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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Deep Dive Podcast von digitalkompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und heute geht es mal wieder um das Thema Digitalisierung von großen, großen, großen Unternehmen. Und da habe ich heute niemand Geringeres vor mir sitzen als die Signal Iduna und da ganz oben eingeflogen. Aber ich beschreibe mal kurz für den Zuhörer. Vor mir sitzt ein Mann in weißem T-Shirt und Jeansjacke und er arbeitet aber für einen der größten Versicherungskonzerne unseres Landes. Also erstmal herzlich willkommen und bestaune ich ja erstmal. Finde ich ja mal positiv. Also ihr habt ja Startup Spirit offensichtlich.
Johannes Rath: Wie machst du das an der Jeansjacke fest?
Joel Kaczmarek: Ja, also klar, wie man sich kleidet. Zieh dich an für den Job, den du haben willst, nicht den du hast.
Johannes Rath: Ja, genau.
Joel Kaczmarek: Aber stell dich doch mal ganz kurz vor und beschreib, was du genau tust bei euch.
Johannes Rath: Ja, ich bin Johannes Rath, bin CDO der Signani Luna Gruppe, bin dort verantwortlich für unsere Konzernstrategie, für die Digitalisierung in unserem Kerngeschäft und darüber hinaus auch für unsere Signits-Initiative und Arm und Anker zu unserer Venture Capital Einheit, Signits Venture Capital, genau.
Joel Kaczmarek: So, und jetzt musst du uns mal ein bisschen erzählen, was eigentlich so dein persönlicher Background ist. Ich habe ja mir ja schon Reißergeschichten erzählen lassen, dass du auch richtig Versicherungen verkauft hast, ja?
Johannes Rath: Das stimmt, das stimmt. Das ist mein persönlicher Background, ja. Seitdem ich 18 Jahre alt bin in dieser Industrie, in der Versicherungsindustrie, habe dort selber mal Versicherungskaufmann gelernt, habe dann während dieser Ausbildung festgestellt, dass man ganz gut damit auch so sein Ausbildungsgehalt optimieren kann und habe also selber angefangen, Versicherungen zu verkaufen. Habe dann relativ schnell festgestellt, dass das ganz gut funktioniert und habe dann einen großen Kunden, damals gewonnen und darüber nachgedacht, Mensch, wie müsste eigentlich eine Versicherung für junge Menschen aussehen, weil ich fand die Branche interessant. Das ist jetzt 17 Jahre her, ich fand die Branche interessant, aber das waren oftmals Menschen um mich herum, wo ich dachte, naja, also irgendwie motivieren die andere Dinge als mich und habe dann darüber nachgedacht, wie müsste eigentlich eine Versicherung für junge Leute aussehen, habe parallel European Business studiert, immer Vollzeit gearbeitet und dann ist die Idee entstanden, eine Versicherung für junge Leute zu gründen. Das, was man vielleicht manchmal heute als Introtech bezeichnen würde. Und wir haben dann Siox gegründet als Corporate Startup der Signal Iduna Gruppe. Und ja, so bin ich in dieses ganze Thema Startup und Corporate aus so einer Vertriebsrolle reingeraten, würde ich mal sagen. Und daraus haben sich dann viele Dinge einfach ein Stück weit entwickelt. Ich habe einfach viel Erfahrung in den letzten 17 Jahren gesammelt.
Joel Kaczmarek: War das erfolgreich, was du da gemacht hast, beziehungsweise wie erfolgreich war das?
Johannes Rath: Wieso viel ist in diesem Umfeld unterschiedlich erfolgreich? Ich glaube, die Idee war damals wahnsinnig weit vorausgedacht. Es war die Zeit, als das iPad gelauncht wurde von Steve Jobs, als Facebook halbwegs relevant wurde. Und ich gedacht habe, naja, wir müssen Versicherungen vielleicht anfangen in Paketen zu verkaufen, so à la Base, ML und XL verkaufen. 50, 65, 75 Euro, einfach verständlich für junge Menschen. Es macht vielleicht Sinn, das omnikanal zu machen, online und offline und nicht nur provisionsgetrieben, sondern mit Festangestellten. Eine gewagte These, weil wir das Thema spartenübergreifende Produkte damals so noch gar nicht gedacht haben. Und dann hat es an manchen Stellen natürlich wahnsinnig gestruggelt, wenn man aus dem Nichts so ein Team aufbaut und dann auf einmal sich in so einem Konzern wiederfindet, wo ich sozusagen durch die Drehtür gegangen bin, aus einer Vertriebssituation herauskam, da auch halbwegs erfolgreich war, würde ich mal sagen, dann kommt man in so einen Konzern rein und kriegt die Frage gestellt, was was willst du denn jetzt hier damit? Das war meine allererste Transformationserfahrung und heute bin ich wahnsinnig dankbar darüber, weil wir dann so lange an diesem Geschäftsmodell rumgearbeitet haben und auch rumgepivotet haben, dass es hinten raus dann auch wirklich erfolgreich war. und SIOX lebt heute noch und ist am Markt und hat 150 junge Vertriebler, die SIOX-Produkte und Lösungen verkaufen, ist omnikanalfähig. Wir haben einer der ersten Telematik-Tarife in Deutschland entwickelt, AppDrive, wo man sozusagen anhand von G-Werten das Fahrverhalten messen und daraufhin sozusagen ein Payback bezahlen. Heute etwas, was irgendwie halbwegs normal ist oder was salonfähig ist, was viele Versicherer im Programm haben. Ich glaube, das ist heute, keine Ahnung, fünf Jahre her, vier Jahre her. Damals riesiger Aufschrei, aber es hat Spaß gemacht, immer ein bisschen Speerspitze auch dieser Bewegung zu sein.
Joel Kaczmarek: Um mal den Hörern ein kleines Gefühl zu geben, also so die letzten halbwegs bekannten Zahlen von euch sind 10.600 Mitarbeiter, 5,63 Milliarden Euro Umsatz. Euch gibt es seit 1999, ja damals entstanden aus einem Zusammenschluss. So, jetzt bist du CDO eines solchen Unternehmens mit irgendwie 10.000 Angestellten. Was tut man da eigentlich genau? Also wie ist vielleicht so deine Arbeit gestaltet und welche Ziele wurden dir eigentlich gesetzt?
Johannes Rath: Wie ist meine Arbeit gestaltet? Einer der wichtigen Themen ist, dass wir unsere neue Konzernstrategie Vision 2023 ins Leben gerufen haben, weil als ich CDO geworden bin, war einer der wichtigen Themen dort auch mit unserem Vorstandsvorsitzenden Leitermann zusammen, wo ich gesagt habe, ich will keine Digitalstrategie entwickeln. Sondern ich glaube, ein CDO hat dann einen Impact, wenn es eine Gesamtkonzernstrategie gibt, die eine andere digitale Aufladung hat, die einen anderen digitalen Kern hat. Und ich bin eigentlich ganz happy, dass wir dann vor zwei Jahren angefangen haben, eine gesamtneue Konzernstrategie zu entwickeln, die im Kern digital ist. Und wir etwas vorweggeschickt haben als Schnellbulls mit Signals, ohne große Beraterschlachten oder sonstige Themen, wo wir einfach die Ärmel hochgekrempelt haben und gesagt haben, hey, wir wollen in diesem Startup-Ökosystem anders Fuß fassen. Da haben mir meine Erfahrungen mit SIOX geholfen und wir haben ein paar Themen rund um Signals, die Open Studios und Venture Capital aufgesetzt. und um es auf den Punkt zu bringen. Wie sieht mein Arbeitsalltag aus? Gerade viel im Kerngeschäft, weil wir in Berlin und rund um Signals Gott sei Dank wirklich tolle Leute haben, die dieses Thema heute treiben und mich Gott sei Dank nicht mehr so viel brauchen. Aber ansonsten ist es oft ein Stretch zwischen wahnsinnig vielen unterschiedlichen Themen, zwischen vielen Standorten Und vielen Herausforderungen.
Joel Kaczmarek: Und wie muss man sich jetzt als Normalsterblicher die Entstehung von so einer Konzernstrategie vorstellen? Also das Erste, was wir lernen ist, du bist jetzt offensichtlich kein ganz zahnloser Tiger, was ja bei manchen anderen Konzernen passiert. Da wird ein CDO eingesetzt, hat aber gar nicht die Befugnisse, ist nicht accountable, ist nicht measurable, nix. dann ist das irgendwie auch so latent sinnfrei, möchte man ein bisschen zynisch behaupten. Das ist bei euch nicht so. Also du kannst auch durchaus was bewegen und prägst sozusagen das ganze Unternehmen mit. Aber wie muss ich mir das vorstellen, wenn so eine Konzernstrategie entsteht? Wie geht ihr da vor? Was setzt ihr euch für Prämissen? Was du gerade gesagt hast, 2023 so als so ein Markerjahr. Was habt ihr euch da überlegt und wie war dieser Prozess?
Johannes Rath: Der Prozess natürlich, wenn man so eine Gesamtkonzernstrategie aufsetzt, dann kann ein CDO in meiner Rolle jemand Verbindendes sein über die Ressort hinweg, jemand, der so ein Thema treibt, aber eine Gesamtkonzernstrategie muss getrieben sein vom CEO. Und das haben wir Gott sei Dank mit Herrn Leitermann, dem Vorstandsvorsitzenden, der sehr früh gesagt hat, hey, wir wollen uns auf diese digitale Welt anders einlassen und wir wollen uns mit den Themen nochmal sehr umfangreich beschäftigen. und wir haben dann in, glaube ich, über zehn Workshops mit dem gesamten Konzernvorstand so ein Positionspapier erarbeitet, wie die Signal Iduna 2023 aussehen soll, was unsere Ambitionen sind, wie wir dahin kommen, wie wir über Customer Journeys und ein anderes agiles Vorgehensmodell vielleicht auch auf diesen Wachstumskurs kommen. Und das hatte viel mit einer offenen Diskussion zu tun. aber natürlich auch mit einer klaren Auseinandersetzung mit der Zukunft und der Auseinandersetzung dessen, was da draußen gerade eigentlich auch so als industrielle Revolution beschrieben wird und welchen Impact das auf unsere Branche hat. So, und so ein Prozess hört ja nicht auf, sondern wir sind jetzt quasi mittendrin. Wir sind jetzt in einer der spannendsten Phasen. Wir haben die Position geschärft. Wir wissen so ungefähr, wo wir hinwollen. Wir wissen noch nicht genau, wie. Aber wir haben uns auf den Weg gemerkt. Wir haben die ersten Erfahrungen gesammelt, drei nach dem Motto Build, Measure, Learn. Und jetzt geht es in die Umsetzungsphase, da wo es üblicherweise nochmal richtig Reibung ergibt.
Joel Kaczmarek: Was ist denn so die Grundstoßrichtung davon? Also geht ja ein Stück weit darum, digital kompetent zu werden oder auch digital akteursfähig sozusagen. Macht ihr das mit Blick auf euer Kerngeschäft, das was ihr bisher tut, dass man darüber nachdenkt, wenn du sagst, du hast gerade sehr viel im Kerngeschäft zu tun, geht es mehr darum, das zu digitalisieren, in neue digitale Wege zu überführen oder denkt ihr auch sehr vermehrt in Neugeschäft?
Johannes Rath: Letztendlich haben wir eine klare Strategie entwickelt, die kommt aus unserer DNA heraus. Wir sind als Signal Iduna einer der größten Versicherer im deutschen Mittelstand, im Handwerk. Und wir haben uns das Ziel gesetzt, unsere Wachstumsziele nicht nur darüber zu erreichen, dass wir, sagen wir mal, breit in Geschäft betreiben, sondern wir wollen ganz klar wachsen in Categories. Also in klaren Kategorien. Category Champion werden im Bereich Lebensmittelhandwerk. Hört sich jetzt vielleicht erstmal etwas weit weg an, aber wenn man im Bereich Lebensmittelhandwerk als Versicherung Category Champion werden will und hier auch den Großteil des Marktes letztendlich versichern will, dann muss man vielleicht auch andere Wege finden. Und wir haben eine klare Strategie, die heißt, unseren Kunden auch mehr Lebensqualität zu bringen. Und deshalb wollen wir zukünftig nicht mehr nur Versicherungen verkaufen, sondern auch Lösungen anbieten. Also Mehrwert-Services anbieten, mehr Lösungskompetenz aufbauen und damit nicht nur in der Breite, sondern sehr spitz auf die Probleme der jeweiligen Zielgruppe, der Segmente. Die sind nämlich unterschiedlich, zumindest eine ganze Reihe von Explorationen und Themen gemeinsam mit diesen Zielgruppen gemacht, wo wir herausgefunden haben, dass der deutsche Mittelstand nicht ein Problem hat, sondern dass es einfach sehr unterschiedliche sind. Es gibt Dinge, die sind segmentbranchenübergreifend von Themen wie Fachkräftemangel, aber es gibt auch ganz spezifische Probleme, die halt Bäcker und Lebensmittelhandwerker haben. Und wie können wir die letztendlich eigentlich lösen? So, und da ist auch oftmals dann die Schnittstelle, wo wir dann auch sicherlich den Link und die Verbindung auch zu Startups sehen, weil diese Lösung wollen wir nicht alle selbst kreieren, sondern ich glaube, da gibt es eine ganze Reihe von super Lösungen, denen vielleicht allerdings dieser super Zugang fehlt zum Mittelstand und den haben wir.
Joel Kaczmarek: Kannst du ein bisschen spezifizieren, wie diese Mehrwertservices aussehen könnten, an die ihr da denkt?
Johannes Rath: Wir haben zum Beispiel in dieser Exploration, wir haben also im Kerngeschäft eine Digital Factory oder sind dabei, eine aufzubauen. Wir haben eine sogenannte Journey gestartet über sechs Monate mit Mitarbeitern aus dem Kerngeschäft, aber auch mit UX-Designern, Researchern. Wir sind gerade in den ersten zwei Monaten zu, glaube ich, über 100 Bäckern deutschlandweit gefahren und haben uns angehört, was ist denen eigentlich wichtig. Und einer zum Beispiel, der Kernneat, die da rausgekommen war, ist zu sagen, so eine durchschnittliche Bäckerei, die hat heute eine Überproduktionsquote 1%. Also weil sie nicht zur richtigen Zeit das richtige Brot zur Verfügung haben. Und wir als Konsumenten da draußen gewohnt sind, wenn wir um 20 Uhr in den Supermarkt gehen, dass irgendwie das Croissant noch da ist, dass alles noch da ist. Das führt zu einer Überproduktion von über 13 Prozent. Das heißt, 13 Prozent der Brötchen, die da draußen produziert werden, werden weggeschmissen. Und auf die Frage hin, kann man das nicht zur Tafel geben? Nach unseren Recherchen will die Tafel gar kein Brot mehr, weil sie es gar nicht mehr verarbeiten kann. Das heißt, die Frage ist doch, wenn es zukünftig darum geht, Lösungsanbieter zu sein und einer der großen Pain Points, zum Beispiel für eine Bäckerei, das Thema Überproduktion. Es ist doch die Frage, kann man nicht mit Hilfe von künstlicher Intelligenz, und da draußen gibt es schon ein paar interessante Startups, die sich damit beschäftigen, solche Lösungen schaffen und so kuratieren, dass sie den Bäckereien da draußen helfen, öfter zur richtigen Zeit, am richtigen Ort das richtige Brötchen zu haben und damit letztendlich auch den Umsatz zu steigern mit all dem, was dazu gehört. Und das ist die Art und Weise, wie wir darüber nachdenken, Produkte und Lösungen zu verbinden und auf eine Zielgruppe zuzugehen, wo man vielleicht vermeintlich sagt, Mensch, was ist denn jetzt hier das Problem? Mal zuzuhören, zu sagen, okay, wir haben dieses spezifische Problem verstanden, da gibt es noch weitere Probleme, ist einfach ein Beispiel, aber die gilt es für uns zu lösen, wenn wir als Versicherer nicht mehr nur Versicherer sein wollen, sondern Lösungsanbieter.
Joel Kaczmarek: Also interessanter Gedanke, verstanden. Wollt ihr da Wertschöpfung draus ziehen? Also wärt ihr jetzt zum Beispiel jemand, der sich beteiligt an so einem Bäckerei-Optimierungs-Startup und dann quasi ein Paket anbietet? Du kriegst bei uns eine Versicherung plus die Optimierung deiner Prozesse. Oder geht es eigentlich nur darum, dass ihr sagt, wenn meine Zielgruppe quasi optimiert wird, habe ich so oder so einen Gewinn, weil er dann arbeitsfähig ist, marktfähig bleibt und so weiter und so fort?
Johannes Rath: Also wir gucken uns tatsächlich beide Themen an. Also wie können wir vielleicht auf einer Plattform interessante Lösungen kuratieren, die vielleicht für den Mittelstand so gar nicht zugänglich sind. Da kann man mal selber welche bauen. Da kann man aber auch interessanten Startups die Möglichkeit geben, diese Plattform zu nutzen. Das ist ein Thema, was wir uns gerade konkret anschauen. Und natürlich ist dieses Thema Bundling auch eins, was dort sehr interessant sein kann. Aber im Kern steht tatsächlich auch, dass wir daran glauben, dass man nur Category Champion wird in einer Kategorie, wenn man wirklich anfängt, für die Leute Probleme zu lösen. Und denen nicht nur eigene Produkte zu verkaufen. Das ist ein tatsächlicher Switch.
Joel Kaczmarek: Welche Rolle spielen Daten so in eurem ganzen Arbeitsfeld? Ich sag mal so, Business Intelligence, Data Warehousing, das sind ja alles so Buzzwords, die einem um die Ohren fliegen. Wenn man sich heutzutage eigentlich mit relevanten Unternehmen von einer gewissen Größe beschäftigt, ist das was, was bei euch auch hoch auf der Agenda ist?
Johannes Rath: Absolut. Da wir nichts physisches, anfassbares handeln, ist es im Kern datengetrieben und trotzdem leben wir in einer so regulierten Branche wie wahrscheinlich kaum eine andere. Von daher ja, das Thema Data, Data Analytics, wie gehen wir mit diesem Thema um, ist ein ganz wesentliches. Sich da auch der Verantwortung bewusst zu sein, weil wir als Versicherer haben wir sensible Daten, Gesundheitsdaten. all die Daten, die große Technologieplayer vielleicht an bestimmten Stellen auch gerne hätten. Von daher sind wir uns ein Stück weit der Verantwortung bewusst. Aber wir wollen die Daten zukünftig auch anders nutzen, um andere Dienstleistungen noch passgenauer anbieten zu können. Und da arbeiten wir jetzt zum Beispiel ganz konkret an zwei Use Cases, eine gemeinsame Daten Governance aufzubauen. Also wie arbeiten wir konzernübergreifend? Die Rolle eines CDOs ist eigentlich nicht, sich selbst zu produzieren, sondern Verbindungen zu schaffen. Und wir sind ein großer Konzern mit vielen unterschiedlichen Sparten und wir versuchen eigentlich spartenübergreifend jetzt ein Stück weit die Themen auch zusammenzuführen. Und das hat natürlich ganz viel was mit Daten zu tun und der Daten-Governance und zu sagen, wie arbeiten wir damit? Und jetzt kann man drei Jahre loslegen und wahnsinnig viele Berater beschäftigen, die einen Daten-Governance-Modell aufbauen. Oder man fängt an, Use-Case-basiert die ersten Themen in Gang zu setzen und auf eine lernende Organisation zu setzen und die ersten Themen durchzubringen. Und das machen wir zum Beispiel jetzt mit Automation Hero, gerade Just. Auch Atomico investiert. Wir haben sehr früh mit denen ein Proof of Concept gemacht, wo es ganz darum geht, mit künstlicher Intelligenz Prozesse so zu optimieren, dass der Vertriebsmitarbeiter da draußen entlastet wird und vielleicht intelligente neue Möglichkeiten bekommt, wie was für Snacks Best Offer für den Kunden, wie kann man Stornoprophylaxe vermeiden. Es geht darum, an Use Cases zu lernen, wie wir mit dem Datenthema anders umgehen.
Joel Kaczmarek: Da kommen wir gleich zu. Ich muss noch ein bisschen dein Big Picture verstehen. Du atmest das ja tagtäglich, aber wir, die dir jetzt zuhören, noch nicht. Der Kernbegriff bei euch ist ja wirklich so dieses Insurtech. Es gibt ja nicht wenige, die ja angenommen haben, das könnte mal so groß werden wie Fintech. Das ist eigentlich die Technologisierung dieser ganzen Insurance-Branche, also Versicherung. Was verbindet sich denn für euch genau mit diesem Wort? Also denkt ihr auch in diesen Kategorien? Ist Insurtech für euch eine Kategorie, die mit bestimmten Faktoren behaftet ist?
Johannes Rath: InsurTech war eigentlich nichts, mit dem wir uns im Kern beschäftigt haben. Ich glaube halt sehr viel stärker daran, dass eine Gesamtwertschöpfungskettenbetrachtung wichtig ist und auch eine Cross-Industrie-Betrachtung wichtig ist. Und sich rein auf das Thema InsurTech zu konzentrieren, ist aus meiner Sicht viel zu kurz gesprungen. Sondern ich glaube, so wie wir auch versuchen vorzugehen, gucken wir uns sehr viel spezifischer auch Verticals an von Mobility, Health, aber auch sektoragnostischen Technologiethemen, die nicht nur für Versicherungen relevant sind. Weil es geht zukünftig vielmehr auch um Technologie, die nicht nur für Versicherungen wichtig ist.
Joel Kaczmarek: Okay, interessant. Hast du trotzdem so Faktoren, was du merkst, wenn du trotzdem in diesem Insure-Tech-Pool wahrscheinlich ein Stück weit wahrgenommen wirst, was zeichnen die denn bisher aus? Also wenn du sagst, bei dir kommen regelmäßig Anfragen rein, was zeichnet so ein typisches Insure-Tech-Startup derzeit aus? Womit beschäftigen sich, in welchen Kategorien denken die so?
Johannes Rath: Erstmal hat sich die Intro-Tech-Szene in Deutschland in den letzten zwei, drei Jahren wirklich gemacht. Die Frage ist, was bezeichnet man eigentlich als Intro-Tech? Ich bin immer nie so ein Freund von diesen riesigen Bubble Words und dann verarbeitet man darunter tausend Sachen. Aber wenn man mal so aus den Anfängen guckt, so die Knips und so weiter, dann kann man einfach drei, vier Themen, glaube ich, rausfassen, ob das ein Clark ist, die ihr Geschäftsmodell immer wieder gepivotet haben, ob das ein Wefox ist, die jetzt eine große Runde gemacht haben. Ob das ein Element ist, in dem wir ja als Signal Iduna auch investiert sind, dann glaube ich, dann merkt man halt, okay, die werden ein Stück weit erwachsener. Die werden auch in unserer Branche sehr wahrgenommen und sind auch mittlerweile einfach sehr akzeptierte Gesprächspartner. Und die Branche und die Insurtech-Branche, glaube ich, hat einen sehr viel kollaborativeren Ansatz und es wird aufregender. wahnsinnig viel zusammen gemacht an vielen Stellen, als das vielleicht so vor drei Jahren oder so das Gefühl war, als man dachte, oh, da kommen jetzt Intro-Tags und Versicherungen und wird das jetzt der große Kampf? Ich glaube, der Trend geht eindeutig zur Kooperation und dadurch gibt es, glaube ich, für beide Seiten viele Synergieeffekte.
Joel Kaczmarek: Hilf mir mal zu verstehen. Ich erinnere mich noch, als damals Burkhard Bonello seinen Friendsurance aus der Taufe gehoben hat. Also damals wie heute, würde ich sagen, ganz gut vernetzter Business Angel, der halt gesagt hat, lass uns mal ein Versicherungskonzept machen, wo wir so eine Art Gruppenversicherung bauen.
Johannes Rath: Das gleiche Jahr haben wir Sijox gegründet.
Joel Kaczmarek: Das weiß ich noch, das war so eine Aufschreibung. Das war so etwas völlig Neues. Da hat man so eine gewisse Steifigkeit des Marktes noch gemerkt. Also sein Gedanke war im Prinzip, wie gesagt, wir versichern uns gegenseitig als Freundeskreis. So habe ich das verstanden damals. Das heißt, in der Zeit damals, ich glaube, wenn ich mich nicht völlig täusche, war das um das Jahr 2009, 2010 rum, ging es viel darum, wie kann ich eigentlich Versicherung verkaufen. Beschäftigt man sich als großer Versicherer wirklich mit dieser Frage, wenn man digital als Motto hat, wie verkaufe ich Versicherung? Ist das überhaupt der Kern? Weil ich den Eindruck immer hatte, über das Internet geht das latent schlecht. Oder ist das gar nicht so sehr, dass man sich als Versicherer nur mit sowas beschäftigt? Denkt man vielmehr drumherum?
Johannes Rath: Natürlich ist das immer noch ein Thema in der Fragestellung, wie schaffen wir es als Versicherung auch Absatzkanäle zu nutzen, die wirklich digital auch so funktionieren, dass sie Masse an Stückzahl auch bringen. Aber ich glaube, da verändert sich einfach insofern die Branche, als dass wir mehr und mehr dazu kommen. dass es halt nicht nur um das Versicherungsprodukt geht, sondern um die Gesamtjourney. Wie wird der Kunde abgeholt? Welche Mehrwertservices da drumherum gibt es eigentlich noch? Wie fühlt sich danach die Journey an? Und ich glaube, das ist einfach deutlich breiter geworden. Und es findet halt nicht mehr nur als Versicherungsjourney statt. Also ein Kunde sucht eine Versicherung und findet die dann im Internet, schließt die ab, hat dann das erste Mal einen Schaden, sondern die Journeys haben sich einfach total verändert. Und die beginnen auch an anderen Punkten, an anderen Stellen. Das heißt, wir sind einfach deutlich mehr dimensionaler in der Fragestellung, verkaufen. Wie haben die sich denn verändert? Im Kern, glaube ich, holt man den Kunden heute an unterschiedlichen Stellen ab. Das kann mal im Online Banking sein, also da, wo der Kunde vielleicht einen Online Kontakt hat. Das kann in der Art und Weise sein, wenn er irgendwo etwas kauft, ein Handy kauft. Der erste Touchpoint ist dieses Handy zu versichern. Das kann sein, wenn ich irgendwie über die Grenze fahre und mir meine Versicherungs-App anzeige, dass ich mich jetzt mit einer Auslandsreise-Krankenversicherung beschäftigen sollte. Aber das kann auch über völlig andere Dienstleistungen sein, die die Eintrittsbarriere nicht so hoch haben, wie der reine Versicherungsverkauf. Und aus meiner Wahrnehmung heraus, das verändert sich ein Stück weit, natürlich klassische Vertriebskanäle und auch Online-Vertriebskanäle hochzuführen. Wir haben lange als Branche auch versucht, unsere Produkte online fähig zu machen. Und ich glaube, wir kommen mehr und mehr dazu zu sagen, welche Produkte braucht es denn eigentlich, die dann auch online fähig vielleicht mit ein paar anderen Mehrwertservices wirklich gekauft werden. Als Branche haben wir einfach sehr viel Geld ausgegeben, zu versuchen, unsere Produkte ins Internet zu bringen, die dann wiederum mit Ausnahme sicherlich einer Kraftfahrtversicherung und auch einfachen Produkten wie Hausrat und Haftpflichtversicherung nicht gekauft wurden. Und ich glaube, der Umkehrschluss ist eigentlich zu sagen, welche Art von Produkten und Lösungen müssen wir kreieren und an welchen Stellen müssen die eigentlich wo wie einen Plugin haben, um dann wirklich einen Mehrwert zu haben. Und da, glaube ich, ist einfach ein Switch.
Joel Kaczmarek: Habt ihr denn irgendwie zentrale Hypothesen zum Thema, wie verkaufe ich eine Versicherung in Zeiten der Digitalisierung?
Johannes Rath: Wir glauben stark an dieses Thema Versicherung und Lösung. Also wir glauben daran, dass man nicht mehr nur Versicherung verkauft, sondern Versicherung mit Lösungen verbinden sollte. Wir glauben nach wie vor daran, dass es auch Menschen geben sollte da draußen, die auch in der Lage sind, Ansprechpartner zu sein, empathischer zu sein. Wir glauben aber auch daran, dass eine ganze Reihe von Vertriebskraft heute daran gebunden ist, völlig sinnlose administrative Tätigkeiten zu machen und das, was eigentlich gewollt ist, nämlich sich mit Joel auseinanderzusetzen, empathisch zu spüren, was für ihn denn gerade wichtig ist, dass dafür einfach mehr Zeit bleiben muss. Und wir glauben sicherlich auch daran, dass ein Teil des Geschäfts sich online verlagern wird, weshalb wir auch eine ganze Reihe von Themen dort ausprobieren.
Joel Kaczmarek: Ist euer Geschäft tauglich für ein Plattformmodell eigentlich? Also es ist ja in sehr, sehr vielen Branchen gerade so, dass sich Plattformen herausbilden, die dann quasi Kundenzugang haben und den in irgendeiner Form steuern. Ist das bei euch auch so oder ist der Markt dafür einfach auch vielleicht ein bisschen zu divers?
Johannes Rath: Ein Plattformmodell ist auch irgendwie so ein riesen Buzzword, ja? Ja, hast du recht.
Joel Kaczmarek: Ich packe einen ins Spradelschwein. Ja.
Johannes Rath: Ich glaube nicht, dass es das eine Plattformversicherungsmodell geben wird, aber dass Versicherungen plattformfähiger werden müssen. Daran glaube ich zutiefst. Und dass Versicherungen auf unterschiedlichen Plattformen stattfinden werden, in Wertschöpfungsketten sich integrieren werden und dass es damit gerade bei einfachen Produkten wesentlich mehr Commodity wird. 100%. Verstanden.
Joel Kaczmarek: Dann wollen wir doch mal ein Stück weit in eure Initiativen eintauchen. Also du hast vorhin schon irgendwie Signals fallen lassen als Name. Was genau verbirgt sich dahinter? Ist das einfach so ein klassisches Corporate Digital Lab oder was genau ist das?
Johannes Rath: Signals mal kurz auf den Punkt gebracht. Signals ist eine Cross-Industry-Innovationsplattform-Initiative, wo wir zum einen die Signals Open Studios geschaffen haben, hier am Nordbahnhof, mitten in Mitte, auf 500 Quadratmetern. Da haben wir dort sowohl Themen sitzen, die sich mit Signals Partnerships beschäftigen, also da, wo wir mit Startups Partner. Wir haben dort einen Coworking-Space eingerichtet, wo wir einfach daran glauben, dass wir uns mit unterschiedlichen Menschen beschäftigen sollten. Jetzt haben wir einen Teil dieser Open Studios einfach auch vermietet. Superspannende, interessante Unternehmen da drin, die auch nicht sofort ein Connex zu Signal Iduna, schon mal gar nicht und auch nicht zu Signals haben, aber wir einfach merken durch die unterschiedlichen Blickwinkel, dass da was entsteht. Das heißt, es ist ein Ort, die Signals Open Studios. Es ist Startup-Partnerschaften und wir haben ein neues Programm im vergangenen Jahr gelauncht und das nennt sich Signals Founder Fellowship Programm, wo wir jungen Gründern die Chance geben wollen, in dem strukturierten Prozess letztendlich ihre Ideen auszuarbeiten. Wir das für diese Zeit auch ein Stück weit unterstützen und dann auch die Chance geben, dort Venture-Kapital rein zu investieren. Also kein Company-Building, um es mal bewusst zu sagen, sondern wirklich ein Founder-Fellowship-Programm, Founder-First. Und wir haben uns lange damit beschäftigt, was Founder und Gründer eigentlich wirklich interessiert und wo vielleicht noch eine Nische ist, in die wir reingehen können. Und darüber hinaus haben wir noch unsere Venture-Kapital-Einheit aufgebaut, Signet Venture Capital.
Joel Kaczmarek: Wechseln da trotzdem, wenn wir jetzt mal das Venture Capital außer Acht lassen, Anteile und Geld den Besitzer oder geht es da mehr um Mentoring, Erfahrungsaustausch, Wissensanregung und so weiter?
Johannes Rath: Die Signals Open Studios sind erstmal ein Raum. Da sitzen Mitarbeiter, Kollegen von uns. Da gibt es hinten einen riesen Eventspace, wo wir das eine oder andere interessante Meetup machen. Da gibt es einen Coworking-Teil. Und dann gibt es sozusagen Programme und Initiativen. Das eine ist Partnerships. Da partnern wir mit Startups, die dann wiederum auch einen Anker bekommen, wenn es interessant ist, ins Kerngeschäft. zu Signal Iduna und das Founder Fellowship Programm ist etwas, wo wir Gründer auf ihrem Weg der Exploration, der Iteration ihres Geschäftsmodells begleiten, für die Zeit ihnen Raum, Expertise, all die Dinge zur Verfügung stellen und dann auch mit wirklichen Minderheitsbeteiligungen auch bereit sind, dort zu investieren, bis zu 250.000 Euro. Aber bewusst ein Founder-First-Programm, also nichts, wo wir irgendwie mal uns 80 Prozent von der Idee nehmen oder 50 Prozent, sondern es dreht sich eher so zwischen 12 und 16 Prozent, wenn das Ding irgendwie erfolgreich gelaufen ist, wo wir sagen, wir wollen es mit unterstützen, weil die Idee ist, dass auch andere VCs da noch rein investieren sollen und der Cap-Table so sein sollte, dass der Gründer im Fokus steht und nicht wir. Wo wir uns sehr genau mit dem Gründer beschäftigen und sagen, okay, was ist dem eigentlich für diese Phase wichtig, in der Lage sind, unser Programm auch ein Stück weit darauf anzupassen. Ihm die Chance zu geben, sein Geschäftsmodell zu entwickeln oder auch weiterzuentwickeln, die richtigen Menschen zu finden und dann letztendlich auch in der Lage sind, dort rein zu investieren. Beim Founder Fellowship Programm geht es wirklich erstmal darum, die Idee auszuarbeiten. Da geht es nicht um Anteile, da geht es um Kollaboration, Zusammenarbeit. Und wenn das erfolgreich ist und wir irgendwie der Meinung sind, oh wow, Riesenthema, dann sind wir auch bereit, ein Pre-Seed Investment zu tätigen. Aber bewusst nicht, du fängst nicht bei Signals an, kommst mit deiner Idee und dann gibst du schon mal Anteile ab. sondern du fängst an, kommst mit deiner Idee, kommst vielleicht mit deinem Team, wir unterstützen dich mit Netzwerk, mit Know-how, mit vielleicht auch einem Zugang zu anderen Corporates oder zu uns, wo man auf andere Daten zugreifen kann, bringen dich dann durch diesen Prozess und dann kannst du auch mit dieser Idee wieder gehen, wenn es keine Relevanz hat oder wenn es nicht zusammenpasst. Aber es gibt halt auch die Chance, dass wir dann ein Pre-Seed-Investment tätigen. Da haben wir gerade die ersten zwei, drei echt sehr spannenden Kollegen dabei.
Joel Kaczmarek: Nevertheless, du hast ja selber gerade gesagt, ich glaube, es gibt so gefühlt jenseits der 100 mittlerweile Digitalaktivitäten von Mittelständlern und Konzernen. Wie schafft ihr es denn, junge Startups von euch zu überzeugen? Es ist jetzt nicht so, dass die einen Stein werfen müssen und treffen einen, der sie unterstützt. Das ist ja schon immer noch eine Suche. Aber ich sage mal so, als Stratege ist man ja vielleicht auch nicht immer erste Wahl bei Startups. Wie kriegt ihr das hin, dass ihr für die interessant seid?
Johannes Rath: Ich glaube, das Entscheidende war, im Nachgang diesen Raum und diesen Ort zu schaffen, der einfach eine einfache Begegnung auch möglich macht. Und dann steht und fällt das nicht mit den bunten Bildchen oder der Initiative, sondern es steht und fällt mit den Menschen, die da arbeiten. Und die, die wir da geholt haben, die heute für Signal stehen, die das mit aufgebaut haben, die Signals heute repräsentieren, das sind einfach Hoffnungen. oftmals selber Unternehmer oder kommen vielleicht auch aus anderen Initiativen, haben schon eine Menge gesehen. Und ich glaube, die machen letztendlich den Unterschied und die Möglichkeit, wenn es einen Kontakt geben soll zu Signal Iduna, dann ist das möglich. Und ich und wir haben den Impact, das auch in einer kurzen Zeit auch zu machen. Aber es muss nicht entstehen. Ich glaube, es ist ein bisschen weniger Druck versehen. Manche Corporate-Initiativen müssen dann ja Wahnden, die viel strategisch im Kerngeschäft abliefern, sind als Freiheit gestartet und als Bettvorleger gelandet. Und nicht, dass wir das noch nicht sind. Aber wir kämpfen, müssen wir eigentlich nicht drum kämpfen. Das ist einfach eine akzeptierte Initiative, wo wir sagen, hey, bei all den Themen, die wir im Kerngeschäft machen, bringt Signals auch ein Stück weit was mit an den Tisch. Aber es hat auch einfach ein Stück Freiheit. Und die Menschen, die da arbeiten, die sich damit beschäftigen, beschäftigen sich auch mit dir als Startup und nicht mit der Fragestellung, was braucht jetzt das Corporate als nächstes? Und das ist, glaube ich, ein wesentlicher Unterschied. Ziemlich leicht gesagt, wesentlich schwieriger umgesetzt.
Joel Kaczmarek: Es gibt so eine Dualität bei dem Thema. Und zwar das eine ist, schaffst du es, die Corporate-PS auf die Startup-Straße zu kriegen? Also kriegst du zum Beispiel Leverage hin, dass du sagst, wenn du gerade gesagt hast, ihr habt Zugang zum Mittelstand zum Beispiel. Ihr könnt Vertrieb, ihr kennt irgendwie die Denkweise von solchen Kunden. Kriegst du das hin auf der einen Seite, dass man quasi den Corporate aktiviert, auf der Startup-Straße Gas zu geben? Und auf der anderen Seite schaffst du es gleichzeitig, dass die Startups nicht komplett ausgebremst werden von diesen ganzen Strukturen, denen sie dann auf einmal gegenüberstehen?
Johannes Rath: Das ist auch schwer pauschal zu beantworten. Die Wahrheit ist, wir haben wahrscheinlich beides schon gemacht. Wir haben, glaube ich, wahnsinnig tolle Startup-Erfahrungen, wo das Startup auch einen riesen Value-Add, glaube ich, letztendlich davon getragen hat an so einer Kooperation. Aber wir haben gerade in den ersten ein, zwei Jahren da auch viel gelernt. So, wie mache ich ein Onboarding? Wie helfe ich auch jemandem im Kerngeschäft, der vielleicht sonst mit ganz anderen Dienstleistern zusammengearbeitet hat? Dafür ist übrigens so ein Future-of-Work-Programm da, dass man da Kollegen auch im Kerngeschäft die Chance gibt, auch mitzubekommen, wieso arbeiten die da eigentlich anders? Wieso arbeiten die Agile? Warum muss ich mich da in einen Daily einwählen? Wie funktioniert das? Ich glaube, da muss man einfach auch die Möglichkeit bieten, auch Leuten im Corporate da eine Brücke zu bauen und nicht einfach vorauszusetzen, es ist jetzt hier so in unserem Startup-Ding, sondern da sehen wir uns auch ein Stück weit als Moderator. Also was ich wahrgenommen habe, ist, wenn man, glaube ich, gleichgerichtete Interessen hat, Wenn man relativ früh miteinander in so einer Kooperation geklärt hat, so was sind die drei, vier wesentlichen Punkte, die wir zusammen erreichen wollen und nicht 20? Was ist der ROI? Also was ist der Return on Invest, den wir uns irgendwie gegenseitig erwarten? Was ist das Team? Wer ist auch wirklich verantwortlich? Was sind die Touchpoints, an denen wir sozusagen auch Erfolg messen? Und wie ist sowohl das Startup als auch das Corporate in der Lage, klare Verantwortlichkeiten dafür zu schaffen, zu sagen, hey, das ist jetzt der Tim und das ist der Alex und die beide rocken jetzt das Programm zusammen. Und ich glaube, immer dann, wenn die Dinge möglichst konkret sind, kann man großartige Dinge gemeinsam vollbringen. Und dann hat es einen Riesenimpact, glaube ich, sowohl für das Corporate als auch für das Startup.
Joel Kaczmarek: Lass uns doch mal den Venture Capital Arm noch ein Stück weit verstehen. Was ist denn eure Investmentstrategie? Wonach schaut ihr denn, was muss gegeben sein, damit eine Beteiligung für euch interessant ist?
Johannes Rath: Wir haben grundsätzlich zwei Investmenthypothesen oder zwei Investmentthesen, nach denen wir arbeiten und ausgerichtet sind. Wir haben Signals Venture Capital vor rund anderthalb Jahren gegründet. Wir haben 100 Millionen Fonds allokiert und haben also ein Team aufgebaut, was erstmal grundsätzlich eher aus dieser VC-Szene kommt und nicht so sehr aus dieser CVC-Szene, um letztendlich auch einen Ansatz zu entwickeln, auch Venture Capital anders aus einer Corporate-Sicht heraus zu machen. Aber die Frage konkret zu beantworten, was sind die zwei Thesen? These Nummer 1 ist, wir investieren, wir nennen es Wave 2, in Technologiethemen, sektoragnostische Technologiethemen. Die müssen jetzt nicht unbedingt einen Kerngeschäftsfokus haben. Was heißt nicht unbedingt? Üblicherweise haben die gar keinen oder nur wenig, haben keinen Kerngeschäftsfokus, sondern sind Technologiethemen, in die Signals Venture Capital investiert. Um mal zwei Beispiele zu nennen, wir haben zwei Investments getätigt in dem Umfeld. Automation Hero von dem Gründer Stefan Groschopf, eine künstliche Intelligenz, die sozusagen das ganze Thema Prozessautomatisierung, insbesondere Richtung Sales-Organisationen verbessert. Dort gemeinsam mit Atomico, Baidu, Cherry Ventures und Comet Labs investiert. Übrigens ein super Case, auch für den Proof of Concept. Und da kann ich gleich nochmal ein bisschen was zu erzählen. Dann haben wir investiert. dort in Clarysites, gemeinsam mit Techstars, ist ein Marketing-Automatization-Tool. Also Themen- Technologie-Investments, die einen Impact natürlich irgendwann auch auf unser Geschäft haben können, aber es nicht unmittelbar brauchen. Ganz wichtig, ROI steht bei diesen Investitionen im Fokus und dann vielleicht in Value-Add. Die zweite Investment-These, unter der wir investieren, das ist Wave One, wie wir sie nennen. Das sind Enablement-Technologies, also das sind Technologie-Themen, in die wir investieren, die uns näher dazu bringen, Lösungsanbieter zu werden. oder unser Feld breiter zu machen. Hier haben wir zwei große Themen, die wir uns gerade anschauen. Das ist einmal das Thema Health und Mobility.
Joel Kaczmarek: Ich glaube, wir brauchen noch ein bisschen mehr Spezifizierung, wie ihr genau mit Signals arbeitet. Also was habt ihr daraus gelernt? Was ist die Überlegung dahinter? Und was für Effekte hat es gezeitigt? Fangen wir vielleicht mal mit den Beteiligungen an. Wenn du zum Beispiel sagst, ihr habt euch jetzt einem Flash beteiligt. Da würde man ja erstmal staunen. Eine Versicherung beteiligt sich an einem Mobility-Startup. Was hat das denn mit deren Digitalisierung zu tun? Was ist denn zum Beispiel die Überlegung hinter sowas gewesen?
Johannes Rath: Also zuallererst mal war der erste Case, wo wir daran glauben, dass Flash ein interessantes auch VC-Investment sein kann. Dann sehen wir natürlich für uns, wir sind auch ein Kraftfahrtversicherer, ein Kfz-Versicherer. Wir haben früh AppDrive, habe ich erzählt, entwickelt, zu sagen, wie sieht die Zukunft der Mobilität aus. Und wenn wir zukünftig in diesem Versicherungsgeschäft irgendwo noch stattfinden wollen, dann müssen wir uns auch mit anderen Formen der Mobilität beschäftigen. Und da ist eins sicherlich etwas, was jetzt mit Scooter kommt. Und das, was hinter Flash steckt, ist ja nicht nur das Thema Scooter, sondern wie entwickelt sich urbane Mobilität, wie entwickelt sich multimodale Mobilität. Das war sozusagen die erste Hypothese zu sagen, naja, wie kann man da vielleicht auch Services für unsere Kunden anbieten? Und natürlich darüber zu lernen, wie entwickeln sich diese Geschäftsmodelle? Und was wir darüber hinaus festgestellt haben, ist, dass natürlich auch diese neuen Geschäftsmodelle an irgendeiner Stelle auch einen Versicherungsbedarf haben. Das heißt, wir lernen multimodale Konzepte. Wir verstehen, auf welchen Datenbasen dort Entscheidungen getroffen werden. Und wir sind darüber dann auch in der Lage, neue Formen von Versicherungscover zu entwickeln, die vielleicht deutlich mehr an dem Geschäftsmodell des Flash ist. Die bezahlt man halt per Minute. Also macht es vielleicht auch Sinn, seine Versicherung per Minute zu bezahlen. Wie muss denn sowas eigentlich aussehen? Und auf einmal haben wir festgestellt, dass das Thema Versicherungskonzept auch etwas Wichtiges ist für einen Flash-User, für eine Gemeinde, die vielleicht irgendwann Flash oder andere Mobilitätsdienstleister, Scooterleister in ihre Städte lässt. Die werden die Frage des Versicherungsschutzes hinterfragen. So, und da ist aus dem VC-Investment etwas geworden, wo wir gesagt haben, wir lernen da etwas Entscheidendes über das Thema Zukunft der Mobilität und wir sind heute sogar in der Lage, auch andere Formen von Versicherungskonzepten für so etwas anzubieten. Das Investment haben wir getätigt im Dezember und wir sind jetzt heute hier im März und wir haben diese neue Versicherung schon entwickelt und auch schon angewandt. Das sind Produktentwicklungszyklen, das ist ein Quartal, dafür brauchen Versicherungen normalerweise anderthalb Jahre. Und das hat sich einfach aus diesem Investment heraus entwickelt und das kann man nicht planen, sondern es entwickelt sich dann und dann, wenn man wirklich auch eine gute Form der Zusammenarbeit findet, wo man die Sparte einbindet, wo man das Startup einbindet, wo man voneinander lernt und wo natürlich auch ein guter Engel dann zum VC ist.
Joel Kaczmarek: Wie habt ihr das gemacht, dass ihr den Prozess so radikal verkürzt? Also du musst ja da ganz viel Risikoapproximation und solche Geschichten machen. Wie hat das funktioniert, dass ihr sowas in drei Monaten hinkriegt?
Johannes Rath: Im Kern geht das dann darüber, dass man auch in der Hauptverwaltung im Kerngeschäft die richtigen Ansprechpartner kennt. In dem Fall in unserem Kompositbereich tolle Kollegen, die dann auch in der Lage sind zu sagen, hey, wir haben eine Idee, wie wir so ein Cover auch aufsetzen können. Und dann hat das viel mit beidseitigem Wille zu tun und einer gewissen Umsetzungsgeschwindigkeit.
Joel Kaczmarek: Und was waren deine Erfahrungen? Wie hat sich das angefühlt, dieser Prozess? Wie hast du das erlebt? Wie wird auch mit euch umgegangen? Lukas ist schon lange im Geschäft, hat auch seine Ecken und Kanten als Typ. Aber wie wurdet ihr in diesem ganzen Game wahrgenommen? Wie ist mit euch umgegangen worden? Was habt ihr schon rausgezogen?
Johannes Rath: Ich glaube, viel Wertschätzung. Einschätzung auf beiden Seiten, weil man natürlich dann irgendwann feststellt, das habe ich ja eingangs schon gesagt, das Thema Versicherung ist nicht vielleicht das wichtigste Thema, mit dem man sich beschäftigt, wenn man zum Beispiel ein multimodales Konzept entwickeln will oder wenn man wie Sales Hero eine KI entwickeln will, aber es findet irgendwo in diesem ganzen Thema statt. und dann kommt man irgendwann an den Punkt, wo man sagt, hey, wie gehen wir eigentlich mit diesem Versicherungsthema um? Und wenn man dann den Zugang hat, zum Beispiel zu uns oder zu mir, die dann in der Lage sind, solche Themen auch relativ schnell umzusetzen, weil wir halt keine global agierende Aktiengesellschaft sind, die erstmal sieben Milliarden Prozesse anstoßen muss, sondern dann auch in der Lage sind, halt einfach über kurze Wege Mittelfeld, wie wir in Dortmund sagen, die Themen auch umzusetzen, dann glaube ich, hilft das dem Startup und dann hilft das der Organisation und das macht Sinn.
Joel Kaczmarek: Wenn du schon Sales Hero vielfach erwähnst, ist ja offensichtlich auch was, worauf ihr stolz seid. Beschreibt doch mal, was da genau passiert ist, was ihr mit denen gemacht habt, wie sich das entwickelt hat.
Johannes Rath: Sales Hero war einer der ersten Investments von Signals Venture Capital und von dem Gründer Stefan Großschupf, der auch schon Datameer und Hadoop gegründet hat. Und wir waren einer der ersten Cases, nachdem Signals VC investiert hat, haben wir sozusagen im Kerngeschäft gesagt, Mensch, könnte interessant sein, dieses Thema künstliche Intelligenz und wie automatisiert man Prozesse Richtung einer Sales Unit Force nach vorne, also zu und hin zu unseren Agenturen. Wir haben dann ein Proof of Concept gemacht. Relativ schnell, weil glaube ich die Sales Hero sitzt ja auch in San Francisco. Die Amerikaner machen schon auch nochmal sehr viel ROI-drivenere POCs, also in diesem Proof of Concept sehr schnell aufgesetzt. Haben dann anhand von drei Use Cases validiert, welchen Impact die Sales Hero Plattform letztendlich für uns haben könnte und wozu sagen der Mehrwert drin steckt. Also eins zum Beispiel, was wir validiert haben, war die ganze Frage von Next Best Offer. Also kann man eigentlich auf einer Datenbasis ermitteln, welches vielleicht das nächste Produkt sein soll, was ein Kunde kaufen will. und haben das dann gemeinsam validiert, spannende Ergebnisse dort rausgearbeitet. Und das hat jetzt letztendlich dazu geführt, dass wir nach dem POC jetzt auch mit Sales Hero wirklich in eine größere Zusammenarbeit gehen. So, und das hat sich so entwickelt, das war aber nicht so geplant. Und ich glaube, dann fängt es an, dass diese Themen miteinander funktionieren. Dass vielleicht Signals Venture Capital ein Investment getätigt hat, nach ganz klaren VC-Regeln. Sales Hero aber vielleicht Interesse an einer Partnerschaft hat und wir irgendwie merken, okay, da kann was sein, was Sinn macht. Signals, Partnerships die Brücke schlägt zum Kerngeschäft und das Startup einen Moment lang dabei unterstützt, es in das Kerngeschäft hinein zu guiden, dass da nicht auf einmal zwei Welten aufeinandertreffen. Wie die richtigen Menschen im Kerngeschäft identifizieren, die auch Lust darauf haben, so ein Proof of Concept in so einer kurzen Zeit zu machen. Und dann sind wir in der Lage, so ein Thema wiederum nach einem Proof of Concept auch in die Kernorganisation jetzt zu überführen und da die nächsten Themen zu machen. Das finde ich ist eigentlich so ein Lifecycle, der klappt nicht immer, aber wenn er mal klappt, dann hat er natürlich einen wirklichen Hebel, sowohl für uns als auch für das Startup. Und sowas kann man natürlich auf dem Reißblatt riesig planen oder man muss es halt ein paar Mal ausprobieren. Und wie gesagt, das hat jetzt hinten heraus gut funktioniert. In einigen Themen klappt das natürlich auch nicht, aber ich glaube, darin steckt einfach wahnsinnig viel Potenzial.
Joel Kaczmarek: Wenn sich jetzt jemand wiederfindet in dem, was du gerade beschrieben hast, möchte jetzt an euer Geld. Was sind da die Standards? Also welche Ticketgröße habt ihr? Welche Phase?
Johannes Rath: Also wir investieren üblicherweise so Post-Seed ab Serie A und dann im Schnitt so zwischen 1 und 5 Millionen Euro. Das ist so die Ticketgröße, in der wir unterwegs sind. Und genau, sind dort gerne ansprechbar für interessante Themen. Wir haben mittlerweile auch ein wirklich tolles Investment-Team aufgebaut von 3, 4, 5 Leuten plus Geschäftsführung, plus Venture-Board. Das ist, glaube ich, einfach eine spannende Gruppe.
Joel Kaczmarek: Abschließende Frage dazu, was ist so das Kernziel dieser Beteiligung? Also geht es wirklich darum, wollt ihr Wertschöpfung erzielen, sozusagen Exit-Revenues erzielen? Wollt ihr irgendwie eure Organisation mit Know-how versehen? Wollt ihr potenziell vielleicht Kaufobjekte finden? Was ist da so der Kern?
Johannes Rath: Der Kern ist ROI-driven, das heißt, wir wollen wollen damit auch Exit-Value erzielen und den Value-Add. darüber hinaus, so wie wir den ja auch gerade mal an einem Beispiel von V-Sales-Hero, auch ein fantastisches VC-Investment. und trotzdem haben wir gerade mit denen einen total erfolgreichen Proof-of-Concept gemacht und werden die jetzt großflächig in unserer Data-Analytics-Strategie einsetzen und die werden sozusagen auch an die Signal-Illuna andocken. So, das ist dann ein Case, der muss nicht passieren, der kann aber auch passieren. und dann fängt es natürlich an, dass das, was ich jetzt gerade als Einzelmaßnahmen vielleicht beschrieben habe, dass die Dinge anfangen miteinander zu wirken. Da, wo wir vielleicht ein Investment getätigt haben und es einen wirklichen Impact für unser Geschäft haben kann, aber nicht muss. Das heißt, klare Aussage, ROI-driven plus Additional Value Add und nicht Strategic Value Add und dann, wenn da noch ein bisschen Geld dabei rumkommt, ist auch gut.
Joel Kaczmarek: Letzte Frage, die ich noch hätte, wäre, ihr habt eine Mutterorganisation, also jede von so einem Digital-Labs hat auch mal eine Mama. Wie schafft ihr das, das beides zu orchestrieren? Weil ich finde, selten erlebt, dass Digitalaktivitäten so sauber strukturiert auch dargestellt werden wie eure. Also ich finde das sehr sauber gebaut mit den ganzen Säulen, mit der Fokussierung, mit der Ausrichtung. Ich glaube, sehr viel Gehirnschmalz reingesteckt in bestimmte Fragestellungen. Wie kriegt ihr es aber hin, dass eure Kernorganisation das auch mit annimmt? Das ist ja auch ein Stück weit Politik, was da eine Rolle spielt.
Johannes Rath: Eins ist klar, das ist ein totaler Stretch zwischen dem Hier und Heute, zwischen den Themen, die man vielleicht hier in Berlin oder da draußen auf der Welt schon wahrnimmt und sieht und dem Weg dorthin. Und ich glaube halt stark an dieses ganze Thema Digital Confidence. Ich glaube, ein Unternehmen wie Signal Iduna braucht halt auch ein Selbstbewusstsein. Und die Mitarbeiter brauchen ein Selbstbewusstsein, dass wir in dieser Welt, die sich da draußen gerade verändert, die irgendwie von den Amazons, den Alibabas, den Apples, wem auch immer geprägt ist, dass wir da drinnen einen Platz haben können. Und dass ich auch als Mitarbeiter, der vielleicht heute noch was völlig anderes gemacht hat, morgen was anderes machen kann. Und das muss man aus meiner Sicht total ernst nehmen. Und da müssen wir als so ein großes Unternehmen, wie wir sind, auch Angebote schaffen, die das leichter zugänglich machen. Dass agile Arbeit nicht nur hier stattfindet, sondern auch im Kerngeschäft.
Joel Kaczmarek: Aber wie macht man das kommunikativ? Ende des Tages ist ja so, das Buzzword da eigentlich mal Kulturwandel. Das heißt, man hat eigentlich oft eine Situation, die ganz oben geben was aus, die ganz unten haben vielleicht Bock und dann hat man so die Lähmschichten dazwischen, sagt man immer so ein bisschen despektierlich, weil es ist nicht selten so, dass in einem Corporate-Umfeld, ich sag mal, ein mittlerer Manager eigentlich keine vernünftige Incentivierung hat, sich auf Digitalisierung und digitale Transformation zu fokussieren, weil seine Zielsetzung gar nicht darauf einzahlt. Im Gegenteil, es ist bei ihm eher oft mit Risiken verbunden als mit Chancen. Da gibt es ja diesen anderen Klassiker, die da drüben geben das Geld aus, was wir verdienen. Weil die Dinge, die ihr tut, sind auf einem Konzernradar ja erst sehr, sehr spät spürbar. Wenn überhaupt. Das heißt, selbst wenn ihr jetzt sagt, wir machen 100 Millionen Euro Umsatz mit den Themen, die wir da tun. Das musst du erst mal schaffen. Ist das ja in euren Dimensionen gar nicht mal so viel. Fällt gar nicht so ins Gewicht. Wie kriegst du das hin?
Johannes Rath: Also nochmal, du hast ja sehr stark auf das Sickness-Thema referenziert. Meine Hauptaufgabe ist ja, sagen wir mal, zu 70, 80 Prozent die Transformation des Kerngeschäfts. Und da geht es darum, die Prozesse im Kerngeschäft zu verändern. Dort dafür zu sorgen, dass wenn man uns eine E-Mail schreibt, wir nicht mit einem Brief antworten. Dass wenn wir Lösungen für die Zielgruppe bauen, dass die auch wirklich relevant werden. Da findet auch die Transformation statt. Ja, Signals wird seinen Beitrag leisten, aber der Kern der Transformation findet ja auch im Kerngeschäft statt. Und da müssen wir halt auch neue Themen, neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit, neue Räume in agilen Prinzipien, das Thema Leadership muss sich verändern. Du hast gerade von Inzentivierung gesprochen. Das ist einfach eine unglaubliche Fülle an Einzelmaßnahmen, an Themen, die man orchestrieren muss, die in die richtige Richtung gehen. Und ich glaube, deswegen tut sich auch jeder Konzern damit so schwer, weil es völlig normal ist, wenn du aus einer Historie, einer Vergangenheit kommst und irgendwie so ungefähr weißt, wo das Zielbild ist oder wo du da so hin willst, dann ist der Weg dahin halt die Herausforderung, nicht das Zielbild zu beschreiben. Und der liegt halt in vielen kleinen Themen, wo man sich gegenseitig unterstützt, wo man halt mal Verantwortung nach vorne delegiert, wo man vielleicht dem Kollegen links und rechts, ihn mehr unterstützt oder sich unterhakt oder wo man vielleicht auch mal Themen, wo man sagt, ich habe jetzt die letzten zehn Jahre folgende Tätigkeit gehabt und ich lasse mich mal auf eine Journey ein und mache mal was völlig anderes als vorher und habe damit einen Impact auch von mir aus, eine Prozessverbesserung und entwickle mich dabei auch noch persönlich weiter.
Joel Kaczmarek: Jetzt hast du ja eigentlich gesagt, ein großer Teil deiner Arbeit ist aber eigentlich Kerngeschäft. Wie muss ich mir denn jetzt sozusagen weiter im Westen, im Ruhrgebiet dann die Arbeit vorstellen, wenn du im Prinzip Signals auf der einen Seite hast, mit diesem Explorativen? Wie sieht das bei euch aus, wenn ihr das in die Kernorganisation treibt?
Johannes Rath: Also in Hamburg und Dortmund sind wir auch gerade dabei mit Hilfe der Digital Factory. die wesentlichen Kernprozesse, wir nennen es sogenannte Journeys, Service Customer Journeys. Klingt erstmal hochtrabend, in Wahrheit geht es darum, dass wir die wesentlichen Geschäftsvorfälle, rund 90% unserer Geschäftsvorfälle, die wir da draußen haben, in Journeys geklastert haben, also in Kundenreisen. Und eine Kundenreise ist zum Beispiel etwas, was wir gerade gemacht haben, das ganze Thema Bescheinigung. Klingt total profan, ist aber ein total wichtiges Thema, dass man auch diese Dinge im Kerngeschäft so digitalisiert, dass es sich halt auch digital für den Kunden anfühlen kann. Und eine Bescheinigungsjourney, die war, bevor wir die mal gesammelt gestartet haben, insofern ein katastrophaler Prozess, als wenn du eine Bescheinigung haben willst für deinen Finanzamt, für deinen Arbeitgeber, was auch immer. Dann hast du bei uns in unterschiedlichen Sparten angerufen, unterschiedliche Ansprechpartner gehabt, hast einen riesen Hustle, kein wirkliches Kundenerlebnis. Was haben wir gemacht? Wir haben versucht, diese Prozesse spartenübergreifend, herauszuziehen sie einem journey team zu geben was nichts anderes zu tun hat die nächsten sechs monate als dieses problem zu lösen und herausgekommen ist sozusagen ein bescheinigungs service die zukünftig in meiner app oder online nutzen kann wo ich meine bescheinigung für eine krankenversicherung in echtzeit bekomme. das ist jetzt nicht Nicht the next big thing. Das ist aber genauso wichtig, dass wir diese Kernprozesse uns tatsächlich auch anschauen, dass wir die auch digitalisieren, dass wir auch dafür eine Wertschätzung haben, auch für die Kernorganisationen diese Themen jetzt auch umzusetzen. Und mit diesen 20 Journeys, die wir dort jetzt vor der Brust haben, da sind wir jetzt so in der Welle 3, wir sind jetzt bald bei 6, 7 Journeys, werden wir insgesamt 90% unserer Geschäftsvorfälle anfassen. Das hat einen wirklichen Impact. Und dann bekomme ich als Kunde irgendwann auch die Möglichkeit Omni-Kanal mit uns zu kommunizieren. Und wenn ich eine E-Mail schreibe, kriege ich eine E-Mail zurück. Und wenn ich eine Chat-Funktion starte, dann kann ich auch mit dem chatten. Und wenn ich eine Bescheinigung haben will, dann will ich die jetzt, jetzt in diesem Moment. Und dann muss die auch in Echtzeit verfügbar sein und nicht erst per Post kommen.
Joel Kaczmarek: Also ich sage mal, so ein Stück weit digitale Hausarbeiten machen, was viele Leute als Commodity empfinden, was aber bei der Konzerngröße und Vielfalt gar nicht so trivial ist.
Johannes Rath: Genau, muss man auch machen und muss man auch lieben.
Joel Kaczmarek: Wie geht man da vor? Also wie schafft man das, wenn du sagst, ihr habt so ein Journey-Team, das ist ja ein ganz passender Begriff eigentlich, eine Reise durchs Unternehmen sozusagen, die ihr macht einmal, um sie dem Kunden zu ersparen. Wie muss ich mir sowas vorstellen?
Johannes Rath: Das musst du dir so vorstellen. Wir haben übrigens auch in unserem Coworking-Space einen Journey-Team. aus internen und externen Mitarbeitern, das sind UX-Researcher, das sind UX-Designer, aber es sind halt auch interne Kollegen, die heute in den Fachbereichen sind, die heute in der IT sind, die wir mit einem ganz klaren Problem zu sagen, löst das Thema Bescheinigungs-Service und nicht direkt in der Breite, sondern in der Spitze, baut in sechs Monaten einen MVP, der dieses Problem löst, dass ich beispielsweise in Echtzeit eine Bescheinigung bekomme. Die gehen dann über eine ganz klare Methodik, Double-Diamond-Design-Thinking mit klarem Involvement des Kunden vor und bauen dann in einer relativ kurzen Zeit einen MVP, der dann wiederum in der nächsten Phase der Journey skaliert werden kann. Hört sich erstmal für wahrscheinlich all deine digitalen Zuhörer jetzt nicht riesig spektakulär an, ist aber in der Art und Weise, wie ein Großkonzern Prozesse überarbeitet, ein totaler Switch. indem man nämlich spartenübergreifend, ressortübergreifend Menschen zusammennimmt, ihnen Verantwortung übergibt, sie mit vielleicht anderen Kompetenzen zusammenbringt wie UX-Researchern oder Designern oder was auch immer und sie ein konkretes Problem lösen lässt. Und da merken wir zumindest in den ersten Phasen, dass das einfach eine ganz andere Form von Umdrehung und Umsetzungsgeschwindigkeit hinbekommt. Und das muss man halt auch im Kerngeschäft machen.
Joel Kaczmarek: Ich finde das gar nicht so trivial. Also es ist ja de facto Start-up herangehen für ein konzerngewachsenes Prozedere.
Johannes Rath: Genau, genau. Und übrigens, damit verändert man auch Kultur. Also das ist wirklich kulturverändernd, weil die Leute, die da dabei sind oder auch Kollegen, die da reinschnuppern, die kommen nach sechs Monaten anders raus, als sie reingegangen sind.
Joel Kaczmarek: Mit leuchtenden Augen wahrscheinlich.
Johannes Rath: Ja, da klappt auch nicht alles. Natürlich, aber ich glaube ja, das verändert Kultur und da sind auch leuchtende Augen.
Joel Kaczmarek: Nevertheless hast du bei so einem Prozess doch immer Gewinner und Verlierer. Und allein Veränderung ist ja schon, das muss ja nicht mal mit der Bewertung gewinnig oder verlierig assoziiert sein, sondern Veränderung ist ja vielen Leuten unangenehm. Hast du da nicht sehr, sehr viel Widerstand und Reibungsverlust, gegen die du tagtäglich ankämpfst?
Johannes Rath: Auf jeden Fall. Also ich glaube, unser Unternehmen hat sich auf den Weg gemacht schon vor zwei, drei Jahren. Auch vor der Vision hatten wir schon ein Zukunftsprogramm. Da gibt es sicherlich immer noch Widerstände und das ist auch menschlich. Aber meiner Meinung nach gibt es im Unternehmen gar keine zwei Meinungen mehr, dass wir uns irgendwie dort verändern müssen. Es geht nur um die Frage, wie machen wir das? Und darin steckt dann letztendlich dann noch oftmals die kontroverse Diskussion und wir müssen uns einfach einander zumuten und auch Konflikte austragen. Letztens gibt es ja wahnsinnig viele Forschungen, was unterscheidet eigentlich die großen Tech-Unternehmen und die Startups von großen deutschen oder internationalen Corporates. Und einer der wesentlichen Themen ist Konfliktfähigkeit. Also inwiefern bin ich in der Lage, wirklich Konflikte auch auszuhalten und sie auch auszutragen? Im besten Sinne, um letztendlich dann eine Lösung auch wieder zu entwickeln. Ich glaube, wir als Unternehmen sind schon wesentlich konfliktfähiger geworden und müssen es noch mehr werden, damit wir die Geschwindigkeit auch aufnehmen. Um mal vielleicht ein Thema zu nennen. Das heißt, es geht nicht darum, alle zu überzeugen, sondern letztendlich gemeinsam irgendwie mit diesem Prozess zu gehen und damit auch Konflikte auszuhalten. Keine Frage. Hervorragend.
Joel Kaczmarek: Das ist doch quasi, also auch wenn es nur eine Teilantwort ist für diesen BMOD-Anfragen, ist das doch ein sehr, sehr schönes Schlusswort. Ich danke dir ganz, ganz herzlich, dass du uns so viel Insights gegeben hast, wie ihr das macht und wie ihr funktioniert. Vielleicht setzen wir nochmal fort an der einen oder anderen Stelle. Aber für den Moment auf jeden Fall schon mal ganz, ganz herzlichen Dank und hat mir viel Spaß gemacht.
Johannes Rath: Vielen Dank.