Eine interne Designabteilung aufbauen

25. April 2018, mit Joel Kaczmarek

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Joel Kaczmarek: Hallo und herzlich willkommen zu einem neuen TRANSFORM Podcast von digitalkompakt. Mein Name ist Jörg Kaczmarek und ich bin heute in kompetent stylischer Begleitung, also sowohl klamottentechnisch als auch sein Arbeitsfeld. Der gute Moritz sitzt neben mir und wir sprechen heute über Design. Hallo Moritz.

Moritz Marder: Hallo zusammen, freue mich drauf.

Joel Kaczmarek: So und zwar, ich habe das mit dir ja schon hier beschlossen, wir werden mehrere Folgen rund um das Thema Design machen und ich bin ja auch manchmal richtig in Design-Aufklärungsmissionen unterwegs. Mein Spezi hier, der Christopher Böhnke, mit dem ich auch irgendwie ein Design-Podcast-Format richtig mache, der klärt mich ja auch immer auf. Die Leute denken ja bei Design irgendwie immer an, das ist was, ich mache schick, so ist der Button blau oder rot, ist der rund oder eckig. Da gehört schon eine ganze Menge mehr zu und das wird eines der Themen sein, die wir mal aufklären im Zuge von mehreren Folgen. Und heute fangen wir an damit, wie baue ich eigentlich einen Inhouse-Design-Bereich auf in einem größer angelegten Unternehmen? und warum tue ich das? Das soll heute unser Thema sein. Aber bevor wir damit anfangen, sag doch mal ein, zwei Sätze zu dir. Was du eigentlich für einen Background hast, wie du zu dem gekommen bist, was du machst, was kannst du, was kannst du nicht?

Moritz Marder: Ja, gerne. Moritz Rose, 34, verheiratet eine Tochter. Bin studierter Industriedesigner und von den Wurzeln her eigentlich im Automobildesign zu Hause. Also ich habe für VW und auch für Bugatti mal eine Zeit lang was gemacht. Bin dann über das Produktdesign, war da lange bei Phoenix Design, mit Kunden wie Adidas, Hansgrohe, Vorwerk ins Branddesign gewechselt. Also von der Emotionalität des Designs immer mehr Schritte nach unten. Dafür in der Herausforderung des Systemdesigns immer weiter nach oben.

Joel Kaczmarek: Und wie bist du darauf gekommen, für einen Heizungsbauer irgendwie Design zu machen? Das ist ja jetzt irgendwie, also ich weiß nicht, ich will jetzt nicht beleidigend sein, aber ich weiß nicht, ob das topnotch ist, ob deine Studienkollegen gesagt haben, geil, Moritz schießt den Vogel ab.

Moritz Marder: Ja, was machst du jetzt? Malst du jetzt Kessel? Da ist man ja schnell fertig. So malt man so ein Rechteck. Aber ne, also werde ich auch auf jeder Familienfeier gefragt, bin ich also schon gewohnt, darauf zu antworten. Das Design bei FISMAN hat von jeher eine riesengroße Rolle. Also das ist eine der großen Corporate Design Beispiele, sodass das eben jetzt nicht unbedingt nur ein geiles Produkt meint, sondern eben vor allen Dingen, wie das Produkt sich in so ein Setting einbettet. Also sprechen wir über Service Design, sprechen wir über Herausforderungen in enger Zusammenarbeit mit der Zielgruppe, das Ganze als so ein Komplettangebot zu begreifen, was dann auch Marketing umfasst und die ganzen Sales-Ziele und Auftritte und so weiter. Das heißt, Design geht da weit über das hinaus, was als cooles Produkt am Ende rauskommt.

Joel Kaczmarek: Jetzt müssen wir übrigens eine Sache mal beantworten. Jemand, der dann nah an dem Thema CI dran ist, sagt man Fisman oder Fiesman? Ich sage immer Fisman.

Moritz Marder: Man sagt auch Fisman.

Joel Kaczmarek: Fisman, ja, okay. Also ich sage es falsch. Hervorragend. Drei Podcasts gemacht und weiß noch nicht mal, wie man denjenigen ausspricht, mit dem ich hier rede. Hervorragend. Wie ist denn so die Historie in Sachen Design von deinem Unternehmen? Also du hast ja schon ein bisschen angedeutet, dass das irgendwie durchaus etwas ist, was bei euch einen hohen Stellenwert genossen hat und wo ihr auch mit sehr, sehr guten Leuten zusammengearbeitet habt, die ich weiß. Wie war das in der Vergangenheit?

Moritz Marder: Ich habe vor drei Jahren angefangen und FISMAN, hatte ich ja schon gesagt, hat über Anton Stankowski, der einer der großen deutschen Markenbildner ist, ein Stückchen Industriegeschichte geschaffen. Weil wenn man bei Google Books FISMAN eingibt, landet man bei Platz sechs schon bei einem Eintrag über FISMAN, wirklich als eines der großen Beispiele, wahnsinniger Stringenz über alle Touchpoints intern wie extern und auch die Mitarbeiterkultur hinweg versucht wurde, über Design einen Geist zu schaffen. Und da ist natürlich dann viel, viel mehr als das, wie es aussieht oder nur wie es sich anfühlt vielleicht auch nur gemeint, sondern vor allem, was das kann und wie es das kann. Trotzdem, als ich vor drei Jahren angefangen habe, wurde ich in dem einen oder anderen Meeting als Farbsachverständiger vorgestellt. Herrlicher deutscher Begriff. Ich habe dann auch in der großen Runde gesagt, dass ich das als Beleidigung empfinde, weil viele Design eben doch noch unter dem abgehakt haben, welche Farbe der Header jetzt haben soll von unserer Homepage. Und dann sind wir doch fertig mit der Corporate Design Abstimmung oder eben auch, wo das Logo hin soll oder sowas. Das heißt Viel Überzeugungsarbeit und ein sehr, sehr weiter Weg, wenngleich die Größen, mit denen FISMAN in der Vergangenheit zusammengearbeitet hat und auch die Art, wie Design da gelebt wurde und auch die Nähe zur Kunst von der Unternehmensführung her immer, also nach meiner Einschätzung, unvergleichbar stark gewesen ist in der deutschen Industrielandschaft.

Joel Kaczmarek: Habe ich das richtig auf dem Schirm, dass das der Designer war, der auch irgendwie das Logo der Deutschen Bank gemacht hat? Also anscheinend irgendwie so die Koryphäe seines Segments?

Moritz Marder: Ja, der kam, der Anton Stankowski, schon auch aus einem sehr künstlerischen Bereich, also der Geometrie sehr verwandt. Der hat das Deutsche Bank-Logo gemacht, der hat Signal Iduna gemacht, der hat die Rewe-Gruppe betreut und hat in sehr, sehr enger Zusammenarbeit mit Hans Fissmann, also dem Opa von Max, beziehungsweise Vater von Professor Martin Fissmann, in wirklich ganz, ganz enger und zum Teil täglicher Zusammenarbeit alle großen wie auch kleinen Fragen der Markengestaltung beantwortet.

Joel Kaczmarek: Und lebt der eigentlich noch?

Moritz Marder: Der ist meines Wissens 1999 gestorben. Der hatte dann einen Nachfolger, der nannte sich Karl Duschek, der auch sein Büro in Stuttgart dann übernommen hat. Und der ist meines Wissens 2011 dann aus der Welt geschieden.

Joel Kaczmarek: Okay, also hattet ihr schon echt Berührungspunkte mit Leuten, die so in diesem Segment Design so Meilenstein-Persönlichkeiten waren, ja?

Moritz Marder: war ein großer Anspruch von Füßmann, also immer mit den besten Leuten zusammenzuarbeiten, auch vor dem Hintergrund des Industriedesigns, wo mit Andreas Haug und Tom Schönherr diese Agentur Phoenix Design in Stuttgart 1999 auch einen riesen Meilschein der Industriegeschichte so portfolioweit bei Füßmann gesetzt hat und auch anderen Partnern im Messebau, in Kollaborationsprojekten der Kunst bis hin zu Marketingagenturen oder Beraterkorriphäen und so weiter. Da hat Füßmann eben einen sehr, sehr großen Anspruch, immer die Besten reinzuholen und von denen zu lernen.

Joel Kaczmarek: So, jetzt reiten wir das einerseits natürlich ab, weil man da gut einen auf dicke Hose machen kann, aber andererseits zeigt es ja auch ganz schön, du warst trotzdem intern als der Farbsachverständige gesehen, also selbst wenn man mit Design-Koryphäen zusammenarbeitet, heißt das nicht, dass sich so ein Verständnis durch so eine Firma trägt und es lässt ja irgendwie vermuten, dass man einen großen Apparat an externen Arbeitern eigentlich hatte, also das Design eigentlich etwas extern Ausgelagertes war. Verstehe ich das richtig so von der Struktur her?

Moritz Marder: Absolut. Also die Stelle, in der ich damals angefangen habe, die nannte sich Corporate Design Manager. Und der Corporate Design Manager war vom eigentlichen Verständnis jemand, der im Grunde Ergebnisse von Agenturen und Ergebnisse von Freelancern, von Externen für die unterschiedlichen Teilbereiche betreut. Das war aber im Wesentlichen sehr marketinggetrieben. Das heißt, es ging um Kampagnen, es ging ein Stück weit um Ausstellungen, um Messeauftritte, viel um Broschüren, die ganzen Drucksachen und auch die Marketingunterstützung unserer Heizungsbauer, also der Installateure. dass wirklich in-house was erarbeitet wird in Sachen Design. Das ist im Grunde jetzt seit den 100 Jahren, die es FISMAN gibt, ein relatives Novum, dass ich eben jetzt, seit ich angefangen habe, die Designabteilung aufzubauen, Verstärkung in allen möglichen Teilbereichen des Designs bekomme und wir wirklich Projekte komplett eigenverantwortlich von erster Skizze bis Markteinführung dann in-house umsetzen.

Joel Kaczmarek: Aber das muss man sich ja mal auf der Zunge zergehen lassen. Also von der Broschüre, mit der ein Heizungsbauer rumgeht, über das Logo, die Webseite, meinetwegen irgendwelche Sponsoring-Aktivitäten irgendwie im Wintersportbereich, bis hin zu irgendwie wirklich so Daily-Themen, vielleicht auch Inhouse. Also was hier sozusagen intern passiert, hat es sozusagen jedes Mal mit einem externen Dienstleister zu tun, was für mich wie ein unfassbar schwer zu managener Flickenteppich klingt.

Moritz Marder: Ja, das ist diesem hohen Anspruch an die Warum-Frage geschuldet. Das passt sehr gut zu der Art, wie Antoni Stankowski das damals eben geprägt hat oder sein Credo von Vereinfachen, Versachlichen, Vermenschlichen sich irgendwie durch alles durchhalten musste, sodass selbst sowas wie eine Weihnachtskarte über meinen Tisch ging. Wenn man sich dann vor Augen hält, dass so eine Weihnachtskarte auch mehrere zehntausend Mal verschickt wird, kriegt das schon eine ganz andere Relevanz. Aber ich will bloß aufmachen, dass sich wirklich jedes kleinste Detail angeguckt wurde und das im Grunde beantworten können musste, wie unsere Haltung, unsere Markenwerte, unser Qualitätsanspruch und unsere ganzen Werte, für die wir wahrgenommen werden möchten, in diesem Detail denn jetzt manifestiert oder nicht. Und um das Ganze zu managen, braucht man natürlich eine Menge, Menge Firefighting, also ganz, ganz starke Priorisierung und eben auch eine Menge Unterstützung, also nicht nur sondern vor allen Dingen in Form von so was wie Styleguides, Brandguides, Standards und Prozessen einfach zur Arbeitsrationalisierung, damit man nicht bei jedem wieder von Null anfängt. Und diese ganze Gruppe von 12.000 Mitarbeitern, das muss man auch nochmal sagen, mit ihren diversen täglichen Anfragen ans Design eben wirklich da ansatzweise steuern zu können.

Joel Kaczmarek: Und wie muss ich mir so einen Prozess dann vorstellen? Also wenn ich jetzt irgendwie sage, ich bin eine Abteilung, die irgendwie für das nächste Vierschanzentourneethema irgendwie so eine große Posterwand irgendwie bestücken soll und das irgendwie vielleicht an drei, vier Stellen und über drei, vier Turniere hinweg. Ich brauche da irgendwie eine Designgeschichte, habe mir vielleicht eine Message überlegt. Wie war dann der Prozess, dass das in so ein Design reinging? Also musste es über deinen Tisch laufen, du hast es an Externe gegeben, die kamen wieder zurück. oder wie muss man sich das vorstellen?

Moritz Marder: Ja, es gibt diverse große Streams, die eben jeweils in den Abteilungen verantwortet werden. Und in der Vergangenheit war das so, dass wir quasi wie eine Art Agentur angefragt wurden. Ganz zu Anfang war es so, dass man wusste, der Herr Rose meldet sich eh erst drei Tage später auf Mails, weil er einen Posteingang hat, in dem irgendwie pro Stunde 50 Mails kommen oder sowas. Irgendwann ist es dann gelungen, da über ein paar Standards erste Regulatorien einzuziehen, was so Filter sind oder Templates, mit denen die Leute Dinge selber erstellen können. Und auch so ein klein bisschen Firefighting, was man dann jeweils in die Abteilung reinspielen konnte von der Zuständigkeit. Wenn du jetzt aber sowas nimmst wie die Vier-Schanzen-Tournee, dann wäre die höchstwahrscheinlich Bestandteil vom Sportsponsoring. Und das Sportsponsoring hätte dann eben gewisse Gates auf dem Weg dahin und die würde dann sagen, wir brauchen dazu ein Konzept. Lieber Moritz, kannst du uns da unterstützen? Da würde ich höchstwahrscheinlich sagen, leider nein. Ich mache gerade die paar Millionen Produkte, die wir nächstes Jahr rausbringen wollen und holt euch da mal eine Agentur. Im Normalfall habe ich diese Agenturen dann auch mal gebrieft oder assessed oder zumindest mit unseren Styleguides versorgt. Und gehe sehr gerne auch mit rein, wenn die ersten Konzepte dazu dann vorgestellt werden. Mittlerweile wäre das so, dass so jemand wie der Joaquin bei uns oder Toni oder die neue Mitarbeiterin, die ab Mai anfängt im Brand Design, dann da mit reingehen würde. Und wenn es speziell um Texten geht, wir mittlerweile sogar einen Creative Director mit Mitarbeitern haben und so weiter. Das heißt, diese Prozesse, die anfangs so ein bisschen gestelzt und von der Hand in den Mund liefen, die werden jetzt immer solider.

Joel Kaczmarek: Ich werde noch ein bisschen eure alte Welt erforschen. Also höre ich schon mal als Painpoint raus, eigentlich bist du der Flaschenhals gewesen und hast irgendwie gelitten unter viel zu viel Nachfrage, was eigentlich gar nicht manageable war.

Moritz Marder: Ja, Professor Fissmann hat damals einmal gesagt, Design ist das Allerwichtigste. Das fand ich eine unglaublich starke Aussage und es gibt natürlich diverse unglaublich wichtige Themen im Unternehmen. Also es gibt Sales, es gibt Technologie, es gibt IT, es gibt ohne Ende Themen, die man als sehr, sehr wichtige nennen könnte. Aber er hat gesagt, dass das unser wichtigstes Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb. und alles, was Design ist, möchte ich gerne mit abstimmen. so dass quasi jeder der irgendwas durch die Tür bringen wollte im Grunde genommen am in Anführungszeichen Design in dem Fall vorbei musste und ich sehr sehr viele Dinge dann im sogenannten Design Gespräch immer mitgenommen habe versucht habe zu bündeln was ich mir zutraue selbst zu entscheiden. da wird man auch irgendwann sicherer und die großen Themen die dann eben gruppenweit Relevanz haben dann wirklich mit Professor Füßmann im Dialog gemeinsam zu entwickeln. da gibt es dann Besondere Weihnachtsgeschenke für die speziellen Kunden, wo dann vielleicht sogar spezifisch entwickelt wird, wo man dann so ein eigenes Designprojekt daraus macht oder sowas, wo man dann merkt, wow, jetzt haben wir da irgendwie Energie in so ein Thema gesteckt, was in so einer größeren Bilanz überhaupt keine Rolle spielt oder was man vielleicht so als Streuverlust empfinden würde. Was aber dann eben genau in dem, worum es da ging, eben mit dieser Haltung oder bis heute geht, das Design an allen Stellen wichtig ist und man überall fast schon so ein kleines Lächeln auf die Lippen gezaubert bekommt, wie schön was funktioniert oder wie sorgfältig etwas durchdacht und gestaltet ist, dass man das eben in jedem Detail durchhalten kann.

Joel Kaczmarek: Okay, aber das wird ja immer schlimmer, wenn du dann auch noch den Chef sozusagen bei den wichtigen Sachen mit reinholen musst. Dann, ja, so der Klassiker, Joe Fixe und dann muss etwas bis zum nächsten Joe Fix da warten und dann fällt einer aus und dann hast du irgendwie immer ewig lange Zyklen, in denen sich das verzieht, oder? Also Geschwindigkeit muss doch der Horror gewesen sein damals.

Moritz Marder: Es gab sehr, sehr viele Streams und sehr, sehr viele Streams, bei denen auch eine gewisse Stagnation passiert ist. Das eine, was du definitiv richtig nennst, sind diese Bottlenecks. Einerseits ich, andererseits Abstimmung mit einem noch viel engeren Terminkalender als dem meinen. Was da allerdings auch sehr, sehr stark mit reinspielt, ist die Art, wie Marke überhaupt gedacht wird. Wenn man Marke als etwas denkt, was man im Wesentlichen erhalten muss und wenn man als Credo im Grunde genommen hat, dass alles gleich aussehen muss oder sowas, wenn das das Ziel von Corporate Design ist. dann denkt man ja von vornherein, dass dadurch alles deutlich schneller geht. Auf der anderen Seite stagniert es aber. Das heißt, die wesentliche Rolle von Design ist ja permanent, neue Themen zu entwickeln und Dinge evolutionär, was immer so ein bisschen so ein leichter Autoritätsschleier ist. Im Wesentlichen ist eigentlich alles eine Revolution, was man macht, ob eine kleine oder eine große. Aber dass das eben in einer Art und Weise passiert, die Dinge voranbringt. Und das konnte man sich entwickeln. in vielen Schritten nicht so richtig trauen oder man hat das eben ohne Not nie getan. Und diese Not ist jetzt in der Form da, dass sich die Umwelt so schnell verändert, dass man selber eben auch gezwungen wird, in jedem Detailpunkt wieder mal zu hinterfragen, ob man das so, wie man es bisher gedacht hat, überhaupt noch machen möchte.

Joel Kaczmarek: Würdest du sagen, dass es eigentlich teurer ist, wenn man seine Designarbeit von extern machen lässt? Oder ist es doch sogar günstiger, weil man am Ende des Tages halt Management-Kapazität spart, weil sozusagen andere Leute so, man hat nicht die Zeit, dann gibt man es raus, holt es wieder rein. Also gefühlt wird es wahrscheinlich teurer sein, oder ist das nicht so?

Moritz Marder: Das kommt ein klein bisschen darauf an, was man in intern dann bezahlt. Nee, aber ganz im Ernst. glaube ich, dass man mit einer gewissen Masse von Dingen, die man entwickeln will, deutlich besser damit aufgehoben ist, wenn man die Experten in-house hat, einfach weil die viel, viel schneller sind und die im Grunde genommen auch die Synergien der Abstimmung untereinander halt viel, viel besser hinbekommen, als wenn du das über externe abbildest. Was intern immer dieser sagen wir mal, alte Management-Gedanke ist, der heute, glaube ich, nicht mehr trägt, ist, dass man sowas überhaupt schaffen kann. Dass man über Externe und auch Berater und Ergebnisse, von denen man selber gar keine Ahnung hat, einfach nur über einen Briefing, einen Auftrag und daraufhin dann irgendwie eine Freigabe oder sowas imstande ist, vom Fleck zu kommen. Das heißt, ich glaube, man braucht heute ganz, ganz, ganz andere Akteure und die Möglichkeit, das alles über extern abzubilden, egal ob teurer oder nicht, die ist heute gar nicht mehr machbar.

Joel Kaczmarek: Ich meine, mir fehlt ja auch die Fantasie, mir vorzustellen, dass ich eine Armada an externen Agenturen manage und trotzdem eine Einheitlichkeit des Designs bewahre, dass das möglich ist.

Moritz Marder: Ja, da sind eben sehr, sehr etablierte Dienstleister bei FISMAN gewesen, also mit jahrzehntelanger vertrauensvoller Zusammenarbeit, was einerseits mit so einer Haltung von Ehrenmann des Familienunternehmers zu tun hat und einer wirklich sehr, sehr gewachsenen Verbindung. Soll heißen, dass die eben sehr, sehr gut drin sind in den Themen und was FISMAN dann in Anführungszeichen ist oder werden kann. Aber diese Agenturen wurden auch dann immer mal zusammengeführt. Externe hatten auch wirklich Schnittstellen untereinander. Auch wenn Schnittstellen immer schmerzhaft klingen, ist es für so etwas wie unsere große Messe dann halt definitiv so gewesen, dass die Industriedesigner dann gefragt wurden von den Messegestaltern, was die wesentlichen Argumente oder die USPs an dem Design sind und so weiter. Das heißt, diese Abteilungen haben sich auch unter sich, also diese externen Agenturen, die haben sich auch unter sich ein Stück weit wie Abteilungen organisiert.

Joel Kaczmarek: Bevor wir jetzt mal eintauchen, wie ihr das jetzt macht, gibt es so Stärken von so einem externalisierten Ansatz, die du vermisst oder wo du sagst, das hat schon sein Gutes gehabt, das hat man jetzt nicht mehr so oder nicht mehr so stark oder anders?

Moritz Marder: Klar, ich arbeite sehr, sehr, sehr gerne mit Agenturen und ich mag auch die Zusammenarbeit mit Freelancern total gerne. Einerseits, weil sich da eben durch die Zusammenarbeit mit anderen Kunden, anderen Branchen und auch komplett anderen Geschäftsfeldern ganz, ganz andere Synergien und Sichtweisen ergeben. Also wenn du allein nur über ein Industriedesign-Inhouse-Team nachdenkst, das dann gegen eine Industriedesign-Agentur antritt, die halt parallel noch Medical und vielleicht noch irgendwie Consumer Electronics macht oder sowas, die dann eben natürlich die neuesten Screen-Technologien und die neuesten Industrie-Silikone kennen und so weiter, auf die man hier in-house mit Blechverarbeitung und HMI-Kenntnis vielleicht nicht so im ersten Schritt kommen würde. Das heißt, das ist als Beratungsleistung nach wie vor super, super wertvoll. Und auf der anderen Seite dann eben genauso wertvoll, so eine interne Designabteilung eben auch mit der Außenwelt in Verbindung zu halten.

Joel Kaczmarek: Ich meine, schließt sich das denn aus? Muss man denn irgendwie bloß, wenn man was intern aufbaut, auch komplett auf externe Dienstleistungen verzichten?

Moritz Marder: Wir schließen das zusammen im Moment und wir haben eben auch im Design hier einige, die einen Teilzeitvertrag haben, die parallel dann noch als Autorendesigner tätig sind oder sogar als Freelancer, sodass wir selbst in einem Inhouse-Design-Team im Grunde diese Synergien oder diese Vorteile von einem externen Anbieter mit abdecken können, zumindest ein Stück weit.

Joel Kaczmarek: Also quasi so ein bisschen externe Innovationsbetrachtung, indem die auch noch andere Aufträge annehmen. Okay, spannend. So, jetzt müssen wir natürlich mal in medias res gehen. Wie baut man eine Designagentur in-house auf? Also wie habt ihr das gemacht?

Moritz Marder: Das fing bei uns vor zwei Jahren an, dass ich mir neben aller Priorisierung und Selbstorganisation und Kasteiung in Sachen, ich muss mich besser managen und besser organisieren, dann irgendwann auch ein Ohr dafür bekommen habe, dass es wirklich vielleicht einfach ein klein bisschen zu viel ist und da eine personelle Unterstützung relativ sinnvoll sein könnte. Da habe ich dann zu Anfang zwei Designer im Auge gehabt, die in einer ähnlichen Funktion, wie ich die damals inne hatte, verstärken. Den einen habe ich dann intern stark kommunikationsfähig einen Digital-Designer genannt. Das war dann im Grunde mal Offen, ob das jemand mit starkem Overlap ins Frontenden ist oder ein UI-Designer oder ein UX-Designer oder ein Service- oder Interaction-Designer oder, oder, oder. Und der andere sollte ein sogenannter Graphic-Designer sein. Und auch das wiederum hätte ein Uiler sein können.

Joel Kaczmarek: Vielleicht erklärst du mal ganz kurz die Begriffe mit einem Satz, wenn wir so mit UI und UX um uns werfen.

Moritz Marder: Ja, natürlich.

Joel Kaczmarek: Ich bin ja noch nicht gefeit vor alles immer zu gehen.

Moritz Marder: Klar, gerne. Das mache ich täglich mit den Begriffen, um mich zu werfen. Also UI-Design habe ich im weitesten Sinne unter Screen-Design verortet, also User-Interface-Gestaltung in der Art, wie es sich anfühlt, definitiv, aber eben insbesondere in der einzelnen Screen-Entwicklung, wie es aussieht. Während UX-Design die strukturelle Basis da drunter bzw. dahinter ist, also sowas wie die Wireframes, die Flussdiagramme, wo lande ich, wenn ich da klicke, wie kann ich Interaktionen verkürzen oder beschleunigen. Service-Design meint ein bisschen mehr den Systemgedanken, also wie unterschiedliche Digitalservices auch über Hardware hinweg und auch über andere Touchpoints dann miteinander vernetzt sind und was da eben eine Zielsetzung entlang dieser, Achtung nochmal Buzzword, Customer Journey funktionieren kann. Und Brand Design und Industriedesign sind ja relativ klassische Disziplinen, da kann man sich vielleicht was darunter vorstellen.

Joel Kaczmarek: Also Brand bezieht sich auf die Marke und Industrie eigentlich auf die wirklichen haptischen Geräte.

Moritz Marder: Genau, Brand meint alles, was in Zusammenarbeit mit Marketing und Digitalmarketing passiert. Das heißt, das berührt auch Homepages, Social Media, Kampagnengestaltung, Fotografie, also Bildsprache und Motion Graphics, also was dann Video ist oder weitestgehend bewegliches Bildmaterial. Viele Homepages funktionieren ja heute auch sehr stark auf Basis von Motion. Und Industriedesign ist das relativ klassisch gedachte Hardware-Gestaltungsportfolio. Da sind wir wieder bei den Kesseln.

Joel Kaczmarek: Die finde ich einfach am coolsten, ehrlicherweise. Also wenn man auch so Eames-Chairs im Möbelbereich oder so, da ist Industriedesign schon cool.

Moritz Marder: Also Industriedesign ist bei FISMAN vor allem spannend oder auch sehr cool, weil zu dieser Herausforderung der Systemgestaltung von Energiebereitern oder Wärmeerzeugern oder Speichern oder Photovoltaikmodulen oder größeren Geräten, welcher Technologie auch immer, kommen jetzt eben wohnraumnahere Geräte hinzu, wo wir eher in so einem Umfeld von Consumer Electronics sind, wo dann neue Screens, neue Oberflächen, neue Materialien und auch komplett neue Touchpoints passieren. Und das ist für Industriedesigner eine ziemlich spannende Geschichte.

Joel Kaczmarek: Vor allem stelle ich mir das insofern interessant vor, vielleicht gehen wir da später nochmal drauf ein, dass du als Industriedesigner, glaube ich, ja auch starke Schnittstellen zu den Ingenieuren haben musst. Weil wenn du einen Kessel designst, denkst du dir irgendwas optisch Schickes aus und hinterher sagt ihr dir, nee, das funktioniert mit der Wärmeleitung nicht, weil sich die Materialien ausdehnen und hinterher berstet dir der Kessel oder sowas. Das ist halt ein Problem. Also ich würde mal davon ausgehen, dass die schon technologische Erfahrung haben, aber jetzt wahrscheinlich nicht so stark wie so ein Ingenieur. Und diese Schnittstellen in so ein Unternehmen rein dürften ja ein Thema sein für solche Leute, oder?

Moritz Marder: Ja, Industriedesigner und Ingenieure oder Techniker, das ist so, oder Designer und Techniker, das ist in der Industrie so eine ganz, ganz alte Liebesbeziehung.

Joel Kaczmarek: Hassliebe oder wirklich Liebe?

Moritz Marder: Ja, also mein Papa ist zum Beispiel auch Diplom-Ingenieur des Maschinenbaus und ich habe auf die andere Seite gewechselt. In vielen Momenten ist es natürlich so, dass für den Designer die Ziele beim Kunden überwiegen, dass wir eben sagen, Mensch, wir wollen eben gewissen ergonomischen Richtlinien gewahr werden oder wir wollen eben eine bestimmte Haptik oder eine bestimmte Oberflächenqualität oder eine bestimmte Beschleunigung beim Abklipsen von irgendwelchen Teilen oder sowas. Und man hört dann von Ingenieuren eben eher die Argumente, die auf Kosteneffizienz und auf Fertigbarkeit abzielen. Das heißt, da muss man sich irgendwo in der Mitte finden, weil natürlich beide vollkommen ihre Berechtigung haben. Aber die einen sagen immer, ihr versteht uns nicht und die anderen sagen, ihr versteht uns nicht. Und wenn man Glück hat, dann hat man eben so einen interdisziplinäres Team wie bei Fissmann, das sich jetzt eben ja auch über mehrere Jahre schon gefunden hat, wo eben Anwälte von beiden Seiten sich eigentlich in der Mitte immer ziemlich sinnhaft verständigen.

Joel Kaczmarek: So gut, back to topic. Also du hast gesagt, du hast dir irgendwie zwei Leute reingeholt, den Digitaldesigner und den, wie hättest du den Zweiten genannt?

Moritz Marder: Ja, das war Digital- und Grafikdesign.

Joel Kaczmarek: Das waren quasi deine ersten Mitarbeiter?

Moritz Marder: Nein, das waren die ersten, die ich ausgeschrieben hatte. Und ich habe damals ja noch in Allendorf gearbeitet. Das ist in Nordhessen. Also das muss man sich vorstellen, dass das eine Stunde in jede Richtung von einer Autobahnanbindung entfernt ist. Ich bin morgens um eine Dreiviertelstunde zur Arbeit gefahren, habe in Marburg gelebt, nachdem ich vorher in Stuttgart gelebt hatte und so weiter. Also ich finde Marburg auch super schön. War eigentlich auch gewappnet, da zu bleiben. Aber niemand wollte zu mir kommen. Da haben sich dann Leute beworben, die die regionalen Schaufenster von Schlachterauslagen gestalten oder sowas. Das ist eine wahre Geschichte. Da habe ich dann im Portfolio so ein zwinkerndes Schweinchen irgendwie gesehen. Also ich liebe die Region. Ich war da wirklich sehr, sehr, sehr gerne und ich glaube, dass die auch vollkommen ihre Berechtigung hat und dass sie auch substanziell eben eine sehr, sehr, sehrstarke Basisarbeit macht. Und bei FISMAN, das ist ebenwie ein Raumschiff, was da gelandet ist. Ja, es ist auf sehr, sehr hohem Niveau,nur, dass da der richtige Eindruck entsteht. Ich glaube aber, beziehungsweisehat man da ganz, ganz klar gemerkt,dass das für die sein, das sind eben Leute,die ein bisschen zähniger sind, die ein bisschen internationaler sind, das sind Leute, die ein bisschen vielleicht ein anderes kulturelles Umfeld brauchen, dass die eben eher von Großstädteräumen angezogen sind. Wenn man das vielleicht über jede Gruppe sagen kann, glaube ich gar nicht, dass das so sehr stimmt für so eine stetige Entwicklung, wie du die zum Beispiel als Planer brauchst oder sowas. Da hast du halt ein komplett anderes Lebensmodell. Und mir ist das dann konkret ziemlich auf die Füße gefallen, weil mein Digitaldesigner und mein Grafikdesigner Da hat mir unsere HR-Abteilung immer total professionell diese ganzen PDFs aufbereitet und weitergeleitet. Aber es war halt nichts dabei. Dann haben wir so ein paar Wildcards gehabt. Einer ist Erik gewesen, der sich hier beworben hat und hat gesagt, ich finde den Job super cool. Sustainability, IoT, Energy und diese ganzen Rahmenparameter mit dem Familienunternehmen, super, super cool. Aber ich lebe halt in Berlin. Wäre das denkbar? Ich könnte vielleicht nächstes Jahr dann nach Allendorf ziehen oder so. Müsste ich mal schauen. Das passt im Moment halt wirklich nicht rein. Und dann am Anfang hatten wir halt ein so ein Setting. Da war dann Joaquin auch noch dabei, der auch nach wie vor unser Brand Design shaped, wo wir im WeWork saßen. Zusammen auch mit Florian Resac und dem Digital Marketing, dem ganzen Setup, was du ja schon in anderen Podcasts mit interviewt hast und interviewen wirst. Und da haben wir dann eben so eine Fernbeziehung gehabt, dass ich noch in Allendorf war und auch noch in Marburg gelebt habe und versucht habe, alle zwei Wochen einmal da zu sein. Und jede erste Woche waren die halt in Allendorf. Und ja, der Disconnect oder dieser Detach, der wurde im Grunde immer größer, je mehr Themen wir hatten, je mehr Leute wir hatten. Und früher oder später musste auch ich dann eben mit meiner Frau und unserer dann in Marburg geborenen Tochter dann entscheiden, ob wir das so rum aufrechterhalten wollen, dass ich dann dauernd in Berlin bin und wir in Marburg wohnen oder jetzt eben andersrum, dass ich in Berlin wohne und immer mal dann in Allendorf bin.

Joel Kaczmarek: Aber ist ja schon mal ein relevantes Learning, weil es beschäftigt ja viele Konzerne oder gerade viel deutscher Mittelstand sitzt ja in so kleinen Ecken, so in Baden-Württemberg, irgendwie in Bayern, in NRW und Also ich habe das teilweise auch erlebt, dass die mir dann sagen, ja, wir sitzen in Stuttgart, da ist es schon schwer, gute Leute hinzukriegen. Oder ich habe es mal einmal gehabt, da wollte ich ein Podcast-Interview machen, da wurde mir gesagt, ich müsste doch bitte nach Ravensburg kommen, wo ich dachte, ob der nicht alle Tassen im Schrank hat. Da habe ich gesagt, bist du nie in Berlin? Also das Großherzigste war dann noch, ich bin ab und zu mal in München. Also diese Attitüde zu sagen, der Prophet kommt zum Berg oder kommt der Berg zum Propheten, da muss man sich mal Gedanken machen. Euer Learning war, dahin gehen, wo das Talent ist und nicht erwarten, dass das Talent zu euch kommt.

Moritz Marder: Ich glaube, das kann jeder so ein Stück weit für sich selbst entscheiden, dass in Berlin eben mehr und einfacherer Zugang zu internationalem Talent ist, steht außer Frage. Das ist soweit ja klar. Ist nur so ein bisschen die Frage, wie man damit klarkommt, also was ein riesengroßer Nachteil des Ganzen ist. Hier eben in Berlin zu sitzen mit dem ganzen Team ist der räumliche Disconnect zu Allendorf. Also die großen Entscheidungen, die fallen halt noch da und da sitzen auch über 4000 Mitarbeiter und unsere ganze Entwickler-Orga. zum Beispiel, wenn du nochmal aufs Industriedesign zu sprechen kommst, die sitzen halt da und die entwickeln da die Projekte, die haben da die ganzen Muster, da passieren diese großen Fertigungsthemen, da haben wir die Fertigungslinien und so weiter. Es wäre mir im Grunde viel, viel lieber gewesen, die Designabteilung in Allendorf aufzubauen. So cool Berlin dann eben auch sein mag, wäre es eben vom Prozess her viel, viel sinnhafter und wahrscheinlich viel, viel effizienter, alle Mitarbeiter eben an einem Fleck zu haben. Aber dass das nicht funktioniert, hat sich eben, wie gesagt, dann über ein halbes Jahr gezeigt. Entweder hat man dann großes Glück, dass man in der Region eben doch dann starke Partner findet oder man zahlt höhere Gehälter oder man zieht andere Hierarchiestrukturen ein. Das sind alles Cases, die wir diskutiert haben, aber im Wesentlichen war das für uns jetzt der richtige Schritt.

Joel Kaczmarek: Dann hast du ja eigentlich nur die Prozesskette sozusagen nach Berlin ein Stück weit verschoben. Also was früher der Disconnect zwischen dir und deinen Designern war, ist jetzt der Disconnect zwischen deinen Designern und deinen Ingenieuren.

Moritz Marder: Das ist der Bereich Industriedesign. Also die Industriedesigner, die sind jetzt gerade auch wieder auf Tour, reisen durch die Produktionsgesellschaften in Vogue-Mont und in Allendorf und so weiter und treffen sich wirklich mit den Ingenieuren vor Ort. Und was eben auch ein Riesenschritt ist, ich bin ja schon fast ein Dinosaurier, wenn man sich so die jungen Digitaltalente anguckt. Mit meinen 34 hat sich in den letzten drei, vier Jahren halt auch massiv was in Tools getan, sodass man eben diese räumliche Distanz eben auch über Hangouts oder über Slack oder in Teilen sogar über WhatsApp halt sehr, sehr elegant und schnell überbrücken kann.

Joel Kaczmarek: Das ist ja einer meiner späteren Fragen erst geworden, aber vielleicht reden wir mal ein bisschen über Tools. Was setzt ihr denn ein? Also die gerade genannten, sind das so eure Kernfeatures? oder was muss man sich da noch vorstellen?

Moritz Marder: Ja, also wer auf Asana mal vorbeischaut, sieht, dass neben Red Bull und anderen großen sich auch Fisman da mit organisiert.

Joel Kaczmarek: Ja, die Gitarre Kompakt auch. Also die Größten sind alle dabei.

Moritz Marder: Ja, cool, stimmt. Und ja, das ist eben sehr, sehr hilfreich. Also Jira taucht bei uns auch auf und wir haben mit AHA eine ganze Zeit lang mal experimentiert. Also jetzt mal als klassische

Joel Kaczmarek: Was ist das? Muss ja zu meiner Schande stehen, kenne ich das nicht.

Moritz Marder: Project Management Tools. Ah, okay. Bäume einziehen kannst und Interdependenzen in so zeitlichen Gefügen. Was aber unsere wesentlichen Kommunikationstools sind, definitiv die erstgenannten. Also dass wir die Kommunikation per Bild, Video und auch Kurznachrichten versuchen über Mobile herzustellen, sodass wir in vielen Terminen, die dann als Telco funktionieren, parallel uns Bilder hin und her schicken oder wirklich dann auf einen kurzen Videocall oder ein FaceTime auf dem Handy des einen Terminteilnehmers in Allendorf gehen und der dann eben damit dann um das Designmodell rumläuft und zeigt, guck mal hier, könnt ihr das erkennen? und so und hält auch einen Zollstock daneben und so weiter.

Joel Kaczmarek: Ich würde schon sagen, wird sowas wie VR, also Virtual Reality für euch ein Thema?

Moritz Marder: Im Zuge dieses Austauschs bestimmt, ja. Also könnte ich mir gut vorstellen. Wir haben schon häufiger solche räumlichen Reisen auch in Ausstellungen angeboten. Ist auch für unsere Installateure relativ spannend in Kommunikation mit dem technischen Dienst. Also es gibt da diverse Szenarien, wo man das mal durchtesten kann. Dass wir da selber anfangen, irgendwas zu entwickeln oder sowas, das ist natürlich komplett out of scope. Also wir würden dann sicherlich auf irgendwas aufspringen, wenn es da Erleichterungen gibt in der Synchronisation.

Joel Kaczmarek: So gut, also wir robben weiter nochmal zurück. Du hast jetzt gesagt, deine zwei Rollen hast du ausgeschrieben. Vielleicht kannst du ja mal einen Satz generell sagen zum Thema Recruiting. Also wie rekrutest du im Designbereich?

Moritz Marder: Ich glaube, Designer sind noch stärker als andere Überzeugungstäter. Das heißt, die brauchen einen sehr starken Purpose und ein sehr starkes Warum. Und das ist auch was, was mich am Anfang bei FISMAN eben sehr, sehr stark gecatcht hat. Ich habe in meinem Bewerbungsgespräch am Anfang gesagt auf die Frage, was sagen Sie Ihren Freunden, wenn die Sie nach FISMAN fragen? Da habe ich erst mal gezuckt. Dann haben die gelacht und so. Dann habe ich gesagt, naja, also ich habe halt noch nie ein Haus gebaut. Ich weiß, dass Fisman irgendwie ab und zu mal im Winter über die Tagesschau flimmert. Und ich weiß, dass die halt in so einem Tal da sitzen, irgendwo in Hessen. Und mehr wusste ich zu dem Zeitpunkt nicht. Wer aber wirklich mal das Glück hat, Fisman da in Allendorf an seinem Standort zu besuchen oder auch dieses Familienunternehmen kennenzulernen, hat, glaube ich, gar keine andere Chance, als geflasht zu sein. Dass der Standort CO2-positiv ist, den Nachhaltigkeitspreis der Bundesrepublik Deutschland bekommt für diese 200 Hektar Happeln, die im Umfeld da gezüchtet werden, um den Wärmebedarf zu decken und die Klimaziele von 2050 schon 2014 erreicht wurden und sowas, was alles so Wege sind, die halt nur in Familienunternehmen geht und niemals an einem börsennotierten Unternehmen passieren würden. Und was ich noch als sehr, sehr starkes Argument im Kontext von Designer-Hiring bei FISMAN vorgefunden habe und nach wie vor empfinde, ist dieser Hebel auf Sustainability-Themen, dass du mit einer Skala von Millionen Produkten, die da draußen sind, schon mit einer kleinen Effizienzsteigerung, einen riesen, riesen Impact auf die CO2-Ziele hast. Und da verblasst dann halt so eine Styling-Herausforderung von einem Automobil- oder Sporthersteller oder sowas, der sich dann eher wie Fashion anfühlt, wenn du irgendwie die Zukunft der nächsten 30 Jahre so for the future generations shapest. Also das hat schon so einen recht ritterlichen Charakter in der Verantwortung und in der Herausforderung. Ist was, was wir mit diesem Werkraum, hast du ja vorhin gesehen, also Werkraum ist auch unser Online-Auftritt als Designabteilung, hier versucht haben, von FISMAN entkoppelt, als Employer Branding Konstrukt, so ein Stück weit für diese Designer-Argumente oder diese Philosophie, die wir aus FISMAN so rausdestilliert haben, zu postulieren.

Joel Kaczmarek: Interessant, also ihr habt quasi eine eigene Brand Identity quasi für diese eine Unit gewählt, die sich trotzdem mit eurer Überdachmarke verträgt, aber eigentlich auf so diese zweckgetriebenen Designer, die jetzt vielleicht nicht irgendwie unter den Top Ten ihrer gesuchten Arbeitgeber einen Heizungshersteller haben, die denen sozusagen gerecht wird.

Moritz Marder: Ganz genau. Am Anfang musst du dir vorstellen, wenn du eine Designerstelle ausschreibst und die Leute dann eben auf die FISMAN.de gehen, dann wäre das von der Zielgruppe und Besucherführung halt schon eine ziemliche Unterscheidung. Also die Seite die FISMAN.de zum Beispiel, die ist eben eher für Hausbesitzer, also unsere B2C-Kunden oder eben Installateure, also unsere B2B-Kunden gedacht. Und dann, bis du dich zu dem Bereich Careers runtergescrollt hast, musst du schon jemand sein, der entweder aus einem horizontalen Gewerk kommt oder der im Grunde fest vor hat, bei FISMAN zu landen, aus anderen Gründen der Markenfaszination oder sowas. Und die spezielle Faszination Design, die ist eben nichts, was so fördergründig auf einer FISMAN.de gezeigt werden konnte. Und deswegen haben wir beschlossen, da so ein anderes Konstrukt aufzusetzen, dass diese Argumente da dann nochmal ganz, ganz klar herausarbeitet und so ein Sammelbecken für alles, was uns Designer an FISMAN fasziniert, dann eben. funktioniert.

Joel Kaczmarek: Gut, jetzt habe ich schon verstanden, wie du deine Leute suchst, was du für Werkzeuge einsetzt. Was ich natürlich noch nicht verstanden habe, ist, wie seid ihr mittlerweile strukturiert? Also wie ist im Prinzip der Aufbau dieser Abteilung und wie hängt das im Gesamtkontext jetzt drin? Also wenn ich jetzt irgendwie hingehen will und will irgendwie ein paar Banner drucken hier für die nächste Vierschanzentournee, was ist denn dann los?

Moritz Marder: Ja, dann gehst du auf diese glitzernde Seite und nach zwei Sekunden hast du das Ding dann auf dem Teller.

Joel Kaczmarek: Ja, ist klar.

Moritz Marder: Also ich hatte ja vorhin schon gesagt, dass diese Anforderungen so in dem Beispiel von einem Sportsponsoring halt eben weit auch hinausgehen über das, was nur Designunterstützung ist. Das heißt, da wäre dann definitiv ein Creative Director auch unsere Texter, sicherlich auch unsere Social Media Abteilung und unser Digitalmarketing mit dabei. wie wir das Ding dann später aktivieren. Das, was da dann speziell Designleistung daran wäre, wäre dann höchstwahrscheinlich Imagery, also irgendwie vielleicht ein Shooting zu planen oder einen Film zu betreuen, vielleicht so einen Style von irgendeinem Visual zu definieren, eine grafische Illustration zu bauen oder, oder, oder. Und damit wärst du dann mit den Füßen ganz, ganz solide im Brand-Design gelandet, was einer der drei Teilbereiche des Werkraum-Setups ist. Und da würden dann eben entweder die Herren und Damen des Brand Designs da operativ unterstützen und diese Grafiken und Roll-Ups und was da nicht alles notwendig ist erarbeiten oder würden koordinieren, dass wir dann eben dazu die notwendige schnelle externe Unterstützung bekommen.

Joel Kaczmarek: Was sind die anderen beiden Abteilungen?

Moritz Marder: Industriedesign, die eben sehr, sehr stark mit der F&E, also mit unserer Forschung und Entwicklung vernetzt sind und darüber hinaus noch das UI-UX-Design, das was früher mal Digital Design hieß. Und das UI-UX-Design bzw. ist da auch das Service-Design und Interaction-Design im weiteren Sinne mitgefasst. Die haben eben eine sehr, sehr starke Überschneidung mit unserer IT, mit unserer PO-Orga und mit den

Joel Kaczmarek: PO-Orga ist was?

Moritz Marder: Das sind die Product Owner, also die interdisziplinären Teams, die wir pro Projekt jetzt aufgesetzt haben.

Joel Kaczmarek: Okay, also drei Bereiche finde ich ja irgendwie erstmal auch ganz sinnhaft. Klingt ja irgendwie wirklich schön durchstrukturiert. Eigenes Brand, eigene Seite, Recruiting ist auch klar. Wie viele Leute sitzen da jetzt drin? Also was ist sozusagen die Zielgröße, die ihr da habt?

Moritz Marder: Im Moment sind wir zu neunt. Das sind drei Leute im Industriedesign, drei UI, UX und drei im Brand. Salomonisch unterteilt. Zuwachs bekommen wir jetzt schon im Mai, hatte ich ja schon angedeutet und es sind noch weitere Stellen ausgeschrieben. Insbesondere der Bereich UI, UX soll noch wachsen. Und wir suchen auch einen Design-Project-Manager, der eben noch mehr als Traffic-Manager bzw. als System-Synchronisateur an den verschiedenen Schnittstellen zu den Abteilungen und den externen Anforderungen sitzt. Ja, und das ist schon eine unglaubliche Verwandlung, wenn man sich das nochmal gegenüber September 2014 anschaut, wo ich der einzige Designer in dieser Riesengruppe war. Allein auf weiter Flur, ne?

Joel Kaczmarek: Was haben die gesagt in dem Meeting? Der Farb-Sachverständiger.

Moritz Marder: Ich habe das für ein Meeting mal auf Englisch übersetzt. Was Farb-Sachverständiger ist, weil ich den Begriff so geil finde, ist Color Expert. Ist so ein bisschen traurig, weil Sachverständiger, da schwingt ja so viel Behördentum mit, dass ich dann reinkomme und mir so 18 Grautöne zeigen lasse oder sowas. Also die Zeiten haben sich etwas überholt.

Joel Kaczmarek: Gut, und wie ist jetzt der Prozess? Also gibt es irgendwie so einen vordefinierten Weg? Jetzt habe ich gerade gelernt, ich würde mit beiden Füßen im Branddesign landen, wenn ich die Vierschanzentournee irgendwie rot-schwarz-weiß, was soll ja so grob eure Familie nennen, oder rot-weiß vor allem.

Moritz Marder: Ja, Vito-Orange heißt unsere Ausfarbe. Das ist ein eingetragener Pantone- und Raltone, ja.

Joel Kaczmarek: Ah, hier, guck mal. Das passt ja auch zu Vito-Ventures. Ach, hier ist ja alles abgestimmt. Ich staune, ich staune. Nein, Spaß beiseite. Wie ist der Prozess? Läuft alles über deinen Tisch? Bist du dann derjenige, der zuordnet? Wie muss ich mir das vorstellen?

Moritz Marder: Ja, also da, das hatte ich vorhin glaube ich auch schon mal kurz angedeutet, helfen wir uns natürlich mittlerweile dann auch mit Strukturen, die so ein klein bisschen Corporate-Zug haben. Das wäre eben der Brandguide, der auch öffentlich zugänglich ist. Also auf brandguide.fisman.de kann jeder Interessierte sich mal unsere gestalterischen Parameter der Markenführung anschauen. Wir haben beschlossen, das öffentlich zu machen, weil das einerseits den Zugriff für Externe erleichtert und wir andererseits festgestellt haben, dass alle Brandguides, die uns interessieren, in dem Anfang, als wir das aufgesetzt haben, es gibt einige, die restricted sind, insbesondere von größeren Corporates, man kommt an alle ran, Und zwar total easy. Da kennt jeder irgendwen, der wen kennt, der das als PDF irgendwo auf seiner externen Festplatte liegen hat. Und die wirklich großen, die halt echt einen Riesenunterschied machen, sowas wie Google, nimm Material Design oder nimm auch jemanden wie Uber zum Beispiel, die haben ihre Design Guidelines komplett transparent und die funktionieren zum Teil sogar als Lifestyle Guide, sodass Parameter, die die da drin anpassen, in dem nächsten Update automatisch multipliziert auf die Endgeräte angepasst werden. Und das ist eben eine Zielsetzung, die wir jetzt nach und nach auch verfolgen. Und wenn wir nochmal das Vier-Schanzen-Tournee-Thema nehmen, dann haben wir vielleicht irgendwann, wenn die Vier-Schanzen-Tournee jedes Jahr ist, schon so eine Art vorgefertigtes Brand Assets und so ein Template, wo dann eben die Typo drin hast und die ganzen Anforderungen von unserem Creative Director dann vielleicht noch mit Modulen der Kommunikation gestützt oder oder oder, sodass du da fast schon ohne jetzt unbedingt auf die Designer in Berlin warten zu müssen, zu einem markentypischen Ergebnis kommst.

Joel Kaczmarek: Aber wenn ich jetzt so ein Marketing-Hansel bin, dann habe ich doch keinen Bock, irgendwie da Designs zu bauen, mit so einem Brand-Card mich da durchzufurchen und dann irgendwie da mit Photoshop irgendwelche Sachen hinzusetzen, oder?

Moritz Marder: Ja, bloß nicht. Und wenn wir mal ein ganz einfaches Beispiel nehmen, dann ist das sowas wie Visitenkarten, wo ja dann auch jemand in die Firma kommen könnte und vielleicht sagt, oh Mensch, ich fände das cool, wenn die Rückseite irgendwie jetzt so eine andere Farbe hat oder so. Oder warum machen wir denn nicht den Namen unserer Abteilung größer oder, oder, oder. Und da ist das eben keine demokratische Entscheidung mehr. Das ist eben auch was, was man dann irgendwann verstehen muss oder durchhalten muss als jemand, der ein großer Freund von Kreativität und von Offenheit ist, so wie ich, dass man eben an einigen Stellen dann wirklich auch Nein sagen muss und im Sinne eines größeren Markenauftritts hier und da auch Dinge verbieten muss. Und dafür ist dieser Brand Guide dann eben auch ein Stück weit da. Dass man sagt, unsere Gebäudegestaltung oder sowas und Gebäudekennzeichnung, die funktioniert halt so. Und das sind dann eben auch ganz klare Anforderungen, die, wenn die nicht durchgehalten werden, über den Brandguide wieder thematisiert werden können. So als Standard.

Joel Kaczmarek: Aber Vereinheitlichung ist ja klar. Aber ich hätte mir jetzt eher so gedacht, dass ein Marketing-Guy, der sich irgendwie da eigentlich sozusagen als Task hat, irgendeine bestimmte Zielgruppe reinzuholen, den Funnel aufzumachen und möglichst viele Leute dazu, dass der gar nicht die Kompetenz hat, so einen Brand Guide in irgendwie einen Visual zu übersetzen. Ah, okay.

Moritz Marder: Nee, genau, das soll der auch gar nicht. Dieser Brand Guide, der ist von Designern für Designer. Das heißt, das ist einerseits unser Substitut, in dem wir das, was wir als Marke sehen und erfinden, immer wieder zur Schau stellen. Auf der anderen Seite ist es, wenn wir Externe haben, und da gibt es halt diverse, die dann so ein paar Download Assets brauchen oder die vielleicht auch verstehen wollen, auf welche Art unsere digitalen Servicesjetzt in der Basis aufgebaut sind oder, oder, oder. Die können da reinschauenund kriegen dann eben die grafischen Grundlagen,die sie dann zum Arbeiten brauchen, aberwenn du jetzt sagst Marketing,wie hast du gesagt, Fuzzi oder so. Also jemand, der designfern ist, dem schafft dieser Brandguide nicht, Design beizubringen. Und das ist auch absolut nicht das Ziel.

Joel Kaczmarek: Also arbeitet ihr trotzdem noch mit Externen zusammen, auch wenn ihr es intern abbildet? Habe ich das jetzt richtig verstanden?

Moritz Marder: In ganz, ganz vielen Projekten haben wir noch externe Unterstützung, ja. Es hat sich bloß geändert, dass diese Designsteuerung oder die Linie, wo es mit dem Design hingeht, wo es mit der Marke hingeht, welchen Hebel Design auf Marke hat und vor allen Dingen auch, wofür Design bei FISMAN steht, bis hin zu dieser internen Produktentwicklung, dass das eben jetzt komplett alles inhouse läuft. Das heißt, alles, was strategische Relevanz hat, gestalterisch, ist inhouse. Alles, alles, alles. Und alles, was operatives Design ist, wenn man sagt, guck mal hier, so muss das aussehen, das brauchen wir bis morgen für unser Facebook-Banner oder so, das ist im im Grunde nichts, was uns jetzt in-house interessiert, unbedingt selbst machen zu müssen, sondern das kann man dann mal schnell einem in unserem Freelancer-Pool rüberschieben. oder sagen wir so, sich verlängerte Werkbänke.

Joel Kaczmarek: Ah, okay, verstehe, verstehe, verstehe. Wie hat sich deine Rolle verändert? Also ich hätte hier eben gefragt, wie der Prozess ist und du hast gesagt, du hast diesen Brand Guide, läuft trotzdem noch alles über deinen Tisch? Also gibst du trotzdem noch irgendwie da den Koordinator, so ein bisschen wie so einen Fluglotse für die Seiten?

Moritz Marder: Ja, mit buntem Seidenschal schreite ich mit den Händen auf den Rücken durch die Flure. Naja, also wir haben hier ja wirklich Experten eingestellt. Also im Design-Team sitzen Leute, die von ihrem Fachbereich viel, viel mehr wissen als ich. Also wenn du mit wem auch immer aus dem Design-Team über den spezifischen Bereich sprichst und auch unabhängig von den operativen Projekten, sind die eben absolut spezialisiert darauf. Das heißt, auf die Freigaben, da haben wir eine Basis, die die treffen, vertraue ich komplett. Und es gibt dann das eine oder andere Thema, das man eben auch mit der Zeit viel, viel besser lernt einschätzen zu können, das eben so groß ist, dass ich da dann entweder dann noch mit reinschauen muss oder selbst drauf gucke oder das vielleicht sogar mit Professor Fissmann dann abgestimmt werden muss. Was nicht heißt, dass ich nur an den großen Themen arbeite. Also ich habe auch sehr viel Freude daran, in so einzelne Prozesse in der digitalen Serviceentwicklung reinzuschauen oder so Tagesprobleme in den Designprojekten zu lösen. Aber gewisse Freigabegates müssen noch eingehalten werden. Aber den Großteil übernehmen die eigenverantwortlich, sodass mein Posteingang auch ein bisschen ruhiger geworden ist.

Joel Kaczmarek: Sind es nur noch 35 E-Mails pro Stunde?

Moritz Marder: Nee, Quatsch. Nicht ansatzweise. Also das ist schon wirklich sehr, sehr gut strukturiert und organisiert mittlerweile.

Joel Kaczmarek: Aber wie steuerst du? Also benutzt ihr zum Beispiel das wie OKRs oder wie geht ihr da vor?

Moritz Marder: OKRs haben wir Mitte letzten Jahres eingeführt.

Joel Kaczmarek: Also Objectives and Key Results, mal für alle, die das noch nicht gehört haben, eine Steuermethode, die so durch Google bekannt geworden ist, aber eigentlich mal durch IBM erfunden.

Moritz Marder: Genau, also die Objectives, dann setze ich da mal direkt ein, sind dann eben so eine übergeordnete Zielsetzung. die auch gar nicht zu 100% erreichbar sein soll, sondern die quasi eine strategische Zielrichtung oder eine Zielsetzung bei einer spezifischen Zielgruppe sein soll. Und das Key Result, deswegen KR dann zu dem O noch dazu, das ist eben eins, das in Richtung dieses Objectives funktioniert und die quantifizieren wir dann in unseren Asana Boards durch und sagen dann, wie viel haben wir dann da jeweils erreicht und inwiefern zahlt welches Teilprojekt auf welches Objective ein. Und diese Art der Steuerung habe ich einerseits in meinem Tagesgeschäft und die andere ist eben der direkte Austausch mit den lieben Designkollegen und das ist einer, der unter Designern eben auch jetzt schon sehr, sehr erprobt läuft.

Joel Kaczmarek: Also so klassische Jourfixes oder was?

Moritz Marder: Ich habe Jourfixe, ja. Also mit den drei Direct Reports im Team. Man muss sich das aber eher so vorstellen, dass wir in einem Raum sitzen, wo wir auch recht viele Arbeitsmaterialien um uns scharen. Was schon fast nach Klischee klingt, ist eben leider nun mal wirklich notwendiger Arbeitsalltag. Und dass ich da im Grunde genommen jeden Tag den ganzen Tag verbringen könnte. Wenn ich da reingehe, gibt es immer was, wo man sagt, oh cool, was machst du denn gerade? Komm, lass mal zusammen überlegen und so weiter. Das macht richtig Spaß, fühlt sich fast an wie an der Uni, nur dass die Skala eben einfach mal so ums tausendfache skaliert ist. Und ich bin allerdings sehr viel in Terminen und auch recht häufig unterwegs und dadurch eben angewiesen auf eine Steuerung, die dann doch hier und da wieder mal auf ein Telefonat hinausläuft oder auf eine Zusendung von irgendeinem Google Doc, wo ich dann erst später reinschauen kann oder oder.

Joel Kaczmarek: Macht ihr das eigentlich so, dass ihr in irgendeiner Form agil arbeitet, mit so Sprints, dass ihr so Scrum-ähnliche Prozesse auch habt, wenn ihr Designsachen macht, oder ist das in eurem Segment nicht so?

Moritz Marder: Das ist ein klein bisschen getrennt, wenn ich die Frage jetzt gruppenweit denke, wie wir in der Kernorga arbeiten und wie wir bei VCO arbeiten. Und das betrifft direkt das Design-Team, weil das Brand-Design beispielsweise, die sehr eng mit dem Marketing zusammenarbeiten und auch dem Digital-Marketing, sind natürlich nicht so eng an Product-Deliveries und an so viele Gewerke, und so viele Argumente von Feasibility, Number Goals und so weiter gekoppelt, wie das jetzt ein Industriedesign-Team wäre. Soll heißen, das UI-UX-Team, das arbeitet nach Scrum, also die sind in der Orga komplett in Sprints einsortiert. Aktuell, glaube ich, zwei Wochen, zeitweilig auch mal eine Woche. Und die Orga FISMAN, die sattelt eben da um, wo es Sinn macht. Und das macht eben insbesondere in der Produktentwicklung Sinn, dass wir da von Waterfall wegkommen und viel, viel schneller werden, sodass Loops, die wir aus Waterfall schon kennen mit Briefing und Festlegung und Varianten angucken und so weiter und am Ende dann Freigabe, dass wir die einfach in viel, viel engeren Einzelschritten so in so Loops durchlaufen. Das ist eben was, was wir jetzt bei den neuen Produkteinführungen auch schon anwenden.

Joel Kaczmarek: Hm, interessant, spannend. Wenn wir jetzt mal so abschließend zusammenfassen, was würdest du sagen, waren so deine wesentlichen Learnings bei diesem ganzen Prozess? Also wir haben ja jetzt schon mal gesagt, irgendwie Location war eins, dass man irgendwie schauen müsste, trägt man den Berg zum Propheten oder vice versa. Was gab es sonst noch für Learnings, wo du gesagt hast, ah geil, da habe ich Lehrgeld mitgenommen, was mir im Leben nochmal hilft oder auch andere?

Moritz Marder: Ja, zu der Location nochmal. Ich habe mal den Spruch gehört, man kann immer nur da gut sein, wo man ist. Ich glaube aber, das hat ja vorhin auch schon angerissen, man durch diese Digital-Tools imstande ist, eben auch an anderen Orten zu sein, auch wenn man räumlich eben dann gerade nicht wirklich vor Ort ist. Was ein wesentliches Learning ist, ist das Sprache. elementaren Unterschied macht. Das ist einerseits der Unterschied zwischen Deutsch und Englisch oder anderen Sprachen. Einer ist, der irgendwo dem mit Neugierde begegnet werden muss, um da wirklich das Beste draus zu ziehen. Die Corporate-Sprache bei FIS man jetzt auch auf Englisch umgestellt. Und das andere ist, dass Sprache in der Abstimmung dann immer wichtiger wird, weil Wenn ich dir jetzt sage, wir machen die Designfreigabe Ende November oder sowas und du dann unter den Parametern, die so eine Designfreigabe umfasst, eine ganz, ganz andere Vorstellung hast als ich, dann wird es eben auch da schwierig mit den Deliveries, die da am Ende dranhängen. Das heißt, da gibt es Als zentrales Learning, neben der Herausforderung, die richtigen Leute an Bord zu kriegen und die richtigen Sachen zu machen und die richtigen Produktziele zu haben, ist eine der wesentlichen Herausforderungen im Aufbau des Ganzen, eben die richtigen Prozesse und Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass alle eben da gleichermaßen an Bord sind, wie wir das machen, worüber wir uns dann einig sind, das zu

Joel Kaczmarek: machen. Okay, also fasse ich mal für mich so im Kopf zusammen. Wir hatten das Thema Location, wir hatten das Thema Sprache. Sexiness kann man vielleicht noch sagen, was so das ganze Recruiting angeht, habe ich mitgenommen. Wahrscheinlich auch Travel, also stelle ich mir jetzt auch nicht so ganz trivial vor, wenn man dann wirklich diese beiden Locations hat trotzdem. Und was ist denn so mit dem ganzen Thema? eigentlich noch so? Erzeugungsarbeit vielleicht? Also wenn du sagst, du warst früher irgendwie der Farbsachrichter-Nigel.

Moritz Marder: Ja, das lasse ich mir irgendwann mal tätowieren mit so einem Kassenscan-Code. Ja, also Überzeugungsarbeit leisten wir glaube ich nach wie vor täglich, jeder für sich, weil der Farb-Sachverständiger natürlich nach wie vor hier und da die Rolle hat, fast schon in so Hausmeister-Tätigkeiten einzusteigen, gefragt zu werden, wie streichen wir denn jetzt die Empfangshalle oder so von unserem neuen Produktionsstandort. Was aber bei allem drüber lächeln und so weiter natürlich schon auch ganz gut bei Designern aufgehoben ist, muss man ja sagen, weil das, sagen wir mal, ästhetische Verständnis oder vielleicht so ein Gespür für ein Gesamtgefüge, das aus einzelnen visuellen Elementen besteht, ja nun doch von Berufswegen und Ausbildung her ausgebildet sein sollte. beim Gestalter. Was uns aber super super wichtig ist und was die Überzeugungsarbeit ist, die wir da täglich leisten, ist, dass Design im Grunde nichts anderes ist als Entwicklung. Das heißt, wir haben gewisse Ziele, die meistens direkt aus einer Problemstellung der Zielgruppe abgeleitet sind und diese Ziele führen zu einer gewissen Funktionserfüllung, so wenn ich dich da mal so theoretisch mitnehmen darf. Für diese Funktionserfüllung wiederum gibt es dann eben verschiedene Möglichkeiten oder Variablen und die zeigen wir dann auf und entwickeln die auf dem Weg und machen die dann alle stärker, dass die parallel laufen können, um dann am Ende eben eine wirklich erwachsene Entscheidung zu fällen. Und die ist alles andere als demokratisch und die ist auch alles andere als geschmäcklerisch. Soll nicht heißen, dass wir dann die Gurus sind, die das Design entscheiden, sondern einfach, dass ein gutes Design genau das Problem löst, dass es ursprünglich entwickelt wurde, zu lösen. Und dass man dann hier und da eben trotzdem noch wahrgenommen wird als derjenige, der entscheidet, wie es aussieht. Damit können wir leben, wenn wir eben zu den richtigen Zeitpunkten abgeholt werden, um zu entwickeln, was das Ding kann.

Joel Kaczmarek: Hervorragend. Also ich bin ja schon mal sehr, sehr dankbar, dass du mich mit hier mit an die Werkbank genommen hast. Und ich glaube, man hat ein Gefühl dafür gewonnen, was alles an Komplexität in so einem Thema drinsteckt und was sich verändert, wenn man das auf einmal intern abbildet. Wir werden bestimmt nochmal über Brandbuilding sprechen. Ich glaube, das wird so einer der nächsten Podcasts sein. Und für den Moment danke ich schon mal ganz herzlich dem Farbsachverständigen, dass er mich auch mal über die Farbwelt hinaus gebildet hat. Und ich freue mich aufs nächste Mal mit dir.

Moritz Marder: Sehr gerne. Vielen Dank. Tschüss.