Innovation und Kerngeschäft vereinen

23. August 2019, mit Joel Kaczmarek

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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Transform-Podcast von digitalkompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und heute geht es um ein super spannendes Thema. Wir lernen nämlich von unserem Unternehmen, was wir die ganze Zeit hier in diesem Format begleiten, den guten VIESSMANNN, wie man sein eigenes Geschäftsmodell erweitert oder auch sogar mal ablöst. Das heißt, ihr werdet aus diesem Podcast mitnehmen, wie kann ich eigentlich in meinem Unternehmen die Risikoaversion, die man ja ganz oft hat, wenn ich ein bestehendes Unternehmen bin, mit einem erfolgreichen Geschäftsmodell überkommen und vielleicht sogar Kannibalisierungsängste, die auch aufkommen werden, werdet ihr bei dem Thema merken, überwinden. Also wie gewinne ich Stakeholder, wie gehe ich dabei vor, wie mache ich das? Und hier habe ich wieder mich direkt an der Front bedient und sitze gegenüber. von dem guten Thomas, den man liebevoll Tommy nennt, habe ich gelernt, oder?

Thomas Pilar: Richtig.

Joel Kaczmarek: Erzähl doch mal ein, zwei Sätze zu dir, wer du bist, was du machst, wie dein voller Name ist, seit wann du hier bist.

Thomas Pilar: Mein voller Name ist Tommy Pilar, bin seit jetzt knapp über zwei Jahren bei VIESSMANNN und dort Geschäftsführer der VIESSMANNN Solutions & Services, einer Tochtergesellschaft, in der wir ein neues Geschäftsmodell, eine Dienstleistung für VIESSMANNN entwickeln, die unter dem Brandnamen VIESSMANNN Wärme läuft. Was ist das genau? Das ist im Grunde Heizung mieten statt kaufen. Das heißt also, anstatt irgendwie traditionell, wie VIESSMANN das eben im Kerngeschäft macht, deine Heizanlage zu kaufen, kannst du bei uns einen ungefähr zehnjährigen Vertrag abschließen, eine Monatsrate bezahlen und bekommst deine Heizung, eine neue VIESSMANN-Heizung eingebaut und bekommst darüber hinaus noch Zusatzservices wie beispielsweise Betriebsgarantie und auch Energielieferung.

Joel Kaczmarek: Gib uns mal ein Gefühl von bis, was kostet eigentlich so eine Heizung, wenn man die kauft? Vom kleinsten bis hin zu irgendwie den richtig verrückten Wasserstoffzellen getriebenen mit Solar- und Atomstrom verbauten.

Thomas Pilar: Genau, also in Deutschland ist also erstmal so, VIESSMANNN ist in einem zweistufigen Vertriebsmodell. Das heißt also, wir setzen nicht die Endkundenpreise, das machen unsere Fachpartner, die Installateure, da greifen wir auch nicht ein. Aber wenn man sich mal so im Internet umguckt, inklusive der Installation, als Endkunde kostet so eine Heizung, geht vielleicht los, das Günstigste ist vielleicht hier in Berlin so eine Gasheizung. Etagenheizung in einer vielleicht kleinen Altbauwohnung startest du vielleicht so 3.500, 4.000 Euro. Und dann muss man sagen, nach oben gibt es natürlich keine Grenze. Wir sind jetzt mit unserem Modell hauptsächlich im Einfamilienhaus-Bereich tätig und vielleicht kleine Mehrfamilienhäuser. Ja, da stößt du meistens schon so bei 20.000, 25.000 Euro an die Obergrenze. Aber je nachdem, was für Komponenten eingebaut werden, da kann das auch noch deutlich teurer werden.

Joel Kaczmarek: Okay, also wenn man wie ich so ein kleines Chalet hat, dann ist das ein bisschen strammer. Wir sind ja mittendrin, da will ich ja mit dir hinaus drauf, dass das ein brutaler Kerngeschäftsbereich ist. Also ihr seid ein Heizungsunternehmen. Das ist, was ihr im Kern tut. Und wir reden hier von Assets, die sozusagen schon viel Geld kosten. Und dann kommt jemand bei euch um die Ecke, da muss ich vielleicht auch mal die Genese erzählen, wie es dazu kam, und sagt auf einmal, okay, die Heizung, die wir verkaufen seit Jahrzehnten, über Generationen hinweg, die können wir jetzt auch quasi leasen oder vermieten. Also du kaufst sie quasi in Raten mit einem Vertrag. Also das mal als kleinen Ankerpunkt, von was wir eigentlich reden. Und erzähl doch mal, wie kam man auf diese Idee? Also es ist ja fast ein bisschen, also Harakiri will ich nicht sagen, aber es ist auf jeden Fall innovativ und mutig.

Thomas Pilar: Ich glaube, die Idee an sich ist nicht so abwegig. Wenn du dir irgendwie andere Bereiche anguckst, wo private Endverbraucher höhere Investitionen machen, gibt es ja in vielen Branchen so Modelle, wo du also irgendwie Monatsraten zahlst. Erstmal ist das das Thema Absatzfinanzierung. Guck dir auch die Automobilbranche an. Irgendwann kamen Leasingmodelle und die sind heute sogar das dominierende Modell, wenn du eigentlich ein Auto fährst. Und da kannst du dir natürlich dann, wenn es beim Endverbraucher um solche Investitionssummen geht, wie bei einer Heizung, kannst du dir natürlich auch als Hersteller überlegen, ja gut, vielleicht würde das schon Sinn machen, auch so ein Finanzierungsmodell zum Zwecke der Absatzfinanzierung anzubieten. Und gleichzeitig merkst du irgendwie auch im Markt, vielleicht gibt es halt Bedürfnisse, die über die reine Finanzierung hinausgehen und was kann ich da für Dienstleistungen machen, die auch nachgefragt werden und deshalb bieten wir halt diesen Dienstleistungsstrauß an. Und das hat man sich schon sehr früh überlegt. Also schon vor einigen Jahren gab es so die ersten PowerPoint-Slides, die ersten Board-Meetings. Ja, wir brauchen eigentlich eine Absatzfinanzierung. Wie kann man das eigentlich machen? Und man hat dann auch vor schon wirklich etlichen Jahren mal so ein Modell eingeführt, rein mit einer Finanzierung, allerdings mit einer nicht besonders guten User Experience und das dümpelte so ein bisschen vor sich hin. Und ja, wir sind ja hier im Podcast, du hast ja schon einige Protagonisten irgendwie auch schon hier mal interviewt bei VIESSMANNN. wird ja bekanntlich seit einigen Jahren ja eben doch der Geist der Innovation, sage ich mal. Und in dem Zuge wurde dann auch gesagt, ja, das Thema hat potenziell so eine strategische Wichtigkeit für uns. Lass uns das doch mal nochmal neu anfassen und irgendwie auch in dem Kontext unserer Transformation und ja auch mit dem Personal, das da irgendwie an Bord kommt, nochmal neu denken und vielleicht auch ein bisschen strategisch angehen.

Joel Kaczmarek: Aber war das bei euch jetzt ein Bottom-up-Thema, was sozusagen, weiß ich nicht, von den Heizungsinstallateuren kam, von der Front, die gesagt haben, ey, wir müssen noch was machen? Oder war das top-down, dass ihr eher gesagt habt in der Führung, hey, lasst uns doch mal Alternativen denken, neue Wege gehen?

Thomas Pilar: Ja, muss man sagen, schon eher so ein top-down-Thema tatsächlich. Also hat man sich schon irgendwie im Top-Management gedacht, ja, wäre geil, wenn wir so ein Modell hätten. Nur, und ich glaube, da kommt auch so ein bisschen, ja, vielleicht das Neue an der Kultur rein. Die Idee war da, das Modell zu machen. Und dann war aber die nächste Frage, wie kriegen wir das irgendwie auf die Straße? Und da haben wir dann Eigentlich sofort, als wir das Thema hier in Berlin angegangen sind, zu den Best Practices eigentlich aus dem Unternehmertum gegriffen, was ja auch so ein bisschen das Ziel hier so der Organisation ist. Und zwar das schon sehr userzentrisch auch entwickelt.

Joel Kaczmarek: Und jetzt hast du eben ja eigentlich selber gesagt, ihr setzt selber keine Preise, sondern an der Front gibt es die Heizungsinstallateure. Und jetzt kommt ihr aber mit der Idee um die Ecke zu sagen, okay, jetzt vermieten wir die Dinger. Ist Vermieten eigentlich richtig gesagt? Muss man die hinterher wieder zurückgeben?

Thomas Pilar: Gibt es drei Möglichkeiten, du kannst potenziell auch übernehmen, kannst auch den Vertrag verlängern oder du kannst die Anlage auch zurückgeben. Vermieten ist nicht ganz korrekt, weil wir ja nicht nur die Heizanlage bereitstellen, sondern auch andere Services bereitstellen, aber da wird es dann natürlich sehr technisch. Man kann durchaus vermieten sagen, ja.

Joel Kaczmarek: Gut, dann habe ich schon mal die Nomenklatur richtig, aber jetzt kommt ihr um die Ecke und sagt, jetzt machen wir ein Mietmodell, während eigentlich der Vertrieb bei euch quasi ausgelagert ist. Habt ihr da nicht Konflikt gehabt?

Thomas Pilar: Ja, auf jeden Fall. Also da sprichst du eigentlich schon so ein bisschen die Kernthematik an. Ja, was hast du ja auch eingangs gesagt, was für ein Thema haben wir hier? Wir haben ja so ein bisschen Transformationen des Kerngeschäftsmodells und da hast du natürlich ganz klar irgendwo auch Kannibalisierungsgefahren. Und der Grund auch, warum das Thema vielleicht schon ein paar Jahre im Unternehmen auch so umhergeisterte, waren auch vielfach vielleicht Befürchtungen von Stakeholdern und dann vielleicht auch so ein bisschen dadurch der Mangel an Mut, das noch mal wirklich anzugehen.

Joel Kaczmarek: Es gibt ein schönes Beispiel, das erzählt der Rupert Bottmeier immer, der ja so Innovationsentwicklungen macht. Der startet bei uns demnächst auch ein Podcast-Format, ganz cool. Ich glaube, damit habe ich dich schon mal penetriert in unserem Vorbereitungsgespräch mit den Matratzen, oder?

Thomas Pilar: Nee, nee, nee.

Joel Kaczmarek: Okay, dann erzähle ich das jetzt auch für dich neu. Und der hat zwar immer diese Geschichte erzählt, ein Schweizer Unternehmen, das Matratzen hergestellt hat. So wie es in der Schweiz ist, die Löhne sind hoch, die Ansprüche an die Qualität sind hoch, die Matratzen waren also sehr, sehr teuer. Man hat halt irgendwie zu wenige verkauft und hat sich überlegt, was kann man tun. Dann hat dieses Matratzenunternehmen einen Top-Manager aus der Autoindustrie abgeworben, der auf Leasing-Modelle spezialisiert war. Ich weiß gar nicht, ob das schon damals die Absicht war oder ob es Zufall war, aber die Geschichte war im Prinzip, der kam aus der Autoindustrie und hat ihn, glaube ich, eher genommen, weil er wie du sozusagen diese Absatzfinanzierung kannte. Er war gewohnt, hochwertige, teure Produkte zu verkaufen. Und es ist so, eine Matratze hält in so einem Hotel roundabout zehn Jahre und Hotels sind halt so die Hauptabnehmer, da macht es Spaß, wenn du irgendwie 150 Matratzen auf einen Schlag verkaufst oder 550 und so weiter und so fort. Und was der gemacht hat, ist, der hat im Prinzip das gleiche getan wie ihr, der hat gesagt, wir verkaufen diese Matratze nicht mehr, sondern wir vermieten sie. Was war der Vorteil? Nummer eins, die Anschaffungskosten für das Hotel vorneweg natürlich viel, viel kleiner, weil du musst nicht 550 Mal irgendwie, weiß ich nicht, anderthalb Tausend Euro zahlen. Und sie haben sozusagen so eine langfristige Komponente reingebracht, dass du quasi sozusagen flexibel bist. Und der Effekt war, also nach drei Jahren ist quasi so eine Matratze sozusagen refinanziert. Also du musst die eigentlich drei Jahre, war natürlich die Angst, mieten die sich den Scheißteil drei Jahre lang? Oder nicht? Und der Effekt war, sie mieten sie halt deutlich, deutlich länger. Das heißt, wenn wir wirklich zehn Jahre daran liegen, haben sie also ihren Umsatz verdreifacht im Vergleich zu sich Verkaufens. So ein super geiles Beispiel eigentlich, wie man sozusagen dieses Modell auf den Kopf gestellt hat. Hat das bei euch ähnlich gut funktioniert? Also habt ihr auch so einen Boost gemerkt, dass ihr da ein völlig neues Fäben taugt, dass das irgendwie ganz anders von den Dynamiken läuft? Oder ist das gar nicht so revolutionär, wie das jetzt in so einem Vortragbeispiel einmal klingt?

Thomas Pilar: Man muss sagen, das Modell wird seit zwei Jahren entwickelt. Wir sind im Grunde seit Anfang dieses Jahres so deutschlandweit marktreif und sind eigentlich immer noch im Deutschland-Rollout. Also jetzt gerade den letzten Winkel, so fehlen, glaube ich, noch zwei, drei Regionen und dann sind wir in ganz Deutschland flächendeckend verfügbar. Das heißt, so im Big Picture sind wir eigentlich noch ein sehr junges Modell. Das heißt, ich kann jetzt nicht sagen, dass wir bisher so revolutionäre Effekte wirklich merken konnten. Dafür sind wir einfach auch noch zu jung und dafür ist auch dieser Heizungsmarkt ein bisschen zu langsam drehend. Was man aber merkt ist, dass du in vielen Einzelsituationen mit dem Modell schon einen starken Wettbewerbsvorteil hast, weil wir sind eben in diesem zweistufigen Modell. Das bedeutet, der Installateur, unser traditioneller Kunde, verkauft auch diese neue Dienstleistung und oft, wenn der in den Preiskampf irgendwie geht mit einem Wettbewerber, kann der natürlich unser Modell aus dem Hut zaubern und hat dann irgendwie einen klaren Preisvorteil dem Endkunden gegenüber. Und grundsätzlich ist es natürlich so, bei so einem Modell, bei dem es auch mehrere Dienstleistungen gibt, die gebündelt sind, bedeutet also, wie gesagt, haben wir nicht nur die Finanzierung des Leasing, sondern auch noch weitere Dienstleistungen, die in dem Vertrag gleichzeitig mitgeliefert werden. Da ist natürlich der Kundenwert auch höher. Das heißt also, dieser Effekt, den du beschrieben hast, den merken wir schon auch. Und dann ist halt immer die Frage, okay, wenn der Kunde jetzt mehr zahlt, das ist ja in der Marktwirtschaft nicht erstmal intuitiv, dass er dann auch bereit ist, das zu machen. Und da muss man halt sehen, der Mehrwert unseres Modells ist eindeutig groß genug, dass die Kunden auch eine höhere Zahlungsbereitschaft haben. Das sehen wir also schon. Also die zwei Effekte, einerseits dieser Vertriebsaspekt und andererseits eben, dass du einen höheren Kundenwert auch realisierst, weil du dem Kunden auch einen höheren Mehrwert schaffst, das beobachten wir auf jeden Fall.

Joel Kaczmarek: Vielleicht gehen wir doch mal ins Detail ein bisschen. Also wir haben ja gemerkt, ich muss ja auch immer Fragen stellen, wie heißt das korrekt, was sind eigentlich die genauen Services? Also was ist das konkrete Angebot, wenn man das ganze Bouquet mal aufmacht?

Thomas Pilar: Genau, der VIESSMANNN Wärme beinhaltet drei Dienstleistungsversprechen. Das eine ist die Bereitstellung einer neuen VIESSMANNN Heizung plus aller zugehörigen Komponenten, die notwendig sind, um deine Hütte im Grunde zu wärmen. Das ist so der Finanzierungsaspekt. Das zweite ist für diese gesamte Anlage eine Betriebsgarantie und zwar für die gesamten Vertragslaufzeit auch. Also eine sehr weit gefasste Garantie, also deutlich weiter als das, was man sonst erhält. Die auch bedeutet, Stichwort irgendwie rundum sorglos, dass wir uns um alle Probleme, die potenziell sich irgendwie mit der aus dem Betrieb einer Heizanlage ergeben, dass wir uns darum kümmern. Und der dritte Dienstleistungsbestandteil, der aber optional ist, ist Energielieferung. Das heißt also, wenn du willst, liefern wir dir auch noch die gesamten zehn Jahre dein Gas mit, das du halt brauchst, um in der Anlage Wärme zu erzeugen.

Joel Kaczmarek: Okay, was hast du vorgefunden, als du ins Unternehmen kamst? und wie ist vielleicht jetzt der Status Quo?

Thomas Pilar: Viessmannn Wärme, damals noch, du hast den Begriff sogar schon erwähnt, Heating as a Service, war so der interne Projektname, der ja irgendwie auch das ganz gut beschreibt, worum es hier geht. Das war damals im Grunde mehrere PowerPoint-Präsentationen, da gab es dann schon ein, zwei Leute, die mal so Teilzeit auf dem Thema gearbeitet hatten und aber sozusagen noch überhaupt keine Schritte im Markt gegangen, noch keine irgendwie Validierung. Und die Powerpoints habe ich rübergeschickt bekommen und dann wurde gesagt, ja Tommy, mach mal hier Heating as a Service, so ein bisschen auf der leeren Leinwand. Und bin zu Installateuren gefahren, habe mir angehört, wie die das sehen könnten. Bin zu potenziellen Endkunden gefahren, habe mir das mal angehört, wie die das finden könnten und was vielleicht für diese wichtig wäre. Und dann sehr schnell, also im Grunde drei Monate später, habe ich mal so einen ersten Vertrag verkauft, um zu sehen, funktioniert das überhaupt und interessiert sich überhaupt jemand dafür. Also wirklich irgendwie wie du auch, wenn du sagst, ja, ich gründe jetzt ein Startup, wie du da auch vorgehst, genauso habe ich es dann eben auch gemacht.

Joel Kaczmarek: Okay, aber jetzt ist ja so, im Startup-Vorgehen eigentlich der klassische Weg, so ein MVP bauen und du hast schon nach drei Monaten gleich den ganzen Vertrag verscheuert. War schon so viel Infrastruktur da, dass du das machen konntest. oder wäre nicht sonst eher angesagt gewesen, mal auf Papier was zu scribbeln und dann zu gucken?

Thomas Pilar: Ja, also es ist ja immer, was ist eigentlich ein MVP? Ja, das ist ja immer so die Frage. Und da geht ja immer ein bisschen, auch wenn du ein Team hast, innerhalb des Teams, je nachdem, was du für ein Background hast, die Meinung auseinander. Und ich habe halt gesagt, wenn ich herausfinden will, ob Leute im Grunde, ja sich für das Produkt interessieren, muss ich denen eigentlich auch das Produkt schon verkaufen und im Grunde sozusagen denen das Gefühl geben, dass sie hier schon die richtige Dienstleistung auch erwerben. Und also das war für uns schon das MVP, dass ich halt gesagt habe, ja hier, das ist der Endkundenvertrag und der Endkunde hat wirklich das Gefühl, der verkauft, der kauft hier eigentlich eine fertige Dienstleistung.

Joel Kaczmarek: Gut, und wie waren Ihre Marktreaktionen?

Thomas Pilar: Ja, wirklich durchweg positiv. Ich war ja komplett branchenfremd. Und auch diese ganze Thematik zweistufiges Vertriebsmodell, Industrie, gewachsene Strukturen. Was sind überhaupt die Kannibalisierungsgefahren? Da war ich natürlich völlig unbeleckt. Das war vielleicht auch ein bisschen der Vorteil. Da konnte ich so mit der Naivität quasi rein starten. Und ich habe dann schon immer gehört, ja, im Topmanagement und auch gerade im Vertrieb gab es eben viele von diesen Kannibalisierungsbefürchtungen. Und das habe ich im Markt dann gar nicht festgestellt. Das lag auch daran, wie wir das Produkt designt haben, dass wir eben den Installateur, den klassischen Kunden auch sehr eng eingebunden haben und das auch so designt haben, dass dem im Grunde nichts genommen wird. Dadurch haben wir eigentlich von Tag 1 extrem positives Marktfeedback erhalten tatsächlich.

Joel Kaczmarek: Ja, ich meine, es ist ja immer so, man denkt immer, das eine würde das andere sozusagen obsolet machen, weil das dann nicht mehr gekauft wird. Aber wenn man ganz ehrlich ist, so stelle ich es mir vor, muss man sagen, ob das wirklich so ist. Unterm Strich kriegst du wahrscheinlich Kunden, die so eine Heizung vielleicht nicht bei euch gekauft hätten, weil sie ihnen sozusagen ein zu hohes Anfangsinvestment bedeutet hätte, die du jetzt als Kunden hast. Also hast du eigentlich ihren Kunden gewonnen und gar nicht einen aus deiner anderen Backe sozusagen verloren, oder?

Thomas Pilar: Genau, also in Bezug auf die Endkunden gewinnst du eigentlich nur. Und das war auch allen klar. Die große Befürchtung war, was passiert eben mit unserem ersten Kunden, also unserem Primärkunden, dem Installateur. Denn traditionell, der Kundenstamm der Installateure ist extrem fragmentiert. Das heißt, der individuelle Installateur hat eine sehr schwache Verhandlungsmacht. Das bedeutet, Installateure haben immer sehr viel Angst, dass so ein Konzern mit eigentlich sehr starken Verhandlungsmacht ihnen irgendwie das Wasser abgräbt. Und das Wasser heißt im Kern eigentlich die Marge. Dadurch, dass er vielleicht an dem zweistufigen Vertriebsmodell vorbei diese Endkundenbeziehung erobert und einfach auf die Installateure dann auf die traditionellen Kunden Druck ausübt. Und mit dem Modell ist es nun mal so, wir schließen mit dem Endkunden einen Vertrag ab über zehn Jahre. Und das ist so das Novum. Bisher hat VIESSMANNN eigentlich mit Endkunden überhaupt keine Geschäfte gemacht. Also hier und da vielleicht schon, aber tendenziell keine Geschäfte mit Endkunden. Und das war eigentlich der Schritt. Und da war natürlich die Befürchtung, wie reagiert jetzt der Installateur? Die Installateure sind auch in Verbänden organisiert. Das heißt, die können sich da schon irgendwie bündeln und haben da schon vielleicht das eine oder andere Druckmittel. Und die Befürchtung war also, wie reagiert der Installateur, kauft dann keine Viessmannn-Produkte, wenn ich ihm jetzt hier die Endkundenbeziehung wegnehme. Und dadurch, dass wir glaubhaft machen können und das Produkt auch so designt ist, dass der Installateur die Endkundenbeziehung behält, hat sich das nicht bewahrheitet. Also der Installateur geht da bei dem Modell schon mit.

Joel Kaczmarek: Aber trotzdem verändert sich ja auch für ihn die Dynamik. Also bisher ist der vielleicht losgegangen. Ich weiß jetzt nicht, was die typische Marge an so einer Heizung ist, aber lass mal sagen, der hat dem so ein Modul verkauft, eingebaut mit Montage. Dann hat er da irgendwie einen signifikanten vierstelligen Betrag vielleicht. Zack, on the fly, fertig. Und jetzt kommt dieser vierstellige Betrag, der ist vielleicht ein fünfstelliger Betrag mittlerweile, aber verteilt sich irgendwie auf zehn Jahre. So, das verändert ja für ihn auch seine ganze Kalkulation. War das nicht ein Problem?

Thomas Pilar: Wenn wir das so machen würden, wäre das auf jeden Fall ein Problem. Und deswegen machen wir das anders, nämlich Ökonomisch ändert sich beim Installateur gar nichts. Das heißt also, der Installateur hat freie Margengestaltung und das Einzige, was sich für den ändert, ist, und da wird es so ein bisschen unintuitiv, anstatt des Endkunden kauft Viessmannn die Heizung zum Endkundenpreis vom Installateur zurück. Das ist sozusagen die Drehung, die wir machen, um das zweistellige Betriebsmodell nicht anzutasten. Und dadurch ändert sich beim Installateur eigentlich gar nichts. Der erhält sofort seine Marge, hat freie Margengestaltung und wir akzeptieren eben auch die Endkundenpreise, die der Installateur setzt Kunden.

Joel Kaczmarek: Crazy. Also eigentlich kauft der Installateur bei euch eine Heizung, ihr kauft sie wieder zurück und verkauft sie in Raten an den Nutzer. Für ein Modell her ist es konsequent, es verschiebt natürlich sozusagen den Working Capital Aufwand zu euch. Also ihr müsst sozusagen erstmal ein hohes Anfangsinvest machen, was nach hinten aus mehr Umsatz schiebt. Richtig? Völlig korrekt. Kannst du dazu sagen, nach wie vielen Jahren sich das für euch rentiert, wenn ihr das nach Mietmodell macht?

Thomas Pilar: Genau, also erstmal muss man sagen, wir können diese Anlagen auch refinanzieren. Ja, VIESSMANN in Hausbanken gibt es dann Modelle, dass wir die also selber auch dann gar nicht mehr auf der Bilanz haben. Und ja, zweitens ist dadurch, bist du eigentlich mit dem Modell relativ schnell breakeven. Also man ist echt ein bisschen überrascht, weil dadurch, dass wir finanzieren, sind die Kapitalkosten für uns auch OPEX. Also wir zahlen da eben irgendwie einen Kapitaldienst, so eine Annuität irgendwie mit Zinsen. Und du bist dann eigentlich recht schnell auch in einem Bereich, wo du Geld verdienst.

Joel Kaczmarek: Bringt das auch noch Steuervorteile?

Thomas Pilar: Nee, eigentlich nicht. Bringt eigentlich keine Steuervorteile, nein.

Joel Kaczmarek: Gut, okay, also wir fassen nochmal zusammen. Ihr seid hingegangen, habt gesagt, ihr wollt den Markt mit einem weiteren Modell beglücken, in dem ihr sozusagen auch auf die Individualität des Kunden eingebt. Man kann das ganze Zeug jetzt auch mieten und damit ihr aber euren zweistufigen Prozess mit quasi euren eigentlichen Käufern, den Heizungsmonteuren nicht gefährdet, verkauft ihr denen eine Heizung, die ihr wieder zurückverkauft und sie dann aber sozusagen installieren lässt bei Kunden, die mit euch eine Beziehung haben. So, da muss man ja jetzt erstmal so ein bisschen geistig durchschnaufen. Also es ist natürlich sehr konsequent, wenn man eure, wie soll man sagen, eure Firm-DNA betrachtet. Jetzt frage ich mich aber so ein Stück weit, wenn da jetzt so ein junger Mann kommt, ja, also ich stelle mir vor, Tommy läuft hier irgendwie durch die Büroräume, durch die Gänge und dann in Allendorf, vielleicht auch mal in die Fabrikhallen, erzählt das. Hat man da nicht, du hast ja auch selber schon angerissen, Kannibalisierungsängste, Risikoaversion, also Veränderung ist ja gerade, wenn ich in einem gewachsenen Unternehmen bin, immer so ein bisschen so ein Faktor. Was ist dir da begegnet?

Thomas Pilar: Total, ja. Also sehr viel. Ich würde sogar sagen, letztes Jahr, als es eigentlich hauptsächlich um die Produktentwicklung ging. Und ja, du hast auch schon gesagt, es ist ein sehr kerngeschäftsnahes Modell. Das heißt, auch ein signifikanter Anteil der Wertschöpfung findet auch in einem Dorf statt, tatsächlich. Letztes Jahr habe ich extrem viel meiner Arbeitszeit im Stakeholder-Management verbracht. Das gehört nun mal dazu. Weil, genau, also die Grundfrage, die sich jemand stellt, der der vielleicht auch schon viele Jahre da im Vertrieb ist oder irgendwie im Konzern ist. Und der Konzern hat damit sehr viel Geld verdient. Wenn ich jetzt mit so einem Modell an den Markt gehe und das wird nicht gut angenommen, torpediere ich potenziell ja schon eben ein Kerngeschäft. Weil das Modell, das ein bisschen komplex ist, hat man sich halt mal ausgedacht. Aber dass man sich das so ausgedacht hat, heißt ja noch lange nicht, dass es eben auch so akzeptiert wird. Und dementsprechend sind da mir natürlich 2017 und auch letztes Jahr schon sehr viele Bedenken begegnet. Und das ist dann dementsprechend auch, muss man schon viele Runden drehen, bis irgendwie alle Leute auch so überzeugt davon sind, dass das vielleicht der richtige Weg ist.

Joel Kaczmarek: Jetzt kommen wir zum Kasus Knacksus. Alle, die jetzt zuhören und sowas auch machen wollen. Wie machst du das? Wie löst du diese Bedenken auf?

Thomas Pilar: Du hast natürlich immer mehrere Faktoren. Wir haben ja in Italien schon so ein bisschen gesprochen, ja, das Grundthema ist ja so ein bisschen das Motiv vielleicht Risiko-Aversion und die Frage ist, wie brichst du das auf? Ich glaube einerseits machst du das schon mit Personal, also dass du halt Leute hast, die, ja, also ich habe selber ein bisschen unternehmerischen Hintergrund, ja, und bin sozusagen auch gewöhnt, persönlich Risiken einzugehen und auch, ja. um einfach mal was zu versuchen. Und du brauchst halt Leute, die diese Bereitschaft auch haben und die vielleicht auch gut damit umgehen können. Die du vielleicht traditionell in einem Konzern, wo halt viel Risiko-Aversion ist, das sind halt Leute, die sind vielleicht so ein bisschen am anderen Spektrum, wenn es um Risk-Taking geht. Also einerseits vielleicht Personal und andererseits muss man eben auch sagen, der Konzern und die Strukturen bieten auch so viele Wettbewerbsvorteile, also ein Modell jetzt so schnell zu implementieren zu können, wie wir das machen. Und wenn du jetzt von außen reinkommst, Oft siehst du ja so den Effekt, ja, irgendwie einer kommt von außen und denkt, ja, ich mache es jetzt mal besser und ich zeige es jetzt mal allen. Das funktioniert natürlich nicht, weil dann rufst du natürlich irgendwie Abwehrreaktionen hervor. Also du brauchst schon irgendwie auch das Fingerspitzengefühl. Einerseits zu sehen, okay, so ein Konzern hat auch extrem viele Vorteile, die Reichweite, die gewachsenen Strukturen, dadurch auch die Schnelligkeit, mit der du skalieren kannst. Und andererseits, ja, Du musst halt natürlich irgendwie die Befürchtungen der Leute anhören, musst auch verstehen, warum haben die eigentlich die Meinung, die sie haben. Und dann dauert es natürlich auch eine Weile, bis so Vertrauen aufgebaut ist zu dem Personal. Also da hast du vielleicht mal das dritte und das vierte Meeting und denkst dir vielleicht, ja, okay, eigentlich haben wir das alles schon letzte Woche besprochen. Und dann geht es vielleicht gar nicht so sehr um die Inhalte, als darum, irgendwie Vertrauen aufzubauen und das Gefühl zu geben, okay, wir versuchen jetzt hier was Neues, aber eigentlich haben wir auch alles im Griff und ich bin irgendwie auch jemand, mit dem man halt arbeiten kann sozusagen.

Joel Kaczmarek: Okay, also man braucht viel Empathie, man muss sozusagen Kommunikation gehen. Was ich aber raushöre, wenn du sagst, das ist manchmal auch so ein Personalthema, du brauchst unterm Strich wahrscheinlich einfach Rückendeckung von oben, oder?

Thomas Pilar: Klar, also das macht es natürlich deutlich einfacher. oder ist vielleicht zu sagen, man kann auch anders sagen, die Grundvoraussetzung ist natürlich bei VIESSMANNN bekanntermaßen das Projekt, an dem ich arbeite. Und ich glaube auch, dass ich bei VIESSMANNN bin, fällt natürlich auch genau in die Zeit und in den Kontext, dass wir da von ganz oben diesen Rückenwind haben und auch da das Bedürfnis da ist, diese Art von Transformationscases einfach auch durchzuziehen. Klar.

Joel Kaczmarek: Okay, also nochmal kurz zusammengefasst, Kommunikation, Empathie, das richtige Risiko, offensiv oder affine Personal, Rückendeckung von oben. Wie hat das rein organisatorisch aufgegangen? Bist du sozusagen so eine separate Unit, so Greenfield-mäßig, eine eigene GmbH oder so, die nebenbei läuft oder ist das richtig im Betrieb aufgegangen? Wie habt ihr das gemacht?

Thomas Pilar: Also das spiegelt sich ja schon ein bisschen in der Geografie wieder. Wir sitzen hier in Berlin und ich eben in Eilendorf im Headquarter. Das heißt, wir sind räumlich schon mal getrennt. Und ja, anfangs war ich so in dem Kontext vom Venture Development. Meine Jobbezeichnung am Anfang war auch Venture Architect. Das heißt also, da hast du schon begrifflich irgendwie so, schwingt so mit, okay, an was wir arbeiten, ist im Grunde ein Startup. Der Begriff Startup ist ja Quatsch, weil es ein BizDev-Projekt irgendwie im Konzern ist. Aber von Anfang an war schon so das Bedürfnis, okay, wir separieren das so ein bisschen vom Kerngeschäft. Wir geben da sehr viel Freiheiten, auch Entscheidungsfreiheiten im Einzelprojekt. Und wir haben dann sehr schnell auch eine GmbH, schon 2017 ausgegründet, eine eigene GmbH mit dem Team hier in Berlin, die an der Thematik arbeiten und da extrem frei auch in der Strategiefassung sind. Das heißt also, ja, wirklich so ein bisschen losgelöst mit den entsprechenden Freiheiten auch. Also genau so haben wir es aufgesetzt.

Joel Kaczmarek: Und an wen reportet ihr?

Thomas Pilar: Ja, wir haben so ein bisschen zwei Reporting-Linien. Die erste Reporting-Linie ist an den Florian Resac, der Chef hier von der Digitalabteilung und VCO in Berlin. Und die zweite Reporting-Linie, das hat auch so ein bisschen Start-up-mäßig aufgesetzt. Wir haben so eine Art Board, also es ist eigentlich ein Steering-Committee, wo wir quartalsweise an Manager aus dem Top-Management und aus dem höheren Management in Hallendorf reporten.

Joel Kaczmarek: Okay, jetzt fragt man sich natürlich, wenn du sagst, du bist ein unternehmerischer Typ, du bist eigentlich derjenige, der sonst in eine Bütt geht und richtige Startups, also wirklich Startups gründet und nicht mit dem Schutzdach des Corporates. Was animiert und motiviert jemanden wie dich, das bei einem Strategen, würden wir ja sonst als Startups eher sagen, also bei einem Unternehmen zu tun, einen Mittelständler? Warum macht man das, wenn man wie du eigentlich Unternehmer ist?

Thomas Pilar: Also es gibt echt eine ganze Reihe von Gründen. Erstens ist, als ich einen Master im BWL habe, bin ich aus dem Studium rausgegangen, wusste, ich will unbedingt in die Startup-Welt rein. Erster Job bei Daily Deal, hier so in die Berliner Startup-Szene eingetaucht. Und ich hätte mir eigentlich nicht so träumen lassen oder überhaupt nicht meinen Plan, so in den deutschen Mittelstand zu gehen, weil du da ja ein ganz anderes Karriereprofil einschlägst direkt. Und trotzdem ist ja irgendwie als Deutscher wächst ja auf, das saugt ja so ein bisschen mit der Muttermilch auf, der deutsche Mittelstand, das ist so der Stolz des Deutschen und so der Motor der Wirtschaft und das ist ja schon extrem interessant. Und das war natürlich so die Chance, die sich mir eröffnet hat, was Start-up-mäßiges, also irgendwie schon eine unternehmerische Tätigkeit in so einem Umfeld zu machen, wo ich so einen extrem spannenden, produzierenden Konzern aus dem deutschen Mittelstand von innen kennenlerne. Also es ist wirklich einfach Lebenserfahrung und auch professionell, so was ich dadurch lerne. Du lernst natürlich in so einem Konzern schon extrem viel. Weil natürlich da auch wahnsinnig gute Leute im Kerngeschäft sind, keine Frage. Und das Zweite ist natürlich, ja, ich glaube, wenn du Startup-Gründer wirst, so das Materielle, ja, also, ja, ich mache jetzt irgendwie so einen skalierenden Case und dann mache ich einen riesen Exit und bin Millionär in fünf Jahren oder so. Das ist natürlich so die eine Seite der Medaille, aber ich glaube, bei den meisten Unternehmern findest du ja, dass das nicht das Einzige bei weitem ist und bei vielen vielleicht auch gar nicht das Wichtigste, sondern was einfach extrem spannend ist und das gilt auch einfach für mich, irgendwie an einem Thema zu arbeiten, sich selbst Herausforderungen zu stellen, vielleicht auch damit zu wachsen. Und das ist natürlich hier ein Fall, wo man gerade in so einem Kerngeschäft irgendwie tätig ist und das auch transformiert. Das ist natürlich auch mit vielen sehr, sehr spannenden Herausforderungen verbunden und auch mit einer sehr steilen Lernkurve über so einen Markt, über so gewachsene Strukturen, über auch einen Markt, der ja auch gesellschaftliche Relevanz hat. Stichwort CO2-Ausstoß findet in Deutschland zum Mega-Anteil im Bereich Gebäudeheizung statt. Das ist also einfach an sich schon ein spannender Markt.

Joel Kaczmarek: Gut, also jeder Mittelständler, der gerade zuhört und sich fragt, wie hat das Personal dafür rekrutiert, hat jetzt gelernt, man muss die Mission klar machen. Das ist sozusagen doch attraktiv, die Lernkurve aufzeigen, das Personal an die Front schicken, dass man sozusagen auch mal mitkriegt, wie man arbeitet. Jetzt soll man natürlich aber auch noch wissen, wie ist man da inzentiviert als quasi Gründer, also Ressourcen. Hast du irgendwie einen Corporate-Gehalt oder hast du irgendwie eher ein normales Gehalt und dafür einen attraktiven Kickback, wenn Umsatzziele kommen? Weil normalerweise würdest du so eine Firma ja bauen, hättest Anteile und verscheuerst du vielleicht. Wobei ich das meinen Leuten auch mal aberziehen möchte. Man baut keine Firma, um sie zu verkaufen. Das finde ich eigentlich ganz schön unglücklich.

Thomas Pilar: Genau, das ist wie Berliner So ein bisschen, wo Berlin herkommt. Die Gründerszene, ich glaube, das wandelt sich auch gerade. Aber so diese unnachhaltige Geschäftsmodellsuche. Nee, genau. Persönlich, ja, ich habe schon ein gutes Corporate-Gehalt. Also in so einer Struktur, vielleicht auch gerade bei so einem familiengeführten Mittelständler, ist es natürlich relativ komplex, so eine Start-up-ähnliche Beteiligung zu machen. Ich bin aber eben inzentiviert auch über einen Bonus.

Joel Kaczmarek: Gut. Was braucht man für Disziplin? Also du bist jetzt losgeritten, hast deinen ersten Vertrag verkauft. Das war quasi dein MVP. Auf was für Ressourcen hast du in der Firma zurückgegriffen? Waren das Entwickler? Waren das irgendwie Leute aus dem Hardware-Bereich? War das Vertrieb? An wen bindest du dich da?

Thomas Pilar: Also unser Modell ist ein klares Vertriebsmodell. Wir verkaufen das über Installateure. Das heißt, mein Zugang zum Markt ist über den Vertrieb Deutschland. Das heißt, erster Ansprechpartner Vertrieb im Konzern und dann aber neue GmbH haben wir gegründet. Das heißt, irgendwie musst du ja auch alle Funktionen, die in so einem Unternehmen nun mal vorhanden sein müssen, irgendwie auch abdecken. Und da dürfen und können wir auch sehr weit gegriffen auf Konzernressourcen zugreifen. Das betrifft die ganze Thematik irgendwie kaufmännische Strukturen, also Abrechnung, Buchhaltung, Personalmanagement etc. Das betrifft auch das Thema Recruiting, können wir auf Konzernstrukturen zurückgreifen. Das betrifft das Thema Finanzierung, was so für das Thema, du hast ja auch direkt schon angesprochen, Thema Working Capital oder so Upfront-Finanzierung, ist eigentlich das Megathema für das Modell, um das auch zum Fliegen zu bringen. Das heißt also, alle nötigen Wertschöpfungsschritte müssen wir zwar uns selber schon für das Modell aufbauen, können aber dafür schon auf Konzernressourcen zugreifen.

Joel Kaczmarek: Ich möchte auch natürlich ein bisschen hinaus auf diese Inkubationsfrage, die man immer hat. Also ihr inkubiert ja quasi, nur dass es nicht ein externes Startup wird, was man auf die Finanzierungssuche schickt, sondern quasi intern. Man hat ja dann ganz oft so dieses Thema, schaffe ich diese Bereiche, die du gerade gesagt hast, intern und vermiete sie? Und da hat man dann immer das sozusagen das Risiko, dass die natürlich wegdiffundieren, die Leute, weil die sehen, oh, geile Mission, voll der Drive. Ey Leute, ich will jetzt nicht mehr in der Zentrale hier des HR machen, ich will lieber hier mit Tommy an der Front sein. Oder ist das wirklich so, dass ihr quasi repliziert? Also baut jede Firma dann bei euch, in deinem Fall auch du, quasi diese Einheiten separat auf. Mehr beziehen oder mehr aufbauen? Darauf läuft die Frage hinaus.

Thomas Pilar: Ja, eine Mischung je nach Thematik. Also in Bereichen wie beispielsweise das Kaufmännische, da sind wir in so einer klassischen Konzernstruktur. Viessmannn ist ja ein sehr großer Konzern mit über 400 Tochtergesellschaften auf der ganzen Welt. Das heißt also, wenn du da eine neue Konzerntochter gründest, viele dieser Unternehmen haben nun mal die Funktion gemeinsam und da kannst du dann auch darauf zurückgreifen. Da macht es dann auch keinen Sinn, das aufzubauen. Du hast ja enorme Skaleneffekte, wenn du das irgendwie zentralisiert verwaltest. Und andere Bereiche, die vielleicht auch gerade modellspezifisch sind, Thema Customer Care, Thema Dienstleistung, Telefonvertrieb, also nicht jetzt der Vertrieb gegenüber dem Installateur, sondern der Vertrieb gegenüber dem Endkunden. Thema Operations, die halt sehr eng mit dem Modell verbogen sind, das müssen wir uns schon alles selber aufbauen. Und da gibt es auch im Konzern keinen, der da irgendwie das Fachwissen hat, weil das einfach auch ein neues Modell ist.

Joel Kaczmarek: Da habe ich auch drüber nachgedacht, wenn du so einen komplett neuen Bereich aufbaust, ob man dann gar nicht mal nur das Produkt entwickeln muss, sondern auch das Marketing und den Vertrieb komplett neu. Das wird wahrscheinlich ein großer, großer Posten sein, oder?

Thomas Pilar: Auf jeden Fall. Wir haben hier schon innerhalb von VCO starke Synergieeffekte, weil wir hier das Marketing in Berlin sitzen haben, die auch das gesamte Digitalmarketing eigentlich für die Gruppe machen. Aber das Marketing jetzt spezifisch für unser Produkt und wir geben jetzt auch im Vergleich zu anderen Abteilungen, bei FIS man relativ viel Geld für Marketing aus. Das mussten wir uns natürlich schon alles neu aufbauen und entsprechend dann, ja, also den Content und irgendwie die Kanäle und also die ganze Marketingstrategie ist echt, Strategie und auch Umsetzung ist schon Eigenbau. Und genau das Gleiche gilt auch für Endkundenvertrieb. Also das sind echt Themen, mit denen ich sehr viel Zeit verbringe und ja, auch ein großer Teil des Teams deutlich eingespannt ist.

Joel Kaczmarek: Wie würdest du denn so deinen typischen Arbeitstag beschreiben oder so deinen Arbeitsmonat in Prozenten? Also wie viel Prozent verwendest du auf was?

Thomas Pilar: Ja, ich bin immer noch sehr viel Stakeholder-Management. Ich würde sagen, schon so 20 bis 30 Prozent. Das bedeutet also, ich reise sehr viel. Ich bin viel in Allendorf. Ich bin aber auch viel in verschiedenen Regionen der Republik unterwegs. Jetzt gerade, wie gesagt, wir sind immer noch im Rollout. Letzte Woche war ich in Bayern. Vorletzte Woche war ich in Ostdeutschland hier unterwegs.

Joel Kaczmarek: Freut sich die Familie, oder?

Thomas Pilar: Ja, ich bin ledig und Single, ja, deswegen ist das sozusagen, macht alles ein bisschen einfacher.

Joel Kaczmarek: Bahnkart 100, hier komme ich.

Thomas Pilar: Ja, genau so, genau richtig. Ja, dann ist viel so, wir iterieren sehr viel auf Operations noch im Tagesgeschäft, das heißt, wir haben eigentlich die ganze Zeit operative Projekte am Laufen, sind auch immer wieder Feuer zu löschen, ja, ist einfach eine neue Dienstleistung mit einem relativ hohen Komplexitätsgrad. wo wir auch neue ständig eigentlich uns auch versuchen zu verbessern. Und ja, also ganze Thema Operations nimmt sich ja auch nochmal 30 Prozent. Und ja, wir sind jetzt im Team inklusive Freelancer knapp über 15 Leute. Das heißt, da kommen dann auch so die ersten Management-Thematiken.

Joel Kaczmarek: So, jetzt haben wir gelernt. Du bist hingegangen, hast MVP gebaut, verkauft,hast das Produkt weiterentwickelt,hast die ganzen Strukturen intern abgeklärt,also kein Stakeholder mehr Quatsch. Was sind deine nächsten Roadmap-Plänefür die nächsten zwei Jahre,wie du das Thema weiter festigst?

Thomas Pilar: Das größte Thema ist Skalierung. Breakeven so auf Gesamtmodellebene,da sind wir sicher noch eine Weile unterwegs,ja, ist ja auch ganz normal. Wir wollen das also schon deutschlandweit und sicherlich auch international relativ zeitnah hochskalieren mit einem entsprechend großen Portfolio. Und das ist eigentlich so die Mega-Leitlinie. Also dass es ja skalierend ist, also Absatz und dann vielleicht Umsatz sind so die Themen. Und das zweite Thema ist, das halt zu machen und gleichzeitig so ein gewisses EBITDA-Niveau irgendwie zu erreichen. Das heißt also, irgendwie Operations laufend auch so zu verbessern, dass wir so einem Kostenplan hinkommen.

Joel Kaczmarek: Okay, EBITDA ist ein gutes Thema. In Corporates sagt man ja immer, doesn't move the needle. Das ist gar nicht so leicht, Management-Attention zu kriegen, wenn man noch nicht so viel bewegt. Merkst du das auch oder ist eher bei euch so ein Fall gegeben, dass man Neugierde hat, dass man weiß, es schiebt jetzt noch nicht so viel Umsatz, aber das ist einfach ein Stück Zukunft, das ist ja trotzdem relevant?

Thomas Pilar: Ja, ist genau das. Ich glaube, das ist auch wieder beim Startup das Gleiche. Wenn du einen VC drin hast und du weißt einfach, der muss innerhalb eines gewissen Zeitrahmens Faktor 20 Return haben oder so, dann macht dein Case ja für den nur Sinn, wenn du auch hochskalieren kannst. Und jetzt hier in unserem Fall ist es so, Der Investor ist quasi die Gruppe und die will halt Umsatz und irgendwann EBITDA sehen. Und die Management Attention ist sozusagen die Ressource, die sie investieren, abgesehen natürlich von dem Cash. Und das macht nur für die Sinn, wenn die halt sehen können, okay, das ist ein Case, der dann in absehbarer Zeit eben Umsätze und auch EBITDA erwirtschaftet, der halt schon die Nadel dann bewegt. Und bei uns ist eben ein Case, der ist skalierbar und wir können da das relativ deutlich auch aufzeigen. Und deswegen wird das schon als strategisch wichtiges Projekt gesehen und deswegen kriegen wir dann auch die Attention, die wir brauchen auch.

Joel Kaczmarek: Kannst du vielleicht auch mal, wo wir über Umsatzwachstum reden, noch einmal ganz kurz spezifizieren? Du hast es nur angerissen. Ich würde es immer gerne besser verstehen. Du hast gesagt, eigentlich kommt es den Kunden teurer, wenn er seine Heizung mietet, weil ihr zusätzliche Services verkauft. Was kann man denn bei einem Mietmodell extra verkaufen, was man bei einer gekauften Heizung nicht verkaufen kann?

Thomas Pilar: Also ich hatte ja schon beschrieben, was ist eigentlich unser Dienstleistungsstrauß? und traditionell kauft der Endkunde von VIESSMANNN. Unser Umsatz kommt dann über den Installateur vom Endkunden und zwar für eine Heizanlage, das heißt also irgendwie die Gastherme, die meistens im Keller irgendwie an der Wand hängt, plus noch vielleicht die Verrohrung und Peripheriegeräte. Und das ist ja nur der eine Aspekt, diese Finanzierung. Das heißt also, wir stellen die Heizanlage bereit, machen also diesen Umsatz. Die Finanzierung selber, ja, die hat natürlich auch nochmal eine Wertschöpfung. Das heißt, wir haben auch da, ja, also das wäre in der reinen Finanzierung ein Zinssatz. Das heißt also, wir haben einen etwas höheren Umsatz schon auf die Kerndienstleistung durch diesen Finanzierungsaspekt. Haben jetzt aber in dem Dienstleistungsstrauß der Viessmannn Wärme noch zwei zusätzliche Dienstleistungen, nämlich diese Betriebsgarantie, die wir uns natürlich auch bezahlen lassen müssen. Ja, es ist ja klar, also es ist ein eindeutiger Wert für den Endkunden, dass er sich also um nichts mehr kümmern muss und weiß, okay, für die nächsten zehn Jahre, egal was passiert, Viessmannn kümmert sich. Und das dritte ist die Energielieferung. Das heißt also, ich habe erstens eine höhere Wertschöpfung und damit auch höheren Umsatz auf diese Kerngeschäftstransaktionen durch die Finanzierung. Und zweitens zwei zusätzliche Dienstleistungen, die Viessmannn bisher noch nicht verkauft hat, nämlich Betriebsgarantie und Energielieferung.

Joel Kaczmarek: Und die Energielieferung bei der gekauften Heizung könnt ihr nicht machen?

Thomas Pilar: Ja, ist regulatorisch für uns nicht sinnvoll.

Joel Kaczmarek: Okay, da merkt man mal, was man sich ja für Fragen stellen muss. Gut, abschließend, letzte Frage. Was hast du so für Tipps, Do's und Don'ts, die du Unternehmen mit auf den Weg gibst, die auch bei sich was Innovatives, vielleicht sogar Disruptives entwickeln wollen?

Thomas Pilar: Ja, also den Begriff haben wir jetzt glaube ich schon verwendet, der Begriff Risikoaversion. Ich glaube, das ist so das größte Hindernis bei Transformationsprojekten oder bei Projekten, wo auch eine Kalimbalisierungsgefahr besteht. Und die Frage, die man sich glaube ich stellen muss, ist, das ist vielleicht sogar die einzige Frage, wie kann ich so als gewachsener Konzern Diese Risiko-Aversion, die vielleicht kulturinherent ist, aber die natürlich auch eng mit dem Personal verbunden ist. Wie kann ich mit der umgehen und die vielleicht auch ein Stück weit reduzieren? Und das ist natürlich ganz stark ein kulturelles Thema. Und ich glaube, wenn man sich so anguckt, was macht eigentlich der Max als so Megatransformationsprojekt, ist das zu einem ganz großen Anteil kulturell. Und das spürst du auch unmittelbar, wenn irgendwie jemand an der Spitze steht, der den Willen hat, so kulturell was zu verändern. dann ist auch dann direkt im Topmanagement oder überhaupt generell im Management eine höhere Bereitschaft vielleicht auch dann Risiken einzugehen, wenn das sozusagen auch erklärtermaßen das Ziel des Unternehmens ist. Also Kulturwandel ist das eine Thema und das andere Thema ist glaube ich auch Personal, habe ich auch schon angesprochen. Ich glaube bei uns auch ein Thema. Wir haben einfach hier eine ganze Reihe von wirklich unternehmerischen Typen. die auch diese Risikobereitschaft haben und das vielleicht auch in das Kerngeschäft reintragen können und vielleicht auch aufteilen können, ja, gerade mit so einer Dienstleistung, da kannst du auch mal was ausprobieren, kannst auch mal ein Risiko eingehen und kannst auch mal irgendwie an den Markt gehen. Und wenn es nicht funktioniert, dann lässt es halt auch wieder fallen. Also da kann man vielleicht mehr experimentieren und die Risiken sind dann im Kern vielleicht gar nicht mehr so groß, wie man das ursprünglich dachte. Also Kultur und ich glaube Personal ist das Wichtigste.

Joel Kaczmarek: Gut, lieber Tommy, dann danke ich dir ganz herzlich, dass du so viel Insights mit uns geteilt hast. Wir wissen ja jetzt alles, bis hin zur Bahncard. Bist du ein offenes Buch für uns. Und vielleicht machen wir nochmal ein Recap irgendwie in zwei Jahren, wie sich das entwickelt hat, was wir dann noch an Learnings haben.

Thomas Pilar: Ja, sehr gerne.

Joel Kaczmarek: Bis dahin, vielen Dank und alles Gute.

Thomas Pilar: Vielen Dank.