durchzutragen ist nicht unser Problem. Was herausfordernd ist, ist, den Sense of Urgency in allen Bereichen des Unternehmens zu etablieren und durchzusetzen. Und da haben wir für diesen Zweck haben wir im letzten Jahr oder im vorletzten Jahr, schon Ende vorletzten Jahres, geht ja so schnell die Zeit, einen Prozess gestartet. Der hieß Kulturwandel 4.0, wo wir gesagt haben, wir brauchen einfach, wenn wir schneller noch vorankommen wollen, als wir das tun, brauchen wir eine veränderte Kultur, die mehr in Richtung einer digitalen Kultur geht, die sich ausprägt durch höhere Geschwindigkeit, durch stärkeres Unterhaken, Schlagkraft der Gruppe nutzen, durch stärkeres Empowerment der Mitarbeiter. das sich sehr stark dadurch austrägt, dass man auch den Kunden noch sehr viel deutlicher in den Vordergrund stellt, als wir das tun und dass man auch vor allen Dingen das Thema der Zusammenarbeit noch gestaltet. Das waren so im Wesentlichen die sogenannten Workstreams und jeder einzelne Vorstand war für einen dieser Workstreams verantwortlich und hat dann bereichsübergreifend und hierarchieübergreifend und firmenübergreifend Mitarbeiter zusammengeholt und mit denen darüber diskutiert, wie man diese unterschiedlichen Anforderungen In die Unternehmen hineinbringen kann. Und trotzdem ist es am Ende des Tages immer wieder herausfordernd. Und das ist Daily Doing zu überzeugen. Es ist manchmal wieder Prediger in der Wüste. Aber natürlich, du hattest es vorhin auch angesprochen, natürlich ist es einfach ein Top-Management zu überzeugen. Und es ist schon fast ein Selbstgänger, die jungen digitalen Menschen mitzureißen auf dem Weg nach vorne. Wo wir uns, ich will nicht sagen schwer tun, aber was herausfordernd nach wie vor ist, diese Schicht zwischen Top-Management und erster Führungsebene. Das sind Menschen, die meistens eine lange Firmenzugehörigkeit haben. die extrem gut und extrem erfolgreich in ihren bisherigen Aufgabenprofilen Jobs erledigt haben und da auch zu Ansehen gelangt sind und zu Einkommen gelangt sind und auch zu Status gelangt sind. Und die stellen jetzt plötzlich fest, hey, da sind ganz andere Skills, ganz andere Anforderungen, ganz andere Aufgabenzuschnitte. Und die müssen sich verändern. Und ich weiß nicht, ob das nur eine deutsche Kultur ist, ich glaube nicht, als ob ich das auch in anderen Firmen sehe, Da sind wir Menschen, würde ich jetzt mal sagen, wir sind natürlich immer eher irgendwo geneigt, ein bisschen stärker bei dem zu bleiben, was ich kenne und wo ich mich auskenne und wo ich gut bin, als jetzt persönlich mich mal irgendwo anders hinzubewegen und zu sagen, ich gehe dieses Risiko mal ein. mal was anderes zu machen oder mal was anderes auszuprobieren. Und das ist die eigentliche Herausforderung, die das Management hat. Nicht nur der Vorstand, nicht nur das Top-Management, sondern eigentlich alle top-geführten Ebenen. Und wir versuchen das zu machen, indem wir entsprechende Formate finden, wo wir uns mit den Menschen darüber austauschen. Bis hin zu der Tatsache, dass wir einfach sagen, wir stechen auch mal durch die Organisation durch und gehen direkt zu den Operativen und zu den Jungen. Und geben den Rückendeckung, dass die von unten schieben. Also wenn du vorhin dieses Sandwich-Modell gebracht hast, also wer im Sandwich eigentlich drin ist in dieser digitalen Transformation, ist genau diese Mittelschicht, die ich manchmal so als Lärmschicht bezeichne. Die ist drin, von unten werden sie gefordert von den jungen Leuten und sagen, hey, du musst was tun und von oben werden sie gefordert vom Management. Und das begleitet und moderiert eben durch entsprechende Formate, hoffen wir, dass wir das stärker hinkriegen. Deshalb komme ich zurück zum Eingang unseres Gesprächs. Digitale Transformation ist alles andere als einfach.

Joel Kaczmarek: Ja, ich wollte gerade sagen, du hast doch da auch viele Widerstände, weil Digitalisierung und Transformation, das hat auch immer Verlierer. Da steckt Politik drin. Gibt es da Werkzeuge, wie man mit sowas umgehen kann?

Rainer Hillebrand: Vieles ist Gespräch, ganz ehrlich. Manchmal auch ein Trennungsgespräch, wenn es partout nicht geht, weil dann aber auch, wie es in der Autogruppe üblich ist, sehr sozialverträglich und sehr vernünftig auch, häufig unterstützt durch einen Outsourcing-Prozess, den wir dann auch anbieten und auch mit begleiten und auch finanzieren. Aber es ist viel Gespräch und wir haben gerade neben dem Gespräch Da haben wir ein ganz separates Team zusammengestellt, das berichtet direkt an den Vorstandsvorsitzenden, also direkt an Alexander Birken, die sich ausschließlich mit dem Thema Kulturwandel auseinandersetzen. sehr umfangreiche Toolbox auch entwickelt haben, die man in den Firmen zur Anwendung bringen kann und die dann auch in die Firmen durchaus gehen und dort in den Firmen Workshops machen und sowohl die inhaltliche Logik in Incentive Urgency präsentieren, als auch auf der anderen Seite den Menschen helfen, Formate zu zeigen, wo sich das hin entwickeln kann. und eine ganz Zentrale Rolle spielen natürlich in diesem ganzen Prozess auch die Personalabteilung unseres, der einzelnen Unternehmen und der einzelnen Gruppen, weil die natürlich immer wieder die Frage stellen müssen, arbeitet eigentlich noch die richtige Person auf der richtigen Aufgabe? Ich meine, es ist ja häufig nicht so, dass die Person schlecht ist, sondern häufig ist es ja so, dass sie vielleicht gar nicht die Skills mitbringt. und diese Person, die vielleicht diese spezifische Aufgabe, die sie in der Vergangenheit extremst erfolgreich erfüllt hat, aber mit den neuen Rahmenbedingungen nicht mehr erfüllen kann, ist vielleicht an einer ganz anderen Stelle genau ideal angesetzt. Also wir haben auch Querverschiebungen. Es ist nicht so, dass es immer nur geht, also entweder du lernst es oder du fliehst, sondern es ist durchaus so, dass es auch Querverschiebungen gibt. Neben der Tatsache, dass wir extrem viel investieren in Qualifikation und Qualifizierung von Mitarbeitern. Also egal, ob das jetzt ist, dass wir mit Geschäftsführung und der Ebene darunter einmal im Jahr, mache ich das, mindestens ins Valley fahren. Da fahren immer so 20 Leute mit. Wir bieten, die Singularity University hat ja jetzt mittlerweile in Berlin so eine quasi Dependance aufgebaut. Da schicken wir Mitarbeiter hin. Wir arbeiten intensiv mit dem MIT zusammen, wo es unterschiedliche Austauschprogramme gibt. Also es wird viel in Qualifikation auch investiert. Und bei denen, die sich da nicht qualifizieren lassen, da stellt sich eben die Frage, raus oder schieben. Und das wird vernünftig und, denke ich, gut begleitet.

Joel Kaczmarek: Was mich noch so persönlich ein bisschen interessiert, das fand ich auch ganz interessant, dass das sogar in deinem Titel mit drin ist, weil das Thema Business Intelligence, also diese ganze Zahlengetriebenheit, habt ihr da auch Ansätze, wie ihr die Organisation für so etwas sensibilisiert und dass ihr da irgendwie vielleicht sogar Tools habt, die ihr dann irgendwie über die ganze Organisation hinweg nutzt?

Rainer Hillebrand: Ja, also wir, auf der einen Seite Fordern wir natürlich dazu auf und das wird natürlich beispielgebend auch in den entsprechenden Beiratssitzungen gemacht, dass wir sehr viel stärker Entscheidungen auf Fakten und Daten basiert machen. Also wir versetzen die Organisation in die Lage, entsprechende Fakten auch nutzen zu können. Wir haben ein sogenanntes E-Commerce Insights, heißt das, wo wir sämtliche Daten überprüfen. des Konzerns und sämtliche Bewegungsdaten auf den einzelnen Websites der oder Gruppe irgendwo zusammenfassen, sodass man die auch wirklich entsprechend nutzen kann, sodass wir eigentlich auch eine Vergleichbarkeit herstellen können. Wie sind die Conversion Rates eigentlich bei der Firma A im Vergleich zur Firma B und im Vergleich zur Firma C, sodass die Gesellschaft dann auch sagen kann, Mensch, wir haben doch ähnliche Geschäftsmodelle, wir haben ähnliche Kunden, warum ist das bei dem eigentlich deutlich besser? Und dann gehen die da hin. oder die Fragen des Kompetenzzenters, da könnt ihr uns mal erklären, warum das eigentlich so ist. Also das ist mit Sicherheit die eine Thematik, wo wir sehr stark Daten unterstützt, die Informationen geben. Wir versuchen Daten einfach mal sinnbildlich zu machen. Ich glaube, bei einer der letzten Pressekonferenzen war es eben so, dann sieht man einfach mal so auf einem Screen, was passiert eigentlich in der Otto-Gruppe. Da wird diese ferne Bestellung plötzlich mal sichtbar. Also was bestellen die Leute eigentlich, wie geht es im Warenkorb, wie viele Kunden sind da draußen, alle draußen. um das greifbarer zu machen. Wir sehen ja unsere Kunden nicht. Wir sehen sie ja nicht anders als in den stationären Geschäften. Das machen wir sehr stark. Und natürlich gibt es viele Tools, die dann eingeführt werden, ob das dann Kohortenanalysen sind oder ob das dann Treiberbäume sind, die sehr stark auch in der Denke, also befüllt werden dann von den BI-Bereichen, aber entwickelt, konzeptioniert eigentlich auch als Steuerungstool aus den BI-Bereichen für die einzelnen Gesellschaften.

Joel Kaczmarek: Ja, sehr spannend. Also wie insgesamt dein Job und euer Unternehmen als Ganzes.

Rainer Hillebrand: Ich habe den geilsten Job auf dieser Erde.

Joel Kaczmarek: Was hat man da für Stundenwochen? Wie viele Stunden arbeitest du so pro Woche?

Rainer Hillebrand: Ja, dadurch, dass ich so neugierig bin und mir das Thema so viel Spaß macht, kriege ich schon gar keine Trennung, ehrlich gesagt, mehr hin zwischen Freizeit und Privat. Zwischen Freizeit und, ja siehst du, das ist es. Also mein Job ist Freizeit.

Joel Kaczmarek: Sehr gut. Ich danke dir ganz herzlich für all die tollen Best Practices und dass du auch richtig den giftig kritischen Fragen gestellt hast. Ich sage ja, es ist immer leicht aus so einem Journalistenstuhl sowas zu hinterfragen.

Rainer Hillebrand: Völlig fair. Und diese Fragen sind ja auch berechtigt. Wir stellen uns diese Fragen ja häufig auch. Und ich sage mal, in zehn Jahren wissen wir, ob wir die richtige Entscheidung getroffen haben, aber eben erst in zehn Jahren. Und das ist eben das, was ich sage. Unternehmertum heißt auch Risiken eingehen und mal entscheiden, geht es jetzt links rum oder geht es jetzt rechts rum. Überall kann man nicht gleichzeitig hingehen und irgendwo muss man dann fokussiert sich entscheiden. Wir versuchen es so faktenbasiert wie möglich und so logisch wie möglich abzuleiten. Gelingt auch nicht immer.

Joel Kaczmarek: Vielen Dank. Ich danke dir ganz herzlich.