Design Thinking ist tot, lang lebe Design Thinking

24. Mai 2017, mit Joel KaczmarekChristopher Böhnke

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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Podcast von Digital Kompakt. Ich sitze hier, habe noch keinen Namen, weil wir haben beide beschlossen, unser neues Format müssen wir über die Folge hinweg benennen. So, mein Name ist Joel Kaczmarek, das fehlte noch und ich sitze hier neben einem Kreativen, ich würde sagen einem Hyperkreativen. Stell dich doch mal ganz kurz vor.

Christopher Böhnke: Hi Joel, mein Name ist Chris Böhnke, ich bin Business Design Director bei Fjord hier in Berlin. Und ich finde es interessant, dass du mich einen Hyperkreativen nennst und ich glaube, es wird auch Thema für heute und für alle weiteren Folgen sein. Ich komme zwar ursprünglich aus den Kommunikationswissenschaften, habe danach aber Hardcore Business studiert und als strategischer Berater sechs Jahre mich verdingt.

Joel Kaczmarek: Okay, da müssen wir gleich mal ein bisschen tiefer eintauchen. Wahrscheinlich auch so in die ganzen Vorurteile, die man hat. Also ich habe mich auch schon bei zwei, drei ertappt, die man bei Agenturen immer so begegnet. Und du musst aber auch mal ein, zwei Sätze sagen zu Fjord und was genau dein Berufsprofil ist.

Christopher Böhnke: Absolut, sehr gerne. Also Fjord ist eine Service-Design-Unternehmen. wobei ich eher glaube, dass der Titel Innovationsberatung besser passt und das wahrscheinlich auch der Grund ist, warum ich da am Ende gelandet bin. Damit rutsche ich von einem Klischee Berater ins nächste Klischee Designer. Was wir tun ist letztendlich, wir versuchen Unternehmen dabei zu helfen herauszufinden, wie ihre Zukunft für ihre Kunden aussehen soll. Was sind die menschlichen Werte, die Unternehmen ihren Kunden liefern wollen? Nicht nur heute, sondern auch in 10, 15 oder 20 Jahren. Das bedeutet von der Unternehmensstrategie von Pharmakonzernen bis hin zu, wie schaffe ich bestimmte Dienstleistungen für einen Automobilkonzern, bis hin zu, wie sehen am Ende verschiedene Touchpoints von einer Bank mit ihren Endkunden oder mit ihren Geschäftskunden aus? Versuchen wir alles abzubilden und tun das in einem gestalterischen Ansatz.

Joel Kaczmarek: Vielleicht sagen wir auch mal ein bis zwei Sätze darüber, wie das Ganze hier eigentlich zustande gekommen ist. Es war nämlich wirklich ein relativ langer Prozess des Überlegens und Abwägens, wie wir das ganze Thema Digitalisierung, Digitalkompetenz unseren Hörern nahe bringen können und was da eigentlich ein spannender Zugang wäre. Und zwar passierte das in meinem Fall über den Zugang zu Accenture Interactive. Accenture Interactive ist ja eine der größten Digitalagenturen weltweit. Wenn ich mich nicht täusche, sogar die größte. Und Fjord wiederum ist eine hundertprozentige Tochter von Accenture Interactive. So, und ich habe den Jungs und Mädels von Accenture Interactive lange geredet, was wir denn da so machen können. Also an dieser Stelle, falls sie uns zuhört, sei auch mal die Jacqueline Stöhr wärmstens gegrüßt, die das Ganze hier katalysiert hat und natürlich der Rainer Balensiefer und sein ganzes Team. Wir haben gemeinsam überlegt, was man tun kann, um Digitalisierung, Digitalisierungstrends und das aber auch nah am Alltag möglichst plastisch darzubereiten. Und dann haben wir sozusagen diesen Umgang über Fjord so ein bisschen gewählt, weil wir gemerkt haben, bei Fjord gibt es irgendwie spannende Themen. Man hat spannende Kunden mit spannenden Projekten und dort wird genau interaktiv digital gearbeitet, tagtäglich. Es wird Unternehmen nahegebracht, wie das funktioniert und deswegen wollen wir auf diesem Wege so ein bisschen dort eintauchen. Dementsprechend, Accenture Interactive unterstützt uns dabei, auch wirtschaftlich. Aber hier soll es um wirklich neutrale, super hochwertige, spannende Inhalte gehen, wo du, lieber Christopher, ja so ein bisschen einer der primären Wissensträger bist. Und da tauchen wir mal ein. Beziehungsweise, nee, vorab vielleicht auch noch mal ein Satz zu dir und deiner Rolle, was du da eigentlich genau machst. Also was ist deine Aufgabe genau innerhalb von dem Konstrukt von Fjord?

Christopher Böhnke: Absolut gerne. Also als Business Design Director, ein tolles Wort, kümmere ich mich vor allen Dingen darum, dass neben dem gestalterischen Prozess, den wir durchführen, um am Ende zu einer Innovation zu kommen, vor allen Dingen auch der geschäftliche Aspekt mit betrachtet wird. Und das soll nicht heißen, dass ich mich rein um die Business Cases kümmere, sondern das Team meiner Business Designer versucht sicherzustellen, dass das Team unseres Kunden bereit ist für den Wandel, der da kommt. Das heißt, das operative Modell zum Beispiel in einem neuen Geschäftsmodell durch einen neuen Wert, wer kann das liefern? Wen müssen wir dazu holen, um das besser liefern zu können? Woran wollen wir uns messen lassen? Sind das rein monetäre Zahlen oder sind das Zahlen, die wesentlich näher am Menschen ausgerichtet sind. Das heißt, der Aufsatz des Unternehmens im Hintergrund und die Machbarkeit, also die Validität der neuen Idee oder des neuen Geschäftsmodells, das ist das, was mich und mein Team angeht.

Joel Kaczmarek: Krass, spannend. Also da ist, glaube ich, auch schon mal vorweggenommen, was, glaube ich, so ein bisschen ein, wie soll man sagen, so ein Takeaway unseres Podcasts heute werden wird, dass wir nämlich das Zusammenspiel von Business Case und Design-Innovation beleuchten wollen. Also wie sehr hängt eigentlich Kreativität mit der de facto Geschäftsmodell-Umsetzungsfähigkeit zusammen? So, das wird auch wesentlich sexier, als es jetzt irgendwie von mir formuliert wurde. Wir sagen jetzt mal so ein paar Sätze zu der Ausrichtung unserer ganzen Reihe, was wir machen wollen. Und ich kann schon mal irgendwie vorwegnehmen, wir wollen heute über Design Thinking sprechen. Also wir werden so gleich in die Vollen gehen, in diesen tollen Superprozess, den jeder macht, den jedes Unternehmen bis hin zum DAX-Konzern jetzt irgendwie gerade initiiert. Das werden wir ein bisschen dekonstruieren, so nach dem Motto, wie sagte das Kollege Stör so schön, Design Thinking is dead, lange lebe Design Thinking. Aber vielleicht fangen wir mal so ein bisschen an mit der Ausrichtung, was wir insgesamt eigentlich schaffen mit unserem Podcast, dass wir uns mal unser eigenes Why, unseren Purpose, wie jemand im Agenturumfeld sagt, geben. Was ist so dein Verständnis? Ich habe das ja als Arbeitstitel für mich immer so mit Future of Work betitelt und habe daran gedacht, wie man eigentlich in der digitalen Zeit arbeitet. Was bedeutet das für dich? Wo möchtest du mit unserer Reihe hinaus?

Christopher Böhnke: Ich glaube, wir hatten das vorhin mal ganz kurz besprochen beim Kaffee. Mir wäre wichtig, dass am Ende dabei rauskommt, dass Unternehmen und Entscheidungsträger in Unternehmen verstehen, dass digital dieses große wichtige Wort keine Technologie ist, die von den Aliens auf die Erde gestellt wurde, sondern letztendlich eine Veränderung im Nutzerverhalten. Also eine Veränderung in dem, wie wir mit der Welt und um uns herum den Dingen und den Dienstleistungen agieren. Mir wäre wichtig, dass wir dabei herausarbeiten können, dass eine andere Art des Arbeitens notwendig ist, um in so einer Welt zu leben, dass das aber eben nicht bedeutet, alle Technologien auswendig zu können oder bestimmte Methodenkästen einfach abzufahren, da sich nämlich die digitale Welt gar nicht mehr so industriell verhält und Fließbandarbeit erfordert, wie wir das wahrscheinlich gerade hier in Deutschland noch brauchen. Das heißt, für mich wäre wichtig herauszufinden, was braucht es denn eigentlich, um erfolgreich in einer digitalen Welt zu arbeiten, nicht was braucht es, um digital zu arbeiten.

Joel Kaczmarek: Also wir werden sicherlich so ein bisschen auf so Faktoren wie Teamstrukturen eingehen, auf Arbeitsprozesse, auf Kultur, aber auch, also wenn man bei Fjord mal war, habe ich ja ganz viel schon mitgenommen, so mit Raumgestaltung, also was Raum manchmal irgendwie für den Arbeitsprozess macht. Hast du schon mal so kleine Sneak-Previews, was wir da irgendwie durchreiten werden, was so dein Gefühl ist, woran du denkst?

Christopher Böhnke: Wir werden ganz viel reden darüber und da fangen wir heute gleich damit an, warum Prozesse nicht alleine helfen, ein Ziel zu erreichen. Wir werden viel darüber sprechen, warum es wichtig ist, Hunde in Workshops zu haben. Wir werden uns sicherlich damit beschäftigen, zu verstehen, warum die besten Verknüpfungspunkte in einem Unternehmen nicht die Datenstellen sind, sondern letztendlich die Teams, die ich habe und die Art und Weise, wie ich sie organisiere. Und ich glaube, wir sprechen auch ein bisschen darüber, wie Hippos fliegen lernen. Aber dazu mehr später.

Joel Kaczmarek: Man merkt auch, was ich für einen Rhythmus hier eingelassen habe. Das wird spannend. Was ist denn eigentlich so dein Bild vom typischen deutschen Unternehmen dieser Tage, wenn es an digitales Arbeiten geht? Also wir wollen ja auch so ein bisschen Verortung, Bestandsaufnahme machen. Wo sind denn wir da gerade? Was ist denn irgendwie der derzeitige Schmack, das Herangehen, wenn es an solche Themen geht, wie die, die wir uns widmen? Digitales Arbeiten, Innovationen?

Christopher Böhnke: Ich glaube, das Problem, was Deutschland so ein bisschen hat, ist, dass wir herauskommen aus einer Phase, wo wir sehr erfolgreich gewesen sind mit der Industrialisierung. Das heißt, wir Deutschen mit unserem Effizienzgedanken waren sehr gut darin, Dinge mit hoher Qualität schnell abzuliefern, haben uns auch einen großen Namen gemacht auf der Welt, was das angeht. Und jetzt kommen wir in eine Zeit hinein, in der Kapital und auch die Erstellung von Gerätschaften nicht mehr so schwierig ist. Das heißt, auf einmal zählen nur noch die Ideen. Und gute Ideen zu erstellen, da tun wir Deutschen uns nicht schwer mit. Womit wir uns aber sehr schwer tun, ist damit, Ideen das richtige Gewicht zu geben, das richtige Gewicht in Richtung Was tun wir mit Ideen? und was ist wichtiger, der Business Case oder die Idee selbst? Digitales Arbeiten an sich ist in Deutschland insofern auch oft fehlverstanden worden, als wir müssen auf einer Social Collaboration Plattform im Intranet arbeiten, dass wir das Problem heilen, dass wir ins digitale Zeitalter ankommen. Wir müssen einen Social Media Channel, also das ist bewusst jetzt alles auf Denglisch, weil das ist alles dann ja auch verdenglifiziert worden in den Unternehmen, wurden dann eingeführt, um nach außen zu sprechen. Es wurde erwartet, dass auf einmal jeder data literate ist, also Daten verstehen und lesen und Analytics nutzen kann und verschiedenste Dinge damit einbringt, ohne das Fundamentale zu tun, nämlich die Frage zu stellen, was ist denn der Wert, den das Unternehmen in einer digitalen Zukunft liefern möchte. Und können wir auch in einer digitalen Welt vielleicht mit unseren alten Prozessen sehr guten Wert schaffen, ohne unsere Belegschaft damit zu überfrachten, so zu tun, als käme da etwas, was ganz anders ist als das, was sie als Mensch gelernt haben. Und da komme ich so ein bisschen zu dem zurück, was uns bei Fjord ganz wichtig ist und warum ich letztendlich aus der Beratung von Prozessen in der Strategieberatung zu Fjord gekommen bin, nämlich wie kann man erst mal menschlich betrachten, wo wollen wir zusammen hin, um am Ende dann durch gute Ideen zu versuchen, da den größten Wert zu schaffen. Und das muss nicht zwingend immer durch eine digitale Technologie geliefert werden.

Joel Kaczmarek: Sehr gut. Also ich sehe, wir werden hier auch so ein bisschen Mythen der Digitalisierung dekonstruieren müssen und uns durch die Buzzwords graben zum eigentlichen Kern der Sache. Was ich ja sonst noch so ein bisschen mitnehme als den Kern von Digitalisierung, ich glaube, das wird gleich ein sehr guter Übergang zu Design Thinking, ist so die sehr starke Ausrichtung am Nutzer und am Nutzerverhalten. Ist das was, was einen Großteil deiner Arbeit eigentlich ausmacht, wenn du kreativ arbeitest? Absolut.

Christopher Böhnke: Also ich glaube, das ist das Wenige, was ich vom Bullshit Bingo gelten lasse. Das ist aber witzigerweise vom Bullshit Bingo her auch schon mindestens 10 bis 15 Jahre alt. Customer Centricity. Das hat zuerst seine Auswüchse gefunden in CRM-Systemen und jetzt final hat es auch wieder zurück zum gestalterischen Tisch gefunden. Und ja, das ist das, woran wir uns orientieren. Das heißt, bei Fjord arbeiten wir in interdisziplinären Teams. Wir haben da Kollegen, die nennen wir Service Designer, das sind also Menschen, die Gestaltung in Interaktion und Gestaltung in visueller Sprache gelernt haben. Dann haben wir da unsere Business Designer, die verstanden haben, wie man sich um den Menschen und um das menschliche Ziel herum orientiert, was ein Geschäftsmodell angeht. Und wir haben kreative Technologen, nennen wir das. Das sind Kollegen, die in der Lage dazu sind, Ideen schnell, so es sich um eine digitale Lösung handelt, auch wirklich auf die Straße zu bringen. Warum war mir das so wichtig? Und das ist vielleicht so ein bisschen verbunden mit meiner persönlichen Geschichte. Wie bin ich am Ende bei Fjord gelandet? Ich habe für Automobilhersteller während meiner beratenden Zeit auch Händlercoaching gemacht. Das heißt, ich habe mich aus dem Elfenbeinturm in Süddeutschland in Richtung der Händlerorganisation begeben und versucht, da Menschen wirklich vor Ort, zwar im Anzug, aber am Tisch sozusagen zu helfen, Autos zu verkaufen. Und da ist mir relativ schnell klar geworden, wie wenig vor allen Dingen deutsche, aber auch internationale, weil ich das auch an internationalen Unternehmen gesehen habe, Unternehmensstrategien den Kunden tatsächlich mit einbeziehen können. was die brauchen, wann wer mit wem sprechen sollte. Und das kommt dann am Ende bei dem Verkäufer ganz hart auf den Tisch, weil der ruft dann zehn Leute an mit der Geschichte, die er erzählen soll, die komplett irrelevant ist für den Kunden. Und die sagen alle, ich will gleich mit dir reden. Und das ist natürlich nicht nur schlecht für das Unternehmensergebnis, sondern es ist auch schlecht für die Art und Weise, wie man sich aufgehoben fühlt, in diesem Unternehmen zu arbeiten. Dementsprechend ist dann in einem solchen Szenario der Verkäufer nach zehn solchen Gesprächen mehr als demotiviert. Und wenn dann tatsächlich mal jemand ins Autohaus kommt, um ein Fahrzeug zu kaufen, der auch gerne eins hätte, dann ist er schon so demotiviert, dass am Ende dabei nichts Gutes rauskommt. Und das ist so ein bisschen der Grundgedanke von unserer Arbeit, zu fragen, warum tun wir was für wen? Zu verstehen, was derjenige braucht und dann nicht nur gestalterisch zu denken, weil das ist der gestalterische Teil, sondern dann auch innovationsseitig. Nämlich nicht nur zu verstehen, was braucht die Person heute, sondern auch, was könnte sie denn noch brauchen.

Joel Kaczmarek: Cool, dann lass uns mal wirklich so rüberruppen zu dem ganzen Thema Design Thinking. Also das ist ja irgendwie gerade ein ziemlicher Hype. Jeder bietet irgendwie gerade Workshops an, jedes Unternehmen sagt, das macht das jetzt und malt sich damit sozusagen auch so ein bisschen Innovation an seine Haustür, dass man sagt, ja, wir machen jetzt auch Design Thinking, wir sind auch da angekommen, was jetzt irgendwie die Marktspitze ist. Ich weiß, du bist eher Design-Thinking-Skeptiker. Also ich glaube, für dich ist das ein Werkzeug, so habe ich es wahrgenommen, in einer Toolbox, wo man wissen muss, wie man es einsetzt, aber es ist jetzt kein Allheilmittel. Vielleicht für alle, die Design-Thinking noch nicht so kennen, vielleicht kannst du es mal in eigenen Worten kurz wiedergeben, was so der Kern dieser Methode ist.

Christopher Böhnke: Gerne. Ich glaube, ich werde sogar counterpointieren, was ist das, was verkauft wird, was Design Thinking ist? und dann was ist es tatsächlich. Was wird verkauft? Verkauft wird, wenn Unternehmen X alle seine Mitarbeiter in Design Thinking schult, werden sie mit einem stärkeren Nutzerfokus alles das tun, was sie tagtäglich betrachten und nach Möglichkeit sich ständig eine neue Vision auferlegen können dazu, wie sie mehr Wert schaffen können, sowohl für externe als auch für interne Kunden, also für Kollegen. Das Allheilmittel für die Problematik, wir wissen nicht, was wir eigentlich tun sollen. Und das ist so ein bisschen symptomatisch für das, wo Deutschland gerade hinschaut. Eigentlich alle unsere Industrien gegenüber der großen weiten Welt und den Angeboten, die da sind, was sollen wir denn jetzt eigentlich tun? Die großen Banken fragen sich, oh, das kleine Startup Number 26 in Berlin, die haben ein sehr, sehr schönes Interface, die können bestimmte Dinge, was sollen wir tun? Und so wird versucht zu suggerieren, dass Design Thinking funktioniert. als eine Lösung, die schnell zugänglich ist, die auch sehr stark auf Spielen basiert, da helfen kann, sich zu positionieren. Was ist Design Thinking eigentlich echt? Und ich glaube, ich bin eher skeptisch der aktuellen Situation gegenüber, nicht der Methodik selbst. Design Thinking selbst ist der gestalterische Prozess und den gibt es schon seit mehreren hundert Jahren. Das ist eigentlich nichts anderes, als sich nicht nur zu überlegen, ich schaue in die Vergangenheit und gucke, was gut funktioniert hat und versuche das zu verbessern. Und das ist witzig, das gibt es ja im Englischen nicht. Das gibt es nur bei uns Deutschen, zu verschlimmbessern. Und das kann durchaus passieren, wenn man immer nur in die Vergangenheit guckt. Sondern zu sagen, nicht Repräsentativität ist wichtig, sondern Validität. Also zu versuchen zu verstehen, wenn ich ein bestimmtes Problem genau verstanden habe, Was sind dann Lösungen, die in der Vergangenheit da waren? Was sind aber vielleicht auch andere valide Lösungen für dieses Problem, wo ich eben nicht auf vergangene Erfahrungen zurückgreifen kann? Und all dies lässt sich in dem gestalterischen Prozess immer nur herausfinden, wenn man mit Menschen redet. Das heißt runtergebrochen auf das, was ich an der Uni gelernt habe, sind wir Deutschen sehr quantitativ und lassen immer so ein bisschen gerne außen vor, dass jede quantitative Prüfung einer Hypothese vorher eine induktive, qualitative Erörterung dessen hatte, was schaut man sich eigentlich an. Und Design Thinking ist das. Design Thinking ist mit Menschen qualitative Gespräche führen, um unterliegende Bedürfnisse, die vielleicht gar nicht im ersten Schritt so verbalisiert werden können, herauszufinden und um darauf basierend valide Lösungen zu schaffen, die vielleicht außerhalb des Raumes liegen, was zuvor als Lösung sinnvoll gewesen wäre.

Joel Kaczmarek: Okay, da kommt mir gleich schon eine spannende Frage, in die wir gleich mal reingehen, nämlich braucht man eine Hypothese, wenn man so etwas tut? Also ich habe Design Thinking so ein bisschen kennengelernt und ich breche das immer vereinfacht runter, wenn ich jemandem das erkläre, dass das für mich bedeutet, ein Prozess, bei dem ich mich bemühe, wie ein Designer zu denken, Und ein Designer hat in der Sekunde die Besonderheit, dass er nutzerzentriert denkt. Weil wenn ich jetzt irgendwie ein Glas designe oder für einen älteren Menschen Besteck, war glaube ich so eins der Beispiele, was wir hatten, dann denkst du immer nutzerzentriert. Wie benutzen die das? Wie setzt man an? Wie trinkt man? Also sehr viel mit Beobachten und sehr viel mit hineinversetzt und Empathie ins Gegenüber. Daraus abgeleitet, also wenn ich mich richtig entsinne, war es irgendwie IDEO, also I-D-E-O, eine große Designagentur aus den USA, die so ein bisschen vergleichbar ist, glaube ich, zu Frog in Deutschland. Weißt du eigentlich, was Frog heißt?

Christopher Böhnke: Wofür das steht? Nein, tatsächlich nicht.

Joel Kaczmarek: Da müssen wir mal ein bisschen Lokalpatriotismus machen. Das heißt, glaube ich, Federal Republic of Germany. Das war irgendwie der Name dieser bekannten Designagentur. Also ein bisschen Designkram kenne ich auch. Und IDO hat sozusagen diese Methode, so habe ich es irgendwie verstanden, genau entwickelt mit diesem Fokus, Innovation hervorzubringen und macht das sehr prozessgetrieben. Also es ist im Prinzip ein Prozess, wo man hingeht und sagt, ich stelle mir eine gewisse Frage. gehe dann irgendwie in die Nutzerbefragung rein, versuche nah an der Zielgruppe zu sein, die ich habe, was manchmal erst schon eine Identifikationsaufgabe ist, also mitzukriegen, wer ist eigentlich mein Kunde und gibt es da unterschiedliche Typen? Also es ist ja so dieses Schlagwort der Persona, ist ja so in die Innovationsentwicklung gekommen, also dass man sich prototypische Benutzer vorstellt und was die brauchen. Auf Basis der Erkenntnisse, die man mit diesen Menschen hat, macht man Brainstormings, stellt sich Brainstorming-Fragen und entwickelt Produkte in ersten Prototypen. Also eine wichtige Methode, glaube ich auch, dass man da nur prototypisiert und dann wieder iteriert. Also ich gehe dann wieder zurück zu den Nutzern, die ich gefragt habe und frage die. So weit mein Basisverständnis dessen. Das ist ja jetzt per se erstmal nicht schlecht. Diese Nähe zum Nutzer ist ja, glaube ich, etwas, was vielen Unternehmen abgeht. Trotzdem habe ich da so richtig rausgehört, dass deine Kritik an diesem Modell so ein bisschen ist, es ist ein Werkzeug, um rauszukriegen, was meine Nutzer beschäftigt und wie ich mich vielleicht kundenfreundlicher ausrichten kann, aber ohne die nötigen Hypothesen und das Strategieverständnis benutzt man auch diese Methode nichts. So habe ich dich gerade verstanden, wenn du sagst, es geht um Hypothesen und Induktionen, abgeleitet an der Praxis. Ist das, was dich an der Methode so ein bisschen Bauchweh macht oder ist das eher was anderes?

Christopher Böhnke: Ich glaube, was mich an der Geschichte stört, ist letztendlich, dass es alle einfach nur kurz tun, weil sie glauben, es hilft ihnen, auf den richtigen Weg zu finden. Und diese Punkte, die du gerade genannt hast, werden ja im Normalfall, wenn Unternehmen Z jemanden beauftragt, ihnen Design Thinking zu zeigen, gar nicht ernsthaft durchgemacht. Sondern es geht immer darüber zu sagen, oh, wir denken jetzt mal anders, es wird alles viel Spaß machen, es wird alles ganz bunt sein, wir tauchen uns ein in das Bällebad des Kunden, aber in Wirklichkeit machen wir wasch mich, aber mach mich nicht nass. Wir versuchen mal rauszufinden, wie wäre denn ein Tag für eine Frau über 60 Jahre und wie könnten wir diesen Tag schöner gestalten? Dann gucken wir uns ein paar Fotos an, dann stellen wir uns ein paar empathische Fragen, was sie da wohl denken würde, dann denken wir uns tolle Services aus. Dann machen wir einen kleinen Prototypen vornehmlich mit Knete und mit Legosteinen und klopfen uns hinterher alle auf die Schulter, dass wir darüber nachgedacht haben, was diese Frau wohl brauchen könnte. Das ist sogar überhaupt gar nicht schlecht, weil es ist eine Trainingssituation. Es wird nur nicht mehr als Training verkauft, sondern es wird verkauft als so arbeitet ihr alle. Mein Punkt dahinter war so ein bisschen auch, Design an sich gibt es ja schon sehr, sehr lange und es gibt viele Leute, die darin ausgebildet sind, gestalterisch zu arbeiten und die sind genauso wie die betriebswirtschaftlichen Kollegen, die das mit ihren Sachen gemacht haben, eine jahrelange Ausbildung durchlaufen, wie man sowas tut. Wie stellt man denn die richtigen Fragen? Was macht man denn mit diesen Fragen? Ist es nur Brainstorming oder nutzt man andere Kreativmethoden, um den Blumenstrauß größer zu machen? Wie testet man denn, ob Nutzer das, was sie da vorgesetzt bekommen, wirklich wollen oder nicht. Da gibt es sehr große Unterschiede. Und genau dieses Spiel von, ich finde raus, wo ich hin möchte, ich bilde Hypothesen basierend auf einem Prototypen, wie das sein kann, ich teste sie und tue es dann, das ist ein Spiel, was selten zu Ende gespielt wird. Und das ist das, was ich gefährlich finde daran, Design Thinking als tolles Buzzword zu nennen, weil nach dem einmaligen Eintauchen in dieses bunte Bällebad, wenn dabei kein Ergebnis rauskommt, wird das auch wieder ganz schnell eingestellt. Und dann werden die Kollegen in einem Unternehmen, die sich getraut haben, kreativ zu sein, relativ schnell wieder in ihre Schranken gewiesen. Ja, es ist schön, dass jetzt die Jungs mal ihre bunten Ideen aufschreiben durften. Hat ja aber alles nicht funktioniert, also machen wir jetzt weiter das mit den Fähnchen. Das ist so ein bisschen der Punkt, worüber ich schon mal mit dir gesprochen habe. Zu sagen, in Deutschland muss jede gute kreative Idee einen Business Case haben. Aber nicht jeder Business Case muss eine gute kreative Idee haben. Und je öfter Design Thinking die Möglichkeit verbrennt, etwas anderes zu machen, weil es nicht zu Ende gebracht wird, desto mehr wird genau das ja letztendlich immer wieder weiter verstärkt. Auf einmal muss jede gute Idee sofort sich rechnen. Sie darf nicht ausprobiert werden. Bullshit-Bingo gespielt werden, wie viel Geld sie bringt. Andersherum müssen aber andere Lösungen überhaupt gar keine kreative Lösung haben, weil es einfach ausreicht, einen guten Case zu haben, weil man damit vermeintlich bewiesen hat, dass es funktioniert.

Joel Kaczmarek: Das finde ich einen ganz wichtigen Punkt. Was ist die Konsequenz daraus, die logische? Also wenn du sagst, Design muss irgendwie immer einen Business Case haben, aber ein Business Case oft kein Design, heißt das in der Logik, wir sollten dem Design zugestehen, dass es auch mal nicht businessorientiert ist? oder heißt das, dass das Business einfach auch mehr Designfaktoren mit aufnehmen muss und das sozusagen in seine Erwägung mit reinnehmen muss?

Christopher Böhnke: Das Letztere fände ich spannender. Also ich glaube, die Emanzipation des gestalterischen Prozesses im Unternehmen wird nicht dadurch stattfinden, dass wir uns darüber ärgern, dass jede gute Idee auch sinnvoll sein muss. Das fände ich nämlich dann wenig sinnvoll. Sondern die Emanzipation muss darüber kommen zu sagen, jeder Business Case, also jede Geschäftsentscheidung muss daran orientiert sein, ist das wirklich eine gute Idee. die wir da verfolgen. Und eine gute Idee heißt nicht, und da kommen wir wieder zurück zu den Hippos, die fliegen können irgendwann, eine gute Idee ist nicht gut, nur weil die höchstbezahlte Person sagt, sie ist gut. Sondern eine gute Idee ist dann gut, wenn die Endkunden sie wirklich haben wollen. Und das funktioniert nur über User-Testing. Und wenn man nicht fünf Jahre damit verbringen möchte, eine Idee von, ich habe mir mal was ausgedacht, bis hin zu, es funktioniert bulletproof, ohne das dem Kunden zu zeigen, zu machen, nur um dann festzustellen, dass der Kunde das nicht möchte, dann kommt man näher in den gestaltierischen Prozess, wo man Feedback schnell und früh einbinden möchte.

Joel Kaczmarek: Bei mir war das so, ich war erster Jahrgang der School of Design Thinking in Potsdam. Also Hasso Plattner ist ja großer Förderer von diesem Ansatz, hat auch irgendwie in Stanford ein paar Millionen investiert und da irgendwie einen zweiten Standort aufgebaut. Also jeder, der sich dafür interessiert, kann sich das mal angucken, kann ich wärmstens empfehlen. Und da hatte ich so einen Moment, den ich irgendwie hochspannend fand. Die allererste Übung in diesem Setting war, und das war wirklich, das war ja völlig irre, keiner wusste, was da kommt. Da saßen 50 Leute in einem Raum, hatten sich auf ein Programm beworben, wo man eigentlich null Ahnung hatte, was jetzt da passiert. Das kannte keiner, es war unklar, was kommt. Und dann hieß es, ja, ihr kriegt jetzt ein Blatt, bitte sagt uns mal, was ist euer perfektes Portemonnaie? Wie sieht euer perfektes Portemonnaie aus? Was muss es können? Was tut ihr da rein? Wie benutzt ihr es? Und dann hat jeder von den Ich glaube, es waren nicht ganz 50, aber so grob haben viele Leute mal gesagt, was so ihr Portemonnaie ist. Und dann war die zweite Aufgabe, jetzt geht mal hin und designt das perfekte Portemonnaie für euren Nebenmann, der neben euch sitzt. So hattest du erstmal schon sofort Kontakt zu jemandem, was ja auch ganz interessant ist, diese Hürde zu nehmen. Und dann hast du ihn gefragt, wie benutzt du das, was machst du? Und Was ich hinterher gemerkt habe, war der Erkenntniszuwachs, den man hatte, ihn zu fragen und zu sehen, okay, wow, der benutzt das völlig anders als ich. Der ist so ein Scheckkarten-Nazi, Scheckkarten-Fanatiker und ich bin irgendwie eher der Bargeld-Typ. Oder der hatte da irgendwie Sachen drin, hätte ich nie dran gedacht. Das war das eine, dass man so Erleuchtung hat, dass man über seinen eigenen Tellerrand hinausdenkt. Aber das Zweite, was ich total faszinierend fand, ich fand die Ideen, was die Leute hinterher vorgestellt haben, wie so ein Portemonnaie aussehen soll, waren viel besser. Es war irgendwie viel intelligenter gemacht, Ist das ein bisschen eine Stärke von dieser Methode? Und wenn du sagst, das Problem ist, dass das immer gerne so als wasch mich, aber ich will nicht nass werden Nummer gestartet wird. Wie kann ich das in meine Organisation bringen, diesen Nutzerfokus, was ich als Stärke von diesem Tool empfinde, ohne dass das irgendwie so ein Einmalfeuer wird, was dann verbrannt ist in der Organisation?

Christopher Böhnke: Absolut. Ich glaube, da müssen wir so ein bisschen dekonstruieren, was du da gesehen hast. Also die Übung, die ihr da gemacht habt, ist eine Empathieübung. Es ist letztendlich ein Spiel, um dich dazu in die Lage zu versetzen, dich zu öffnen und anzuerkennen, dass andere Menschen andere Dinge wollen. Und das ist etwas, was wir übrigens auch in unseren Workshops tun als Icebreaker. Ganz am Anfang, wenn ich in einer Phase bin mit einem Kunden, wo es erstmal darum geht, herauszufinden, was sind denn die Bedürfnisse, nutze ich so eine kleine Methode, um den Leuten zu zeigen, sie können sich in andere Leute reinversetzen. Das ist erstmal etwas, was man auch zeigen muss. B, es ist einfach zu verbalisieren und man liegt zu 80 Prozent richtig. Der wichtigste Teil ist eigentlich der Punkt, man liegt zu 80 Prozent richtig und es ist nicht schlimm, dass man zu 20 Prozent daneben liegt. Das ist ein ganz wichtiger Bestandteil vom gestalterischen Prozess, zu sagen, das Feedback muss früh kommen, aber man robbt sich ran an die Lösung. Wie schlägt sich das jetzt über in wirklich anfassbare und wirklich nutzbare Prozesse im Unternehmen ein? Nachdem man diesen Icebreaker gemacht hat, fängt man an zu erklären, wie funktioniert denn ethnografische Forschung. Das heißt, eigentlich wäre es besser, dich mal einen Tag lang zu beobachten, wie du dein Portemonnaie benutzt, als sich nur zu fragen, was macht denn ein tolles Portemonnaie für dich. Denn die Annahme, dass du verbalisieren kannst, wozu du wirklich dein Portemonnaie benutzt, hat wiederum die Fehlerquelle, dass das natürlich deine eigene Meinung ist und auch vermischt mit deinem Selbstbild, wie du sein möchtest. Und wie tun wir das? oder wie tue ich das ganz gerne? Nachdem ich mal so einen Icebreaker gemacht habe und versucht habe, Personas zu erstellen mit den Kunden, für wen tun wir das eigentlich, setzen wir sehr, sehr schnell zusammen. maximal zehn Fragen langen Fragebogen auf und holen uns die Leute her, mit denen man dann mal diese Fragen durchgehen möchte. Das heißt, dann kommen wir weg von Spiel, tolle Agentur, Umgebung, irgendwie nett, das ist anders, das macht Spaß, das ist kreativ hinzu. Ich muss mich mit jemandem wirklich unterhalten über das, was er möchte und das so ein bisschen auch hintenrum so gestalten, dass ich Motivationen raushören kann, ohne dass derjenige mir sie direkt nennen kann. Und das ist dann das, wo ich sage, wenn Unternehmen das verstehen, dann kommen sie weg von, ich kaufe Design Thinking ein und kriege irgendwie eine lustige, bunte Bespielung mit Post-its, hin zu, ich verstehe, wenn sich ein Team um ein Problem herum bildet, müssen alle Leute, die in diesem Team sind, in Interviews entweder präsent sein oder diese Interviews sehen, um zusammen die Konsequenzen daraus zu ziehen, was brauchen diese Leute. Und das bringt mich ein bisschen zurück zu dieser Geschichte mit den Autohäusern. Ich hatte nach fünf Monaten bei den Händlern in Summe mehr, die haben das auch so schön denglisch, Days at Retail, auf dem Rücken, als fünf bis sechs Mitarbeiter der Zentrale zusammen. Die da aber auch schon seit zehn Jahren arbeitenden. Und wenn das der Wandel ist, den Design Thinking Trainings bringen können, bin ich happy. Wenn das endet, wo Design Thinking Trainings ihren Impact haben, dass man mal ein bisschen einen spaßigen Tag hatte und sich gegenseitig ein Portemonnaie entwickelt hat. halte ich das für sehr gefährlich. Weil dann sagen die Leute, ja, ich durfte das machen und danach darf ich es dann aber nicht zu Ende machen. Und das ist dann ein bisschen Zuckerbrot und Peitsche.

Joel Kaczmarek: Was würdest du denn sagen, auch wenn es jetzt fast ein bisschen technokratisch anmutet als Frage oder kleingeistig, wie viel Feedback muss ich denn einholen, um diese 80 Prozent, die du gerade beschrieben hast, erreichen zu können? Also muss ich da mit fünf Nutzern reden? Muss ich mit 20 reden? Muss ich mit ganz vielen verschiedenen Typen reden? Oder reicht irgendwie einer? Hast du so Faustregeln, wie du vorgehst, wenn man versucht, den Nutzerfokus zu erzeugen?

Christopher Böhnke: Das Gute ist, und das ist übrigens witzig, dass du sagst Faustregeln, der Gestaltung wird immer unterstellt, als gäbe es kein wissenschaftliches Feld hinter der Gestaltung. Letztendlich gibt es Studien dazu, wie viele Leute du interviewen musst, um einen Punkt zu erreichen, an dem die Erkenntnistiefe basierend auf deinem semistrukturierten Fragebogen hinkommt. Und der Sweetspot liegt da so zwischen sieben und zehn Menschen. Wenn du dich für einen Themenkomplex konzentrierst, fängst du an, nach sieben bis zehn Interviews zu dem, was du da vorschlägst, die gleichen Dinge zu hören. Und dann kannst du auch noch 20 machen, du kannst auch noch 30 machen, dann wird aber immer, und das ist ja dann, wo der Punkt umschwingt, Dann sagen zwar die Jungs im Unternehmen, weil in Deutschland alle gewohnt sind, Repräsentativität ist wichtig. Ja, wunderbar, 30 Interviews geführt, das hört sich gut an. In Wirklichkeit hast du aber nach dem siebten oder zehnten nichts Neues mehr gehört. Und 30 Leute sind kein Representative Sample, wenn du jetzt quantitativ denkst. Das heißt, Investmentseitig befindest du dich dann im Niemandsland. Also Ich kann jedem anraten dazu, wenn er eine Frage versucht zu erschließen, erst mal mit mindestens sieben Leuten zu sprechen und nach zehn Leuten sich zu fragen, höre ich wirklich noch neue Dinge. Und wenn ich neue Dinge höre, sich zu fragen, spreche ich hier vielleicht mit zwei verschiedenen Typen Menschen und hat das nicht mich schon wieder informiert in Richtung, was meine Lösung sein muss.

Joel Kaczmarek: Kommen wir mal zum weiteren Prozess. Also wenn ich diese Nutzerfokussierung bei der Recherche drin habe, was würdest du dann tun? Also was kann man bei so einem Design-Thinking-Ansatz Gutes mitnehmen für seine Organisation und wie die arbeitet?

Christopher Böhnke: Deine Frage ist in Richtung, was tue ich als nächstes? Wenn ich herausgefunden habe, was die Leute für Bedürfnisse haben, versuche ich erstmal abzugleichen, wie viel zahlt denn die aktuelle Dienstleistung auf das ein, was die Leute da wirklich wollen? Und ist das Problem, was wir uns zunächst angeschaut haben, wirklich das, was am Ende das Problem der Menschen ist? Ein ganz plakatives Beispiel. Ein Pharmaunternehmen hat uns mal gebeten, eine 360-Grad-Marketing-Strategie zu entwerfen, weil sie der Meinung waren, die Leute hören nicht genug von uns. Also in Summe, wir müssen noch mehr Ärzte und Krankenschwestern dazu pushen, zu wissen, dass es uns gibt, damit sie unser Medikament verschreiben. Letztendlich nach vielen Interviews mit Patienten, Ärzten, Krankenschwestern und der Familie. von den Menschen kam dabei heraus, dass das Problem nicht die Frequenz oder die Erreichbarkeit ist, sondern das Niveau an Vertrauen innerhalb dieser Interaktion. Im Prinzip ist Bad-Bad-Pharma auch wirklich so wahrgenommen worden in diesen Interviews. Und so haben wir dann gesagt, wir nennen das Design-Challenge. Also das Problem, was wir lösen wollen, ist eigentlich nicht, wir müssen mehr mit den Menschen reden über coole und irgendwie nett aussehende Kanäle, sondern wir müssen es schaffen, uns so aufzustellen, dass wir Vertrauen aufbauen. Und plötzlich war das, was wir mit den Kollegen erarbeiten wollen, etwas ganz anderes und hat dazu geführt, dass wir mal eine Art Bewertung gemacht haben. Das Team, was ihr da aktuell habt, wie liefern die denn Vertrauenswürdigkeit heute? Und wenn Vertrauenswürdigkeit viel über Kommunikation kommt, dann wird es dann ganz pragmatisch, wer von euch kann dann überhaupt schreiben? Also wer von euch hat denn überhaupt gelernt, generell Text- oder Audioformate so zu gestalten, dass dabei ein gewünschtes Ergebnis herauskommt, sprich Vertrauensaufbau. Und das tun wir dann im nächsten Schritt, herauszufinden, wie passt denn das, was die heute erleben und eure Involvierung als Dienst zu dem, was die eigentlich brauchen.

Joel Kaczmarek: Bei Design Thinking nimmt ja dieser Prozess des Brainstormings einen sehr, sehr großen Punkt auch irgendwie ein. Also ich habe das damals in der School of Design Thinking immer so mitbekommen, dass das irgendwann gestartet hat mit How might we? Also wie können wir, wie könnten wir? Und da merkt man dann auch schon so ein bisschen, was du glaube ich gerade vorhin gesagt hast, man lernt halt Jahre so etwas. Also ich habe gemerkt, eine gute Brainstorming-Frage zu erstellen ist zum Beispiel gar nicht so einfach. Da merkst du Erfahrung. Die darf nicht zu weit sein, dass du irgendwie in tausend Richtungen abdriftest und sie darf nicht zu klein sein, dass es irgendwie zu eng ist, dann hast du die Lösung schon mit deiner Frage vorgegeben. Und dann ist eigentlich der Kern gewesen, also eine How-Might-We-Frage erstellen und dann gibt es bestimmte Regeln, nach denen dieses Feedback oder diese Ideenfindung ablief. Man unterbricht sich nicht, keine Ideenwerten und so weiter und so fort. Ist das ein bisschen das, was du gerade beschrieben hast, dass man mit diesem Wissen dann in so einen Prozess reingeht, des Brainstormings und was ist dabei so eigentlich wichtig?

Christopher Böhnke: Ja. Diese Übung mit den How-Might-Wees kommt so ein bisschen aus der agilen Entwicklung. Die Idee dahinter, und das macht auch Sinn, ist, dass wenn man dann schnell Prototypen machen möchte, ist oft digitale Entwicklung dahinter. Und die agilen Jungs, die gelernt haben, Wasserfall ist blöd und wir müssen agil arbeiten, die möchten gerne User-Stories, die möchten gerne Apex. Und da gibt es dann eine Klaviatur, eine Nomenklatur, die man sich drauf lernen kann. Und dieses How-Might-Wees ist eigentlich nichts anderes als Da gibt es etwas, was geliefert werden muss. und wie gestalten wir diese Funktion aus? Ich glaube, es ist Brainstorming. Lass uns das mal als Überbegriff nehmen. Das ist nämlich gar kein schlechter Übergriff, weil viele Leute kennen ihn. In der Phase, wenn du herausgefunden hast, wie läuft der Prozess heute und was wollen die Leute eigentlich, hast du schon mal eine Quelle für Ideen, nämlich all die Punkte, wo es so mittelmäßig läuft oder schlecht läuft oder, und das ist für mich der interessanteste und schlimmste Punkt, wo die Leute verwirrt sind und gar nicht wissen, was läuft. All das sind Chancen für Lösungen und die würde ich erstmal aufnehmen als Probleme, als Dinge, wie kann man das besser machen. Da endet das aber nicht. Wir gönnen da unseren Kunden dann auch mal einen Durchschnaufen, nämlich so, jetzt haben wir mal aufgenommen, was nicht so gut läuft. Jetzt machen wir mal einen Ja-Tag. Jetzt vergessen wir mal, wie wir diese Dienstleistungen erbringen und versuchen mal zu überlegen, wie könnte man das auch ganz anders machen? Und das wiederum ist dann kein, sage ich jetzt mal, Brainstorming auf, wie können wir die aktuelle Situation verändern, sondern wie könnte man den gleichen Wert auch anders liefern? Und da gibt es verschiedenste Kreativmethoden, die du anwenden kannst. Es geht von, welche anderen Lebensbereiche könnten wir für so eine Person regeln? Wie würde das aussehen? Wie würde der Wert, den derjenige daraus ziehen möchte, von anderen geliefert werden? Also andere Unternehmen, wie würden sie das tun? Was passiert, wenn ich aus dem, wie wir es aktuell heute machen, bestimmte wichtige Aspekte komplett rausstreiche? Also es gibt verschiedene Anreize, um am Ende eins zu tun, die Blume, die man geöffnet hat, noch viel, viel, viel größer zu machen. Und da kommen wir so ein bisschen zu dem Punkt zurück, den wir anfangs angesprochen haben, Wonach wir suchen in diesem ersten Teil sind valide Lösungsansätze. Es geht noch nicht dabei darum, nur ein Problem zu lösen, sondern das Problem haben wir verstanden, vielleicht auch in How Might We oder wie du es auch immer nennen magst, aufgedröselt. Aber jetzt wollen wir valide Lösungen für dieses große Problem finden, um dann zu schauen, welche Aspekte von diesen validen Lösungen, die wir interessant finden, können wir mit Endkunden oder wenn man es für Kollegen macht, mit Kollegen verproben, um zu gucken, fänden die das spannend. Und wenn man das weiß, kommt man zurück zu seiner How-Might-We-Liste, um zu schauen, weil witzigerweise sind die How-Might-We's aus der Lösung dann meistens verbindbar mit der validen Idee, die man hat, um zu gucken, was davon müssen wir jetzt eigentlich noch tun, um zu einem Prototypen zu kommen. Das heißt, ich bin ein großer Fan von dieser Strukturierung, die in dem Prozess drin ist, die du gerade besprochen hast. Ich würde aber auch meine Hand hochhalten und ins Feuer legen, dafür eine gewisse Zäsur in der Mitte zu treffen, zu sagen, wenn wir das Problem richtig verstanden haben, lass uns auch mal überlegen, wie könnte man das ganz anders machen, um am Ende die Verbindung aus wie würde es ganz anders gehen mit dem wie läuft es heute zu verstehen, weil das bringt einen dritten Aspekt mit ein. und da kommen wir jetzt zu dem, warum wir keine Designberatung machen, sondern Innovationsberatung. Innovation läuft immer über Zeit ab. Und jetzt muss man sich fragen, das Problem, was wir heute haben, wie wollen wir das in weiter Zukunft lösen? Und wie kommen wir da vielleicht auf verschiedenen Punkten auf der Zeitachse hin? Das heißt, das How might we heute oder in einem Jahr mag anders aussehen als das, wie das How Might We beantwortet ist in fünf Jahren, mag aber schon die Lösung, wie es in fünf Jahren sein soll, in sich tragen. Wie ein kleines Pflänzchen, was man dann testen kann. Und das ist dann die Kür letztendlich von dem, wie Innovationsberatung funktioniert und wie man den gestalterischen Prozess benutzen kann, um auf so eine Art, wenn du möchtest, kann man es Roadmap nennen, auch zu kommen.

Joel Kaczmarek: Ja, lass uns doch nochmal ein bisschen reingehen in das ganze Thema Prototypisierung. Also das ist ja auch was, was irgendwie in Design Thinking sich auf die Fahne schreibt. Schnell testen, schnell iterieren und da wieder Nutzerfokus. Also der Gedanke ist genau nicht, wie du sagst, Wasserfall, jetzt irgendwie was zu bauen. ewig dran zu werkeln und dann zu merken, oh hoppala, I put all eggs in one basket, wie der Amerikaner sagt. Und der Basket hat aber irgendwie einen Riss. Sondern man versucht eigentlich schnell, seine Körbe zu testen und dann zu gucken, wo lege ich meine Eier rein, wie verteile ich die etc. Wie geht man da vor? Was ist ein valides Vorgehen für Prototypenentwicklung? Und muss ich das jedes Mal wieder direkt auch am Nutzer testen? Oder was ist da so dein Vorgehen?

Christopher Böhnke: Also mein Vorgehen ist tatsächlich, dass daran auszurichten, wie viel Zeit ich habe mit unserem Kunden und vor allen Dingen auch, wie der innere Geschmack in dem Unternehmen ist, Dinge zu tun, die sie sonst nicht tun. Also witzigerweise, und da kommen wir vielleicht auch gleich noch am Ende dieser ganzen Geschichte drauf, hängt es oft auch davon ab, was unser Kunde bereit ist zu machen. Also für mich würde vollkommen reichen, bestimmte Dienstleistungen durch eine Landingpage auszuprobieren und anzuskizzieren, was das sein kann und zu sagen, hey, interessiert dich das? Schreib dich doch mal hier auf unsere Mailingliste, dann sagen wir dir Bescheid, wann es das gibt. und Das ist im Prinzip nichts anderes als eine Kickstarter-Kampagne, nur dass es sich schmerzhafter anfühlt für das Unternehmen, weil das eine offizielle Seite von ihnen ist. Das ist durchaus möglich. Wir haben mal in einem Projekt, jetzt gar nicht auf so kleiner Ebene, sondern die Digitalstrategie außerhalb des Fahrzeugs von einem Automobilhersteller, haben wir deren Instagram-Account für einen Tag gekapert und haben unser neues Angebot einfach da online versucht darzustellen und dann geguckt, wie die Leute darauf reagieren, was sie dazu sagen, ob sie es mögen, ob sie es nicht mögen. Die Frage, was ist ein guter Prototyp, hängt immer davon ab, wie weit dich dann dein Kunde in unserem Bereich auch wirklich das machen lässt.

Joel Kaczmarek: Die waren die Reaktion bei Instagram.

Christopher Böhnke: Die waren super. Der Service wird jetzt auch so ausgerollt werden. Witzigerweise hatten vorher alle ganz, ganz viel Angst. Oh nein, unser Instagram-Account, das ist ja offiziell, da sehen die Leute, dass wir was ändern wollen und der Gag ist In dem Moment, wo sie das sagen, merken sie selber, sie haben gerade gesagt, sie bezahlen uns, damit wir was ändern, aber die Leute sollen nicht sehen, dass sie was ändern. Was ein bisschen absurd ist, aber das ist so ein bisschen auch die deutsche Mentalität. Die Leute haben das da geliked und dann war auf einmal aber wiederum die Übersprungshandlung vom Management, naja klar, wenn das auf Instagram funktioniert hat, dann ist das ja eine sehr gute Idee und hochvalide, wo wir dann gesagt haben, Moment, jetzt müssen wir erstmal weiterdenken und weiter ausprobieren. Also Was ist ein guter Prototyp? Es hängt immer davon ab, in welchem Teil des Prozesses du dich befindest. Ich habe zum Beispiel gar nichts gegen Lego. Ich habe auch nichts gegen Knete, solange es darum geht zu sagen, hey, wir haben nur drei Tage Zeit und wir möchten das mal ganz grob ausprobieren. Wohl wissend, dass jemand, nur weil ich ihm per Knete zeige, wie der Prozess abläuft, nicht sagen kann, er würde das jetzt auch kaufen. sondern es gibt nur eine Indikation, finden die das generell interessant oder fänden sie es nicht interessant. Wenn ich rausfinden möchte, möchte jemand wirklich etwas kaufen, muss ich ihm ein Szenario bieten, ein Mockup, was sich so real anführt, dass er sagen kann, sobald das rauskommt, schickt mir den Link, ich möchte da drauf. Das ist dann aber wiederum damit verbunden, dass man gestalterisch sich vorne überlegen muss, wie ist die Interaktionsgestaltung und die visuelle Gestaltung. Und da kommt jetzt nämlich der Kasus-Knaxus für uns Deutschen. Das ist etwas, was in der Strategieentwicklung und der Projektwelt meiner Kunden oft so wahrgenommen wird als, ja, das machen wir als Letztes. Wir machen das als Letztes jetzt schön. Und das ist der Punkt. Leute finden etwas schön, weil es ihnen Wert bringt, weil sie es gerne tun. Und unsere Designer, die schauen sich Dinge auch nicht an, um sie schön zu machen, sondern damit das für dich funktioniert in der Interaktion und dass du verstehst, worum es hier geht. Und deswegen wird dann oft gesagt, ja gut, aber wenn das noch nicht integriert ist mit dem und dem System und blibablub, dann machen wir das nicht. Und so wird viel Innovation quasi im Keim erstickt, weil nicht das Geld freigegeben wird, das reine Aussehen darzustellen, um es auszuprobieren, wenn man nicht gleichzeitig noch irgendwelche lustigen Systeme anbietet, die letztendlich total irrelevant sind für den Kunden, aber ansonsten die Entscheidung für diesen Prototypen nicht getroffen wird.

Joel Kaczmarek: Okay, also haben wir da nochmal den Aspekt, den du genannt hattest, als eines unserer Kerntakeaways. Der Business Case muss Designfaktoren eigentlich mit aufnehmen. Ist ja nochmal ein ganz guter, ne?

Christopher Böhnke: Ja, absolut. Man muss ja auch ehrlich dazu sagen, dass die Hörer auch wissen. Ich habe von der Uni weg in der Beratung und jetzt in der Innovationsberatung gearbeitet. Das heißt, ich weiß gar nicht so genau hardcore, wie sich das auf der anderen Seite anfühlt. Also ich war noch nie ein Industriemitarbeiter und deswegen würde ich mir auch nie anmaßen, das Ganze einsehen zu können. Aber ich würde als Entscheidungsträger in einem Unternehmen nie etwas akzeptieren, nur weil das in der Vergangenheit so gut lief und deswegen jetzt per Zahlen auch gut aussieht.

Joel Kaczmarek: Jetzt haben wir viel zu Design Thinking gesagt, mal so die wesentlichen Aspekte hervorgehoben. Nutzerfokus, Brainstorming, Prototyping, Iterationscharakter. Wie soll ich das denn jetzt als Unternehmen anwenden? Wenn du sagst, es ist jetzt kein Allheilmittel und du bist skeptisch bei dem Hype gerade. Was nehme ich jetzt mit als jemand, der das noch nicht so kennt, der gerne innovativ denken möchte, nah an seinem Nutzer dran sein? Wie sollte ich Design Thinking einsetzen? Oder gibt es irgendwie alternative Vorgehen, die vielleicht besser oder in Kombination damit vielversprechend sind?

Christopher Böhnke: Ich glaube tatsächlich, das kommt ein bisschen zurück, was wir anfangs gesagt haben. Ich muss mir erstmal klar werden, was ich machen möchte. Wenn ich nicht innovativ sein möchte in einer bestimmten Lösung, dann muss ich das auch nicht. Es gibt sehr, sehr gute Lösungen, die man sich, wenn das nicht Kernteil der eigenen Strategie ist, auch woanders anleihen kann, weil sie einfach nicht Kernkompetenz dieses Unternehmens sind. Das ist mal das Erste. Ehrlich sein und sagen, es gibt Dinge Die lassen sich sehr gut machen, auch ohne, dass man auf den kreativen Pfad einsteigt oder Design Thinking oder irgendeine Form der Gestaltung nutzt. Es gibt Sachen, die sind einfach in der Vergangenheit gut durch Daten beweisbar. Das läuft besser, wenn man das so macht. Also können wir das auch so machen. Ich glaube, wenn jemand innovativ im Unternehmen sein möchte, sollte er zuerst mal anfangen zu hinterfragen, ob die eigenen Marktforschungsergebnisse, die man so zugespielt bekommt, wirklich sinnvoll sind, um nicht einfach sich selbst zu belobhudeln, dass man die richtigen Dinge tut, sondern um neue Einblicke zu erreichen. Also nicht zu sagen, fragt mal, ob wir das gut machen. sondern zu hinterfragen, was sind die Bedürfnisse, die wir eigentlich bespielen wollen? und wie verbalisieren Menschen diese Bedürfnisse eigentlich, wenn man sie richtig fragt. Also ich glaube, jeder, der echt Design oder Gestaltung oder Innovation generell lernen möchte und das auch umsetzen will in seinem Unternehmen, sollte sich und seine Mitstreiter um ein Problem herum zusammenbringen und dann Leute suchen, die dieses Problem haben und dann persönlich mit denen sprechen.

Joel Kaczmarek: Du hast ja ganz oft gesagt gestalterisch oder gestalterisch. Das ist ja so ein bisschen dein Mantra-Wort dieses Podcasts. Kannst du nochmal so zusammenfassen, was das für dich eigentlich bedeutet?

Christopher Böhnke: Absolut. Ich erkläre vielleicht erstmal, warum ich so viel gestalterisch sage, weil ich diesem Wort Design ausweichen möchte. Nicht, weil ich Design nicht mag, sondern weil es halt so ein Stigma hat, als wären wir alle Karl Lagerfeld und müssten uns Sachen einfach aus dem kreativen Saft herausgreifen und dann ist das da einfach da. Also Design steht immer so ein bisschen unter der Idee, da sitzen dann verrückte Menschen und die kommen mit einer tollen Lösung. Deswegen nutze ich Gestalt tierisch. Gestalterisch, der Prozess bedeutet für mich, dass man nicht damit startet zu sagen, ich schaue mir ein Problem an, definiere das Risiko, was ich vor mir sehe und manage das Risiko dann runter auf, was wäre die beste Lösung, sondern gestalterisch bedeutet, ich schaue mir das Problem an, Dann spreche ich mit den Leuten, die dieses Problem haben, um festzustellen, dass das Problem vielleicht anders gelagert ist. Also auf einmal bewegt sich dieser Raum oder dieses Feld, was ich mir anschaue, vielleicht nach links und nach rechts. Und vielleicht wird es auch viel, viel größer als Spielfeld und versuche dann absichtlich valide Ideen zu finden. Also nicht zu sagen, wie manage ich das, was ich weiß, runter auf, was wäre das Beste, sondern wie könnte man das auch noch ganz anders machen? Was wären auch noch andere Möglichkeiten? Und dann nicht zu sagen, es ist nur eine von diesen Ideen, sondern Gestaltung ist oft Synthese. Das heißt, oh, jetzt habe ich statt fünf möglichen Lösungen, habe ich vielleicht 20. Aber die Kombination aus zehn von diesen 20, die ist am Ende vielleicht etwas, was ganz anders ist als das, was andere aktuell tun. Und das kann ich dann gestalten. schnell testen. Statt einfach nur zu sagen, das ist die Ultima Ratio und da sind Zahlen dahinter, deswegen ist das richtig, verlangt die Gestaltung dein Werk den Leuten ins Gesicht zu halten und zu sagen, findest du das gut? Und wenn der Sehende dann sagt, nee, sorry, finde ich nicht gut, dann zu fragen, warum? Und dann festzustellen, dass du hast mir das hier gezeigt, während wir draußen stehen. Mir ist kalt. Ich fand das Bild eigentlich gut, aber hier draußen ist mir kalt. Deswegen brauchst du vielleicht eine Galerie, um dein Bild zu zeigen. Das heißt aber nicht, dass du das Bild ändern musst. Also so ein bisschen die Gestaltung lässt zu, zu verstehen, was sind Einflussfaktoren. Und ich glaube, was anders ist als bei dem aktuell dominanten Ansatz in unserer Wirtschaft, ist tatsächlich zuzulassen, auf eine andere Lösung zu kommen und echtes Feedback einzuholen, anstatt sich politisch mit Zahlen abzusichern für eine Lösung, die vielleicht doch nicht funktioniert.

Joel Kaczmarek: Jetzt müssen wir mal abschließend uns fragen, wenn dein Claim, deine Forderung ist aus dem Gespräch, was wir jetzt hatten über Design Thinking und wie eigentlich digitales Arbeiten aussieht, die ist, dass irgendwie der Design Aspekt oder der gestalterische Aspekt mehr in den Business Context, in den Business Case Einzug halten sollte. Was muss ich dann tun? Heißt das in der Konsequenz, dass ich intern gestalterische Positionen aufbauen muss? und Oder heißt es vielleicht in erster Instanz auch, dass ich quasi gezwungen bin, um in diesen Prozess reinzukommen, am Anfang auf Agenturen wie euch zuzugreifen? Also da soll jetzt keine Vorlage für Werbung für dich sein, aber muss man ja mal fragen, wenn die Denke nicht da ist, wo sie vielleicht sein sollte, um innovativ gestalterisch zu sein, muss ich mir das dann von extern zuholen oder muss ich es intern aufbauen oder eine Mischung aus beidem?

Christopher Böhnke: Ich glaube, es hängt tatsächlich mal davon ab, was hast du selber schon für Fähigkeiten in deinem Unternehmen. Es gibt durchaus deutsche Unternehmen, sage ich jetzt mal, ein Verlag, der ja auch zum Beispiel gestalterisch arbeitende Menschen schon hat. Da gibt es schon Leute, die schreiben, die kurieren, die jetzt mal auch vom Ausbildungshintergrund her gestalterisch denken. Wenn die stark sind und man denen den Freiraum lässt und vielleicht ein bisschen denen die Möglichkeit gibt zu verstehen, wie man jetzt das, was sie gelernt haben, auch für Geschäftsprobleme nutzen kann, dann braucht man keine Innovationsberatung in dem Sinne. Ich glaube, aktuell für Deutschland mit der Geschwindigkeit, mit der wir arbeiten müssen, macht es aber durchaus Sinn, zu sagen, man nimmt sich einen Partner, der weiß, wonach man suchen muss und schaut erstmal, würden wir das selber können. Das wäre übrigens, was ich sehr gerne für jeden täte. Also Fjord an sich, hier in Berlin sind wir 70 Leute, global sind wir knapp 900 Leute. Wir möchten gerne an Problemen arbeiten, wo wir wirklich helfen können. Wenn jemand sich selber helfen kann, dann befähigen wir auch gerne dazu. Wir haben nicht den Anspruch, einfach alles zu machen, bis in alle Unendlichkeit zu wachsen. Das nur so in Richtung Eigenwerbung, ob ich das brauche oder nicht, brauche ich Gott sei Dank nicht. Also am Anfang herauszufinden, haben wir gestalterisch denkende Menschen und können wir die in Anführungszeichen waffenfähig machen. Also können die auf diesem Problem arbeiten. Das ist der erste Schritt. Dann der zweite Schritt ist, ist die Entscheidungsstruktur und das Unternehmensgefühl, was in Deutschland meistens gleichzusetzen ist mit einer echten Hierarchie, bereit, so einen Prozess mitzumachen? Denn am Ende des Tages fragen immer alle, was ist der Return on Investment? Und genauso gibt es auch einen Return on Innovation. der lässt sich nur am Anfang an anderen Dingen messen, als das Fünf-Jahres-Programm, um ein neues CRM-System einzuführen, wo sowieso vorher entschieden wurde, man braucht eins und hinten raus wird nur geguckt, wie können wir die Zahlen so drehen, dass es so aussieht, als hätte das auch gut funktioniert. Ist halt ein anderer, sag ich jetzt mal, Zeitraum auch, als schnell Ergebnisse liefern zu müssen. Das heißt, das muss man sich anschauen. Und ich würde sagen, Der erste Schritt wäre, selbst wenn man keine Gestalt tierisch denkenden Menschen im Unternehmen hat, die Leute nochmal zurück daran zu erinnern, dass im Studium schon jeder gute Professor bei der Diplomarbeit oder dann bei den neuen Kollegen bei den Bachelor- und Masterarbeiten über das Gleichgewicht aus qualitativer und quantitativer Forschung gesprochen hat. Das haben wir alle gelernt. Egal, welcher Ausbildungsteil. Jemand, der so eine Arbeit geschrieben hat, weiß, wie diese zwei Bereiche funktionieren. Und sich dann zu fragen, ist man stark genug in dem qualitativen Bereich? Um echte Fragen zu stellen, gibt man nicht zu sehr das Verständnis der eigenen Kunden an Marktforschungsunternehmen ab, die nicht Teil des Unternehmens sind und nicht Interesse daran haben, dass das Unternehmen besonders erfolgreich wird, sondern dass ihre Erkenntnisse möglichst zu dem passen, was der Kunde hören möchte. Und wenn man das alles gemacht hat, kann man sich selber überlegen, ist das jetzt was, was wir alleine stemmen wollen oder was man außerhalb stemmen will? Das Einzige, was ich jedem mitgeben würde, ist, sucht euch ein Problem. bringt eure Leute zusammen um ein Problem. Versucht nicht Design zu machen um des Designs Willen, versucht nicht Innovation zu machen um der Innovationswillen, sondern ein echtes Problem. Und dann so diverse Kollegen wie möglich zusammenzubringen und dann entweder selbst oder mit Hilfe von einer Agentur auf diesen gestaltierischen Weg zu stellen.

Joel Kaczmarek: Das ist ja ein Schlusswort, was ich besser selbst nicht hätte formulieren können. Und ich glaube, ich bin auch unserem Podcast-Titel näher gekommen. Wir werden da irgendwie Gestaltung mit reinnehmen. Digital, gestalterisch. In die Richtung wird es werden. Ich danke dir ganz, ganz herzlich und ich freue mich schon sehr auf die weiteren Folgen, die wir beide hier durchreden werden. Also man merkt, hier wird um die Ecke gedacht und auch mal die schmerzende Wahrheit angesprochen. Und wie gesagt, aber auch nochmal ganz herzlichen Dank natürlich an die Kollegen von Accenture Interactive, die das Ganze hier mit uns auf den Weg gebracht haben, die das möglich machen und kreativer Sparringspartner für uns beide sind. Ich bin da sehr, sehr dankbar für, dass ich dich kennenlernen durfte auf dem Weg und auch das Team dahinter. Also ich glaube, wir werden hier viele schöne, spannende Inhalte noch zusammen produzieren. In diesem Sinne, auf bald.

Christopher Böhnke: Danke dir.