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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Deep Dive Podcast von Digital Kompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und ich sitze heute mit einem Cowboy der Szene hier, mit dem guten Sebastian Diemer. Moin Sebastian.
Sebastian Diemer: Hallo, grüß dich Joel.
Joel Kaczmarek: Das darf ich so frech sagen, weil du hast ja fast schon so ein bisschen den Ruf sozusagen durchzugreifen.
Sebastian Diemer: Ja, ich glaube, was den Cowboy ja eher ausmacht, der Cowboy erforscht ja Neues und begibt sich in Territorien, wo vorher noch nicht so viele Leute da waren. Ob der jetzt dabei rumschreit oder nicht, weiß ich gar nicht. Ich glaube, das ist dann eher Einzelfallabhängig.
Joel Kaczmarek: Gut, also wenn man in den Sonnenuntergang reitet in der Prärie, dann muss man auch mal den Kohl zücken.
Sebastian Diemer: Genau.
Joel Kaczmarek: Oder in den Aufgang, noch besser. Genau, also neue Horizonte, die du erschließt. In deinem Fall geht es um das Thema Factoring mit einer Firma, die sich Finiata nennt. Da denken viele vielleicht gleich an die mexikanischen Tiere, die man an Kindergeburtstagen zerhaut. Ist ja, glaube ich, auch ein bisschen der Background. Aber du hast auch noch eine zweite Marke namens bezahlt.de. Also ich glaube, da müssen wir mal so ein bisschen eintauchen, wie das zusammenhängt, was ihr da genau macht. Und ja, wie sind die beiden Marken?
Sebastian Diemer: Genau, sehr gerne. Ich erkläre vielleicht mal ganz kurz, was wir machen und dann komme ich auf die Branding-Thematik und dann später nochmal mehr ins Detail.
Joel Kaczmarek: Ich hatte gehofft, das ist so schwer zu erklären, wenn man das nicht kennt.
Sebastian Diemer: Es ist eigentlich ganz einfach. Was wir machen, ist im Kern den Unternehmen und Selbstständigen, die vom Banken- und Finanzsystem aktuell nicht bedient werden. Also das sind Leute wie du und ich, die kleine Firmen, junge Firmen, in meinem Fall nicht profitable Firmen betreiben. wo herkömmliche Bankenprodukte einfach nicht passen. Und da springen wir ein und sagen, wir geben innerhalb von wenigen Minuten in einem sehr einfachen Prozess solchen Unternehmen und Unternehmern kleine Geldbeträge, die sie zum Wachstum brauchen. Das leitet sich so ein bisschen aus meiner Historie ab. Ich habe davor viereinhalb Jahre Creditec aufgebaut, was die Vision hatte, die Kreditvergabe für Privatkonsumenten zu automatisieren. Ich kann da gerne später noch ein bisschen genauer drauf eingehen. Als ich dann bei Creditec entschieden habe, rauszugehen, habe ich mir die Märkte links und rechts angeschaut, weil man ja doch so ein bisschen bei dem bleiben sollte, was man gelernt hat und kann. Und da ist mir eben aufgefallen, dass das Problem nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa im SME-Sektor, also sprich im kleinen Unternehmensbereich, noch viel quasi prägnanter ist als im Privatkonsumentengeschäft. Zum Branding. Wir haben angefangen unter der Marke Blackbill Internet GmbH. Also das war sozusagen der Brand des Technologieunternehmens. Blackbill so ein bisschen angelehnt an große Finanzdienstleister, hat nichts mit der schwarzen Rechnung zu tun. Und das war auch genau der Grund, warum wir gesagt haben, für das Endkonsumentengeschäft in Deutschland brauchen wir jemanden, der entsprechend passt und auch das Produkt erklärt und deswegen bezahlt.de. Und es war aber bei uns so, dass wir den Ansatz gewählt haben, was generell mein Approach und auch meine Empfehlung ist, schnell in Märkte reinzugehen, also sehr schnell ein Prototyp zu launchen und am offenen Markt zu lernen. Das war der Ansatz und deswegen haben wir uns dann auch, nachdem diese Prototyp-Phase dann ausgelaufen ist, entschieden, den Brand einmal zu wechseln, weil eben ein MVP, also ein schnell in den Markt geworfener Prototyp, natürlich hier und da nicht dem Perfektionsanspruch gerecht wird. Das will man natürlich dann auch brandingtechnisch abgrenzen. Finiata ist, wie du schon gesagt hast, leitet sich von der Pinata ab. Also wir sehen uns als das bunte Unicorn, das da an der Decke hängt und den kleinen Unternehmen und Selbstständigen, die jeden Tag hart arbeiten, also beim Kindergeburtstag sind das dann Kinder, die mit so einem Stock auf dieses Einhorn einprügeln. Das passiert bei uns zum Glück nicht. Wir sind dann das freundliche Einhorn, das eben Candy an die Freelancer und Selbstständigen rausgibt. So unser Selbstverständnis.
Joel Kaczmarek: Gut, also wir fassen nochmal zusammen. Du hast eigentlich einen Fintech-Background durch Kregitech. Dann soll der Schuhstämmer bei seinen Leisten bleiben, was ich durchaus konsequent finde. Und gehst jetzt in dieses Thema so ran, dass du sagst, okay, ich will erstmal genau verstehen, wie das funktioniert, die Abläufe. Du hast ja auch eine technische Infrastruktur, die du aufbauen musst, die dann mit dir mitwächst, weshalb ihr unter dieser Marke bezahlt.de eigentlich gestartet seid und das tut, was ihr jetzt tut. Und habt dann, so wie ich es mitgeschnitten habe, in Polen irgendwie angefangen mit Finiata und werdet das jetzt perspektivisch auch nach Deutschland ausrollen.
Sebastian Diemer: Genau. Also wir haben den ersten Prototyp in Deutschland auf den Weg gebracht. Wir haben das zusammen mit der Solaris Bank gemacht. Also wenn man ein regulierungspflichtiges Geschäft macht, ist immer so ein bisschen die Frage, holt man sich selber eine Lizenz? Also in unserem Fall war das die Factoring Lizenz, keine Banklizenz. Oder schlupft man quasi unter das Dach von sogenannten Service-Providern. Und wir haben uns für den Weg der Solaris-Bank entschieden, haben dann in zwei Monaten, was für so ein Produkt eine sehr kurze Zeit ist, einen Prototypen entwickelt und an den Markt gebracht. Und natürlich schafft man das nicht, in zwei Monaten ein völlig ausgereiftes Produkt zu lancieren, sondern man versucht, die Kernhypothesen, die man hat, und die Fragestellungen, die sich bei so einem neuen Projekt stellen, eben nicht durch Studien und Interviews und Gespräche auszuloten, sondern indem man sich offenes Feedback vom Markt holt. Und genau das haben wir in Deutschland gemacht, haben sechs Monate mehrere tausend Darlehen ausgezahlt, gelernt, Positives wie Negatives, also Dinge, in denen wir bestätigt wurden und auch Hypothesen, wo wir gemerkt haben, nein, da tickt der Markt tatsächlich anders. Wir haben uns dann dreieinhalb Monate Zeit genommen, diese Learnings in einem ausgereiften und nicht mehr Prototyp, sondern skalierbaren Produkt umzusetzen. Das haben wir im Juli in Polen auf den Markt gebracht. Ich weiß nicht, ob das bekannt ist, aber Keditec hatte damals eine ganz ähnliche Historie. Wir haben in Deutschland angefangen, sind da auf diverse Widerstände gestoßen. haben dann, und das war tatsächlich kurz vor knapp, ich glaube, da hatten wir noch irgendwie 25.000 Euro auf dem Konto, haben gesagt, wir probieren das nochmal in Polen, entgegen dem Rat der Investoren. Und Polen ist für Fintech ein ziemlich spannender Markt. Ich kann da gerne noch ein bisschen genauer drauf eingehen. Und wir haben da eben auch fünf Jahre Erfahrung gesammelt. War der erste und der größte Markt bei Creditech, deswegen kennen wir den sehr gut. Da haben wir Finiata jetzt ausgerollt und Anfang Oktober wird dann auch in Deutschland unser buntes Einhorn auf den Markt kommen.
Joel Kaczmarek: Sehr gut, jetzt müssen wir nochmal auf dieses Finanzprodukt eingehen. Also es nennt sich Factoring, das hat der eine oder andere vielleicht schon mal gehört, aber ganz viele vielleicht auch nicht. Die Grundlogik, so wie ich sie verstanden habe, ist, man hat Rechnungen, also Handwerker sind das im klassischen Fall, die haben ganz viele Rechnungen, dann zahlen die Leute nicht und dann gehen die irgendwann pleite. Aber sagen wir mal, ich bin irgendwie Kleinunternehmer oder habe eine UG, eine kleine junge GmbH, ich habe eine Rechnung, die kann ich jetzt im Prinzip an euch abtreten, so wie eine Art Sicherheit für das Geld, was ihr mir gebt. Ihr zahlt 80% der Summe schon aus, das variiert auch je nach Anbieter. Und 20% zahlt ihr, wenn derjenige, der bei mir eine Rechnung hat, jetzt als Auftragnehmer, bezahlt hat. So ist die Logik.
Sebastian Diemer: Genau, also Factoring ist ein ganz furchtbarer Begriff. Ich glaube, es gibt tatsächlich, haben wir am Anfang uns auch mit Leuten unterhalten und Die allerwenigsten bzw. eigentlich niemand unserer relevanten Kunden kennt den Begriff Factoring. Also ich glaube, das ist so ein Begriff, den hat man mal irgendwo in der BWL-Uni gehört oder wenn man zufällig in der Bank arbeitet oder in der Finanzierungsabteilung von einem Mittelständler oder Konzern. Vielleicht kurz anders angefangen, Factoring ist eine Lösung für ein, in unserem Fall dem Kunden meist unbekanntes Problem. Deswegen googelt zum Beispiel auch Google. keiner der angesprochenen Handwerker nach Factoring, weil gar nicht bekannt ist, was Factoring überhaupt ist. Factoring heißt eigentlich nichts anderes als eine vorab Auszahlung von offenen Rechnungen. Also das heißt, in unserem Fall ist das Problem, das wir beim Kunden lösen, schlichtweg der Bedarf für Kapital. Also wie jedes Startup, wie jedes Unternehmen, das sich irgendwie über entweder Eigenkapital oder Fremdkapital von der Bank finanziert und damit Wachstum des Unternehmens stemmen kann, ist das bei jungen Unternehmen ja oft so, dass einfach keine Gewinne vorhanden sind oder auch, dass zum Beispiel keine drei Jahre geprüften Bilanzen vorhanden sind. oder die meisten Banken auch sagen, unter 10 Millionen Euro Umsatz ist das einfach kein interessantes Segment für uns. Und wir haben uns gedacht, dass eben die Unternehmen die Rechnungen stellen. Also nehmen wir zum Beispiel mal einen Webdesigner aus Berlin als Beispiel. Der macht für Zalando einen Auftrag, schreibt eine Rechnung über 8000 Euro und Zalando zahlt diese Rechnung in irgendwas zwischen einem und drei Monaten aus. Tatsächlich ist es so, je größer der Rechnungsempfänger, desto länger werden die Zahlungsziele. Das kann für den Webdesigner aus verschiedenen Gründen ein Problem darstellen, weil er zum Beispiel sagt, ich würde diese 8000 Euro gerne investieren in ein neues MacBook und dann könnte ich noch mehr Aufträge annehmen. Oder es kann auch sein, dass der Webdesigner sagt, es ist Weihnachten und ich brauche das Geld eigentlich eher jetzt im Mitte Dezember als Ende Januar. Und da springen wir ein und zahlen schlichtweg Rechnungen, die gestellt werden, nicht in ein oder drei Monaten, sondern am gleichen Tag aus und das sehr einfach. Das heißt letztlich ist Factoring, hört sich sehr kompliziert an, heißt nichts anderes als Rechnungen, die gestellt werden, am gleichen Tag ausgezahlt zu bekommen.
Joel Kaczmarek: Jetzt gilt es, irgendwie eine Unterscheidung zu machen, die uns wahrscheinlich auch noch ein bisschen beschäftigen wird. Es gibt echtes und unechtes Factoring, was ein bisschen merkwürdig klingt. Echtes Factoring hat eigentlich mit diesem sogenannten Dekredere-Risiko zu tun. Das heißt, so bezeichnet man das Risiko, dass jetzt zum Beispiel Zalando aus welchem Grund auch immer seiner Rechnungspflicht nicht nachkommt, also die Zahlen nicht. Und dann gehst du ja eigentlich in das übliche Mahnverfahren und irgendwann kommt dann Inkasso. Das ist sozusagen, was abgedeckt sein sollte durch dieses Dekrede-Risiko. Und bei echtem Factoring ist es so, dass das irgendwie mit abgedeckt wird. Das heißt, ich würde dir meine Rechnung verkaufen und wenn Zalando wieder erwarten nicht zahlt, gehst du auch hin und treibst das ein. Und beim unechten Factoring ist das nicht mit drin. Und hier fällt eher eigentlich unter das Dach unechtes Factoring.
Sebastian Diemer: Genau, also das ist eine ganz wichtige Entscheidung. Echtes Factoring Ist vom Wort her sehr nah an unechtem Factoring, ist aber tatsächlich vom Produkt her etwas völlig anderes. Also echtes Factoring bedeutet, du bist dir als Rechnungssteller nicht sicher, ob diese Rechnung gezahlt wird. Und du sagst entweder, naja, ich warte mal ab, ob der zahlt. Und wenn nicht, dann gebe ich das an einen Inkassodienstleister ab. Oder du sagst von Anfang an, nein, das Risiko will ich gar nicht eingehen. Und deswegen verkaufst du die Rechnung an einen Factoring-Dienstleister, eine Bank etc., Das bedeutet aber auch, dass du die Kontrolle über diese Rechnung aus der Hand gibst. Jetzt sagen wir mal zum Beispiel, du bist wieder angesprochener Webdesigner und Zalando ist dein einziger Kunde. Was wird jetzt eine Bank machen einen Tag nach Fälligkeitsdatum? Die wird mit unter anderem ziemlich rigorosen Methoden diese Rechnung eintreiben. Was für dich als Webdesigner mit diesem einzelnen Kunden vielleicht gar nicht in deinem Interesse ist, weil dann Zalando sagt, der Joel geht uns auf den Keks einen Tag, nachdem die Rechnung fällig wurde. Ich glaube, da suchen wir uns mal einen Webdesigner, wo das ein bisschen entspannter abläuft. Beim unechten Factoring ist es eigentlich eher eine Art Kredit. Und dieser Kredit, und das ist das Charmante daran, wird vom Rechnungsempfänger zurückgezahlt. Also du sagst, mir geht es nicht so sehr darum, dass ich Angst habe, dass diese Rechnung bezahlt wird, sondern du sagst, Diese ein bis drei Monate, wo ich auf den Geldeingang warten kann, wenn ich das Geld heute bekomme, kann ich das in Wachstum stecken. Ich bin mir aber sicher, dass Zalando bezahlen will. Ob nun früher oder später, also bei uns ist es auch so, dass wir jetzt nicht am Fälligkeitstag sofort tätig werden, sondern es gibt dann einen Monat, wo wir sagen, du bitte erklär das mal mit Zalando. aber da eben nicht aggressiv auftreten. Und das Charmante für dich als Webdesigner ist dann, du gibst die Kontrolle nicht aus der Hand, Zalando bekommt davon auch gar nichts mit, also das ist ja auch noch so. ein Punkt beim echten Factoring, sagst ja bitte zahlen Sie jetzt an Bank ABC zurück, was eben auch nicht so charmant sein kann, weil dann natürlich der Rechnungsempfänger sieht, Da wird eben ein Factoring-Dienstleister genutzt, was als Signaling für verschiedene Tatbestände gewertet werden kann. Beim unechten Factoring ist es eben so, das läuft komplett im Stillen ab. Du gibst noch nicht die Kontrolle aus der Hand. Das ist eben auch buchhalterisch was anderes, weil es ist quasi eine Finanzierung und du kannst die Gebühren für diese Vorfinanzierung steuerlich voll geltend machen. Das heißt, du bekommst das Geld heute. Die Kosten, die im unteren Prozentbereich bei uns liegen, kannst du eben voll gegen die Steuer laufen lassen. Das heißt, es hat so gesehen nur Vorteile, außer es ist jetzt tatsächlich so, dass Zalando sagt, wir zahlen diese Rechnung nicht. Und da ist es aber auch so, jetzt vielleicht eine Ebene tiefer reinzugehen. Du hast zwei Arten von Risiko. Das eine ist, Zalando geht pleite. Davor schützt du dich beim echten Factoring. Und das zweite Risiko ist, Zalando sagt, Moment mal, das Webdesign, das waren gar nicht die vereinbarten zehn Tage, sondern du hast eigentlich nur einen Tag daran gearbeitet. Deswegen zahlen wir nur ein Zehntel der Rechnung. Und da bist du in beiden Fällen, also auch beim echten Factoring, dann nicht aus dem Schneider. Also sprich, es bezieht sich rein auf die Rechnung, ob dein Rechnungsempfänger pleite geht oder nicht. Und dafür, für diese in Anführungszeichen Versicherung, bezahlst du eben den Preis, dass der das mitbekommt und du die komplette Kontrolle aus der Hand gibst.
Joel Kaczmarek: Gut, also hat unechtes Factoring den Vorteil, ich komme schneller an mein Geld, also schnelle Liquidität. Ich kann es steuerlich absetzen, was mich das kostet. Und es ist eigentlich ein bisschen so wie so eine Art verklausulierter Kredit, der sicherheitsbeliehen ist durch die Rechnung. Also das ist quasi die Sicherheit für deinen Factoring-Kredit, wenn man so will. Genau. Lass uns doch mal den Upload so ein bisschen durchdeklinieren. Also, so wie ich es verstanden habe, zahlt ihr 80% sofort aus an den Webdesigner und 20% kriegt er, wenn Zalando bezahlt hat. Wie macht ihr denn zum Beispiel dieses ganze Scoring?
Sebastian Diemer: Ich glaube, da muss man jetzt eine wichtige Unterscheidung treffen, weil was du jetzt heute in Deutschland siehst auf bezahlt.de, das ist noch der Prototyp, der gerade ausläuft. Deswegen würde ich die Mechanik von Finiata erklären. Same, same, but different, aber an einigen Stellen doch entscheidend anders ist. Also wenn du heute in Polen auf vinyata.pl gehst, dann ist es ein ungefähr dreiminütiger Anmeldeprozess. Also wir brauchen Dinge wie deinen Namen, deine Adresse und dann je nachdem, ob das eine juristische Person ist oder eine Privatperson, ziehen wir uns dann natürlich auch diverse Kreditbürodaten, die keinerlei Eintrag hinterlassen oder Sonstiges. Dann gibt es bei uns einmal die Möglichkeit, dass du dich über deinen Bank-Account verbindest. Also tatsächlich ist das für uns sehr wichtig. Wir wollen verstehen, wie sieht das finanziell aus? Und das guckt sich niemand manuell an, sondern da laufen Algorithmen durch, die sich zum Beispiel anschauen, ist auf einem Geschäftskonto, sind da Ausgaben für Dinge, die normalerweise eher auf Privatkonten zu verordnen sind? Oder wann kommen Kosten, Umsätze etc. rein? Das ermöglicht uns einfach deutlich anonymer und treffsicherer zu scoren. Und Scoring hat ja zwei Funktionen. Das heißt zum einen für denjenigen, der Kredite gibt, der möchte an die richtigen Leute Kredite ausgeben, damit die zurückzahlen. Das ist aber auch, und das verkennt man glaube ich, das ist ja auch Selbstschutz. Ich glaube, es ist sehr unverantwortlich, einfach zu sagen, ich gebe mal jedem einen Kredit, ob der den zurückzahlen kann oder nicht. Weil dann bekommen eben auch Leute Kapital, wo sie dann Schwierigkeiten haben, das zurückzuzahlen. Unser Scoring basiert, und ich beschäftige mich jetzt seit fünf, sechs Jahren damit, deswegen da natürlich diverse Learnings auch mitgenommen. Wir basieren stark auf transaktionsbasierten Daten. Also das sind Bankkontobewegungen, Kreditkarten, Accounting-Daten, also quasi das Pendant zu DATEV in Polen. Und daraus lassen sich dann erstaunlich gute Momentaufnahmen generieren. Was würde eine Bank machen? Eine Bank würde sich die Bilanz und so weiter der letzten Jahre anschauen, was ja unsinnig ist, weil uns interessiert ja nicht, wie kreditwürdig warst du am 31.12. letzten Jahres und das Jahr davor und das Jahr davor, sondern uns interessiert, wie kreditwürdig bist du denn in einem bis drei Monaten. Und deswegen schauen wir uns Daten an, die nach vorne gerichtet sind. Es ist, muss man auch deutlich sagen, was völlig anderes als bei Kreditec. Also wir interessieren uns nicht für dein Social Media, wir interessieren uns nicht für Dinge wie Browsing-Verhalten, Locations etc. Also wir schauen uns die Dinge an, die für dein Business relevant sind. Also das sind Transaktionsdaten, Accounting-Daten, Kreditbüro-Daten und daraus können wir dann automatisiert, was glaube ich uns schon ein bisschen unterscheidet vom Markt, innerhalb von wenigen Sekunden Entscheidungen treffen. Und im Polen läuft das so ab, nach dieser Anmeldung bekommst du dann ein Kreditlimit. Also wir sagen dann, okay, lieber Webdesigner, du hast jetzt ein Kreditlimit von zum Beispiel 20.000 Euro und jede Rechnung, die du in diesem Kreditlimit hochlädst, wird sozusagen automatisch angenommen und ausgezahlt. Der Rechnungsempfänger, also Zalanda zum Beispiel, bekommt davon überhaupt nichts mit, sondern wir sagen, hier hast du das Geld und zu dem Datum, bräuchten wir das bitte zurück. Wenn das dann nicht der Fall ist, haben wir da Verständnis für. Dann gibt es, wie gesagt, einen Monat, wo wir sozusagen helfen, das Geld zurückzubekommen. Also indem wir zum Beispiel sagen, hier ist eine Vorlage für eine Zahlungserinnerung an Zalando oder hier ist eine Mahnung, die kannst du rausschicken, musst du aber nicht. Und dann nach einem Monat ist es eben so, dass dann der Rechnungsersteller das zurückzahlt oder eben von Zalando. Und das heißt, wir vereinen da so ein bisschen die Vorteile von verschiedenen Formen von Finanzierung. Es ist eben so schnell und einfach, wie es, glaube ich, am Markt bisher nicht vorhanden war. Und zum anderen ist es eben durch diesen kurzlaufenden Charakter, ist es eben nicht ein Kredit bei der Bank oder ein, wenn du jetzt in Deutschland als Mittelständler Factoring in Anspruch nehmen willst, dann läuft das über Globalzessionen, was bedeutet für die nächsten ein, zwei, drei Jahre musst du jede Rechnung an diesen Factorer abgeben. Und wir sagen, es ist eigentlich so ein Zwang, der nur der Bank oder dem Factoring-Dienstleister, aber nicht dem Kunden nutzt. Und deswegen ist das bei uns keine Vorgabe, sondern du kannst sagen, ich muss jetzt einmal diese eine Rechnung für 10.000 Euro, die würde ich mir gerne auszahlen lassen und danach lasst mich bitte in Ruhe. Was glücklicherweise für uns selten der Fall ist, weil wir sind jetzt in Polen seit zweieinhalb Monaten live und sehen, dass über 85 Prozent der Kunden, die zurückgezahlt haben, noch am gleichen Tag die nächste Rechnung hochladen. Was irgendwie zeigt, das ist, also wenn sich der Kunde einmal daran gewöhnt hat und das Geld eben sinnvoll einsetzt, wird es dann auch immer wieder genutzt.
Joel Kaczmarek: Kannst du noch mal ein bisschen Gefühl geben bei dem ganzen Scoring-Thema? Was gibt es da eigentlich schon vorgefertigt am Markt? Was kann man sich einkaufen? Was muss man auch selber bauen? Weil es klang jetzt auch so ein bisschen, als wenn du ganz bewusst versuchst, dich jetzt von den alten Creditec-Methoden, ich erinnere mich dann noch an die PMs mit 3000 Datenpunkte, die irgendwie abgefragt werden und so weiter, zu unterscheiden. Du bist ja auch klar B2B und nicht B2C, muss man mal unterscheiden. Also Creditec ist ein B2C-Produkt, ihr richtet euch an Geschäftskunden. Also wie viel gibt es da eigentlich schon, wenn man Scoring machen will?
Sebastian Diemer: Das ist eine gute Frage. Das hat sich auch in den jetzt besagten fünf Jahren schon deutlich weiterentwickelt. Also was es schon seit mehreren Dekaden gibt, sind sogenannte Kreditbüros. Kreditbüros sind Institutionen wie die Schufa, Bürgel, Equifax, Experian in den USA etc. Funktionieren alle nach dem gleichen Prinzip und das ist Telcos, Banken, All die Dienstleister, wo jeder oder fast jeder von uns Kunde ist, pingen Daten an diese Kreditbüros. Die können positiv oder negativ sein. Zum Beispiel Kunde ABC hat gerade ein Konto aufgemacht, Kunde ABC hat gerade seine Rechnung nicht bezahlt. Diese Daten werden gesammelt und wenn jetzt jemand eine Auskunft erfahren möchte, geht er zum Kreditbüro und sagt, zeig mir mal bitte alles, was du über diese Person gespeichert hast. Das gibt es schon seit mehreren Jahren. Das ist in der Regel für gewisse Arten von Geschäften sehr aussagekräftig und sinnvoll, für andere Dinge weniger. Also je kürzer der Kreditrahmen wird und je jünger und kleiner die Unternehmen, desto schwieriger wird es, weil natürlich so ein Kreditbüro nur funktioniert, wenn viele Daten für jemand oder irgendein Unternehmen vorhanden sind. Dann kam so eine zweite Welle, das waren Bank-Account-Provider, also das sind Firmen wie Figo, Fintech Systems, Kontomatik, die wir da mit Creditec damals übernommen haben. Und das sind tatsächlich sehr mächtige Datenquellen. Da erzähle ich jetzt auch kein Geheimnis, dass wir das jetzt nicht von Grund auf neu gebaut haben, sondern besagte Anbieter nutzen, die eben einen Snapshot, eine Momentaufnahme ermöglichen. Wie sieht es denn bei jemand jetzt gerade aus, was eben deutlich aktueller und relevanter ist als ein Kreditbüro. Das sind auch so die wirklich relevanten Dinge. Also wenn du dir jetzt zum Beispiel anschaust, Social Media, wie viel Prozent deiner Leute halten wir für wie gut gebildet oder studiert? In welchem Slang kommunizierst du? Auf welchen Webseiten warst du in den letzten 180 Tagen unterwegs? An welchen Locations? All das haben wir uns bei Creditec angeschaut und haben gemerkt, Das hat irgendwie einen Einfluss, aber dieser Einfluss ist so marginal, dass du, das sind jetzt keine exakten Zahlen, aber 95 Prozent durch wirklich smarte Analyse der Transaktionsdaten generieren kannst. Und dann die letzten ein, zwei Prozent kommen aus allen anderen 8000 Datenquellen. So, das ist natürlich Für die Vision und die Equity-Story ist das sehr relevant. Also auch dieser, was wir damals geprägt haben, so diesen Begriff des Big Data Scoring und 20.000 Datenpunkte.
Joel Kaczmarek: Ich dachte 20, ich dachte 3.
Sebastian Diemer: Ja, ich meine, die Frage ist so ein bisschen Datenpunkte. Du kannst doch sagen, du baust ein Modell auf einer Milliarde Datenpunkte. Wenn du sagst, Datenpunkt 1 ist, ist Kunde aus Chicago. Nein, Datenpunkt 1 ist Kunde aus Frankfurt. Nein, Datenpunkt 2. Also das sagt eigentlich überhaupt nichts aus, sondern die Frage ist, und das haben dann auch bei uns über die Zeit dann immer klarer geworden, die Frage ist ja, wie viel Confidence kommt aus einer Datenquelle? Und es ist auch so, dass eben die Daten, die man von besagten Anbietern von so einem Konto zurückbekommt, das sind Rohdaten, wo wir sehr viel Energie reinstecken. Und mit Energie meine ich Data Science und Methoden, die wir eben bei Creditec entwickelt haben. Diese Transaktionen wirklich bottom-up, wie man so schön sagt, zu verstehen. Also du kannst dir entweder angucken, was war der Kontostand am Anfang des Monats, am Ende des Monats und was ist dazwischen, was war das Min und das Max. Wir schauen uns aber jede einzelne Transaktion an und versuchen die zu verstehen. Warum, was ist das für eine Transaktion, warum wurde die getätigt, wie sieht die im Gesamtkontext aus? Und dann kannst du auch Dinge machen, wie zum Beispiel diese Bilanz, die du dir vom 31.12. letzten Jahres anschaust. über die Kontodaten zu extrapolieren, wie die heute aussehen könnte. Weil du ja jeden Zahlungseingang und Ausgang siehst. Ich will da jetzt an der Stelle auch nicht zu sehr ins Detail gehen, aber da gibt es eben noch eine Menge smarte Dinge, die man um diese Transaktionsdaten herum bauen kann, als sich jetzt irgendwie anzuschauen, als jetzt zu verstehen, irgendwie Yelp-Reviews semantisch zu zerlegen und zu verstehen, ob jetzt die Bäckerei läuft oder nicht. Also das kann man machen, aber das ist halt im Promille-Bereich in der Signifikanz für die Entscheidung.
Joel Kaczmarek: Klingt aber auch ein bisschen unangenehm so als Betroffener. Wie ist so dein Markt-Feedback? Ich habe auch explizite Factoring-Anbieter gesehen, die gesagt haben, sie müssen uns nicht ihre Kontopins geben, wir gucken nicht auf ihr Konto, weil es vielen unangenehm ist. Wie war da so die Resonanz?
Sebastian Diemer: Bei Creditec war das schon ein Thema, weil es um private Konten ging. Also wenn man sagt, ich will eigentlich nicht, dass jemand auf meinem Privatkonto rumschnüffelt, Im B2B-Kontext ist es ein bisschen was anderes, weil ich meine, mein Steuerberater hat Zugriff aufs Bankkonto, mein Bankberater. Da sind ja jetzt auch keine sonderlich intimen Dinge, sondern da passieren so aufregende Dinge wie Lohnsteuern, Umsatzeingänge, irgendwelche Mehrwertsteuerbuchungen. Und das ist jetzt glaube ich nichts, was irgendwie einen intim berührt. oder wo man jetzt sagt, da habe ich Probleme mit. Also ich glaube, da ist die tatsächlich irgendwie die Cloud bei Google oder Apple. Ich glaube, da liegen sehr viel intimere Dinge drin als im Geschäftskonto.
Joel Kaczmarek: Jetzt haben wir noch gar nichts zu Kosten gesagt. Was für Gebühren muss ich denn eigentlich bezahlen, wenn ich mir bei euch im Prinzip eine Rechnung vorfinanzieren lasse?
Sebastian Diemer: Also ich würde jetzt wieder auf das polnische Produkt eingehen, das wird aber in Deutschland sehr ähnlich sein. In Polen ist es so, dass wir für Beträge, also ich mache es vielleicht an einem Zahlenbeispiel fest, du lädst jetzt eine Rechnung hoch für 1000 Euro, dann nehmen wir eine Gebühr, also zunächst mal gibt es keine Antragsgebühr oder Scoringgebühr etc., wie das bei traditionellen Factoring-Dienstleistern der Fall ist, sondern wir sagen, die Prüfungskosten nehmen wir auf unser Buch. Und wir nehmen eine Gebühr, die liegt zwischen 2 und 4 Prozent auf den Rechnungsbetrag und die werden fällig, wenn die Rechnung vollständig zurückgezahlt ist. Die sind, wie vorhin schon angesprochen, voll steuerlich abzugsfähig, weil es Finanzierung ist. Und in Polen ist es auch so, dass wir keine, also wir zahlen nicht 80 Prozent aus, sondern wir zahlen tatsächlich 100 Prozent der Rechnung. Also wir nehmen das Risiko auf uns und sagen, wir nehmen da keinen Sicherheitseinbehalt, nehmen keine fixen Gebühren etc. und es gibt auch keinen Zwang, mehrere Rechnungen hochzuladen. Das heißt, für diese 1.000 Euro nehmen wir für den Fall, dass sie in ein bis drei Monaten dann zurückgezahlt wird, eine Gebühr, die zwischen 20 und 40 Euro liegt. Damit decken wir unsere Kosten, Marketing, Scoring-Gebühren, die Kaffeemaschine hier etc. Aber tatsächlich ist für uns das Geschäftsmodell dann interessant, wenn Kunden den Mehrwert darin sehen, verstehen und wiederkommen und mehr Rechnungen hochladen. Und das ist, glaube ich, auch ein bisschen anders als bei Konsumentenkrediten, weil da ist es ja so, dass in der Regel man sich einen Kredit für das Haus, das Auto, den Urlaub, was auch immer, nimmt und dann wahrscheinlich nicht unbedingt direkt den nächsten Kredit danach.
Joel Kaczmarek: Also du willst Frequenz treiben?
Sebastian Diemer: Genau. Also ich will eigentlich dahin kommen, dass Unternehmen durch uns schneller wachsen können und das eben dann quasi exponentiell nutzen, weil sie sagen, jeden Euro, den ich drei Monate vorher habe, kann ich bei den meisten Businessmodellen zu mehr als zwei bis vier Prozent anlegen für diese drei Monate. Also du bist jetzt zum Beispiel ein Amazon Power Seller und du sagst, ach super, dann kann ich meine Dinge ja deutlich schneller einkaufen. Ich kann heute neue Ware einkaufen, nicht in drei Monaten. Diese zwei bis vier Prozent kann ich noch von der Steuer abziehen und das heißt, ich kann eben entsprechend deutlich schneller wachsen und das dann hoffentlich nicht nur einmal, sondern ongoing.
Joel Kaczmarek: Gut, also dann optimiert ihr da sozusagen auch nochmal im Sinne des Nutzers, weil was ich für Deutschland jetzt gesehen hatte, für bezahlt.de war 2,3 bis 6,8 Prozent. Also das verbessert sich im Prinzip. Und wonach richtet sich, ob es zwei oder vier sind? So wie ich es verstanden habe, Bonität, Zahlungsziel und Rechnungshöhe. Kommt das hin?
Sebastian Diemer: Genau, also es geht letztlich um die errechnete Eintrittswahrscheinlichkeit, dass diese Rechnung zurückbezahlt wird. Sprich, es ist eine Risk Premium. Sagen wir mal, du hast jetzt gestern eine UG gegründet mit einem Euro und schreibst jetzt eine 10.000 Euro Rechnung an Zalando und auf deinem Konto sind fünf Transaktionen. Da würden wir wahrscheinlich sagen, das ist schon ein relativ hohes Risiko. Das wären dann wahrscheinlich eher vier Prozent, wenn du jetzt schon Umsätze machst, eine gewisse Historie hast. und wir zum Beispiel auch sehen, aha, da wurde schon zehnmal eine Rechnung an Zalando gestellt und auch immer gezahlt, dann wirst du bei den 2% rauskommen.
Joel Kaczmarek: Wie ist das beim Zahlungsausfall? Das wird ja so ein bisschen der Kasus-Knaxus bei euch. Also was ich gelesen habe in den AGBs bei euch, kommen dann so Sachen wie Mahnpauschalen, Verzugszinsen. Also wie teuer wird es für mich, wenn jetzt Zalando nicht zahlt?
Sebastian Diemer: In Deutschland ist das sehr klar geregelt. Also da hast du ja geregelte Verzugszinsen. Die liegen je nach Privat oder B2B zwischen, ich glaube, 6 und 9 Prozent PA, also pro Jahr. Die werden fällig. Wir haben im Prototyp, ich meine auch kleine Overdue-Gebühren, die wir bei Finiata, also bei dem Relaunch wird es die nicht mehr geben, in Polen gibt es die auch nicht. Sondern wir sagen in Polen schlichtweg, bis der Kredit zurückgezahlt ist, laufen die Gebühren quasi weiter. Also wenn du jetzt zum Beispiel sagst, du zahlst 2% für diese drei Monate und dann zahlst du uns aber tatsächlich erst nach vier Monaten zurück, da kommt eben der entsprechende Monat einfach auch umgerechnet auf die 2% noch oben drauf. Das heißt, es wird für den Kunden nicht teurer, bis der Kredit zurückgezahlt ist. Ich glaube, es wird dann für den Kunden sozusagen teurer, aber das nicht mehr oder weniger, als wenn du irgendwie deine Car2Go oder Handyrechnung nicht zahlst, wenn wir das an Inkasso abgeben müssen. Aber deswegen machen wir diesen ganzen Aufwand mit dem Scoring, weil das nicht unser Ziel ist und wir da auch kein Geld dran verdienen, weil wenn dann Kunde, was glücklicherweise sehr, sehr selten vorkam bisher, aber wenn Kunden eben tatsächlich ins Inkasso gehen, werden die A nicht zurückkommen, B ist in der Regel dann auch nicht viel zu holen. Also bei der besagten UG, die mit einem Euro gegründet wurde, was will da das Inkasso-Unternehmen rausholen? Und wie gesagt, deswegen ist das natürlich unser absoluter Anspruch, dass wir glückliche Kunden generieren, die unseren Service gerne wieder nutzen. Und das geht ja nur, wenn die Rechnungen zurückbezahlt werden.
Joel Kaczmarek: Was müssen denn eigentlich Kunden für Anforderungen erfüllen, wenn sie jetzt, sagen wir mal, rechnungsseitig? Ihr werdet ja wahrscheinlich nicht jede Rechnung überweisen. Was muss da gegeben sein, damit das geht?
Sebastian Diemer: Es ist so ein bisschen eine Mischung aus, wie stark ist das Unternehmen? Also was ist da an Umsätzen und Gewinnen vorhanden? Und dann, wie glaubwürdig ist diese Rechnung? Also ich gebe ja vielleicht mal zwei extreme Beispiele. Wenn jetzt ein Kunde ankommt, der jeden Monat 20.000 Euro Gewinn macht und der sagt, ich habe hier eine Rechnung über 10.000 Euro Gewinn, dann ist im Zweifel diese Rechnung gar nicht so ausschlaggebend, weil, quite frankly, man könnte auch einfach einen Kredit geben aufgrund dieser 20.000 Euro Gewinn, was aber ja auch Banken nicht machen. Also ich habe neulich ein Gespräch mitbekommen zwischen zwei Bankern und da ging es um irgendwie kleine Kunden. Dann wird dann erstmal deutlich, wie unterschiedlich das Verständnis ist. Kleine Kunden heißen bei der Bank 15 Millionen Umsatz. Kleine Kunden heißen bei uns 500-Euro-Rechnung. Das ist, glaube ich, so eigentlich der wichtigste Punkt. Und wenn du jetzt auf der anderen Seite sagst, da ist jemand, der, nehmen wir vielleicht wieder als extremes Beispiel die 1-Euro-UG, die gestern gegründet wurde, dann ist die Rechnung schon deutlich entscheidender. Wenn man sagt, naja, bei der 1-Euro-UG, da ist jetzt halt noch nicht viel vorhanden. Das heißt, dann guckt man sich schon die Rechnung genauer an. Wer ist der Rechnungsempfänger? Ist das Onkel Fritz oder ist das der beste Freund? oder ist das Zalando oder BMW? Deswegen ist es so ein bisschen ein Zwischenspiel aus Rechnungsersteller, Bonität und der Rechnung an sich. Insgesamt liegen die Annahmenquoten bei 75 Prozent. Also das heißt, wir sind da schon wirklich sehr kulant und auch, wenn man sagen kann, risikofreudig. Und ich glaube, das ist auch ein ganz wichtiger Punkt, was ich und wir bei Creditec gelernt haben. Also ist ein Scoring aufzubauen, was komplett automatisierend operieren kann. Und das ist vor allem dann spannend, wenn man sagt, man geht in den Longtail, wie man es neudeutsch so schön sagt, also sprich in das Marktsegment von so kleinen Tickets bzw. Kreditgrößen, dass eben etablierte Banken und Prozesse das gar nicht stemmen können. Und das geht nur, wenn du wirklich deine variablen Kosten so weit runter bringst, dass du sagst, selbst eine 500-Euro-Rechnung können wir profitabel underwriten, sprich auszahlen an den Kunden. Ich finde das halt spannend, weil es deutlich mehr Technologie ist und deutlich weniger Finanzgeschäft. Und das heißt auch, man baut sich eine Eintrittsbarriere auf, wo man nur durchkommt, wenn man auch komplett automatisiert. Und das bedeutet auch, man kann so schöne Sachen machen wie Machine Learning im Scoring. Ich habe mich neulich mit jemandem unterhalten von einer deutschen Kreditplattform, die Kredite machen, die so vier bis fünf Jahre laufen. Und das ist halt was völlig anderes. Das heißt, du kannst nach vier bis fünf Jahren das erste Mal schauen, was hatten denn alle Leute gemeinsam, die zurückgezahlt und nicht zurückgezahlt haben. Wir können das jeden Monat. Das heißt, wir können unser Risikomodell zwölfmal im Jahr drehen, was eben bei anderen vielleicht nicht der Fall ist. Und das kannst du, je kleiner und kürzer deine Kredite sind, desto mehr Technologie kannst du anwenden und desto mehr Data Science kannst du auch im Scoring dann entsprechend einsetzen.
Joel Kaczmarek: Das ist ja eine ganz schöne Zusammenfassung eigentlich von eurer Value Proposition. Also man hat die Technologisierung, man hat die kleineren Kunden, die kleineren Rechnungen, den größeren Speed, die größere Umschlagsgeschwindigkeit als das, was man also auf der Haben-Seite hat. Was ich als die kritische Seite gesehen habe, war halt wirklich, also das Ausfallrisiko wird nicht übernommen. Wenn das mal passiert, dann seid ihr ja unattraktiv für einen. Wenn man sich so im Markt umhört, habe ich auch schnell gemerkt, da ist bei dir so schnell der Ruf so, ja, der macht eigentlich das, was er für Kreditec gemacht hat, jetzt nochmal für B2B-Kunden in einem bisschen verklausulierten Gewand. Und eigentlich so, also da ist man schnell geneigt zu denken, ob das wirklich so Handwerker sind, die die AGBs nicht richtig checken und gar nicht mitkriegen, dass wenn da einer mal nicht zahlt, dass das dann irgendwie zu einem Problem wird. Also das ist so ein bisschen, finde ich, die Kehrseite bei euch. Hast du da irgendwie ein Rezept, mit dem du, man könnte zum Beispiel auch darüber nachdenken, echtes Factoring zu machen. Vielleicht kannst du ja mal so ein, zwei Sätze sonst sagen, was so eine Factoring-Lizenz umfassen würde, ob das für euch so eine Ausbaustufe ist oder ob das irgendwie gar nicht der Plan ist.
Sebastian Diemer: Echtes Factoring ist, wenn man es vielleicht so ein bisschen scharf auf den Punkt bringen will, ist eher Inkasso-Funktion. Also echtes Factoring heißt eher, ich habe Angst, dass diese Rechnung nicht bezahlt wird, deswegen nehme ich sie vom Buch runter und gebe dafür mein Verhältnis zu dem Rechnungsempfänger aus der Hand, weil es mir vielleicht in gewissen Fällen sogar egal ist, weil ich mit demjenigen eh kein Geschäft mehr machen will oder werde und einfach nur diese Rechnung eintreiben möchte. Und das ist aber was, was wir tatsächlich nicht machen wollen. Inkasso ist ein Markt, wo man sicherlich auch mit Technologie viele schöne Dinge machen kann, als irgendwie Briefe und böse Buben vorbeizuschicken. Aber wir haben gesagt, es geht tatsächlich um die Finanzierung von guten Kunden. Also wir sehen uns auch, wenn sich jemand bei uns die AGB durchliest und das machen tatsächlich die allermeisten, sogar der Handwerker und dann feststellt, ach so, also ich bin hier selber noch dafür verantwortlich, dass ich Arbeit abliefere, die tatsächlich vom Kunden auch bezahlt wird, und das bietet ihr mir mit unechtem Factoring, bietet ihr mir keinen Ausfallschutz-Inkasso, dann möchte ich diese Dienstleistung nicht, dann ist das sogar eine gesunde Selbstselektion an der Stelle. Weil wir möchten den Kunden, der zurückzahlt, beziehungsweise der keine allzu große Angst hat, dass die Rechnung bezahlt wird, nicht wann sie bezahlt wird, da sind wir wie gesagt sehr kulant. Deswegen haben wir uns da bewusst strategisch auf dieses unechte Factoring eingeschlossen.
Joel Kaczmarek: Okay, dann finde ich das auch echt einleuchtend. Die Dynamik verändert sich für euch, wenn ihr jetzt ins echte Factoring gehen würdet. Und dann diese Technologieanwendung macht dann gar nicht mehr so viel Sinn. Das heißt, eigentlich eure Value Proposition, die sinkt für euch sozusagen massiv. Finde ich einleuchtend. Also ich ertappe mich selber dabei. Man ist immer so schnell dabei, man sucht so nach einem Haken. Man denkt so, ist das hier so die Wonga der B2B-Welt, dass der eigentlich sogar darauf abzielt, dass die Rechnung nicht bezahlt wird. Im Gegenteil, das sind für dich dann eher unattraktive Kunden, Wenn die Rechnungen nicht gezahlt werden, sondern du willst die haben und in hoher Frequenz, dass du die hochprügelst, dass der Arzt kommt eigentlich. Genau.
Sebastian Diemer: Im Kredit, da gibt es auch keine irgendwie böse oder, ja, also falsch oder richtig. Also bei Creditec war der Ansatz
Joel Kaczmarek: Da gibt es schon, wenn man hingeht und hier Wonga Studenten zu Wucherzinsen Kredite gibt, das kann man schon diskutieren, aber ich glaube, ich weiß beruflich noch nicht.
Sebastian Diemer: Das stimmt, ja. Aber was ich sagen wollte, bei Creditec war der Ansatz ja auch wirklich radikal. Also ich weiß gar nicht, ich glaube, da habe ich noch nie so wirklich offen drüber gesprochen, aber Was wir bei Creditec gemacht haben am Anfang ist, wir haben 1000 Leuten einen 100-Euro-Kredit gegeben und zwar ohne irgendwelche Bedingungen. Also wir haben einfach gesagt, jeder, der auf die Webseite kommt, kein Betrüger ist, der kriegt mal 100 Euro und der zahlt uns nach einem Monat 120 Euro zurück. Das war ein Einmonatskredit, den man noch nicht verlängern konnte. Und dann haben wir uns, die Ausfallraten waren grotesk, also weniger als die Hälfte hat zurückgezahlt. Das heißt, du machst keinen Gewinn damit, egal was du an Zinsen berechnest, weil Zinsen fallen nur dann an, wenn die Leute zurückzahlen. Ansonsten bleibst du auf deinen Kosten sitzen. Und dann haben wir uns angeschaut, was hatten alle Leute gemeinsam, die diese 120 Euro zurückgezahlt haben und die, die nicht zurückgezahlt hatten. Und dann findet man eben Datenmuster. Und dann macht man das nochmal und nochmal und nochmal und dann sieht man, das sind ein paar Datenmuster, die sich durch alle Kohorten durchziehen. Diese, ich sage mal, sehr radikale Form des Machine Learning geht auch nur, wenn du gewisse Margen in dem Kreditprodukt hast. Weil Machine Learning hat so eine Treffsicherheit von 85, im besten Fall vielleicht 90 Prozent. Das heißt, das kannst du nicht machen, wenn du Kredite zu zwei Prozent im Jahr ausgibst. Wenn du aber sagst, du hast ein Produkt, was eben eine höhere Marge hat, dann kannst du auch technologisch ganz andere Dinge machen. Und bei Finiata sind wir da, glaube ich, in einem sehr interessanten Zwischensegment, wo wir eben, wie gesagt, zwei bis vier Prozent im Monat, wenn man das aufs Jahr hochrechnet, dass man dann irgendwo bei den Kosten von so einer Kreditkarte. Es ist wie gesagt abzugsfähig. Natürlich kann man auch, wenn man später als etabliertes Unternehmen kann man sich irgendwie am Kapitalmarkt zu 10 Prozent Geld aufnehmen. Und dann sind wir auch nicht mehr interessant. Also wir sehen uns wirklich als Wachstumsbeschleuniger für kleine und Kleinstunternehmen bis zu einer gewissen Größe. Und dann sind wir auch absolut happy damit, wenn dann andere die anderen Risikosegmente übernehmen.
Joel Kaczmarek: Und wie gut funktioniert euer Produkt jetzt? Du hast ja gesagt, bezahlt.de war so euer Prototyp, mit dem ihr am Markt gelernt habt. Ich habe mir mal so Bewertungen durchgelesen. Das war jetzt nicht verrückt, aber da war schon solche Sachen wie, weiß ich nicht, haben Probleme mit Sammelrechnungen oder die Datenpflege ist langsam. Das heißt, Rechnungen werden gemahnt, die schon bezahlt sind. Die Bearbeitungszeiten sind lang, solche Geschichten. Wie siehst du euch da? Wie verortest du euch?
Sebastian Diemer: Also es gibt ja dieses Zitat vom, ich glaube der LinkedIn-Gründer war das, der sagte, launch dein Prototyp so schnell, dass du dich schämst für die Qualität. Und wenn du dich nicht dafür schämst, hast du zu spät gelauncht. Das ist tatsächlich mein Ansatz bei allem, was ich tue. Ich bin nicht der schlauste Typ oder größte Analyst oder Researcher oder so. sondern ich kann sehr schnell Dinge umsetzen, ausprobieren, lernen, datengetrieben. Und das heißt, das war unser Ansatz. Wir haben in zweieinhalb Monaten von Spatenstich bzw. GmbH-Gründung das Team aufgebaut, das Produkt umgesetzt mit einer Bank, wo eben Dinge wie automatisiert IBAN-Konten angelegt werden, Rechnungen verschickt etc. Also das ist ja keine, finde eine Fahrschule in deiner Nähe Webseite, sondern schon ein bisschen mehr Komplexität. Das war natürlich kein perfektes Produkt und ich glaube, jede Kritik, die Kunden da vortragen, ist absolut gerechtfertigt. Das ist wie das erste iPhone oder irgendwie die erste neue Baureihe von einem Auto, da sind Fehler drin oder ein Windows-Produkt. Und Kunden sind da natürlich, und das habe ich tatsächlich auch gelernt, ja, das ist ein bisschen ein Unterschied B2C zu B2B. B2C sind Kunden sehr forgiving, also wo Leute sagen, Mensch, irgendwie die Website, die lädt 30 Sekunden nicht und der eine Button ist nur jedes zweite Mal da und auf meinem Handy geht es gar nicht. Aber verstehe ich, ihr seid ja irgendwie zwei Monate jung. Im B2B und dann noch im Finanzdienstleistungssektor ist da tatsächlich die Toleranz sehr gering. Also sagen die Leute, wollt ihr mich verkaspern irgendwie? Ich kann hier, um ein blödes Beispiel zu nennen, wir haben diesen Prototyp gebaut und haben nicht daran gedacht, dass Leute ja irgendwann mehr als 40 Rechnungen im System haben könnten, wofür sie eine zweite Seite bräuchten. Das heißt, es gab keine zweite Seite für eine Rechnungsübersicht. Und dann kommt nach einem Monat irgendwie der erste böse Anruf von jemandem, der sagt, findet man Rechnungen im System nicht? Also ich glaube, das ist ein kalkuliertes, in Anführungszeichen, es ist noch nicht mal ein Risiko, weil es ist ja mit eigentlich sicherer Eintrittswahrscheinlichkeit. Das ist der Preis dafür, dass man sagt, man operiert sehr schnell und lernt sehr schnell, dass die Produkte eben noch nicht perfekt sind. Und was, glaube ich, ganz wichtig ist, auch ein großes Learning von Creditec, wenn man anfängt, man fängt ja in der Regel mit einem Prototypen an. Und dann merkt man, okay, Möglichkeit 1 ist, es funktioniert nicht, dann stampft man den ein, Möglichkeit 2 ist, es funktioniert und dann baut man immer mehr darauf auf und die Geschwindigkeit nimmt ja immer mehr zu. Dann nimmt man sich mehr Kapital auf, dann macht man neues Land auf und man hat selten die Zeit, um zu sagen, jetzt refactoren wir mal und machen diesen, das ist so ein bisschen, du baust so ein Hochhaus, fängst unten an mit Holz, Weil du sagst, naja, irgendwie mal gucken, wie hoch wir bauen, aber wahrscheinlich nicht über 100 Meter. Und dann bei 100 Meter merkst du, ups, da unten ist ein Holzfundament. Eigentlich müssten wir diesen Turm nebendran nochmal bauen und zwar mit einem soliden Betonfundament. Und dafür ist die Zeit aber nicht da, weil die Investoren sagen, wie, ihr macht jetzt vier Monate das Marketing aus und verschanzt euch im Keller und baut das Produkt. Wir müssen eine Runde raisen oder wir müssen ein Land aufmachen oder was auch immer. Deswegen haben wir bewusst von Anfang an diese Strategie gewählt, dass wir sagen, wir bauen schnell einen Prototyp und der wird dann wieder eingestampft. Die Learnings nehmen wir alle in das neue Produkt auf und da wechseln wir auch den Brand von eben ehemals Blackbill bzw. Bezahlt.de zu Finiata, damit die in Anführungszeichen Altlasten oder Kinderkrankheiten dieses Prototypen dann nicht in dem skalierbaren, langfristigen Produkt mit Perfektionsanspruch noch anheften.
Joel Kaczmarek: Mal so eine völlige Randfrage zu deiner Namensgebung. Warum ist eure GmbH erst Kenny Powers GmbH?
Sebastian Diemer: Ich weiß nicht, ob du den, hast du den Typen mal gegoogelt, also auf YouTube gesucht, das ist halt so ein völlig durchgeknallter Typ. und wir haben gesagt, war eigentlich eher so ein Scherz, wir nennen die Firma mal so und tatsächlich hat keiner der Investoren, und wir haben ja eine relativ große Seed-Runde gemacht, das mal gegoogelt, sondern beim Notar kam dann glaube ich der Erste drauf und meinte, ich habe das eben mal auf YouTube nachgeschaut, warum zum Geier heißt diese Firma so. Du, ehrlich gesagt, es war einfach Klamauk. Und dann haben wir es
Joel Kaczmarek: Wer ist der Typ?
Sebastian Diemer: Das ist so ein super durchgeknallter CEO, absoluter Maniac. Also in keiner Weise irgendwie ein Role Model.
Joel Kaczmarek: That's still the point here.
Sebastian Diemer: Genau, sondern halt einfach so ein Du hättest es auch Chuck Norris GmbH nennen können. So for no particular reason.
Joel Kaczmarek: Ja, ich glaube, man merkt ja, du hast ja, auch wenn du hier vielleicht das Kenny Power Image hat, ich finde, da steckt ja schon was in deiner Birne drin.
Sebastian Diemer: Also darf man ja auch mal sagen. Danke.
Joel Kaczmarek: Also es sollte jetzt nicht despektierlich klingen, das meinte ich ernsthaft und respektvoll. Mal über den Wettbewerb gesprochen, über den Markt als Ganzen. Wie siehst du denn diesen ganzen Factoring-Markt? Also was rechnest du dir aus, wie viel ihr im Prinzip da von was für einem Kuchen abkriegen könnt?
Sebastian Diemer: Also auch da, wenn man vielleicht wieder so eine einfache Metapher benutzen will, da stehen gerade irgendwie ein paar Typen an der Spree und kippen. Wasser rein. Und wir sind einer davon. Und die Frage ist ein bisschen, wie wird sich der Pegel in den nächsten zwei Jahren verändern? Also es ist tatsächlich so, dass der Markt, den wir, mit wir meine ich jetzt sozusagen die jungen Wilden, die sich in diesem Markt tummeln, einen Markt neu erschließen. Also tatsächlich die Kunden, denen wir täglich zu tun haben, Die hatten davor noch keine Berührungen mit Factoring, Banken etc. Also es geht wirklich darum, einen neuen Markt zu etablieren. Deswegen ist das super, weil jeder, der da mit im Boot sitzt, mit Boot meine ich jetzt alle Beteiligten, etabliert diesen Markt. Und das heißt, wir alle profitieren davon, wenn ich jetzt hier mit dir quatsche oder wenn jetzt Willi PA macht oder InnoLand oder wer auch immer, dann ist das super, weil dadurch mehr Leute erfahren, dass es sowas überhaupt gibt und dann sowas in Anspruch nehmen. Ich glaube auch, das wird ganz, ganz lange Zeit dauern, bevor das ein Verdrängungswettbewerb wird. Die wahre Konkurrenz sind nicht wir untereinander, sondern es ist entweder die Unkenntnis über dieses Produkt oder es sind tatsächlich die großen Etablierten. Aber wie gesagt, das ist eigentlich ein anderes Segment, weil 15 Millionen Umsatz aufwärts, ist gar nichts, wo wir hinwollen. Also deswegen sehe ich das sehr entspannt. Das ist natürlich nur die Kundenseite. Natürlich wird man sich da irgendwo in die Quere kommen, wenn es um Talent oder Investoren geht. Aber auch da ist der Markt, glaube ich, groß genug. Und mit Markt meine ich jetzt an VC Capital und an talentierten Leuten in Berlin, dass da, glaube ich, viele schöne Firmen entstehen können. Und es sind ja auch keine, du hast jetzt keine Network Effects, die dazu führen, dass du irgendwie sagst, so einer dominiert am Ende den Markt, wie eben bei Airbnb oder Uber oder so, sondern es sind ja Balance-Sheet-Business-Modelle, wo diverse Player nebeneinander existieren können. Und das sieht man auch in den USA. Also in den USA hast du Fundbox, Blue Wine, OnDeck Capital, die mit relativ ähnlichen Modellen auf sehr, sehr erfolgreicher Scale operieren. In Europa gibt es noch niemand und vor allem noch niemand, der das über eine Landesgrenze hinweg macht. Ich glaube, wir sind tatsächlich die Ersten, die das jetzt in zwei Märkten betreiben und dann bald auch mehr. Ansonsten ist so der Platzhirsch in Europa Market Invoice in UK. Und wie gesagt, ansonsten sind das, glaube ich, viele gute Teams, die da in einem ähnlichen Marktsegment unterwegs sind, aber dann auch mit Unterscheidungen, wie man da rangeht und welches Subsegment sozusagen man da angeht.
Joel Kaczmarek: Aber hast du trotzdem Sorge, dass einige von denen ein besseres Produkt haben können oder seid ihr relativ ähnlich? Weil ich habe mal geguckt, also ich hätte gedacht, wenn ich jetzt in eurem Segment wäre, ich hätte mir wahrscheinlich Flexpayment mal genauer angeguckt. Die machen zum Beispiel echtes Factoring für 4% und wenn ich Tonnen von Rechnungen da lasse, dann lande ich irgendwann bei 2. Oder eine Rechnung 48 macht auch echtes Factoring. Anderen hast du ja schon gesagt, Flexpayment, InnoLend, Dezimo wären noch so Beispiele. Also glaubst du, du bist da wettbewerbsfähig?
Sebastian Diemer: Also ich glaube, die Qualität des Produkts kannst du nicht über den Preis definieren. Also das ist so wie bei allem, glaube ich, in der Welt. Natürlich kannst du Air Berlin fliegen und dich dann ärgern, dass du am Flughafen stehst. Oder du kannst sagen, ich zahle dir 100 Euro mehr aufs Voodoo und dafür kaufe ich irgendwie mehr Qualität. Qualität, was heißt das im Falle von Kreditvergabe? Ich glaube, das ist eine Frage von, wie schnell und einfach ist der Prozess? Wie kulant ist auch ein Unternehmen, wenn die Rechnung mal nicht pünktlich gezahlt wird? und wie langfristig interessant ist dann die Nutzung des Produktes. Deswegen glaube ich, ich will hier wirklich niemandem schlecht reden. Ich glaube, da gibt es viele Produkte, die sich auch relativ identisch sind am Markt. Und natürlich ist Kapital auch immer bis zu einem gewissen Grad Commodity. Also Geld ist Geld. Es ist jetzt nicht, dass irgendwie das eine Geld besser ist als das andere Geld, sondern die Frage ist, wie einfach kommt man da ran? Was passiert, wenn man es mal nicht bezahlen kann? Und wie kann man das dann langfristig mehr, also höhere Beträge zu niedrigeren Zinsen bekommen? Ich glaube, dass der aktuelle Prototyp in Deutschland sicherlich nicht der Qualitätsführer am Markt ist. In Polen sind wir das. Und in Polen haben wir auch in zweieinhalb Monaten seit Launch den bisherigen Marktführer eingeholt. Also da sieht man wirklich, das ist wirklich eine extreme Annahme des Marktes. In Deutschland geht das Rennen ehrlich gesagt erst los, sobald wir Finiata gelauncht haben. Also ob jetzt unser Prototyp Konkurrieren kann mit irgendwie fünf Jahre alten Firmen ist für mich gar nicht so spannend, wie jetzt die Learnings, die man aus diesem Prototyp rauszieht und merkt, aha, hier muss man den Prozess umbauen, der Marketing-Funnel funktioniert, diese Sorgen haben Kunden, das muss man besser erklären. Also das ist mir eigentlich wichtiger, als ob jetzt irgendwie jemand anderes irgendwie einen Kunden mehr oder weniger hat.
Joel Kaczmarek: Mich würde jetzt mal interessieren, warum Polen? Weil du gesagt hast, das sei so ein großer, wichtiger Markt. Was macht die aus?
Sebastian Diemer: Also Polen ist spannend. Als wir bei Creditec damals nach Polen gegangen sind, haben wir uns schon gewundert, wie rückständig das in Deutschland ist. Also dass irgendwie, was da an Papieren hin und her geschickt wird etc. und dann irgendwie der Herr Müller das abstempelt und an den Herrn Fischer weitergibt. Und da haben wir uns schon gedacht, boah, wie wird denn das in Polen aussehen? Da laufen wahrscheinlich irgendwie Pferde rum und die bringen dann so Geldkartuschen vorbei. Und tatsächlich war das Gegenteil der Fall. Also Polen ist dadurch, dass es eben durch die Sowjetunion und DDR etc. sehr spät erst sich ein Bankensystem etabliert hat, weil es eben keine, also eigentlich erst in den 90ern, das heißt die Legacy, also der Grad der Veraltung ist viel geringer als in Deutschland, wo diese Banken eben in den 50er, 60ern gebaut wurden. Und das heißt aus Kundensicht, in Polen kannst du bei dem Pendant zur Deutschen Bank oder Commerzbank dir um 4 Uhr morgens über Webcam einen Kredit auszahlen lassen, der nicht in 48 Stunden auf deinem Konto ist, sondern in zwei Minuten. Also du hast eine völlig andere Wettbewerbssituation, viel dynamischer, das heißt auf der anderen Seite auch Kunden sind viel offener für Neues. Also der Deutsche zeichnet sich ja vor allem bei Finanzgeschäften durch seine Skepsis aus, ob jetzt dieses Apple Pay wirklich sicher ist und ob jetzt hier dies und das wirklich keine Nachteile hat, wo der Pole oder der Amerikaner zum Beispiel eher sagt, das sieht super aus, hat einen Mehrwert für mich, probiere ich mal aus. Dann ist es regulatorisch auch so, dass du in Polen eine deutlich liberalere Gesetzgebung hast. Das heißt nicht, dass man da irgendwie wilde Dinge machen kann, aber das heißt, dass man nicht irgendwie eine Menge Zeit und Geld und Fokus darauf verwenden muss, irgendwie eine Lizenz zu beantragen. Und dann ist es ehrlich gesagt auch einfach das Know-how und die Netzwerke. Ich habe ja in den fünf Jahren bei Creditec, wir waren ja nie in Deutschland aktiv. Das heißt, eigentlich neu für mich ist der deutsche Markt. Aber jetzt merkst du, wie Polen, Spanien etc., da kannten wir sogar noch die Leute von damals, die gesagt haben, ach, ihr seid das wieder, dann lasst uns wieder die Marketingmaschine anschmeißen.
Joel Kaczmarek: Da war es ja nicht Gin Tonic, da war es Wodka oder so?
Sebastian Diemer: Da war es Wodka, ja, tatsächlich war das unser Country Manager, der ist auch deutlich trinkfester als ich. Ja, deswegen ist Polen, glaube ich, generell spannend und für uns insbesondere, weil da einfach unser Netzwerk und unsere Erfahrungen durch Creditec noch vorhanden sind.
Joel Kaczmarek: Stimmt eigentlich die Geschichte, die mir berichtet wurde. Bei Dezimo soll irgendwie ein Großteil der IT aus Ex-Kreditex bestanden haben, die dann geschlossen das Unternehmen verlassen haben und zu euch gegangen sind. So Nachtigall, ich höre dir trapsen, wie der Berliner sagt. Da gehst du davon aus, dass die irgendwie Code mitgenommen haben. Ist da was dran? Ist das sozusagen so die harte Bandage, mit der du da kämpfst irgendwie gegeneinander?
Sebastian Diemer: Also das halbe IT-Team, das ist eine Person, das ist der Kenan, der Mitgründer und CTO ist. Und tatsächlich habe ich mit Kenan schon, ich weiß gar nicht, ob die Leute das wissen, Alexander und ich haben ja vor Creditec noch so ein ziemliches Gurken-Startup gemacht. Gigalocal hieß das, war so eine Vermittlung für, vielleicht erinnerst du dich noch. Ich weiß das noch gut. Warst du noch bei Gründerszene, glaube ich. Kenan war da bei uns schon in der IT. Kenan war dann auch bei Creditec am Anfang dabei, hat dann ein BI-Software aufgebaut. Mitgründer war dann bei SpotCap, also so einem Rocket-Kreditunternehmen. Ist dann bei Dezimo reingegangen und tatsächlich war es so, dass ich mit Kenan über die Jahre den Kontakt gehalten habe und wir auch befreundet sind. Und es war dann die Idee, wir saßen irgendwie zusammen, vielleicht war da auch ein Gin Tonic im Spiel und haben eben überlegt, Mensch, was können wir denn eigentlich und wo sehen wir Potenzial am Markt? Haben dann gesagt, naja, eigentlich macht das schon viel Sinn, so dass die Learnings aus Creditec und Dezimo und Spotcap zusammenzuwerfen und daraus ein Unternehmen aufzubauen. Die Sorge ist, die du eben geäußert hast, ist sehr berechtigt und deswegen habe ich mir das damals zum Schutz für mich und auch für ihn selber, mir das schriftlich geben lassen, dass kein Code-Teil irgendwie von woanders mitgenommen wurde. Natürlich hast du abstraktes Know-how, was irgendwie transferiert. Also das ist ja durch ein Track Record und gewisse Zeit in der Branche, also wenn du jetzt seit ich weiß gar nicht, wie alt du bist, seit 20 Jahren Journalismus machst, ja, dann natürlich Nein, Spaß, aber ohne, dass du jetzt irgendwie IP mitnimmst, natürlich weißt du, worauf es ankommt, etc.
Joel Kaczmarek: Man hat ja schnell die Denke, ob du da sogar so einen Maulwurf installiert hast. Die Leute malen sich immer die buntesten Geschichten aus. Deswegen ist ja valide, sowas mal anzusprechen, weil das war so der eine Punkt, den ich gehört habe und der andere
Sebastian Diemer: Wäre eigentlich eine super Story fürs Manager-Magazin oder so, aber ist tatsächlich nicht der Fall. Also ich glaube, soweit Wie du sagst, das sind natürlich schöne Storys und man selber liest sowas auch gerne, wenn man nicht gerade selber davon betroffen ist. Aber ich glaube, da ist auch manchmal die Welt gar nicht so aufregend, wie man das vielleicht glauben mag. Also ich glaube, dass jetzt in Berlin irgendwie Leute Maulwürfe bei anderen Unternehmen einsetzen, um dann da Know-how rauszuziehen. I don't know, hört sich, habe ich jetzt noch nie gehört und ich glaube auch die Zeit und irgendwie, muss man schon fast sagen, kriminelle Energie hat jetzt auch niemand. Also natürlich sucht man sich Leute, die was Relevantes vorher gemacht haben, aber das bedeutet nicht, dass da irgendwie, also handfeste IP sozusagen zweckentfremdet wird.
Joel Kaczmarek: Wie ist das, wenn es um Investorengelder geht? Das war so. der zweite Punkt, den ich gehört habe, dass ihr da die gleichen Investoren gepitcht habt und du am Ende den längeren, muss man jetzt sagen, gezogen hast. Das klingt ein bisschen pervers. Also was ja immer so der Vorwurf im Raum ist, ich finde bis zu einem gewissen Punkt ist es fair, wenn man irgendwie Investoren hat und sagt, ey guck mal, ich mache das gleiche und ich mache es besser. Aber habt ihr euch da irgendwie in die Haare gekriegt? noch bei solchen Themen?
Sebastian Diemer: Also das war ganz konkret bei einem Investor. Auch das war jetzt kein, zumindest von meiner Seite kann ich sagen, da ist wirklich kein Ego oder irgendwas im Spiel. Ich will ja einfach eine coole Company aufbauen. Und natürlich dafür die besten Investoren mit reinholen. Die ersten Investoren waren ja aus dem, also es waren einfach Leute, die bei Creditec schon dabei waren. Pavel Tschudinski von Point9 Capital, von dem ich sehr viel halte. Gabriel von FlyVentures und dann auch Alexander Andrew, also Creditec Management. Das waren Leute, die gesagt haben, egal was du als nächstes machst, wir wollen wieder dabei sein. Und dann kam tatsächlich das ein bisschen zeitgleich auf, dass Billy und wir da losgelaufen sind. Und dann natürlich läuft man bei den gleichen Investoren auf. Ich sehe das aber als sportlichen Wettkampf. Also ich halte auch sehr viel von den beiden und dem Modell. Ich glaube auch, dass beide Modelle sehr erfolgreich sein werden. Aber das heißt jetzt auch nicht, dass man sich irgendwas schenkt. Ich sehe das immer so ein bisschen wie, ich fahre ja viel Motocross und Enduro und da ist das auch so. Also auf der Rennstrecke schenkt man sich nichts und wenn man da eine Lücke sieht, dann zieht man durch. Und sobald man durch die Ziellinie ist, geht man zusammen ein Bier trinken. Das heißt aber nicht, dass man den anderen im Rennen vorlässt, weil das so schön mit dem ist, Bier zu trinken.
Joel Kaczmarek: Du hast ja einen gewissen Charme, den kann man dir ja nicht absprechen. So und jetzt habt ihr irgendwie Finiata, die Lerneffekte sind gemacht, jetzt wird das Fundament nicht aus Holz, sondern Zement gegossen. Wie geht es jetzt los? Also was für eine Roadmap habt ihr eigentlich vor euch, gerade was so Internationalisierung angeht?
Sebastian Diemer: Ja, wie vorhin schon gesagt, wir werden Ende September in Deutschland unser Produkt launchen. Dann werden wir in den nächsten zwei bis drei Quartalen noch weitere Länder dazunehmen. Ich kann jetzt nicht sagen, welche das sein werden. Es wird nicht ganz so aufregend wie bei Creditec. Also es wird jetzt nicht Peru oder Mexiko oder Russland, sondern tatsächlich ist unsere Vision, Europas größten Anbieter für Kapital für Klein- und Kleinstunternehmen aufzubauen. Und das heißt, wir werden da schon in den europäischen Landesgrenzen bleiben, aber da dann auch sehr aggressiv wachsen. Aber auch an der Stelle ein Learning von Creditec, wo wir irgendwann ein bisschen Höhenflug hatten oder uns wahrscheinlich auch selber und den Algorithmus überschätzt hatten und versucht hatten, zwölf Märkte auf einmal aufzumachen. weil wir irgendwie große Runden mit großen Erwartungen geraced haben und dann gesagt haben, wow, um jetzt das Wachstum zu stemmen, das werden wir nicht so aggressiv machen, sondern immer ein Land nach dem anderen. Und produktseitig werden wir uns sukzessive ausweiten von diesen Rechnungsfinanzierungen zu anderen Produkten. Im Kern lösen wir ja für unseren Kunden das Problem, dass er Kapital braucht. Und unser Ziel ist schon, da ein komplettes Spektrum abzudecken. Wie gesagt, wir wollen nicht mit unseren Kunden wachsen, dass wir sagen, irgendwann geben wir
Joel Kaczmarek: In die Breite, nicht in die Tiefe.
Sebastian Diemer: Genau, in die Breite, nicht in die Tiefe. Und wir haben ja auch bewusst den Weg gewählt, dass wir nicht gesagt haben, wir gehen über ein bestimmtes Vertical rein. Also wir fangen jetzt an und machen irgendwie für eine bestimmte Industrie und dann kommt die nächste und die nächste und die nächste, sondern sind da schon breit. Wie gesagt, wir wollen auch produktseitig uns breit aufstellen, aber eben auch sagen, ab einer gewissen Unternehmensgröße macht unser Produkt keinen Sinn mehr, sondern da gibt es etablierte Anbieter, die das deutlich besser können.
Joel Kaczmarek: Ja, ich habe in eine ähnliche Richtung überlegt, wo ihr noch hinwachsen könntet. Mir kamen auch solche Sachen wie Einkaufsvorfinanzierung bei Händlern. Also das ist dann durchaus schon angedacht, da weiter zu wachsen.
Sebastian Diemer: Und vielleicht noch eine spannende Geschichte, haben wir noch gar nicht erwähnt. Was wir eben auch machen, sind Partnerschaften mit Rechnungserstellungstools. Also in Deutschland zum Beispiel ist das Fastbill. Was eine sehr interessante Symbiose darstellt, weil der Freelancer, der seine Rechnung schreibt, in dem Moment dann schon ein Angebot bekommt, das sagt, du müsstest übrigens gar nicht drei Monate warten, sondern du kannst sie auch jetzt schon vorfinanzieren lassen. Was im besten Fall über einen Datenaustausch ermöglicht wird, dass wir quasi diese Rechnung schon vorab scoren können. Also so läuft das in Polen ab. Da sind wir mit Infact, was ein Point-Nine-Investment ist, ist so einer der größten Rechnungserstellungstools. Und da ist es so, dass die Kunden eben in Echtzeit Angebote bekommen für Rechnungen, die sie gerade erstellen. Und das kann man sich auch mittel- und langfristig überlegen. Wie sehr will man diese Wertschöpfungskette upstream integrieren? Also wie nah willst du an den Point of Sale bzw. Point of Invoice, dass du sagst, okay, schreibt ihr die Rechnung bei uns oder bei jemand anderem? Da gibt es auch verschiedene Überlegungen. Ist auch wieder ein Learning von Kreditech. Wir haben ja gemerkt, dass es sehr teuer und sehr schwierig ist, ein Brand im Fintech aufzubauen. Generell schwierig, aber im Finanzgeschäft noch viel schwieriger. Und deswegen auch da irgendwann die Partnerschaften entdeckt haben. Also diese ganze NASPERS-Transaktion kam ja dadurch zustande, dass wir in Polen uns in den Checkout-Prozess von eBay Polen eingeklinkt haben und gesagt haben, so ein bisschen wie ein Kleiner. Du möchtest deinen Fernseher nicht jetzt zahlen, sondern in 30 Tagen oder in drei Raten. Und gemerkt haben, dass es eben, man muss so nah wie möglich an den Point of Sale, weil das einfach deutlich besserer ROI ist, als versuchen, einen Brand aufzubauen.
Joel Kaczmarek: Ja, schöne Brücke. zu meiner nächsten Frage. Ich wollte mit dir mal so ein bisschen Unique Economics und Nutzergewinnung durchgehen, weil dein Thema ist ja unfassbar teuer. Also alles, was mit Finanzen zu tun hat, da kriegst du im SEA-Bereich, also Anzeigen bei Google und Co. die Tränen in die Augen getrieben, würde ich mal tippen. Was ist da so euer Gedanke? Wie wollt ihr da irgendwie vorgehen, an einen Nutzer zu kommen?
Sebastian Diemer: Also es ist vor allem die Hauptaufgabe des Produktes. für uns ist es, das Produkt und den Mehrwert erstmal in dem Markt zu kommunizieren. Also tatsächlich ist es so, dass unser Produkt jetzt spitz, unechtes Factoring, Rechnungsfinanzierung wird wenig bis überhaupt nicht gegoogelt. Das heißt, Pull-Marketing fällt schon mal weg, sondern du musst Push-Marketing betreiben und den Kunden proaktiv informieren. Das geht über verschiedene Kanäle, über Dinge wie Google und Facebook, auch über langweiligere Dinge wie Leute anrufen und Briefe rausschicken, was jetzt wahrscheinlich im B2C-Bereich weniger Relevanz hätte. Aber mittelfristig ist für uns vor allem dieser Partnership-Ansatz so spannend. weil wir eben dadurch einen konstanten Inflow an Kunden bekommen, die den Mehrwert dadurch verstehen, dass sie direkt in dem Moment, wo sie eine Rechnung erstellen, schon sehen, das ist der Vorteil des Produktes, wenn du ihn jetzt nutzt. Was was völlig anderes ist, als man macht das Tab mit der Rechnungserstellung zu, Aus irgendeinem Grund fällt einem ein, dass man ja mal Rechnungsfinanzierung googeln könnte und dann fängt man an, sich da einzulesen.
Joel Kaczmarek: Also du versuchst, Partner zu finden, die im Prinzip auf dieser Journey, die derjenige dann geht, möglichst früh sind, dass du dich andockst, dass du gar nicht diesen Verlust hast und den teuer einkaufen musst, sondern dass du mit rüberhebst. Genau.
Sebastian Diemer: Und wir haben auch gemerkt, B2B ist nicht B2B. Je größer Je größer die Tickets werden, desto kompetitiver wird es, weil da eben große Banken Millionenbudgets aufwenden, auf Suchbegriffe wie Kredit zum Beispiel zu gehen. Ich weiß nicht, was das kostet, aber ich würde mal annehmen 8, 9 Euro für einen Klick auf Kredit. Was okay ist, wenn man sagt, da ist Branding und lalala und irgendwie vielleicht finanziert der ja mal seine Villa in Grunwald über uns. Wenn du aber sagst, du bist in einem Bereich, wo du 1000 Euro Rechnungen vorfinanzierst oder 5000 oder was auch immer, dann rechnet sich das wahrscheinlich nicht. Und das heißt, wir haben insofern einen Vorteil, als dass wir eine andere Zielgruppe haben als der Markt, weil sich für diese Kunden heute niemand interessiert und die, wird gesagt, im Regen stehen gelassen werden. Das führt dazu, dass zum Beispiel auch Dinge wie Facebook, also eher B2C-Performance-Kanäle, bei uns erstaunlich gut funktionieren. Wo man sich denkt, irgendjemand meinte mal, ich sehe den Use Case irgendwie nicht. Wie dann jemand in seiner Autowerkstatt, er ist dann auf dem Tablet, auf Facebook und dann sieht er was über Factoring und dann nutzt er euch oder wie. Ich sehe irgendwie nicht, wie das funktionieren soll. Das tut es aber tatsächlich, weil eben gerade für Freelancer und Personenbetriebe Das ist nicht unwahrscheinlich, dass der in dem einen Tab irgendwie gerade das Webdesign für Zalando malt und in dem anderen Tab auf Facebook ist und in dem Moment sieht, ah ja, sowas gibt es also.
Joel Kaczmarek: Wie ist es mit Resellern? Also macht es für euch Sinn, zum Beispiel mit Banken zu partnern, dass die genau sagen, du bist für uns, irgendwie in unser Schema, in unser Raster passt du nicht, aber wir haben da einen Partner zum Beispiel oder da gibt es dann ja tatsächlich noch mehrere. Macht sowas Sinn für euch?
Sebastian Diemer: Also das ist eine gute Frage, weil das zeigt auch so ein bisschen die unterschiedlichen Segmente auf. Wettbewerber von uns machen das, weil sie es können. Und was meine ich mit, weil sie es können? Unser Scoring ist tatsächlich automatisiert. und ich glaube, jeder sagt, sein Scoring ist automatisiert, bis man einmal reinbohrt und dann sieht irgendwie der Big Data AI Algorithmus heißt irgendwie Werner und ist Werkstudent. Und bei uns ist es tatsächlich automatisiert. und das heißt, dass wenn wir zum Beispiel mit einem Maklernetzwerk arbeiten, wo Leute eben in Betriebe gehen und sagen, hier Herr Fischer, wussten Sie schon, da gibt es jetzt was Neues, bla bla bla, da bräuchte ich mal Ihre Schufa. Wir könnten diese Offline-Daten, diese traditionellen Dinge wie Kreditbüro etc., darauf basiert bei uns nicht die Entscheidung, sondern wir brauchen schon Online-Datenpunkte, wir brauchen auch online diesen Antrag. Und das heißt, Resellen würde dann funktionieren, wenn man sagt, das findet in einem Online-Kontext statt. Also wenn jetzt eine Bank sagt, eigentlich können wir unseren Kunden ja nicht wirklich viel bieten, außer einem Girokonto und einer Prepaid-Kreditkarte, bis der irgendwann 15 Millionen Umsatz macht und dann kann da unsere Kreditabteilung drauf losgelassen werden. Da würde es natürlich sehr viel Sinn machen, dass man das integriert oder vielleicht um da auch ein, ich glaube, das ist auch noch nicht public, aber wir haben zum Beispiel eine Kooperation mit Holvi, wo Leute
Joel Kaczmarek: Finnische Bank, ne?
Sebastian Diemer: Genau, also das ist eine Bank für kleine Unternehmen und Selbstständige und eben auch Rechnungserstellung ermöglichen, was perfekt ist für uns. Was jetzt für uns weniger funktionieren würde, ist, dass irgendwie Offline-Vertrieb oder Offline-Banken irgendwie Papiere einsammeln und uns die zum manuellen Scoring übergeben. Also das geht bei Modellen wie Funding Circle oder eben Risikomodellen, die noch auf traditionellen Scoring basieren. Aber bei automatisiertem Machine Learning geht das nicht.
Joel Kaczmarek: Ja, ich verstehe die Schneise. Also ihr seid, glaube ich, deutlich eher ein Holvi-Case als jetzt irgendwie Bärenberg Bank, die dann hier, macht total Sinn. Hast du generell so, beziehungsweise du hast ja gesagt, du machst auch Post, also das könnte auch ein Thema sein. Seid ihr dann einer der Kandidaten, wenn man sich ins Handelsregister einträgt, dass man dann Post von dem kriegt? oder wie muss man das vorstellen?
Sebastian Diemer: Das ist eine lustige Idee. Also hatten wir auch mal gebrainstormt, diese Handelsregister-Crawler und dann Info-Flyer rausschicken. Ich weiß nicht, wie gut das funktioniert. Also ich bin ja immer wieder erstaunt, wenn ich eine GmbH gründe, was bei mir mittlerweile irgendwie häufiger vorkommt, dann wird man ja wirklich erschlagen mit unseriösem Quark. So, wo du dich für 700 Euro in so einem Pseudo-offiziell aussehenden Brief in irgendeinem Schmodder eintragen lassen kannst. Oder auch alles mögliche. Hier ist Ihr Google-Gutschein und hier ist irgendwie 50 Euro Kaffeemaschinen-Voucher, ich glaube, da würde man auch so ein bisschen untergehen in diesem Schwall von Leuten, die die gleiche Idee haben.
Joel Kaczmarek: Aber trotzdem, macht ihr Mailing, beziehungsweise vielleicht anders gefragt, wie sieht denn euer Vertrieb aus? Macht ihr das alles in-house? Sitzen da Leute wirklich am Telefon? Wirst du irgendwie ein Callcenter aufbauen? Werden da Pakete, würde ich schon sagen, werden da Briefe rausgeschickt? Wie musst du dir das vorstellen?
Sebastian Diemer: Also es ist tatsächlich erstaunlich nah am B2C-Marketing. Also die Kanäle, die wir bespielen, sind vor allem Online- und Partnerships und dann hier und da mal kleinere Offline-Geschichten. Direct Sales machen wir noch nicht, schlichtweg weil wir weil das Volumen aktuell unsere Erwartungen deutlich übertrifft. Also wir haben in Polen jetzt nach zweieinhalb Monaten laufen wir auf einem siebenstelligen Kreditvolumen hinaus, was ja, wie gesagt, sich sehr schnell dreht. Also es sind ja ein bis drei Monatskredite, das heißt aufs Jahr hochgerechnet, schon ziemlich beeindruckend. Und wir wollen jetzt auch gar nicht mehr machen in den ersten Monaten, weil wir erstmal die ersten Kohorten dann zur Kalibrierung von dem Algorithmus nutzen möchten. Das heißt, es geht jetzt aktuell bei uns noch nicht so sehr darum zu sagen, den letzten Kunden, den wir über Online-Kanäle nicht erreichen, den auch noch mit reinzuholen, sondern das kommt irgendwann später, wenn quasi alle anderen Kanäle ausgeschöpft sind.
Joel Kaczmarek: Letzter Themenkomplex für mich, so ein bisschen Investoren. Lass uns da doch nochmal was zu sagen. Du hast ja schon ein paar Namen genannt. Also du hast gesagt, irgendwie den Pavel von Point9 Capital habt ihr an Bord, Gabriel Matuschka von FlyVentures und die in Capital und Red Alpine waren sonst noch so Namen, die mir aufgefallen sind. Wohin hast du die ausgesucht? Gab es da eine Strategie?
Sebastian Diemer: Also ich bin ein bisschen ein gebranntmarktes Kind, weil bei Creditec, was so unsere, und ich glaube, das machen die meisten jungen Gründer so, geht man danach, wer zahlt mir die höchste Bewertung? Und dann lässt man sich auch so ein bisschen von Brands blenden. Und was der richtige Ansatz ist, raise so wenig Kapital wie möglich, so selten auch wie möglich. Also tauch einmal auf, hol dir die richtigen Leute rein, tauch unter und nicht irgendwie so permanent so im halben Fundraising-Modus. Und deswegen war mir sehr wichtig, dass ich mit den richtigen Leuten das Fundament für diese Firma baue. Und alle Leute, die in der ersten Runde dabei waren, kannte ich schon aus vorherigen Investments. Zum Beispiel waren da auch ein paar dabei, die gesagt haben, egal was du danach machst, wollen wir dabei sein. Und ob du irgendwie vegane Erdnussbutter verkaufst oder Rechnungen finanzierst oder so, ist uns eigentlich wurscht, weil wenn du das fulltime machst, glauben wir daran. Das war dann sozusagen der erste Stamm. Dann auch einfach persönliche Freunde wie Alexander Robner-Müller, also ein Mitgründer von Creditec. Und ihr CEO, Heiko Huberts, Michael Brehm, das sind einfach sozusagen ein eingespieltes Team, was man da noch gerne mit reinnimmt. Bei den neueren Investoren, also zum Beispiel Red Alpine und DN, bin ich tatsächlich sehr viel, also ich schaue sehr viel weniger auf den Brand des VCs, sondern wirklich auf den Partner, also derjenige, mit dem du zusammenarbeitest. Wie verhält der sich? Und nicht ist irgendwie der VC, hat der einen guten Brand, weil der vor sieben Jahren mal bei Blablub dabei war, die ein IPO gemacht haben. Das ist ja völlig irrelevant. Da ist es auch so, dass ich dann Reference Calls gemacht habe auf diese Partner und Leute gefragt habe, bei denen die investiert sind, wie verhält der sich denn, wenn es nicht läuft? Weil jeder Investor ist dein bester Freund, irgendwie super lieb zu dir. So lange, as long as you're killing it. Die Frage ist, was ist denn, wenn es mal nicht läuft? So kommt er dann an und sagt, ich glaube, wir brauchen einen neuen CEO oder ich habe hier so einen lustigen Convertible für dich, der für dich, der dir deine Firma abnimmt oder irgendwie ein krass verzinstes Darlehen. Oder ist das jemand, der sagt, wow, da haben wir uns jetzt irgendwie zusammen reingeschmissen und jetzt löffeln wir uns zusammen wieder raus. Was brauchst du denn von mir? Das waren für mich die entscheidenden Punkte, die dazu geführt haben, dass ich dann die End Capital und Red Alpine in der nächsten Runde mit reingenommen habe. La Familia ist, glaube ich, so ein bisschen lustiger Case, weil ich La Familia ging bei uns rein und da habe ich mich näher damit beschäftigt und habe gesagt, ich will auch bei euch rein. Also das heißt, ich bin sozusagen LP bei La Familia, die wiederum bei uns investiert sind. Ja, bin da bisher sehr zufrieden.
Joel Kaczmarek: Wie ist es mit Fly Ventures? Kannst du da was zu sagen? Die sind ja irgendwie so kleine, feine Manufaktur, aber irgendwie bei vielen anscheinend hoch angesehen.
Sebastian Diemer: Sehr, sehr gut. Also tatsächlich, da gefallen mir ein paar Dinge, die ich auch so bei noch keinem anderen VC gesehen habe. Also das erste ist, dass Gabriel den Anspruch hat, und er hat ja auch als Partner Stefan mit drin, der Google Maps aufgebaut hat, was schon mal sehr ungewöhnlich ist für einen VC. Also jemand, der Google Maps aufgebaut hat versus jemand, der irgendwie bei Rothschild die Assets gemanagt hat. die haben den Ansatz, nicht nur in innovative Modelle zu investieren und damit die Welt zu verändern, sondern auch die Art und Weise, wie VCs ihr Geschäftsmodell betreiben, zu verändern. Also eigentlich ist das ja bizarr, dass man sagt, ein VC investiert in die innovativsten Algorithmen, Robotics, whatever, aber es läuft alles eigentlich noch so ab, man trifft sich und dann telefoniert man mal und Ein erfolgreicher VC zeichnet sich dadurch aus, im Selbstverständnis, dass er sagt, ich erkenne Muster, weil ich habe schon in so viele Firmen investiert und ich mache das seit 30 Jahren. Ich weiß, was ein Unternehmen erfolgreich macht anhand von Indikatoren oder ich weiß in gewissen Situationen, was zu tun ist, was eigentlich nichts anderes ist als Pattern Recognition. Und das bedeutet, du kannst eigentlich ein VC-Modell auch sozusagen technologisieren. Also jetzt mal als Beispiel, wenn du sagst, jede Portfolio Company gibt dir perfekten Einblick in die Bank Accounts, die HR-Datenbank, die Technik etc. Und dann versuchst du zu verstehen, was waren denn Patterns für Unternehmen, die erfolgreich wurden und nicht erfolgreich wurden. Oder das fängt auch im Sourcing schon an. Das war so meine Überzeugung davon, wie ich ein VC aufbauen würde, wenn ich ein Aufbauen jemals würde, was glaube ich nicht passieren wird. Aber unabhängig davon hat mir das sehr imponiert, dass Gabriel auch diesen Ansatz hat, VC an sich zu revolutionieren. Dann, was glaube ich sehr gut ist, deswegen habe ich Point9 und Fly mit reingenommen, unabhängig davon, dass ich eben von den Leuten sehr viel halte, dass sie fokussiert sind auf Frühphasen. Also wenn du jetzt irgendwie 500.000 Euro raist aus einem 300-Millionen-Fonds, dann ist das klar, dass der Partner irgendwie nicht den Großteil seiner Zeit auf dir als Investment irgendwie einbringen wird. Und das heißt auch, dass du wahrscheinlich jetzt nicht beim LP-Meeting bist oder was auch immer. Wenn aber jemand aus einem Early-Stage-fokussierten Fonds investiert, dann hat das im Fonds so eine Exposure, dass der jeweilige Partner dann auch die Zeit aufwenden kann, sich mit dir zu beschäftigen. Und der dritte Punkt, und das ist wahrscheinlich sogar der wichtigste, ist, dass Gabriel und auch Pavel sind so ein bisschen Investoren der neuen Schule. Also du hast ja so diese alte Garde, die so tickt und das ging ja bei Creditec irgendwann so auf die Klöten, die halt sagen, also wir fordern einen Businessplan ein und dann checken wir jeden Monat, ob dieser Businessplan erfüllt wird. Und wenn ja, dann sagen wir gut und wenn nicht, dann fangen wir an Stress zu machen. Und es geht gar nicht mehr um Inputfaktoren. Es geht nicht um Team, Produkt und Länder, sondern es geht nur darum, warum jetzt die EBIT-Marge irgendwie hier Gamma und nicht Delta ist. Die beiden vertreten eben die Philosophie, dass VCs da sind, um Gründer zu empowern. Also die Frage ist, die mir Gabriel und Pavel am meisten stellen, wie können wir dir helfen? Was können wir tun? Und nicht, ja, also diese Zahl hier, die sieht aber irgendwie anders aus als in dem Businessplan von vor einem Jahr. Weil das ist so ungefähr in jedem Startup der Fall, das ich jemals gesehen habe. Und das, glaube ich, ist ein ganz, ganz wichtiger Punkt, dass du dann auch als Gründer sozusagen deine Investoren als Enabler siehst und nicht als irgendwie Kontrollinstanz, die eigentlich nur darauf wartet, dass du irgendwo einen Fehler machst.
Joel Kaczmarek: Ich muss gerade daran denken, wusstest du, dass ich mit Gabriel in meinem Büro sogar geteilt habe eine Zeit lang?
Sebastian Diemer: Nee, das gehört dann Woher auch, ja? Hat er sich denn gut genommen?
Joel Kaczmarek: Ganz frühe Gründerszene-Phase, da waren wir noch ganz klein, gerade im Wachstum. Und er hatte gerade sein Shopping-Club für Reisen verkauft an Brands for Friends und hatte noch ein tierisch großes Büro, wo der Magnet-Club war früher. Und da saß man im Prinzip in einem Büro und der ist ja staubtrocken vom Humor. Und es gab dann aber so Tage, da bin ich dann in mein Büro gekommen und habe auf meinem Sessel so einen Labello-Stift wie so einen Anal-Plug irgendwie festgeklebt gehabt.
Sebastian Diemer: Also
Joel Kaczmarek: Er wird mich erschlagen dafür, dass ich sowas öffentlich erzähle, aber er hat echt Humor.
Sebastian Diemer: Aber das ist auch ein wichtiger Punkt, also jetzt nicht der Analplug, sondern dass der Gabriel mal eine Firma gegründet hat, weil das merke ich auch, es ist was völlig anderes, ob du mal dir die Hände schmutzig gemacht hast und Staub gefressen hast in so einem Startup oder ob du halt immer im Elfenbeintower saßt. und irgendwie Geld ausgegeben hast. Also, dass du selber mal in so Momenten warst, wow, das Konto ist leer und hier wollen Leute irgendwie ihre Familie ernähren. Oder einfach nicht zu wissen, was macht man jetzt hier? und dann rödelst du und dann schaffst du es doch irgendwann. Ich glaube, das führt auch dazu, dass du viel mehr Empathie hast als VC und dich in den Gründer reinversetzen kannst, als wenn du, wie gesagt, immer nur der Asset Manager warst. Aber die Story interessiert mich mit dem Analplug. Was habt ihr da mitgemacht?
Joel Kaczmarek: Ich habe mir mal eine Geschichte erzählen lassen, dass du deinen Investoren, du warst auf Mallorca, um ein Uhr nachts eine E-Mail geschickt hast mit irgendwie, das ist die Situation, was wollen wir tun, was denkt ihr? Und irgendwie um drei Uhr oder so, also zwei Stunden später mit der Nacht hast du gesagt, ihr Wichser, was ist hier los? Bin ich der Einzige, der an die Firma denkt? Könnt ihr mal arbeiten, ihr Wichser, ihr ist voll in Säcke. Ist das so der Habitus, den du immer noch hast? Stimmt das?
Sebastian Diemer: Also natürlich wird man ruhiger, ja, über die Zeit. Ich glaube, Creditec ganz am Anfang war, also wir waren wirklich motiviert bis in die letzte Pore. Und das wird dann auch, irgendwann wirst du schon auch so ein bisschen teilweise
Joel Kaczmarek: Man schleift sich ab.
Sebastian Diemer: Ja, wo ich mich auch heute frage, also wenn mir das jemand schicken würde, ja, würde ich auch denken irgendwie, was geht denn bei dir ab?
Joel Kaczmarek: Das Witzige ist ja, das fanden die ja teilweise eher sogar geil.
Sebastian Diemer: Ja, das fanden die. Ich glaube, Investoren finden das generell ungewohnt, wenn du wenn du quasi von ihnen was einforderst. Also wenn du am Ende vom Board Meeting sagst, so liebe Investoren, hier sind die Hausaufgabenlisten bis zum nächsten Board Meeting, dann ist das ungewohnt. Aber ich meine ganz im Ernst, Investoren
Joel Kaczmarek: Dafür sind sie da eigentlich.
Sebastian Diemer: Genau, pitchen sich ja gerne als Smart Capital. und nein, nein, nein, das Geld ist nur Commodity und das ist ja nicht das, was wir hier einbringen. So, und natürlich fordert man das dann auch ein. Also ich habe sogar mal gesagt, eigentlich müsste es bei Investoren auch Investing geben. Ja, weil du sagst ja, Kapital fließt heute und der Investor sagt, weil deine Arbeitsleistung erst in den nächsten vier Jahren kommt, muss ich dich westen.
Joel Kaczmarek: Habe ich lustig, also gestern darüber geredet und ob man nicht dieses Smart Money verspricht.
Sebastian Diemer: Genau, das kannst du ja auch westen, dass du sagst, ach so, es geht gar nicht ums Geld, sondern um deine Arbeitsleistung. Ja, kein Problem, dann westen wir die über vier Jahre und entweder es kommt oder halt nicht. Habe ich jetzt so noch nie gesehen, aber konsequent zu Ende gedacht, müsste es eigentlich so sein. Ansonsten bei Kreditech, also ich glaube, ich bin jetzt nicht der Typ, der irgendwelche Hippie-Startups aufbaut. Wo man sagt so, 8, 12, 30, schön, dass du da bist. Weil ich jetzt auch ehrlicherweise nicht vor 10 oder 30 im Office bin. Aber was ich sagen will, ich habe schon einen Anspruch an den Erfolg. Also ich sage hier immer, das ist ja halt FC Bayern und wir spielen hier Champions League. Und das heißt, es gibt eine Menge schöne Sachen. Irgendwie anständige Gehälter, Homeoffice. Wenn jemand jetzt irgendwie eine Woche aus dem Ausland arbeiten will, so alles kein Problem. Aber wichtig ist, dass der Output stimmt. So, wenn jetzt jemand irgendwie, egal ob der hier sitzt oder nicht, aber einfach irgendwie immer seine Sachen nicht hinbekommt, dann bin ich da schon jemand, glaube ich, der dann auch mal auf den Tisch schaut und sagt, so geht es halt nicht. Das hat sich aber auch irgendwie deutlich reduziert. Also ich sehe mich so ein bisschen, ich sehe meine Rolle als CEO und Gründer eigentlich so, ich empower Leute, ich gebe denen alles, was sie brauchen, um sich und das Unternehmen weiterzuentwickeln. Aber ich habe dann auch eine Erwartungshaltung, dass man damit auch nicht mit dieser langen Leine und viel Freiheit, dass man damit auch nicht quasi fahrlässig umgeht. Und ich hatte bei Creditec mal so einen lustigen Moment. Also es war so ein Skype-Chat unter quasi Managern, die alles C-Level und SVP, wie man so schön sagt. Also ganz hohe Tiere in diesem 20-Mann-Startup. Ich glaube 70 oder so waren wir da. So, da habe ich montags eine Aufgabe rausgegeben und meinte, bis Freitag brauchen wir die. Es ging mir auch wirklich um eine wichtige Deadline. Und wer Fragen hat, bitte bis morgen Abend stellen. Ansonsten gehe ich davon aus, dass es läuft. Und dann frage ich irgendwie Donnerstag nach, wie weit seid ihr denn? Und dann meinte der eine so, ja, das wird auf keinen Fall was bis morgen, weil da gibt es ja auch noch diverse Rückfragen. Und dann, wie gesagt, war so ein Skype-Chat. Da meinte ich halt so, are you fucking kidding me? Also willst du mich irgendwie verkaspern? Ich habe doch irgendwie dreimal gesagt, wenn es Rückfragen gibt, dann stellt mir die bis morgen. Das ging ja dann auch so, hat eine wilde Reise genommen, wurde dann auf Gründerszene gepostet. Da warst du, glaube ich, schon nicht mehr da. Nein, da war ich schon weggekommen.
Joel Kaczmarek: Ich mache so eine gemeinsame
Sebastian Diemer: Genau, da waren ja die seriösen Tage vorbei. Nein, Spaß. Und dann wurde daraus ein bisschen so eine Story hochgekocht. Die wurde dann auch lustigerweise immer und immer wieder rezitiert. Wo dann selbst in den USA irgendwie dann Leute mal nach zwei Jahren Are you fucking kidding me, Guy? Also ist das jetzt so spannend? oder ist das irgendwie so wie Sebastian Diemers Wohnung auf Gründerszene, halt so irgendwie nettes Boulevard, aber jetzt weiß ich nicht, ob Also die Leute aus der Investmentbank und Anwaltskanzleien haben mir danach geschrieben und sich kaputt gelacht und meinten so, mein Chef droht mir die Eier abzuschneiden, wenn das bis morgen nicht fertig ist. Und bei euch gibt es einen Presseartikel, wo man irgendwie einen anderen C-Level-Manager fragt, ob er einen verkackeiern will.
Joel Kaczmarek: Wobei ich schon gehört habe, dass du zwischen Genie und Wahnsinn schon ein bisschen auch changiert hast. Also ich glaube dir, dass das immer Die Suppe wird manchmal heißer gekocht als gegessen, aber ich habe auch mal gehört, du würdest einen Evil Incubator gründen. Ist das
Sebastian Diemer: Ich meine, Genie und Wahnsinn unterscheidet ja nur der Erfolg. Also Steve Jobs, du kannst jetzt sagen, Er hat voll einen am Sender, aber irgendwie uns da für allen das Leben ein bisschen einfacher gemacht. So was aber sich eigentlich nur durch den Erfolg rechtfertigt. Ich glaube, da bin ich dann doch deutlich spießiger.
Joel Kaczmarek: Stimmt das eigentlich, dass du mal so einen Evil Incubator gründen wolltest?
Sebastian Diemer: Nee, wir hatten mal, das war noch mit Alex, das war noch vor Creditec-Zeiten, wo wir mal, die Idee war mal, wir sind die Reeperbahn langgelaufen. Und haben uns gesagt, warum digitalisiert das eigentlich keiner? Ja, so alles, was hier stattfindet, so die Innenstadt ist digitalisiert, der Einzelhandel, so der Schuhladen, irgendwie der Parfümladen. Aber die Reeperbahn ist irgendwie noch erstaunlich offline. Das war aber auch eher, also auch eher Klamauk als jetzt irgendwie ein Pitch Deck, was wir da erstellt haben. Aber also erstaunlich, was du alles hörst. Ja, du hast ja auch anscheinend deine Ohren überall. Haben wir aber tatsächlich dann nicht, haben wir dann nicht umgesetzt. Also da gibt es noch Luft für jemanden.
Joel Kaczmarek: Naja, sagen wir mal, was ich noch als überwiegende oder übergreifende Frage so ein bisschen habe, ist, wie fokussiert bist du denn auf Finiata gerade? Ich habe manchmal so ein bisschen die Problematik, dass man das Gefühl hat, du machst irgendwie 15 Sachen gleichzeitig, was irgendwie immer schlecht eigentlich ist aus Signaling-Sicht. Ist das jetzt dein Vollfokus?
Sebastian Diemer: Genau, also ich mache Finiata Fulltime. Ich habe nebenbei zum einen ein paar Investments getätigt und dann auch ein paar Unternehmen operativ gegründet, also zum Beispiel Digitalkasten. Das ist ein Unternehmen, das habe ich gegründet mit dem Ziel, Post zu digitalisieren. Also dass man sagt, alles ist irgendwie digital außer Briefpost. Und das kann man doch eigentlich auch per E-Mail, Smartphone rund um die Welt lesen und dann in Zukunft auch online bezahlen, antworten, Abos kündigen etc. Und natürlich mache ich für solche Investments bzw. Inkubationen dann auch entsprechend Werbung. Also irgendwie, ich habe halt auf Facebook und LinkedIn und so mittlerweile irgendwie ein paar Leute, die das vielleicht interessiert, was man da postet. Und dann mache ich Werbung für sowas. Also nach außen erweckt das natürlich den Eindruck so, was macht denn der Typ jetzt eigentlich? Die Fokus hat, ne? Genau. Ich sitze aber tatsächlich Montag bis Freitag hier, Bei Finiata und für Finiata. Also natürlich gehen da auch diverse Stunden mal in irgendwie ein Investment. Aber ich mache das hier Fulltime und wie gesagt, werbe aber auch für meine anderen Investments, was quite frankly auch irrational wäre, das nicht zu tun.
Joel Kaczmarek: Aber sind das Investments, die auf dein jetziges Thema einzahlen? Also könnte irgendwie so ein digitaler Briefkasten irgendwann mal einen Rechnungsbezug haben oder ist das eher noch fern?
Sebastian Diemer: Ne, ich sehe das, also wenn es da mal eine thematische Überschneidung gibt, dann wäre das eher Zufall. Wäre aber nicht so bei Setup. Also es ist so, dass ich gerne mit jungen, heißen Unternehmern Unternehmen gründe, die aber gar nicht so sehr auf VC-Cases abzielen. Also ich finde mittlerweile aus Investorsicht und auch von den Economics Modelle spannender, wo du nicht ein Jahr und eine Million investieren musst, um zu gucken, ob irgendwas funktioniert, sondern wo du mit ein paar hundert oder tausend Euro ausprobieren kannst, Gibt es einen Markt dafür? Also zum Beispiel Digitalkasten haben wir einen Prototypen entwickelt für, was hat der gekostet? Ich glaube 10.000 oder 12.000 Euro. Haben den an den Markt geschmissen und einfach mal geguckt, so nutzt das jemand. Dann haben wir gesehen, ja, funktioniert. Dann wieder das Beispiel aufgegriffen, eben das Ganze nochmal auf Betonfundament gebaut. Das sind eher Dinge, die ich spannend finde, eher Nischen, wo man schnell profitable Unternehmen aufbauen kann mit kleinen Teams ohne Venture Capital und Digitalkasten ist eben eins davon. Ob es irgendwann mal mit bezahlt eine Kooperation gibt, Ist wahrscheinlich gar nicht so unwahrscheinlich, aber war jetzt nicht der Kerngedanke des Ganzen.
Joel Kaczmarek: Allerletzte Frage, kleines Detail. Wenn ich mir euren Cap-Table so ansehe, habe ich festgestellt, dass du irgendwie als einziges Teammitglied da irgendwie Shares hältst. Hast du das irgendwie treuhänderisch auch für andere? Weil ich finde, sowas ist immer wichtig, dass man irgendwann eine starke zweite Ebene baut und die sauber inzentiviert. Also wenn ich ein VC wäre, würde ich so auf deinen Cap-Table gucken. Sehe ich da nur was nicht oder kommt das noch?
Sebastian Diemer: Genau so ist es. Also die anderen sind gepoolt unter mir und wir haben auch, ich glaube, den größten ESOP, also virtuelle Anteile Pool, den ich je in einem Unternehmen gesehen habe. Also wir haben ein Drittel des Unternehmens. Nach der letzten Runde ist ein ESOP Pool. Und der taucht dir in so einem Handelsregister-Cap-Table nicht auf, weil das kommt ja zu dem Ordinary-Share-Capital noch oben drauf. Das war mir sehr wichtig, weil bei Creditec hatten wir am Anfang so einen mittleren einstelligen Prozentbereich in ESOPool und dann gemerkt, das reicht ja hinten und vorne nicht, weil du brauchst ja irgendwann Leute, also die guten Leute, die zu dir kommen, die kommen ja nicht, weil du ihnen irgendwie 100.000 Euro Jahresgehalt zahlen würdest, was, glaube ich, auch niemand macht. von einer Series B, sondern die kommen ja für, weil sie ans Unternehmen glauben und daran im Erfolgsfall partizipieren wollen. Und deswegen, wie gesagt, einfach viele Learnings mitgenommen und ein Learning war riesengroßen ESOP-Pool und die anderen Gründer sind unterbeteiligt, aber es war schon so, dass ich das Unternehmen damals gestartet habe, dann kam kurze Zeit später Kenan Ja, das heißt, die Firma wurde schon finanziert, quasi bevor es überhaupt irgendwas gab. Also es war tatsächlich so, ich mache da was im Factoring, cool, da wollen wir dabei sein.
Joel Kaczmarek: Herr Vormann, ich danke dir ganz herzlich, dass du dir so viel Zeit genommen hast. Das ist ja wirklich nicht selbstverständlich. Ich fühle mich geehrt. Und ich glaube, wir konnten auch mal hier und da deinen Ruf wieder ein bisschen, dass du ja richtig was in der Birne hast. Also ganz ehrlich, Spaß beiseite, wenn man sich mit dir unterhält. Ich finde, das öffentliche Bild von dir reflektiert nicht immer das, was du an Fähigkeiten hast. Das darf man dir mal als Kompliment aussprechen.
Sebastian Diemer: Vielen Dank, mein Lieber.
Joel Kaczmarek: In diesem Sinne, over and out.