Design auf Zukunftskurs – die Digitalisierung von Vitra

12. Oktober 2018, mit Joel Kaczmarek

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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen Deep Dive Podcast von Digital Kompakt. Mein Name ist Joel Kaczmarek und heute wird es designig. Eine meiner Lieblingsfirmen ist da, das darf man auch als neutraler Journalist sagen, dass sie ganz tolle, schöne Produkte machen. Und was das genau für welche sind, sagt mein heutiger Gesprächspartner mal. Stell dich aber als erstes mal selbst vor.

Rudolf Pütz: Ja, ich bin Rudolf, Rudolf Pütz, bin Geschäftsführer bei Vitra und verantworte dort seit jetzt fast 14 Jahren das Deutschlandgeschäft als Geschäftsführer der Vitra GmbH.

Joel Kaczmarek: Sag mal, was Vitra genau macht. Also ich gebe das in meinen eigenen Worten wieder. Es gibt manchmal wirklich Leute, die das noch nicht kennen. Für mich ist das immer so allgegenwärtig, aber ich glaube, da bin ich echt vielleicht manchmal auch spitz unterwegs.

Rudolf Pütz: Also Vitra ist eine Design Company und wir bedienen oder entwickeln Produkte im Bereich Wohnen, Office und auch Public-Sektoren, also für Restaurants, Bars, Hotels und Flughäfen. Schwerpunkt ist nach wie vor auch das Thema Office.

Joel Kaczmarek: Also man kennt euch ja durch diese einzelnen Stücke ganz besonders gut. Also von Charles und Ray Eames zum Beispiel, diesen schönen Sessel oder den Pantone-Chair. Oder man sieht ja ganz oft, wenn ich bei Müsli zum Beispiel bin, die haben immer hier diese, ich glaube Eames-Chair heißen die auch, diese weißen Schalensitze.

Rudolf Pütz: Eames-Fastik-Chairs wahrscheinlich.

Joel Kaczmarek: Genau. Mal in Schaukelvariante, mal irgendwie mit Holzstühlen. Also das ist sozusagen so euer Portfolio. Kannst du uns mal ein Gefühl geben für deine Firma, wie die eigentlich mittlerweile dasteht? Also Schweizer Familienunternehmen, so viel kann man schon mal sagen.

Rudolf Pütz: Genau.

Joel Kaczmarek: Die sind immer verschwiegen, deswegen so ein bisschen was

Rudolf Pütz: Also es ist in der Tat ein Familienunternehmen, wird heute in der dritten Generation geführt. Die CEO ist die Nora Fehlbaum, also gehört zu der Familie mittelständisch geprägt. Und was Vitra so ausmacht, du hast es eben schon erwähnt, wir arbeiten mit den kreativsten Köpfen weltweit, die Designer. Wir nennen sie Autoren, weil es nicht anonyme Industriedesigner sind, sondern Autoren. wirklich herausragende, kreative Köpfe, die eine eigene Handschrift auch haben. Und damit unterscheidet sich Vitra vom Angang des Designs, vom neutralen und anonymen Industriedesign. Wir haben viele Klassiker, auch das hast du vorhin angesprochen, beginnend bei Charles Sondra Eames mit dem Lounge Chair, mit dem Eames Plastic Chair, Aluminium Chair, der auch sehr bekannt ist, aber auch andere große Meister. des letzten Jahrhunderts, Werner Pantone mit seiner Ikone des Pantone Chair oder weniger bekannt, Joe Prove, eine sehr, sehr zurückhaltende, tolle Kollektion. Und dann natürlich heute die zeitgenössischen Designer, die Prolex zum Beispiel, Barbara Oscar-Bee aus England, Jasper Morrison aus UK, Antonio Citterio, Alberto Meda aus Italien. Man sieht schon, das sind internationale Designer, die wir uns aussuchen, mit denen wir über eine lange Wegstrecke gemeinsam arbeiten.

Joel Kaczmarek: Gut, also man merkt so, das Who ist Who und vielleicht kann man den Leuten auch mal ein Gefühl geben, wo eure Möbel alles zum Einsatz kommen. Also ich habe heute gerade gelesen, der Bundestag ist irgendwie mit euch bestuhlt. Ich habe jetzt irgendwie einen schönen Stuhl von euch zum Testen mal bekommen, den werde ich demnächst mal in einem Podcast besprechen. Der ist irgendwie, wenn ich es richtig mitgekriegt habe, in großer Stückzahl auch nach Cupertino gegangen, also zu Apple. Also sprich, ihr habt auch wirklich einen Impact. Also sowas die Quantität angeht, habe ich gestaunt. Also man denkt immer Möbel so, ach das ist gar nicht so hoch von den Produktionszahlen, doch. ist es. Und halt, wie gesagt, vom Impact her sehr, sehr qualitativ auch sehr, sehr hoch. Wie ist so eure Wahrnehmung? Wie würdest du es selber beschreiben, wenn du jemandem versuchst, sozusagen die Relevanz von Vitra zu vermitteln?

Rudolf Pütz: Also man muss einfach sagen, dass Design und so, wie wir es verstehen, auch ein avantgardistisches Design schon auch ein Nischenthema ist. Ich würde mal sagen, so maximal zehn Prozent der Menschen tangiert das. Und die kennen auch Häufig Menschen, die einen kulturellen Hintergrund haben, weil die einfach auch die ideellen Werte zum Beispiel des Designs von Charles und Ray Eames zu schätzen wissen. Was ja interessant ist, gerade bei den Eames-Produkten, je älter die Produkte sind, umso mehr wert sind sie. Man sieht auch das Thema Nachhaltigkeit ganz groß. Und Vitra-Produkte findet man natürlich in vielen öffentlichen Bereichen. der Bundestag, hier der Reichstag, mit den schönen blauen Stühlen, die wir alle schon in der Tagesschau oder in ZDF heute gesehen haben. Das sind Vitra-Stühle, die damals der Architekt Norman Foster auch ausgesucht hat. Dann in vielen Unternehmen sitzen die Boards etc. auf dem Aluminiumchair. der in den großen Konferenzräumen zu sehen ist. Ich glaube, auch im Büro von der Frau Merkel gibt es solche Stühle. Dann zum Beispiel Flughäfen. Der Münchner Flughafen ist mit Vitra im Stuhl. Der Frankfurter Flughafen, wenn ich jetzt nur in Deutschland bleibe.

Joel Kaczmarek: Wie muss man sich eure Organisation vorstellen? Sitzen da wirklich Leute, die das sozusagen per Hand produzieren? Lasst ihr irgendwie, wie sonst viele das machen, in Asien produzieren? Wie genau seid ihr da eigentlich aufgestellt?

Rudolf Pütz: Also wir haben eine sehr, sehr große eigene Entwicklungsabteilung, womit gemeinsam mit den Autoren Ideen entwickelt werden und auch Produkte konzipiert werden. Vielleicht kommen wir da noch drauf auf den speziellen Entwicklungsansatz. Bei uns haben die Designer einen enorm hohen Freiheitsgrad. Nur so kann Innovation entstehen. Und wenn der Designer heute sagt, es wird nicht geschweißt, sondern gelötet, dann machen wir das auch möglich. Das heißt aber auf der anderen Seite, dass wir nicht jedes Verfahren auch selbst maschinell abbilden, sondern wir suchen uns dann wieder die besten Partner, mit denen wir dann die Produkte auch fertigungstechnisch realisieren können. Aber die Werkzeuge gehören immer vitra. Und so ist das eine Mischung teils eigener Produktion, aber auch ausgelagert mit hochkompetenten Firmen, die uns dort unterstützen.

Joel Kaczmarek: In der Tat, lass uns da mal darauf eingehen, wie ihr sozusagen was entwickelt. Also du sprichst ja von diesem Autorenprinzip, dass die bei euch sehr viel Freiheit haben. Ich finde das ja faszinierend auf eine Art, weil dein Risiko zu scheitern wird ja höher mit dem Innovationsgrad teilweise. Also was noch nicht da war, muss man den Leuten manchmal erklären. Also es war ja auch so ein bisschen dieses Steve Jobs Phänomen. Und ihr macht das aber ganz bewusst. Also ihr wollt ganz bewusst avantgarde sein und ganz bewusst euch neu erfinden.

Rudolf Pütz: Warum? Also das liegt einfach in der DNA von Vitra, Innovation, sei es funktional, sei es einfach von der Produktidee oder von den Technologien, die wir ansetzen, einfach die Neugierde, die in dem Unternehmen auch drin steckt. Und genau deshalb arbeiten wir mit diesen kreativen Köpfen, weil wir überzeugt sind, die haben die Antennen für die Zeit und sind in der Lage, echte Innovationen auch hervorzubringen. Und das ist genauso wie in der Literatur, wenn man einen Erfolgsautor hat, Der hat auch nicht nur Bestseller, auch da gibt es Höhen und Tiefen und so ist das bei uns natürlich auch. Aber die Chance und die Wahrscheinlichkeit, dass einer dieser Köpfe auch eine herausragende Idee hat, die ist einfach relativ hoch. Und wenn man es schafft, mit solchen Köpfen auch Produkte zu entwickeln, da kommt eins hinzu, dass diese Produkte immer auch eine lange visuelle Gültigkeit haben. Das heißt vom Produktzyklus, das läuft alles sehr, sehr lange und das ist natürlich auch wichtig. Betriebswirtschaftlich nicht ganz unsexy, aber auch für den Kunden ist es natürlich toll, wenn er auch nach 20 Jahren ein Produkt hat, das top aktuell aussieht und vielleicht sogar etwas mehr wert ist.

Joel Kaczmarek: Und wie läuft das dann ab? Also kommen die auf euch zu? Macht ihr da irgendwie Ausschreibungen? Habt ihr irgendwie für euch so ein internes Ranking, wo ihr sagt, okay, das sind so unsere Top 12 im Bereich Innenarchitektur, die Top 12 bei Materialverarbeitung oder oder? Oder wie muss man sich das vorstellen?

Rudolf Pütz: Nein, ich glaube, wenn man in dieser Szene verankert ist, dann beobachtet man das und dann schälen sich schon irgendwann kreative Köpfe heraus. Dann gehen wir auf die zu und wir suchen uns die schon aus. Und dann ist das eine sehr enge Beziehung zwischen dem Unternehmen oder sogar dem Unternehmer und dem Autor, die über viele Jahre hinweg geht. Und das ist wichtig, dass man da auch das Gespür hat, dass man zusammenpasst von der Denkweise her, von dem Tiefgang, den man hat. Denn das ist auch eine Besonderheit. Bei uns entstehen viele Produkte, ohne dass es ein Pflichtenheft gibt, was ja eigentlich in der heutigen Zeit von einem Industrieunternehmen kaum nachzuvollziehen ist. Aber es ist in der Tat so. Wir diskutieren dann mit den Autoren über Produkte, gesellschaftliche Entwicklungen, gesellschaftliche Veränderungen und was resultiert eigentlich daraus, welche Herausforderungen, aber auch Chancen, welche Risiken und so werden dann Projekte definiert. Auf diesen Projekten arbeiten dann diese Autoren in einem Trial and Error Verfahren und manchmal Gibt es dann ein Produktergebnis, anderes Mal gibt es kein Produktergebnis. Aber diese Freiheit und so frei heranzugehen, das ist natürlich der Nährboden, um wirklich auch nachher zu innovativen Ergebnissen zu kommen. Ich will mal ein Beispiel geben. Zum Beispiel im Jahr 2000 haben die beiden Borolek-Brüder die Jointbench entwickelt und wir haben die vorgestellt. Das heißt, die Idee des Küchentischs in einem Büro. Es war klar, dass die Entwicklung geht mehr zu offenen Strukturen hin. Und was bedeutet das? Menschen sollen zusammenkommen, sollen zusammenarbeiten. Und Vitra war damit der Erste, der quasi diese Idee ins Büro gebracht hat. Sechs Jahre später dann kam das Alcove-Sofa, was heute überall sehr erfolgreich ist und in vielen Stellen steht und oft kopiert ist. Das war quasi dann wieder die Idee, in einer offenen Struktur auch Rückzugsmöglichkeiten anzubieten, ohne dass man Wände baut. Das Sofa im Büro war vorher überhaupt nicht denkbar. Das ist damit in das Büro hineingekommen worden. Und nicht, weil man das entwickelt hat und sagt, wir wollen jetzt ein Sofa mit einem hohen Rücken, sondern nein, das ist aus einer solchen Diskussion heraus dann und einem Prozess entstanden.

Joel Kaczmarek: Wenn ihr sagt, ihr habt die Couch ins Büro gebracht, alle Welt redet ja auch mal von diesem Future of Work, wie das irgendwie aussieht. Also das hat eine Prozesskomponente, wie man arbeitet, Digitalisierung, die Prozesse, wie sie sich verändern und so weiter. Aber es hat ja auch irgendwie eine räumliche Komponente. Also wie sieht so ein Büro aus? Was nehmt ihr denn dort wahr? Wie wird denn das Büro der Zukunft aussehen?

Rudolf Pütz: Also zuerst einmal muss man feststellen, dass durch die Digitalisierung und den demografischen Wandel, das sind, glaube ich, die zwei großen Treiber, sich die Art, wie wir arbeiten, ziemlich stark verändert. Und diese Geschwindigkeit der Veränderung, die wird eher zunehmen. Und heute moderne Bürokonzepte, die folgen eigentlich, wenn man es mal genau sieht, sehr stark der Logik der Digitalisierung. Weil natürlich, wenn Arbeit digital wird, dann hat das auch Auswirkungen auf das Umfeld. Das heißt Offenheit und Transparenz ist ein großes Thema. Das heißt, wir arbeiten in offenen Räumen. Dann sehe ich das Thema Optionen statt Eindeutigkeit. Also viele Angebote, unterschiedliche Angebote für Konzentration, für Kommunikation, für Rückzug. Es gibt nicht das Entweder-Oder, sondern es gibt das Sowohl-als-auch-das-Dritte-Ist. Das Thema Agilität, also auch Organisationen so aufzustellen, dass sie in der Lage sind, agil zu arbeiten. Und zuallerletzt geht es um das Thema Vernetzung. Wir sind in einer Gesellschaft, die durch die ganze Plattformisierung ganz stark im Gedanken der Vernetzung organisiert ist. Und das spiegelt sich auch in der Arbeit wieder. Und meine persönliche Sicht darauf ist, dass die Zukunft sich ganz stark in der Gemeinschaft abbilden wird. Und alles das findet man quasi auch in modernen Bürokonzepten. Und je stärker die Arbeit digital wird, umso wichtiger ist auf der anderen Seite wieder der physische Ort. Wir sind jetzt hier heute in einem Coworking-Space. Und wie ist es eingerichtet? Sehr analog, sehr emotional. Und Menschen mögen das. Auf der einen Seite hat man eine Digitalisierung und auf der anderen Seite die Gegenbewegung. die wieder Erdung und Bezug zu etwas Analogem sucht. und die Balance zwischen diesen Dingen, der richtige Ausgleich, das macht es am Ende aus. Und deshalb entwickeln wir auch für unsere Kunden starke Orte, die authentisch sind, die Kultur abbilden, die die Werte des Unternehmens zum Ausdruck bringen, die aber natürlich auch Prozesskomponente, Innovation unterstützen, agiles Arbeiten unterstützen. All diese Dinge kommen dort zusammen.

Joel Kaczmarek: Gleich mal eine kleine Randnotiz. Wie seid ihr denn an dieser Front aufgestellt? Weil es ist jetzt glaube ich nicht so, dass ihr ein Shop seid und man bedient sich wie aus einem Selbstbedienungsladen, sondern da klingt ja eigentlich raus, dass jedes Büro individuell ist. Wie genau sieht das bei euch aus, wenn jemand jetzt sozusagen auf euch zukommt und sagt, ich will ein ganzes Büro einrichten? Habt ihr da wirklich eine Einrichtungsabteilung? Habt ihr sozusagen als Service diese Unterstützung? oder wie muss ich mir das vorstellen?

Rudolf Pütz: Ganz häufig ist es so, dass Kunden zu uns kommen und sehen, wie wir arbeiten, weil wir auch in einer offenen Struktur arbeiten. Ich selbst habe auch kein eigenes Büro, sondern arbeite mitten in meiner Organisation. Und die verstehen dann ganz sofort, okay, aus dem Büro kann ich eigentlich viel mehr machen, als nur Möbel einzukaufen und hinzustellen. Das ist der reine Prozess, sondern Das Asset, der Mehrwert des Raums, entsteht durch andere Dinge, indem der Raum nämlich zu einer Lösung wird, für das Unternehmen Kultur abbildet, Werte abbildet etc., Marken nach innen und außen sichtbar macht. Und genau das begleiten wir, oder auf dem Weg begleiten wir Unternehmen in diese neuen Arbeitsumgebungen hinein. Da gibt es bei uns Spezialisten, die das Thema Workplace Consulting machen, das heißt Workshops, Strategie-Workshops mit den Kunden. Wo wollen wir eigentlich hin? Was sind die Pains? Was sind die Dinge, die wir verändern wollen? Wie ist unsere Kultur? Da gibt es Nutzer-Workshops, weil letztlich müssen sich die Mitarbeiter identifizieren mit dem, was als Ergebnis rauskommt. Das heißt, die beteiligen wir sehr früh an diesem Prozess, ohne über den letzten Tisch und Stuhl zu sprechen. Und diese Ergebnisse aus dem Workplace Consulting, die sind dann quasi der Input für das Interior Design. Das heißt, wir haben Interior Design Profis, die nichts anders machen, von Januar bis Dezember als Open Space Lösungen für Kunden zu entwickeln mit einer hohen Kompetenz. Für diese ganzen organisatorischen Fragen, aber auch für die gestalterischen Fragen. Wir sehen als Endprodukt den Raum, nicht das einzelne Möbel. Und da hat Vitra eine hohe Kompetenz genau in diesem Thema. Und deshalb kommen die Kunden auch zu Vitra, weil sie starke Räume wollen, unverwechselbare Räume, die ihre Identität ausdrücken und die vor allen Dingen auch authentisch sind. Weil ein Rechtsanwaltbüro muss anders ausschauen wie eine Werbeagentur. Das Büro muss nach der Firma riechen und nicht nach etwas anderem.

Joel Kaczmarek: Ich habe in einem unserer Podcasts mal gehört, Raum sei die Körpersprache einer Firma.

Rudolf Pütz: Das trifft es ja ein bisschen.

Joel Kaczmarek: Für wie wichtig, also sagen wir es so rum, ich glaube daran, dass das wichtig ist. Wie würdest du das jemandem erklären, warum es so wichtig ist? Also wo färbt Raum eigentlich alles auf so eine Firma ab? In welcher Form?

Rudolf Pütz: Ich glaube, wir spüren es alle, wenn wir in Räume kommen, die nicht funktionieren, dass sie etwas mit uns machen. Und unsere Mission als Design Company, vielleicht kann ich da wieder zurückkommen, die ist, wir sind überzeugt, dass Räume einen großen Einfluss haben auf unsere Gedanken und Empfindungen, egal wo wir sind, im Büro, zu Hause oder auch unterwegs. Und wir arbeiten da dran, Interiors mit der Kraft von Design besser zu machen. Und das ist genau das Übertragen dann aufs Büro, dass wir durch das Design, durch die Poesie und die Kraft, die im Design liegt, einfach Umgebungen gestalten, in denen man sich wohlfühlt, in denen man gerne da ist, in denen es keinen Widerspruch zwischen Arbeit und Lebensqualität hat.

Joel Kaczmarek: Auch auf die Gefahren, dass ich jetzt wie so ein Fanboy rüberkomme. Ich finde eure Sprache so interessant. Es ist so inspirierend, was ihr tut. Also, dass ihr Designer Autoren nennt, dass du die Gestaltung von Raum eine Poesie bezeichnest. Also ist das so ein bisschen eure Feststellung auch gewesen, dass das fast so ein kreativ-schreiberischer, also du hast ja auch gesagt, die Handschrift von jemandem steckt in den Möbeln drin. Wie kam es dazu, dass ihr das so seht?

Rudolf Pütz: Zum einen auf dem Thema Poesie. Design ist Poesie. Für mich ist gutes Design dann, wenn ich ein Produkt anschaue und dann ein Lächeln auf den Lippen bekomme. Das ist genauso wie ein Gedicht lese, das mir gefällt. Irgendwie muss es sich ja aussehen, es muss mich berühren. Und alles, was schön ist, zieht an. Das ist einfach eine alte Erkenntnis. Und das Unternehmen ist sicherlich sehr, sehr stark geprägt von dem, wie Charles und Ray Eames Entwicklung und Produktdesign verstanden haben.

Joel Kaczmarek: Wie war das?

Rudolf Pütz: Ja, das war wie so ein Prozess. Sie haben gesagt, entweder machen wir die Produkte für uns selbst oder für jemanden, den wir kennen, der einen Bedarf hat, dem wir eine Freude bereiten wollen.

Joel Kaczmarek: Also stärkt Personalisierung eigentlich.

Rudolf Pütz: Genau. Ich glaube, gutes Design muss berühren. Das ist wichtig. Und wir setzen diese Kraft ein mit unserer Kollektion, die enorm breit ist, in Abstimmung mit der Kultur des jeweiligen Unternehmens. um eine Umgebung zu schaffen, die einfach für sie passt.

Joel Kaczmarek: Was sind denn deine KPIs, wenn du mit deinen Autoren zusammenarbeitest, um zu beurteilen, ob ein Design wirklich gut ist? Weil wenn wir eigentlich jetzt gerade zusammen feststellen, es geht da, zumindest was den Gesamtkontext angeht, viel um Personalisierung, um dich und deine Bedürfnisse. Wie schafft man es dann, ein Design zu machen, was bei ganz, ganz vielen Leuten Bedürfnisse stillt? Wie misst du das?

Rudolf Pütz: Also ich glaube, es geht nicht nach Checkliste, sondern man hat einfach Menschen, also kreative Köpfe, denen man vertraut. Deshalb sprach ich ja davon. Die haben einen sehr hohen Freiheitsgrad, weil man ihnen auch das zutraut und ihnen vertraut, dass sie etwas schaffen, was einfach viele Menschen bewegt und berührt. Und bei Vitra ist es auch so, dass diese Autoren in ganz, ganz vielen Fällen Produkte schaffen, die, wir sagen dann, transversal sind. Die findet man dann interessanterweise sowohl im Büro wie im Wohnbereich. Und das ist eine Qualität für sich. Und das schaffen nur wenige Autoren. dieser Autoren. Aber nicht, weil wir was mit Checkliste machen, sondern weil das einfach gute Typen sind, die in der Lage sind, sowas auch hervorzubringen.

Joel Kaczmarek: Versuchst du eigentlich Trends zu vermeiden?

Rudolf Pütz: Also zuerst einmal muss man sagen, das Risiko ist da, dass Dinge auch vor der Zeit kommen. Nicht jedes muss gefallen. Ein Risiko ist mit dabei. Natürlich müssen wir, wir haben ja einen Trend-Scout, natürlich müssen wir schauen, wo entwickelt sich die Gesellschaft hin. Ich sprach davon. Und was leitet sich daraus ab? Insofern sind wir schon bei den Trends, aber wir sind sicherlich nicht gestalterisch in irgendeiner Weise modischen Trends hinterherlaufend, sondern ein Vitra-Produkt hat lange visuelle Gültigkeit, ist immer modern, aber nie modisch, weil wir ganz stark auch von dieser extrem langen visuellen Gültigkeit überzeugt sind.

Joel Kaczmarek: Hast du was gefunden, wie man, wenn du sagst, ihr seid modern, aber nie modisch, wie man das auseinanderhält?

Rudolf Pütz: Ja, modisch ist einfach kurzlebig. Schau dir das mal an, wenn du heute in manche Büros gehst oder auch in diese Coworking Spaces, die man hier und da sieht. Da werden starke Geschichten erzählt. Das ist auf den ersten Blick sehr, sehr interessant. Aber wenn du es fünfmal gesehen hast, dann ist die Geschichte, die ist dann wie abgestandenes Bier. Die spricht dich nur noch bedingt an. Und das ist nicht das, was wir für Verständnis haben, sondern Wenn du 20 Jahre oder 15 Jahre irgendwie ein Büro betreibst, was wirklich aktuell auch ist vom Erscheinungsbild, dann darfst du solche modischen Spielereien einfach nicht machen.

Joel Kaczmarek: Woran erkenne ich sowas? Also muss ich dann zum Beispiel krasse Formen vermeiden, muss ich krasse Farben vermeiden, muss ich so ein bisschen die Intensität runternehmen? oder wie verhindere ich, modisch zu sein?

Rudolf Pütz: Nein, gar nicht. Ich glaube, es muss in sich schlüssig sein. Es kann unterschiedliche Stile haben, unterschiedliche Geschichten dahinterstehen, aber die Qualität muss sehr gut sein und wie gesagt, nicht einfach nur diese rhetorische Schminke aufgesetzt sein. Das ist dann zu kurz gesprungen, zumindest nach unserem Verständnis. Findet man ganz oft, aber du sprachst davon, soll das nicht so krass sein. Das hat was wieder mit der Kultur eines Unternehmens zu tun. Wie gesagt, für eine Werbeagentur sieht das anders aus, wie für einen Industriebetrieb oder eine Anwaltskanzlei.

Joel Kaczmarek: Ja, weil mir geht es immer wieder so, dass ich das manchmal beobachte, dass manche Sachen, genau wie du es sagst, bei mir war das zum Beispiel so, aus dem Bereich der Mode jetzt, so Naketano, war so zwei Jahre total in. Und wenn man diese Shirts zuerst gesehen hat, fand man die cool, das hatte dieses Maritime und so. Nach zwei Jahren konnte man das nicht mehr sehen. Und das finde ich manchmal das Faszinierende daran, dass manche Items schick sind, man will sie immer wieder angucken, immer wieder, immer wieder angucken. Und da gehören diese Stühle vielleicht dazu, die ihr teilweise habt von Ray und Charles Eames. Und das kann aber auch Klamotte sein. Deswegen finde ich das manchmal ganz interessant, dem mal so auf den Kern zu gehen, was das eigentlich ist, das zeitlosen Schick macht.

Rudolf Pütz: Also da können ja ruhig schon mal so kleine Elemente drin sein. Da muss schon der Pep drin sein, aber die Grundstruktur, das muss irgendwo dieses, ich will nicht sagen zeitlos, aber es muss einfach diese lange visuelle Gültigkeit haben.

Joel Kaczmarek: Kommen wir wieder zurück zum Thema Büro, Arbeiten. Ihr hattet ja auch, wenn ich mich richtig entsinne, zur Jahrtausendwende schon, dieses ganze Thema des offenen, mobilen Großraumbüros proklamiert. Und dann habe ich das Gefühl gehabt, hat sich das noch ein bisschen verfeinert, dann schälte sich dieser Gedanke raus, den ihr irgendwie Net Entnest genannt habt. Also einerseits soll ein Büro irgendwie Zentrum der Kommunikation sein, also ein Netzentnest. und gleichzeitig aber eine Möglichkeit eines Rückzugs, ein Nest. Trifft das eurer Wahrnehmung heute noch so? Ist das nach wie vor so? Hat sich das bewahrheitet oder hat sich das auch nochmal verändert, jetzt mit digitalem, agilen Arbeiten?

Rudolf Pütz: Also es ist ja ein Entwicklungsprozess. Wir haben 2000, sind wir selbst in unser Citizen-Office hineingegangen, haben dann offen gearbeitet. Also das, was wir verkaufen, das probieren wir auch selbst an uns aus. im Übrigen, was nicht ganz unwichtig ist, aus der Praxis für die Praxis. Und dann stellt man fest, dann gewinnen mal prozessuale Themen eine größere Bedeutung. Und am Anfang war das so ganz stark, jetzt ist Zusammenarbeit angesagt, weil man aus der Zelle kam, nicht nur wir, sondern der Standard war die Bürozelle. Also wir müssen öffnen, wir müssen zusammenkommen, Kommunikation spielt eine große Rolle. Dann stellt man aber plötzlich fest, Kommunikation alleine ist es auch nicht. Die Mitarbeiter brauchen genauso wieder diese Rückzugsräume, die Konzentration, Entspannung. Und das haben wir dann so um das Jahr 2006 beantwortet, auch wieder mit den BOROLEX durch das Alcove-Sofa. Das Interessante war, wir haben Räume gebaut durch das Sofa, ohne dass wir Wände bauen, sondern eigentlich durch Mikroarchitektur. Und das war wieder die Balance, von der ich auch vorhin gesprochen habe. Du hast nicht nur Kommunikation, sondern du hast auch auch wieder Konzentration und Rückzug. Und die Mischung macht es im Grunde genommen aus. Die vernünftige Mischung, die abgestimmte auf die Art, wie das Unternehmen arbeitet. Und heute sind wir an dem Punkt, wo wir ja noch mobiler arbeiten, wo wir plötzlich feststellen, wo ist eigentlich das Büro? Das Büro, das ist mein Smartphone, ist das zu Hause, ist das im Hotel? Die Menschen arbeiten arbeiten überall. Wir glauben, heute ist einfach die Schnittstelle da zwischen Büro und öffentlichem Raum. Und was bedeutet das eigentlich? Wie arbeiten wir dann in der Zukunft? Das sind spannende Fragen. Und dazu suchen wir Antworten und auch Produktlösungen natürlich.

Joel Kaczmarek: Habt ihr denn schon Antworten dazu gefunden? Weil ich habe gesehen oder ich habe es ja selber begleitet ein Stück weit. Ihr arbeitet ja mit einer Frankfurter Agentur zusammen, die sich Herren der Schöpfung nennt. Das ist eine Kommunikationsagentur. Und der Grundgedanke ist, dass ihr gemeinsam das Office der Schöpfung baut. Also ein Büro, wo ihr im Prinzip hingeht und sagt, die Herren der Schöpfung arbeiten sehr agil, auch sehr digital geprägt. Und Vitra steuert quasi das ganze Know-how bei für den Raum. Also man lernt ein bisschen voneinander.

Rudolf Pütz: Genau, ja.

Joel Kaczmarek: Vielleicht kannst du ja mal dieses Projekt ein bisschen einordnen. Mich hat das ja überrascht. Also vielleicht fällt das im Bereich dieser Autorenschaft auf eine Art, die du gesagt hast. Ja, aber ich habe so da gesessen und habe gedacht, so ist ja interessant. Warum nimmt sich denn eine Firma wie Vitra, die für mich immer am Puls der Zeit ist, ganz weit vorne, die mit den schlauesten Designern dieses Planeten, also schlau im Sinne von kreativ, muss man ja sagen, zusammenarbeitet. Warum nehmt ihr irgendwie eine 25-Mann-Agentur aus Frankfurt und entwickelt mit denen solche Konzepte? Wie kam es dazu und was zieht ihr da eigentlich raus?

Rudolf Pütz: Also ich glaube, das ist Ausdruck auch der Art und Weise, wie man heute kooperiert. Vielleicht zum Ausgangspunkt die Herren der Schöpfung, eine 25-Mann-starke digitale Agentur, die wächst, die in neue Räumlichkeiten hineingeht. Die haben einen Partner gesucht, der ihnen diese Räumlichkeiten entwickelt und ist auf Vitra zugekommen, weil wir einfach wissen, wie man Räume baut, in denen digital und agil gearbeitet wird. Das ist unsere Kompetenz. Und bei dem Austausch, das war ganz spannend, dass die drei Gründer dort waren. Einfach gesagt, ich fand das spannend, wie die über das Thema Agilität und agiles Arbeiten nachdenken und stehen. Die sagten, wir brauchen doch keine Seminare oder Trainings zu machen, wir arbeiten einfach agil, wir nutzen die Tools, die es dazu gibt, digitale Worktools. Und das fand ich so völlig, sagen wir mal, anti-corporate-mäßig. Das ist interessant. Und daraus ist diese Kooperation entstanden, quasi auf Augenhöhe. Wir entwickeln das Büro gemeinsam mit Ihnen. Wir nutzen aber dabei auch diese digitalen Tools. Das ist für uns eine tolle Übung. Wir lernen daraus, was ist positiv, was ist vielleicht weniger gut. Und diese Erfahrungen geben wir dann weiter und bringen sie ein in andere Projekte, die wir haben, soweit das dann dort auch zielführend ist. Und meine Wahrnehmung ist, dass durch diese Art plötzlich aus einer klassischen Kunden-Lieferanten-Verbindung eine Art Überschneidungsraum gibt, in dem beide voneinander etwas lernen können. Und das ist auch das Tolle, dass wir als traditionelles, gesetteltes Unternehmen von solchen jungen Leuten einfach etwas Tolles lernen können. Dazu muss man offen sein. Das ist für mich auch heute etwas. Wie gehen wir mit der Digitalisierung um? Wie gehen wir mit neuen Entwicklungen um? Und wir sind neugierig und deshalb machen wir solche Dinge.

Joel Kaczmarek: Was hast du bisher gelernt über agiles Arbeiten? Vielleicht müssen wir erst mal definieren, was agil für dich eigentlich bedeutet.

Rudolf Pütz: Genau, also Agilität ist so ein Modebegriff. Da muss man jetzt ein bisschen vorsichtig sein. Es gibt agile Methoden, sagen wir Design Thinking. Wir gestalten Räume, die agiles Arbeiten zulassen durch Werkzeuge, die flexibles Arbeiten, Projektarbeit etc. zulassen. Und es gibt digitale Tools, einfache Tools wie Slack oder Trello. Und alles hat seine Berechtigung. Wir kennen uns ganz gut aus, wie man Räuber gestaltet, indem man agil arbeiten kann. Aber die Kompetenz dort, die reinkam, war die Nutzung von digitalen Tools. Und das, glaube ich, ist ein ganz großer Schritt, um schnell Prozesse zu digitalisieren, dass einfache Methoden oder einfache Tools, die es gibt, dass man die einfach nutzt. Und das hat mir gezeigt, es ist easy, so etwas zu machen. Wir haben einen großen Vorteil, dass wir wie in diesem Projekt remote miteinander arbeiten können. Die Agentur sitzt in Frankfurt. Wir haben Menschen, die auf dem Projekt arbeiten, die sitzen in Berlin, andere sitzen in Frankfurt und andere in Weil am Rhein. Und die bringen wir alle zusammen, die sind im permanenten Austausch. Und das bringt ganz deutliche Vorteile natürlich. Und dieses schnelle Feedback, das Hin und Zurück, das Zurückspielen. Und das ist ja heute auch so, alles muss schneller gehen. Und deshalb ist das auch etwas, mit dem wir den Projektfortgang schneller machen.

Joel Kaczmarek: Ich würde ja versuchen, auch gerne zu leiten, wenn jetzt Menschen, die digital und meinetwegen auch agil arbeiten, sich fragen, wie muss ich denn mein Büro gestalten? Also sagen wir mal, jetzt irgendwie angeregt, mal darüber nachzudenken. Jetzt schmeißt der hier irgendwie alle seine Butlers und Depotmöbel irgendwie rausund dann denkst du, okay, tabula rasa,jetzt mal alles neu. So, was hast du denn aus diesem Projektund aus deiner Erfahrung bisher mitgenommen? Du hast ja jetzt schon vier Sachen gesagt,die ich ganz interessant fand,also Transparenz, Optionen bieten,agil sein und vernetzen. Was ein Raum unbedingt braucht,wenn er eigentlich den Anforderungender Gegenwart gerecht werden will?

Rudolf Pütz: Also wenn man sich das mal genau anschaut, was hat für einen Ort der Arbeit eine Relevanz, dann glaube ich, kommt man auch zu so ein paar Themen. Das eine, was wir beobachten, ich sage mal mit dem Stichwort Campus. Das muss jetzt kein Campus mit verschiedenen Gebäuden sein, aber dahinter ist ja diese Mentalität oder diese Einstellung, Orte zu schaffen, in denen man quasi eine Atmosphäre hat, wie man sie üblicherweise an Universitäten findet. Das heißt, einen informellen Austausch, Begegnung zu fördern, die Kommunikation zu fördern. Es heißt ja nichts umsonst, gerade auch in den Start-ups, die Magie findet in den Fluren statt. Also das muss man irgendwo abbilden, dass es ein lebendiger Ort ist, der viele Begegnungsmöglichkeiten hat, der Menschen zusammenbringt, der aus einem Büro einen sozialen Raum macht. Und wenn diese Menschen zusammenkommen, bilden sie oder entwickeln dann auch eine Kultur. Sie schaffen auch Werte für das Unternehmen. Also es geht um Heimat, es geht um Community da. Da kommen wir wieder zu dem Thema, dass die Menschen sich identifizieren mit dem Unternehmen. Ein zweiter Aspekt, finde ich, der ganz wichtig ist, den heute gerade etwas größere Unternehmen auch unbedingt versuchen sollten, mit Hilfe des Raums zu unterstützen oder zu lösen, ist eine Kommunikation. Kultur zu finden oder zu sichern, die innovativ ist, die Kreativität zulässt, die Flexibilität zulässt, dieses Trial-and-Error-Verfahren auch. Da sind wir beim agilen Arbeiten wiederum. Sharing ist ein dritter Bereich. Man muss darüber nachdenken. Es geht ja nicht darum, jetzt plötzlich zu sagen, wir vergrößern die Flächen, sondern wenn Menschen nur zeitweise im Büro sind, kann man über das Teilen von Arbeitsplätzen nachdenken und den damit gewonnenen Raum auch nutzen, um wieder Angebote für alle zu schaffen. Sei es eine Townhall, sei es eine größere Küche etc. Ich weiß, dass das ein Thema ist, was in vielen Unternehmen heiß diskutiert wird. Wer gibt schon gerne seinen einzelnen Tisch auf, aber Die Idee dahinter ist ja, ich komme wieder zum Thema Optionen, mein Büro ist nicht mein einzelner Tisch, sondern alle Optionen, die das Büro bietet, kann ich nutzen. Das mache ich auch in meiner täglichen Arbeit. Ich habe vielleicht vier, fünf Stationen, wo ich jeden Tag wechselnd arbeite, je nachdem, was ich gerade mache. Ob ich mich konzentrieren will, ob ich ein Gespräch führe, ob ich einen Jufix habe, ob ich ein Meeting habe, ob ich mal in einer Präsentation arbeite. Wenn man das schafft, dann hat man einfach genau diese Idee quasi, auch die ich mit Sharing angesprochen habe, umgesetzt. Weil das Verrückte ist ja, wir reden heute alle, man muss Erfahrung teilen, man muss Wissen teilen, man muss Ideen teilen. Und plötzlich beim Arbeitsplatz hört es dann auf, da sagt jeder, nein, das ist mein Arbeitsplatz. Völlig crazy, wenn man wirklich mal einsteigt in das Thema und dahinter geht. Und ein dritter Aspekt, den ich für sehr wichtig halte, ist, Wenn wir heute gerade an die jungen Generationen denken, die ja ganz andere Verständnis haben und Blick auf ihr Leben und auf ihre Arbeit, die sagen sich doch, ist das ein Ort, an dem ich gerne arbeiten will, an dem ich mich gerne aufhalten will. Für die ist die Qualität, das Wohlbefinden eine Rolle. ein enorm wichtiger Faktor. Ich glaube, es ist immer diese Synergie zwischen Leistung und Lebensgenuss. Und das zu treffen und Räume zu haben, die emotional sind, wo man sich angezogen fühlt, wenn man das hinbekommt, dann ist man auch in der Welt, in der genau diese Leute ihr Berufsleben wünschen.

Joel Kaczmarek: Produziert das eigentlich nicht Reibung, dieses Thema, ich habe keinen festen Arbeitsplatz, also auch eine Form von Stress, wenn man sagt so, okay, ich stelle mir jetzt immer so ein bisschen vor, wie man tiggert durch so ein Büro und muss sich jetzt, ich mache einen Call, was ist gerade frei oder ich will jetzt Ruhe, zwei Stunden am Stück Fokusarbeit machen, wo kann ich mich hinsetzen, wenn nicht gestört. Also ich tue mich mit diesem Konzept schwer, ich glaube, ich bin mir auf der Nestseite bei eurem.

Rudolf Pütz: Jetzt sind wir wieder in diese Falle reingerutscht. Also es geht nicht um entweder. oder. Sharing des Arbeitsplatzes nur dort, wo es Sinn macht. Das ist doch klar. Wenn der Buchhalter, der jeden Tag kommt, warum soll der nicht immer am gleichen Tisch sitzen? Und man hat ja eh das Thema Neighborhood. Man muss ja eh die Abteilungen irgendwie zusammenbringen, die auch zusammenarbeiten. Aber es gibt ganz viele in jeder Organisation, die einfach auch viel unterwegs sind, die viel in Meetings sind, die sehr mobil arbeiten. Und die Erfahrungen zeigen, dass in Unternehmen bis zu 60 Prozent eigentlich der Plätze gar nicht genutzt sind. Das heißt, es ist auch eine wahnsinnige Verschwendung von Platz, von Geld. Und warum soll man diesen Platz, es geht nicht darum, ihn einzusparen, aber warum soll man ihn nicht nutzen, um Angebote für alle wiederum zu schaffen, die die Attraktivität auch der Umgebung verbessern.

Joel Kaczmarek: Okay, verstehe. Spannender Gedanke. Okay, dann habe ich das verstanden. Da bist du wieder bei der Bedürfnisorientierung, dass man das auch abhängig macht von dem, was derjenige tut. Ja, klar.

Rudolf Pütz: Es geht nicht alles über einen Kamm zu scheren und auch nicht für jedes Unternehmen. Es gibt agilere, es gibt statischere. Ich glaube, das muss schon auf das jeweilige Unternehmen abgestimmt sein.

Joel Kaczmarek: Lass uns doch auch mal ein bisschen über euch sprechen. Also wir haben jetzt viel geredet über Digitalisierung, wie das das Arbeiten verändert. Wie verändert denn die Digitalisierung euch, also im Kern als Organisation?

Rudolf Pütz: Dem kann sich ja kein Unternehmen verschließen. Wenn man sieht, dass die ganze Welt immer digitaler wird, dass wir digitaler arbeiten, dann hat das natürlich Konsequenzen für jedes Unternehmen. Bei uns ist das so, dass wir zuerst einmal ein ganz großes Augenmerk auf die Prozesse richten und diese Prozesse quasi digitalisiert oder elektrifiziert werden. stellen die ganze IT-Infrastruktur um, überprüfen die Prozesse, sodass alles das, was digital möglich ist, auch digital erfolgt. Dazu haben wir jetzt gerade vor wenigen Monaten Salesforce eingeführt, sind dabei, aber nicht nur als CRM-System, sondern genauso für das Thema Marketing, also Newsletter, Kampagnensteuerung, Thema Service, Ticketsystem bis hin zum Community Cloud. Also man sieht da ganz schön, dass immer mehr Prozesse quasi digitalisiert werden und vor allen Dingen, dass sie miteinander vernetzt werden. Digitalisierung hat auf der anderen Seite zum Beispiel auch eine Selbstverständlichkeit. im Bereich Distribution. Wir haben sehr früh, ich glaube so ab 2006, 2007 begonnen, uns Online-Partner zu suchen, über die wir quasi auch die Produkte vermarkten, die quasi online-affin sind. Und das waren dann Firmen, die gar nicht aus unserer Branche zum Teil kamen. Wenn man sieht Conox zum Beispiel, Das sind zwei Jungs, die das aufgebaut haben, die kommen von der Technologie, ein ganz anderer Ansatz. Wir haben sehr früh geschaut, wer ist dort unterwegs, wer hat auch eine Positionierung, die zu uns stimmt und sind dann in Kooperationen eingegangen, sodass wir heute ein sehr gutes Netzwerk an Online-Partnern haben, über die ein Teil unserer Accessoire- und auch Home-Kollektion läuft. Und seit 2013 hat Vitra auch einen eigenen Webshop, Auch das nicht als Konkurrenz zum Fachhandel, sondern quasi einmal, um natürlich als Marketing-Tool das zu nutzen. Und ich bin überzeugt in der heutigen Zeit, du darfst den Kunden auch nicht bevormunden. Es gibt auch Kunden, die wollen bei der Marke kaufen und das musst du zulassen. Das muss eine moderne Marke einfach auch heute mit einer Selbstverständlichkeit leisten für den Kunden.

Joel Kaczmarek: Bevor ich mal weiter versuche, eure Vertriebswege noch besser zu verstehen, wie ist es denn mit dem Thema Daten? Spielt das bei euch eine relevante Rolle? Weil ich sage mal so, ich finde ja ganz lustig, diese Beobachtung, wenn man sich zum Beispiel hier in den Eames-Lounge-Chair setzt, gibt es ja zwei Ausführungen. Alte Größe, neue Größe. Weil der ist, glaube ich, 1952 entstanden. Kommt das hin?

Rudolf Pütz: 57? 56. Ah, fast.

Joel Kaczmarek: Okay, dann Licht dran. Knapp, der ist auch vorbei. Also 1956 entstanden. Deswegen gibt es eine größere Variante, eine neuere, die 10 cm größer gewordene Menschen berücksichtigt. Dass man sagt, der Mensch ist größer geworden. Also worauf ich hinaus will ist, es wird ja wahrscheinlich ganz viele Datenpunkte geben, die ihr mittlerweile kennt. Wie hoch sollten irgendwie Sitzflächen sein? Wie tief sollten die sein? Was passiert, wenn ich die Rückenlehne um den Winkel X oder Y neige? Und so weiter und so fort. Materialien, Beschaffenheiten und so weiter. Führt ihr da eine Art von Business Intelligence, dass ihr zum Beispiel, wenn ihr eure Autoren habt, denen auch was an die Hand gebt und sagt, guck mal hier, so viel zu deinem Designkonzept, das können wir mit harten Daten unterfüttern. oder widerspricht das diesem kreativen Prozess?

Rudolf Pütz: Also zum einen muss man sehen, dass zum Beispiel im ganzen Bürobereich gibt es sehr viele Normen auch. Ja, da muss man sich einfach dran halten. Und die Normen sind, wie sie sind. Und wenn der Mensch zehn Zentimeter größer geworden ist, bis die Norm dem folgt, das dauert dann eine Zeit lang. Da kommen wir nicht raus aus dieser Falle. Aber was natürlich? jedes Produkt, was gemacht wird, es gibt Erfahrungen, wir wissen ungefähr Neigungswinkel und solche Dinge. Das wird natürlich schon da mit reingegeben in diesen Entwicklungsprozess. Und dann gibt es danach Tests natürlich, bevor das Produkt an den Markt geht. Tests im eigenen Testlabor, aber auch Tests mit Menschen. Und dann stellen wir fest, passt das oder passt das nicht. Also es ist jetzt nicht maschinell datengetrieben, sondern es ist einfach viel Erfahrungswissen auch da, was im Laufe der Zeit einfach sich angesammelt hat.

Joel Kaczmarek: Habt ihr trotzdem irgendwie, also wenn ich jetzt zum Beispiel mal so den Florian Heinemann irgendwie, der ja so in dem ganzen Thema Digitalisierung sehr versiert ist, viele Sachen gesehen hat, der sagt ja auch irgendwie immer, er sieht so als zwei wesentliche Komponenten von Digitalkompetenz, einerseits IT und andererseits Daten und aus den beiden abgeleitet dann wiederum Marketing, so was Marketing dann wieder… reinspült in den Vertrieb. Also im Prinzip geht es ja darum, sein Produkt, seinen Kunden zu verstehen und wie man ihn erreicht. Sind das auch Metriken, mit denen ihr euch aktiv beschäftigt? Also du hast ja schon ein bisschen gesagt, Digitalisierung in Richtung Tools wie Salesforce und Vertriebskanal digital halten. Aber ist das sozusagen eure Treiber oder gibt es da noch andere?

Rudolf Pütz: Ja, damit setzen wir uns natürlich auseinander. Ich stimme dem völlig zu. IT ist das eine. Und wenn ich Daten habe, muss ich überlegen, welchen Nutzen kann ich damit natürlich generieren. Und wir vertreiben ja klassischerweise zweistufig über den hochwertigen Fachhandel, Office und Wohnen. Deshalb haben wir in vielen Fällen gar nicht direkt den Kontakt zum Kunden. Das ist im Wesentlichen im B2B-Bereich. Im B2C-Bereich kennen wir viele Kunden. Unter anderem dadurch, weil Vitra jedes Jahr 400.000 Menschen auf dem Vitra Campus zu Besuch hat. Und dort die Daten der Kunden auch zu erfassen, möglichst die Interesse haben, das ist natürlich schon auch eine interessante Thematik, um ihnen dann auch interessenorientiert Informationen, Newsletter und was auch immer auch zukommen zu lassen. Und das wird jetzt quasi über Salesforce sicherlich mit ganz neuen Möglichkeiten versehen.

Joel Kaczmarek: Ich meine, wo würdest du euch so einordnen, wenn du jetzt Digitalkompetenz nimmst? Von 1 bis 10, 10 ist super. Seid ihr da eher Richtung 10 oder seid ihr eher sozusagen noch an der Mitte?

Rudolf Pütz: Ich maße mir das nicht an, jetzt irgendwo da einen Vergleich hervorzuziehen. Ich glaube, in unserer Branche ist Vitra sicherlich ziemlich vorne mit dabei. Im Gesamtvergleich kann ich es nicht bewerten. Und Digitalisierung hat natürlich so viele Themen, ist so breit. Das ist eine schwierige Frage. Thematik. Aber wir befassen uns damit. Zum Beispiel heute Virtual Reality im Bereich der Planung, im Bereich der Visualisierung. Das sind natürlich Themen, die zur Tagesordnung gehören.

Joel Kaczmarek: Macht ihr sowas?

Rudolf Pütz: Ja, sicher. Gerade auch bei Office-Konzepten gibt es heute natürlich Visualisierungen, die auch per Brille immer mehr, dass du durch den Raum gehen kannst, weil das hat einfach damit was zu tun. Das dreidimensionale Vorstellungsvermögen der Menschen ist nicht so ausgeprägt, wie man es sich manchmal vorstellt oder auch wünscht. Und deshalb hilft das natürlich bei der Beurteilung eines Raumes und bei der Entscheidungsfindung ganz gut.

Joel Kaczmarek: Ich meine, was ist denn generell dein Blick auf Digitalisierung? Also unter welcher Prämisse betrachtest du das? Weil man kann ja per se immer sagen, dass Geschäftsmodelle eine gewisse Halbwertszeit haben. Jetzt ist das Verkaufen von Dingen vielleicht ein Geschäftsmodell, was sehr, sehr lange trägt, aber man kann ja immer in die Richtung überlegen, versuche ich mein bestehendes Geschäft weiterzuentwickeln und auszubauen oder versuche ich auch ein neues Geschäft zu entwickeln? Seid ihr mehr auf der ersten Schiene, dass ihr sagt, wir wollen das, was wir bisher schon seit 1950 machen, jetzt im digital vermittelten Rahmen machen? Oder denkt ihr auch darüber nach, zu sagen, naja, was kann denn aber der Blick über den Tellerrand sein, was können wir noch drumherum bauen?

Rudolf Pütz: Da denken wir schon drüber nach, aber es muss dann fundiert sein. Also wir machen keine schnellen Sprünge und sagen, jetzt gehen wir in eine neue Welt hinein. Es muss wirklich auch abgeprüft sein. Insofern nutzen wir die Möglichkeiten der Digitalisierung, glaube ich, schon ganz gut, aber nicht jetzt in Form eines komplett neuen Geschäftsmodells. Bei uns sind eher zum Beispiel solche Themen wie, anstatt Kauf geht es hin zur Miete. Weil Unternehmen, die kurzfristig denken, die kurze Mietverträge haben, die nicht wissen, wie es in fünf Jahren aussieht, für die ist zum Beispiel Mietmodelle interessant. Wenn man neue Konzepte macht, die auch ein gewisses Risiko haben, dann sind dort auch Komponenten drin, dass ein Teil der Möbel innerhalb der ersten Jahre auch wieder ausgetauscht werden kann, um sich einfach auch weiterzuentwickeln. Also es gibt schon ganz spannende Themen, die die Geschäftsmodelle verändern, ohne dass es gleich auf einem digitalen Modell basierend wäre.

Joel Kaczmarek: Was würdest du denn sagen ist euer Kern-Asset? Also was ist wirklich euer Markenkern von Vitra, wenn du sagst Möbel? Aber was würdest du sagen ist das, was ihr könnt, was kein anderer kann am Markt?

Rudolf Pütz: Das ist ganz klar das Design, die Gestaltungsqualität, die Gestaltungshöhe der Produkte.

Joel Kaczmarek: Und ist dann die Konsequenz daraus, dass ihr auch wirklich nur das macht, diese krasse Fokussierung, wart und euch da weiterentwickelt? Oder denkt ihr trotzdem auch darüber nach, ob man zum Beispiel Services bauen könnte? Also ihr könntet ja zum Beispiel sagen, so. Mieten ist zum Beispiel ein Service. Aber es können auch ganz andere Dinge sein, wenn du sagst, ihr habt ganz viele Bürokunden, ganz viele Firmen und ihr geltet als jemand, der wirklich Avantgarde ist, mit dem man auch irgendwie nichts falsch macht. Also den ich mir kaufe und ich kaufe mir eine gewisse Sicherheit ein, weil es eine gewisse Zeitlosigkeit hat. Denkt ihr da auch darüber nach, dass man zum Beispiel überlegen könnte, irgendwelche softwarebasierten Dinge zu tun, die sich ans Thema Büro, Einrichtungen miteinander anschließen? Oder ist das so weit weg, dass ihr euch da eigentlich von fernhaltet?

Rudolf Pütz: Nein, nein, es gibt schon nochmal planungsbezogene Themen, die in diese Richtung gehen. Da befassen wir uns schon mit. Aber wenn, dann muss es schon fundiert auch sein, dass auch eine Tragfähigkeit gegeben ist.

Joel Kaczmarek: So, jetzt hast du gesagt, ihr vertreibt sehr, sehr stark über den Fachhandel. Ihr habt auch irgendwie Online-Partner, ihr macht einen eigenen Shop. Wie muss ich mir denn so den klassischen Weg vorstellen? Variiert das auch ein bisschen danach, ob das irgendwie jetzt Endkunden oder eher Firmenprodukte sind?

Rudolf Pütz: Genau, also wie gesagt, wir sind ja im Wohnbereich und im Office-Bereich tätig. Im Wohnen, also B2C, ist das ganz klar über den gehobenen Wohnfachhandel. Wir haben sicherlich die besten Einzelhändler in Deutschland im gehobenen Bereich. Daneben die Online-Partner und auch der eigene Vitra Online-Shop. Und im B2B-Bereich, also gerade im Office, da ist es so, dass wir natürlich sehr stark mit der eigenen Organisation, mit der Vertriebsorganisation an den Projekten, an den Kunden arbeiten, weil das auch so erwartet wird. Aber dann auch ganz in der Regel im Schulterschluss mit den Händlern, die dann quasi die Abwicklungen After Sales auch machen.

Joel Kaczmarek: Also vom Gefühl her ist so B2B dann eher so ein Besserverdiener-Thema, also für große Firmen? Kann ich mir das erst leisten ab irgendwie, keine Ahnung, 200 Mitarbeiter plus? Oder sagt ihr auch, dass ihr sozusagen Startups, die jetzt schon ein bisschen reifer sind, auch targetiert?

Rudolf Pütz: Wir sind in vielen Startups. Unternehmen tätig. Wir machen ja nicht nur jetzt ganzheitliche Konzepte, sondern sei es der Bürostuhl, auf dem man gut sitzen kann oder Tische oder Sofas etc. Nein, das hat einfach damit was zu tun. Menschen, die halt eine Design-Affinität haben, die qualitätsaffin sind, das sind potenzielle BITRA-Kunden. Und wenn du jetzt in die Startup-Szene hineinschaust, da sind ja viele Menschen, die auch etwas mit Design zu tun haben. Grafikdesign, die Oberflächen, über die wir vorhin sprachen, die eine wichtige Rolle heute im Interface zum Kunden sind. Und diese Menschen, die diesen Bezug zu diesem Design haben, die lieben Vitra.

Joel Kaczmarek: Hm. Was würdest du denn sagen, wenn wir jetzt mal den ersten Bereich nehmen, B2B, was ich so verfolgt habe, war das ja für den Möbelhandel auch gar nicht so einfach im Bürobereich, weil wohl so die Finanzkrise auch dazu geführt hat, dass viele Budgets nicht mehr irgendwie auf Einrichtungen allokiert wurden. Ist das wirklich so? Habt ihr das auch gespürt und hat sich seitdem was verändert?

Rudolf Pütz: Ja, das ist ja grundsätzlich so, dass ein Gut wie ein Büromöbel sehr konjunkturabhängig ist. Wenn die Konjunktur läuft, werden Büros gebaut, dann entsteht ja auch Ersatzbedarf. Wenn natürlich gespart wird, kann man am einfachsten bei diesen Dingen sparen. Insofern ist das Geschäft volatil. Volatiler als das Wohnen. Das Wohnen hat eine viel, viel größere Kontinuität, aber auch nicht die großen Ausschläge dann nach oben und nach unten.

Joel Kaczmarek: Da sind wir in einem Boot. Werbung wird auch immer gespart, wenn Krisen sind.

Rudolf Pütz: Genau, das ist typisch. Kann man miteinander vergleichen.

Joel Kaczmarek: Ich habe ja gelesen, dass es de facto sogar so war, dass während im Bürobereich das irgendwie runterging von den Ausgaben, es im Privatbereich sogar hochging, weil mittlerweile Menschen Möbel und Designobjekte wirklich auch als Anlageobjekte sehen. Ist das echt so?

Rudolf Pütz: Das war ja in der Finanzkrise schon so. Was machst du mit dem Geld? Also investierst du dann in werthaltige Dinge. Und da liegen natürlich die Klassiker, jetzt ein Eames Loudchair, ein Aluminiumchair, ganz nah, weil die auch eine Wertstabilität haben.

Joel Kaczmarek: Ja, das ist aber wirklich auch relativ lustig, weil ich habe auch mal den IMS Launchtab ausprobiert. Ich glaube, bei diesem einen Designpartner von euch. Ich glaube, Minimum oder Minimal. Minimum, ja. Genau, also hier wirklich Cannstraße, hier in der Designbude da. Und dann haben wir die probiert und meine Frau war Fan der neuen Größe und ich war Fan der alten Größe. Was eigentlich ironisch ist, weil wir gleich groß sind, aber gut. Und dann kam auch der Verkäufer und hat irgendwie, ich weiß nicht mehr, was er gesagt hat, ich glaube, der hat den Neuen empfohlen. Da hat er wirklich gesagt, mehr Kunden kaufen den Neuen, weil sie das als Anlageprodukt sehen und weil sie das teilweise ihren Kindern vererben. Also ist das wirklich die Schallmauer, die ihr da durchbrecht, wenn ihr Möbel verkauft, dass Leute schon denken, das Ding vererbe ich mal meinem Sohn, das ist eine Wertanlage?

Rudolf Pütz: Also ich glaube, das ist beim Launchchair sicherlich ausgeprägt. Bei dem Launchchair von Charles und Ray Eames, das ist ein Produkt, worauf man sich freut, worauf man lange sogar spart. Das hat auch gar nichts damit zu tun, dass das nur Menschen kaufen, die viel Geld haben, sondern das ist einfach ein Produkt, wenn man es kennt, den Bezug dazu hat, man will es gerne haben, Begehrlichkeit ist da ein großes Thema. Und das hat man dann für sein Leben lang und gibt es auch weiter. Da sehen wir auch, dass zum Beispiel viele Restaurationen gemacht werden. Da kommen 40, 50 Jahre alte Stücke, die werden dann in einer Top-Ausführung auch wieder restauriert.

Joel Kaczmarek: Restauriert ihr auch?

Rudolf Pütz: Wir restaurieren und wir haben aber auch autorisierte Partner, die das machen. Ganz wenige, die das aber mit einer wahnsinnig hohen handwerklichen Qualität machen.

Joel Kaczmarek: Zurück zum Thema Online und Endkunde versus B2B. Wie viel macht denn Online mittlerweile bei euch eigentlich aus, so an Prozent, an eurem Umsatz oder an euren Verkäufen?

Rudolf Pütz: Du hast ja vorhin gesagt, die Schweizer sind da relativ zurückhaltend. Also online hat eine Relevanz im Bereich B2C, im Home-Bereich. Und dort gibt es Produkte, die für den Online-Kanal einfach sehr geeignet sind. Wir geben mal Beispiele, die Eams Plastic Chairs, aber auch viele der Accessoires. Und dort in diesen Segmenten ist das schon auch ein merklicher Anteil, der irgendwo zwischen 20 und 30 Prozent betragen kann.

Joel Kaczmarek: Aber ich habe es ja auch selber gemerkt, es ist ja nicht so trivial, wenn man sich solche Materialien bei euch anguckt und die Farben. Und dann nehmen wir mal ein Bürostuhl, dann hat man irgendwie noch, was für Füße will man haben, was für Armlehnen. Also die Konfiguration dessen, die ist ja schon für den Otto-Normalverbraucher, glaube ich, manchmal latent überfordernd. Und ich habe ja immer so das Dilemma, wenn ich mit Händlern rede, jetzt seid ihr kein reiner Händler, sondern Hersteller, vielleicht mit Marke, mit Handelsplattform, wie du gesagt hast, um es dem Kunden anzubieten. Die sind ja immer so ein bisschen auf diesem Surf unterwegs, naja, 10% des Handels sind bisher nur online, warum sollte ich das optimieren, wenn 90% offline sind und viele, die irgendwie was umbauen, haben irgendwie gemerkt, dass so ihre E-Commerce-Umsätze nicht nachhaltig sind. Ist das was, was ihr auch beobachtet oder ist das bei euch wesentlich stabiler, dass man sagen kann, naja, das ist halt irgendwie ein Teil, aber vielleicht noch nicht der wichtigste?

Rudolf Pütz: Also es ist noch nicht der Wichtigste, aber es wird sicherlich für die Zukunft weiter zunehmen. Wobei man auch dem stationären Handel seine Zukunft zugestehen muss. Weil wie du vorhin sagtest, Möbelkauf ist auch in starkem Maße Vertrauenskauf. Auch man will die Dinge ausprobieren, weil man lange sich damit umgibt und da eine Fachkompetenz hat. Was ist der richtige Stoff? Wie wird der Stoff am besten gepflegt zum Beispiel? Das sind alles Themen. Und auch die Einordnung des Produktes in dem gesamten Raum, das Sofa als Teil eines Gesamtsorbels zu sehen, das sind Dinge, die man einfach mit einer großen Fachkompetenz und auch mit der planerischen Kompetenz machen kann. Da wird es irgendwann vielleicht auch mal im Internet Angebote geben, aber ich glaube, das wird nebeneinander passieren. Natürlich muss sich der stationäre Handel da schon sputen und sich überlegen, wie mache ich das, dass ich attraktiv bleibe, was ist mein Asset für die Zukunft, damit der Kunde in meinen Laden kommt. Aber online wird es sicherlich weiter sukzessive auch zunehmen. Das glaube ich ist ganz klar.

Joel Kaczmarek: Was ich so mitkriege, hat ja auch relativ viel mit Kopien und Nachahmern zu tun. Also ich gehe manchmal so durch die Welt und wenn ich mir dann irgendwie so, weiß ich nicht, im Schaufenster von Boconcept oder Bolia oder solchen Geschichten Stühle angucke, also sehr, sehr oft erkennt man irgendwie die Eames Plastic Chairs in unterschiedlichen Varianten. Ist das ein Problem für euch oder ist das sogar manchmal eher noch markenfördernd, dass die Leute dann sagen, ich will das Original haben oder dass man irgendwie dann von jemandem zugeraunt bekommt, ja, das ist sozusagen so die Billigvariante von X?

Rudolf Pütz: Also fördern, glaube ich, ist es nicht. Das ist einfach ein großer wirtschaftlicher Schaden, der damit entsteht. Gerade durch die Fakes, die immer ganz stark auch hier in unsere Märkte hineinkommen. Man darf ja nicht vergessen, diese Originale zu pflegen. Das bedarf eines enorm hohen Aufwands. Das ganze kulturelle Erbe weiterzugeben, die Qualität zu sichern, die Dinge weiterzuentwickeln etc. Und andere kommen und machen die Dinge einfach nach für schnelles Geld und vor allen Dingen nicht auf dem Qualitätsniveau, den man hat. Und der Kunde, wenn er dann ein solches Fake kauft, am Ende passiert es sogar so, dass er dann sagt, oh, das Produkt taugt nichts und verbringt es auch noch mit Vitra in Verbindung. Weil die meisten Verkäufer ihn ja gar nicht darüber aufklären, sondern das ist der Das ist ein Imst-Share, aber nicht sagen, das eine ist das Original von Vitra und das andere ist ein Fake. Deshalb ist das schon ein wahnsinniges Ärgernis und wie gesagt auch ein Schaden, der dadurch entsteht. Und für die Kunden auch. Das eine, wenn du ein Plastik-Share heute kaufst, den kannst du auch wieder verkaufen. Aber wenn du ein Fake kaufst, das Ding ist nichts mehr wert, wenn du es gekauft hast.

Joel Kaczmarek: Das sind ja sogar die Extreme, also wenn da sozusagen wirkliche Nachbauen von euch sind und man die am besten noch als Vitra-Produkte verkauft kriegt, aber es gibt ja jetzt, sage ich mal so, wie gesagt, ich habe ja mit Boja und Boconcept irgendwie zwei genannt oder Who's Perfect, gibt es ja so den einen oder anderen stationären Laden, der vermeintlich Design verkauft für einen gefühlt günstigen Preis. Also fairerweise finde ich manchmal gar nicht so günstig, wenn man genau hinguckt, aber je nachdem, wie man den Benchmark setzt, kommt das schon hin. Bringt das Schmerz in euren Markt rein? Ist das problematisch oder ist das vielleicht sogar ganz gut, dass Leute irgendwie designaffiner werden und auch vielleicht mit kleinen Geldbeuteln mal den ersten Schritt machen können, dann den zweiten vielleicht in einem höheren Segment gehen?

Rudolf Pütz: Ja, wenn einer ein reguläres Business macht, ist dagegen nichts einzuwenden. Der Wettbewerb belebt das Geschäft und wenn Design damit gefördert wird, ist das allemal positiv, auf jeden Fall. Also da kann man nichts gegen einwenden. Es geht eigentlich nur gegen die Fakes.

Joel Kaczmarek: Kann man sich eigentlich schützen gegen als Firma relevant? Wahrscheinlich sehr, sehr schwer nur, oder?

Rudolf Pütz: Ja, es gibt ja entsprechende Urheberrechtsschutz. Nur wenn die in Verkehr gebracht werden, ist es einfach zu spät.

Joel Kaczmarek: Krass. Wie reagierst du denn sonst auf die reinen Online-Player, die halt zusehends aufkommen? Also in Home24 mittlerweile Börse notiert. Wayfair hat, glaube ich, auch schon ein paar hundert Leute on the ground hier in Deutschland alleine. Also das wären ja richtig große Player, die halt auch zusehends auf Eigenmarken setzen, aber auch vereinzelt auf Bekannte. Sind das für euch eher Partner? Ist das Wettbewerb? Nehmt ihr das gar nicht so wahr? Wie bringt ihr euch da in Stellung? zu denen?

Rudolf Pütz: Ja, die sind meistens im Volumenmarkt unterwegs. Wir sind im Grunde eine Nische mit unserem Design. Und deshalb haben wir Online-Partner, die auch in diesem Designsegment angesiedelt sind. Und in dieses Volumengeschäft hinein, das ist nicht unser Weg.

Joel Kaczmarek: Mhm.

Rudolf Pütz: Deshalb sind die auf dem Markt da, die registrieren wir natürlich, aber nur eine bedingte Relevanz.

Joel Kaczmarek: Man kann also nebeneinander bestehen und dann spürt es nicht so das ganz andere Markt. Genau. Gut, verstehe. Dann vielleicht mal so zum Abschluss für mich, um nochmal so nach hinten raus einschätzen zu können. Wie ist denn so euer Verhältnis eigentlich von irgendwie privat zu Geschäftskunden? Ist das sozusagen 50-50, dass ihr beides genau gleich macht? oder irgendwie variiert das? Und wo siehst du eigentlich noch euer Wachstumspotenzial?

Rudolf Pütz: Also das Office-Geschäft ist nach wie vor stärker als das Home-Geschäft. Aber das Home-Geschäft, das haben wir ja wieder seit 2004, als erkennbar war, dass Wohnen und Arbeiten stärker zusammenwachsen, ist das Thema auch von uns sehr stark wieder aufgegriffen worden, davon entwickelt worden, auf der Basis vieler Produkte, die wir natürlich schon hatten, die ja transversal waren. Insofern ist Wohnen in den letzten zehn Jahren auch deutlich stärker gewachsen. Aber wie gesagt, durch Konjunkturabhängigkeit, auch wenn Konjunktur gut ist, entwickelt sich auch das Office-Geschäft sehr gut. Aber deshalb haben wir heute nach wie vor einen etwas höheren Anteil auch im Bereich Office.

Joel Kaczmarek: Wo willst du jetzt noch hinwachsen? Weil eigentlich will man ja Volatilität möglichst vermeiden. Also ich sehe bei mir Werbung auch nicht als finale Lösung für, wie wir Geld verdienen. Was siehst du als Wachstumspotenzial bei euch? Wo geht ihr hin?

Rudolf Pütz: Also ich glaube, man darf nichts vernachlässigen, sondern muss die Potenziale einfach nutzen, die da sind. Deshalb freuen wir uns darüber, wenn Office- und Wohnen wachsen. Also den wollen wir uns nicht verschließen. Aber natürlich ein Fokus ist da, die Marke weiter zu stärken. Deshalb auch zum Beispiel die Accessoires spielen eine wichtige Rolle, weil natürlich Accessoires viel häufiger gekauft werden als Möbel. Und das zahlt ein auf die Marke und das hilft sicherlich auch für die Zukunft, das Wohngeschäft weiterzuentwickeln.

Joel Kaczmarek: Muss das generell Ziel bei euch sein, dass man die Kauffrequenz erhöht mit repetitiven kleineren Käufen, anstatt dass man jetzt die großen blöckert?

Rudolf Pütz: Ach, was heißt muss? Das ist einfach ein Teil des Weges, den wir gehen, um die Markenbekanntheit stärker zu vermitteln.

Joel Kaczmarek: Und könnte man da noch Ausbaustufen schaffen? Also ich meine, so ein Home24, glaube ich, hat zum Beispiel auch ganz viel mit Kissen gemacht. Eva Padberg verkauft dann irgendwie ihre Kollektion, bla bla. Man könnte in Richtung Pappeterie gehen, wenn ihr sagt, ihr habt viele Bürokunden, dass man irgendwie sagt, Bürounterlagen, keine Ahnung. Da kann man, glaube ich, noch relativ viel kreative Dinge sich überlegen. Denkt ihr über sowas nach?

Rudolf Pütz: Das machen wir heute. Wir haben heute auch Büroaccessoires, weil die auch wichtig sind, weil die wieder Atmosphäre im Büro schaffen. Das machen wir schon seit einigen Jahren.

Joel Kaczmarek: Okay, also ich sehe. Also ich finde es irgendwie schön, dass ihr bei euren Leisten bleibt und trotzdem irgendwie nach einem Ausbau guckt. Letzte Frage vielleicht. Das ganze Thema irgendwie Amazon, Plattformbildung, Marktplätze, also alles tendiert ein bisschen zu so Oligopolen, dass man gewisse Inseln hat, wo halt sehr, sehr viel Macht und sehr viel Reichweite verbreitet ist. Ist euer Segment 1, was einfach durch dieses Spezielle, dass ihr so spitz seid, dass ihr irgendwie hochpreisig seid, ist das davon ein bisschen ausgenommen? oder merkst du auch, dass ihr da Druck bekommt, dass das irgendwie problematisch ist, auch für eure angebundenen Händler?

Rudolf Pütz: Also die Begehrlichkeit ist natürlich da, dass wir Amazons dieser Welt auch mit den Top-Design-Marken zusammenarbeiten wollen. Für uns ist das bis heute keine Plattform, obwohl dort unerlaubterweise auch Vitra angeboten wird. Wir sind schon noch in einem Segment, was sehr eigenständig auch ist und das hoffen wir, dass das auch noch lange Zeit so bleiben wird.

Joel Kaczmarek: Hervorragend. Dann danke ich dir ganz herzlich, dass du so viel über Future of Work mit mir geteilt hast. Und wie gesagt, ich glaube, es ist ein passioniertes Thema. Also dein Job muss sehr kreativ und irgendwie spaßig sein. Ist das eigentlich so, dass du ganz oft mit Designern, also hängt dein Tag viel mit Designern zusammen oder musst du mehr Kennzahlen wälzen?

Rudolf Pütz: Nein, nein. Also ich habe den großen Vorteil, ich spreche mit total spannenden Leuten. Ob das Unternehmer sind, ob das Architekten sind, Designer. Ja, und es ist einfach eine total coole Company auch. Ja, also Ich habe einen der schönsten Jobs, den man sich vorstellen kann. Zumindest in meiner eigenen Vorstellungswelt. Nein, nein, ist schon alles top.

Joel Kaczmarek: Sehr gut. Ganz herzlichen Dank, dass du uns daran hast teilhaben lassen und ich drücke dir die Daumen.

Rudolf Pütz: Danke sehr.