Verhandeln: Was ich vor 10 Jahren schon gerne gewusst hätte

6. November 2025, mit Joël Kaczmarek

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Joël Kaczmarek: Hallo Leute, hier ist Joël und heute geht es ein bisschen in die Vergangenheit bzw. Zukunft, weil ich werde von der lieben Julia Dorandt heute lernen, was ich vor zehn Jahren gerne schon über Verhandeln gewusst hätte. Weil Julia, die ist lustigerweise gelernte Köchin, hat dann irgendwann nochmal festgestellt, mit dem, was ich so im Agile-Bereich mache, sie ist nämlich auch Business-Coach, hat Kochen überraschend viel zu tun. Das heißt, ich glaube, zum einen kann man sie mal kennenlernen und sagen, hey, was hast du in der Küche für Tipps und was kochen wir denn zusammen im Business? So, aber jetzt mal Butter bei die Fische. Die liebe Julia ist nämlich bei BJA, Beratung Judith Andresen, als, wie gesagt, Business-Coach unterwegs und hat vorher in ihrem früheren Leben für EDEKA gearbeitet und hatte da viel mit dem Einkauf zu tun. So, das heißt, hier kommen zwei spannende Ecken zusammen. Zum einen hat sie sozusagen verkaufen und verhandeln gelernt im Einzelhandel und zum anderen aber auch das ganze Business. Und da bin ich natürlich neugierig, okay, was für eine Haltung brauche ich, um gut zu verhandeln? Wie mache ich das eigentlich, wenn Einwände kommen und einiges mehr? Von daher, liebe Julia, ich freue mich total, dass du heute bei meinen Horizont arbeitest. Schön, dass du da bist.

Julia Dorandt: Ja, danke, dass ich hier sein darf.

Joël Kaczmarek: Und sag mal, die erste Frage, die sich mir dann aufdringt, ist natürlich, verhandeln ist ja so eine Fähigkeit. Ist das eine, die man erlernen kann? Kann das jeder oder ist das so ein bisschen angeboren und ich kann es gar nicht so gut lernen?

Julia Dorandt: Ich glaube, da scheiden sich die Geister. Ich glaube, vieles kann ich lernen. Es hat allerdings sehr viel damit zu tun, ob ich auch bereit bin, an mir selbst zu arbeiten und mich zu reflektieren und immer wieder zu schauen, wie wirke ich auf mich und auf andere auch.

Joël Kaczmarek: Ich glaube, was ja diese Fähigkeit zu verkaufen auch viel ausmacht, ist wahrscheinlich so eine gewisse Anpassungsfähigkeit. Also ich habe das so erlebt, dass Salesleute... häufig so ganz schnell reagieren müssen, oder? Ist das so ein bisschen so ein Core, den ich brauche, so ein Asset, wenn ich gut verhandeln will?

Julia Dorandt: Ja, es ist ganz spannend, weil Verhandeln eins viel mit Gradwanderung zu tun hat. Also mich einerseits anpassen zu können und andererseits aber auch zu wissen, wer ich bin und was mein Ziel im Verhandeln ist. Also auch bestimmte Grenzen zu haben.

Joël Kaczmarek: Na gut, fangen wir mal mit dem Thema Haltung an. Weil unterm Strich, ich glaube, wenn man verhandeln will, ist das Erste, was man braucht, Haltung. Ich habe von dir schon so im Off-Gespräch gelernt, du pass mal auf, ohne Augenhöhe geht hier gar nichts. Nimm mich mal ein bisschen an die Hand. Warum würdest du sagen, ist das so ein Aspekt, den ich dringend brauche, um gut verhandeln zu können?

Julia Dorandt: Ich muss wissen, dass mein Gegenüber auch was davon hat, mit mir ins Geschäft zu gehen. Ich erlebe viel, gerade junge Vertriebskräfte, die nach dem Motto, hoffentlich kauft der jetzt von mir, so ein bisschen in der Bittstellerposition zu einem Kunden gehen. und das wird der Sache nicht gerecht. Wir werden sich selbst auch dadurch nicht gerecht. Dadurch werde ich zu angepasst. Wir sagen ja immer so schön, wer zu allen Seiten offen ist, ist nicht ganz dicht. Das heißt, ich kenne meine eigenen Grenzen auch nicht und dann kriege ich auch keine Augenhöhe, weil ich sie schon nicht mitbringe. Ich muss wissen, so von meinem Produkt und meiner Dienstleistung überzeugt sein, dass ich sage, auch mein Gegenüber hat einen absoluten Gewinn davon. Deshalb gerade mit mir dieses Geschäft.

Joël Kaczmarek: Okay, du meinst sozusagen beim Verhandeln Augenhöhe aus Sicht desjenigen, der jetzt zum Beispiel sales, der dir was verkaufen will. Weil ich habe gerade so bei Dirk Kreuter, weiß ich nicht, ob ich mal diesen Spruch aufgeschnappt hatte, so als Scherz gesagt. Vertrieb bedeutet, du ziehst diejenigen so schnell über den Tisch, dass sich die Reibungswärme wie Nistwärme anfühlt. Also das ist damit nicht gemeint, auf Augenhöhe so nach dem Motto, sein Interesse im Blick zu haben, sondern dass du dich selbst quasi nicht als jemanden siehst, der jetzt hier bittstiller ist, sondern quasi sagst, nee, wir haben hier beide eine Relevanz und es ist okay so.

Julia Dorandt: Absolut. Also die Zeiten des Heizdeckenverkaufens sind ja Gott sei Dank vorbei. Ich bilde Vertriebskräfte aus, die... Partner sind ihres Gegenübers, die auch ein zweites Mal gebucht werden. Die Zeiten, wo wir genau einmal verkauft haben, sind definitiv vorbei.

Joël Kaczmarek: Wie ist es mit diesem Gedanke von Win-Win? Also ich habe gerade darüber nachgedacht, als du das gesagt hast, dachte ich mir so, naja, wenn du sagst, du bildest dich auf Augenhöhe aus, muss es ja eigentlich jemand sein, der Langfristigkeit im Blick hat. Und verhandeln, habe ich so das Gefühl, ist bei vielen so mit Kurzfristigkeit assoziiert.

Julia Dorandt: Ja, es hat mit Gewinnen zu tun für viele. Also ein Ich kriege mehr als du aus der Konflikt. Konfliktmoderation wissen wir, win-lose, also ich mehr als du, ist eine hohe Konfliktstufe, eine hohe Eskalationstiefe oder eine tiefe Eskalationstiefe. Das ist nicht schön, das fühlt sich für wer auch immer dann verliert, denn da gibt es dann unweigerlich jemanden nicht gut an, entweder für den Vertriebler oder die Vertrieblerin oder eben für das Gegenüber, den Einkäufer oder Einkäuferin. Und da möchte ich eigentlich kein zweites Mal hingehen und im besten Fall möchte ich meine, den Menschen, mit dem ich verhandelt habe, noch ein zweites Mal. sehen und noch ein zweites Mal mit demjenigen in Verhandlungen gehen, weil das wirklich Spaß gemacht hat für beide Seiten. Und das geht.

Joël Kaczmarek: Okay, also jetzt mal Learnings schon mal kurz zusammengefasst. Haltung, Thema Augenhöhe. Haltung, Thema Win-Win. Wie würdest du denn sagen, es ist am Ende des Tages eine Entscheidungsfindung? Also ich bringe ja Menschen dazu, dass wir uns gemeinsam zu etwas entscheiden. Wie läuft so was ab?

Julia Dorandt: Ich glaube, wir müssen uns von dem Mythos verabschieden, dass wir unsere Entscheidungen hauptsächlich rational treffen. Das birgt ganz häufig die Idee von, ich muss nur genug Argumente mitbringen und Zahlen und Daten und Fakten, damit dann jemand sagt, ja jetzt bin ich überzeugt, jetzt komme ich auch an Bord. Sondern Kauf ist immer eine emotionale Entscheidung. Ich entscheide mich, ob ich demjenigen, der mir gegenüber sitzt, glaube, vertraue, gerne mitgehen möchte. Und dann ist der Preis wirklich auch eine zweite Sache. manchmal sogar in der dritten Prio sozusagen, sondern es geht um ein Gefühl. Habe ich das Gefühl, ich bekomme hier wirklich eine Lösung für mein Problem oder jemanden, der mir gut zuhören kann?

Joël Kaczmarek: Kannst du mir das mal praktisch machen? Also so beispielhaft, wenn du jetzt sagst, es ist nicht rational, wie Entscheidungsfindung passiert, dann heißt es ja, sie ist emotional. Wie sähe das jetzt ganz konkret aus, wenn ich im Verhandeln auf emotionale Entscheidungsfindung eingehe?

Julia Dorandt: Das heißt, ich sollte erstmal rausfinden, also eine gesunde Neugier haben, was denn eigentlich mein Gegenüber bewegt. Also warum braucht er mein Produkt oder wozu vielmehr? Was macht denn eigentlich die Situation besser? Und das kann ich nicht glauben oder vorher irgendwie mehr ausdenken, sondern das muss ich von dem anderen wissen. Also ich glaube, viele von uns wissen, dass ich nicht in eine Bar gehe und sage, Schätzelein, ich weiß auch, was du brauchst oder dass das nicht funktioniert. Das wissen wir mittlerweile auch, sondern es ist ein, sag mal, erzähl doch mal von deiner Welt und wie du... glaub, seine Probleme zu lösen und dann zeige ich dir, was ich kann und wie wir dann zusammenkommen können. Das ist auch Augenhöhe und Partnerschaft.

Joël Kaczmarek: Ich denke gerade an diesen Klassiker mit Sammy the Span. Das ist glaube ich auch so, dass du eigentlich den nicht verkaufst, indem du sagst, hier, die Mine ist besonders dick und die Farbe hält besonders lange, sondern wo schreibst du, wie gehst du damit um? Okay, verstanden. Jetzt denke ich gerade so drüber nach. Ich stelle mir dich gerade in deinem Einzelhandelsbüro vor, wo dann jemand bei dir anruft und sagt, Julia, hör mal zu. wir haben hier vorhin einen Preis ausgehandelt, können wir nicht mehr halten, wir müssen da was dran machen, es ist zu niedrig. Also so einer der Klassiker ist ja eigentlich Preissenkung oder Nachverhandeln oder wie gehst du als Profi mit sowas um?

Julia Dorandt: Also erstmal kann ich das verstehen, wenn jemand zu mir kommt und sagt, so geht es nicht oder der Preis ist mir zu hoch, dann kann ich das erstmal gut annehmen und sagen, ja aus deiner Sicht der Dinge macht das Sinn. Entweder du handelst gerade sehr verantwortungsbewusst in deiner Rolle als jemand, der auf die Finanzen achten muss und gleichzeitig ist und der Preis ist uns zu hoch, auch eine sehr offene Antwort. Also ich mag das. Ich nehme das erstmal an und sage, okay, gut, dass wir darüber sprechen können. Und dann biete ich eine Gegenleistung an. Ich gehe nicht sofort mit dem Preis runter, sondern ich sage, mein Prinzip ist da, keine Leistung und eine Gegenleistung. Heißt, ich sage, okay, ich kann das hören. Wenn du weniger bezahlen möchtest, dann nehmen wir vielleicht etwas raus. Also ich biete Optionen an. Und Entscheidungsfindung hat, it's all about the options. Also wenn ich sage, okay, wir können Paket 100 haben oder wir machen nur 80, aber dafür zahlst du auch nur für 80. Das muss immer klar sein unter Partnern. Und damit habe ich ganz gute Erfahrungen gemacht, dass manchmal Leute dann eher sagen, Anni, weißt du was, wir haben gerade doch noch ein bisschen Geld gefunden, dann machen wir doch lieber 100.

Joël Kaczmarek: Aber damit ich mal den Ablauf verstehe, also die rufen nicht an, sagen hier, wir möchten weniger machen. Also Annahme heißt erstmal, du gehst nicht in Rechtfertigung, höre ich daraus.

Julia Dorandt: Nein, auf keinen Fall.

Joël Kaczmarek: Warum nicht?

Julia Dorandt: Weil ich weiß, dass mein Produkt das wert ist, was ich dafür aufgerufen habe. Weil ich meine Ressourcen kenne und weil ich auch eine verantwortungsbewusste Verhandlerin bin auf dieser Seite. Ich möchte ja Augenhöhe. Mein Gegenüber geht verantwortungsbewusst mit seinen Ressourcen um und ich genauso mit meinen.

Joël Kaczmarek: Okay, so. Und machst du dann den gleichen Schritt, den wir eben schon mal gesagt haben, dass du nochmal versuchst, genau zu verstehen, was bei denen los ist? Oder gehst du gleich ins Angebotemachen?

Julia Dorandt: Ich nehme erstmal an. Wir nennen das so schöne Quittung. Das heißt, ich sage erstmal, ich kann das gut hören. Bei dir los ist, vielen Dank, dass du mit mir ins Gespräch gehst. Das ist auch nicht immer selbstverständlich. Viele Kunden sagen auch einfach ein Geschäft ab. Aber wenn jemand sich das Gespräch über den Preis noch anbietet, nehme ich das an und bin dafür erstmal dankbar. Und dann gehe ich ins Fragen. Dann sage ich, okay, was können wir denn tun? Was kannst du mir anbieten? Ich sage, mache auch ganz klar, ich kann nicht einfach mit dem Preis runtergehen. Wir finden dann eine Lösung gemeinsam. Was glaubst du denn? Was brauchst du genau? Was ist dein Kernthema? Was davon brauchst du auf jeden Fall? Was ich dir angeboten habe, wo können wir Abstriche machen?

Joël Kaczmarek: Was ist denn so ein idealer Ablauf? Also wenn du dir so ein Gespräch nochmal ausmalst und du gehst hinterher vielleicht so ein Moment mehr raus als vorher. Was hast du dann getan? Was wäre so der Idealfall?

Julia Dorandt: Also ich habe jemanden angenommen in seinem Anliegen. Ich habe auch gesagt, dass das Anliegen eine Berechtigung hat, auf jeden Fall. Jede Haltung ergibt Sinn. Ich habe nochmal genau ergründet, woher dieses Anliegen kommt und habe dann einen... ein darauf passendes Argument gefunden, das auf den Kunden zugeschnitten ist. Nicht auf mich, nicht das, was ich glaube, was das beste Argument ist, sondern das eine Argument, das mir suggeriert wird, hier geht es um dich. Mir geht es ja um den Kunden und das gemeinsame Geschäft und nicht nur, dass ich einen Vorteil davon habe. Und dann ziehe ich ein Fazit und sage, okay, so kann ich mir das vorstellen und dann überlasse ich wirklich die Entscheidung meinem Gegenüber. Das mögen wir nämlich ganz gerne, wenn wir zumindest das Gefühl haben oder die Illusion davon, ich kann das jetzt noch weiter entscheiden.

Joël Kaczmarek: Kannst du sowas forcieren, dieses Gefühl auf irgendeine Art?

Julia Dorandt: Das hat viel damit zu tun, wie mein Gegenüber tickt sozusagen. Habe ich jemanden vor mir, der stark zahlen, datenfaktenabhängig ist? dann werde ich sehr nüchtern und zahlendatenfaktenorientiert argumentieren. Wenn ich jemanden vor mir habe, das habe ich häufig bei Geschäftsführern gehabt, die sehr autonomiebedürftig oder autonomiemotiviert sind, da poche ich sehr darauf, dass die Entscheidung letztendlich bei meinem Gegenüber liegt. Da passiert der emotionale Verkauf.

Joël Kaczmarek: Jetzt denke ich gerade noch darüber nach. Ich finde, so ein neuralgischer Punkt ist immer die Preissetzung, also das Framing. Ich habe manchmal schon Beobachtungen gemacht, dass jemand sagt, du hör mal zu, du machst ja das und das und ich habe da Interesse dran. Wir zahlen für diese und jene Dienstleistung gerade Betrag X und jetzt kann ich natürlich für dich nicht Y zahlen, sondern maximal Z. Weißt du, was ich meine? Also wenn ich dann sozusagen so einen Rahmen gesetzt habe und zack, bist du schon in so einem Bilderrahmen, der vielleicht viel zu klein ist, weil du bist ein großes Gemälde und nicht irgendwie so ein kleines Malblatt. Weißt du, was ich meine? Wie kann man gut durch diese Aspekte navigieren, wenn quasi so der Startpunkt ausverhandelt wird?

Julia Dorandt: Also wenn mir jemand sagt, genau selbe Dienstleistung, die du mir gerade bietest oder dasselbe Angebot, das du mir gerade bietest, bekomme ich woanders für weniger, dann gratuliere ich ganz herzlich und sage, super, dann hast du den besten Deal, den du bekommen wirst. Und dann beende ich das Gespräch und warte darauf, dass der andere nachholt und sagt, Moment, da möchte ich doch nochmal sprechen. Also das ist mir zu plump. Und warum sollte jemand überhaupt mit mir sprechen, wenn er doch schon so ein gutes Angebot hat? irgendwas an meinem Angebot hat, den er angemacht oder interessiert und dann schaue ich, okay, wenn du meine Dienstleistung für 80% des Preises bekommst, was bekommst du denn da genau? Und wahrscheinlich bekommst du bei mir mehr, sonst würde ich hier nicht sitzen. Oder ich beende wirklich das Gespräch und sage, ja, dann hast du den Besten, den du bekommen wirst.

Joël Kaczmarek: Ich meine, ein anderer Eingang ist ja sonst immer diese Budgetthematik. Du, Julia, machst ja großartiges Coaching. Ich weiß, es kostet 5.000 Euro die Stunde, aber ich habe nur 3.000. Ich habe folgendes Ziel, pipapo, pipapo, zack, bist du auch wieder in so einem Frame drin. Das Budget, was zur Diskussion steht, sind 3.000, die Stunde kostet bei dir aber 5. Also ich flag es jetzt bewusst durch.

Julia Dorandt: Das ist schön.

Joël Kaczmarek: Was machst du mit sowas?

Julia Dorandt: Ich glaube, wir finden einen Weg. Auch da gilt keine Leistung ohne Gegenleistung. Wir können sagen, wir schränken den Zeitrahmen ein. Wir können sagen, wir können das in einem anderen Format vielleicht machen. Wir finden Wege. Dinge zu tun oder manchmal vermittle ich auch jemanden, der ein anderes Angebot hat und das anders kalkuliert.

Joël Kaczmarek: Weißt du, was ich meine, wenn ich sage, dass manchmal der Rahmen so von jemandem gesetzt wird und dann bist du in so einem kleinen Spielfeld drin, also Budget wäre ein Weg, Wettbewerb wäre ein anderer, dass man dir auch Wert zuschreibt. Also manchmal ist es ja wirklich so, dass Leute sagen, ja, also das, was du da machst, da würde ich jetzt mal den Betrag X zu allokieren, das wäre es mir wert und so. Und dieser Gedanke von, was ist es mir wert, den finde ich im Verhandeln ist ja so das Core Asset. Kannst du mich da nochmal ein bisschen an die Hand nehmen, was du da machen würdest, wenn jemand quasi Werte beziffert, die vielleicht aber nicht mit meinen Vorstellungen übereingehen?

Julia Dorandt: Was ja ständig passiert. Also wir haben ja immer irgendwie eine Art von Bewertung. Aber wenn jemand anders eine Bewertung hat über meine Dienstleistung, ist das erstmal dessen Bewertung. Die kann ich auch ganz gut bei demjenigen lassen. In dem Moment, wo ich in eine Rechtfertigung komme über den Wert meiner Dienstleistung oder meines Produkts. Bin ich in einer schwächeren Verhandlungsposition, dann bewegt der andere mich. Aus dem Tiertraining wissen wir, wer den anderen bewegt hat, gewonnen. Und ich lasse mich nicht bewegen. Ich mache gerne Angebote, die mache ich aber aus meiner bewussten Entscheidung heraus. In dem Moment nicht, weil jemand mich in einen Rahmen gezwungen hat oder mir gesagt hat, aber mein Wert für dein Produkt ist folgendes. Dann sage ich, das ist total schön, jetzt sprechen wir nochmal genau darüber, was du dir denn darunter überhaupt vorstellst.

Joël Kaczmarek: Wo ist denn da die Grenze? Weil ich denke gerade so darüber nach, wir malen es jetzt mal fiktiv im Fall aus, jemand hat noch nie Coaching gemacht und sagt, ja, meine Frau, die hat da mal in der Abendschule was gemacht, die kriegt irgendwie in ihrem Nähzirkel 50 Euro die Stunde, wahrscheinlich kann ich ja bei dir dann 75 rechnen. Du denkst dir so, was für ein Planeten sind wir denn hier? Wo fängt denn an, dass ich mich rechtfertige für etwas? Und wo hört es aber auf, weil es ja vielleicht manchmal auch wichtig ist? Dinge zu erklären. Also wenn du zum Beispiel sagst, guck mal, mit meiner Leistung verbindet sich folgendes, 1, 2, 3, 4, 5, da steckt diese Expertise drin, ABC und so weiter und so fort. Also weißt du, was ich meine? Dass es ja schon einen Unterschied gibt zwischen ich mache dir einen Wert plakativ und ich rechtfertige mich?

Julia Dorandt: Also im besten Fall habe ich das vorher klargestellt und gesagt, pass mal auf, folgende Dinge bringe ich mit. Dann habe ich vorher schon erklärt oder eine Begründung geliefert, eher als das hinterher zu liefern. Also manchmal ist der Unterschied zwischen Begründung und Rechtfertigung nur der Zeitpunkt.

Joël Kaczmarek: Okay.

Julia Dorandt: Dann denke ich, naja, das ist immer, also ich finde immer ein günstigeres Angebot, das rockt mich ehrlich gesagt nicht mehr wirklich. Also ich kann, meine Tante Elisabeth kann auch super mit ihrem iPhone 15 Bilder auf Hochzeiten machen. So, dann kriegst du halt Bilder von einem iPhone 15 auf Hochzeiten oder man kann meine Freundin, die Fotografin ist, anrufen und die muss man auch bezahlen. Also Dinge haben ihren Wert, aber ich finde für Verhandlungen ist ganz wichtig, für denjenigen, der ein Angebot mitbringt, auch vorher direkt zu skizzieren, was genau bringe ich eigentlich mit. Und natürlich auch die Hausaufgaben zu machen, so ist es auch, zu wissen, was der Wert sein kann für meinen Kunden. Also ich kann sagen, am Ende unserer Zusammenarbeit kannst du folgende Dinge, am Ende unserer Zusammenarbeit wird Folgendes passieren, da können wir dich hinbringen. Ohne Versprechungen zu machen, dann sind wir wieder beim Heizdeckenverkauf. Aber zu sagen, das kann ich mitbringen, darin habe ich Erfahrung und das sind auch meine Ressourcen, die ich mit in die Waagschale lege. Und wenn ich das vorher klar mache. wird es relativ schwer mit mir darüber zu diskutieren, ob es das denn wert ist.

Joël Kaczmarek: Ich glaube, das ist so der neureigeste Punkt, oder? Dass man quasi den Wert darstellt, den etwas hat, jetzt gar nicht mal so sehr monetär, sondern vielleicht auch manchmal in Zeit, in Ersparnis von Komplexität oder, oder, oder. Hast du da für dich so ein Vorgehen entwickelt, wie du das machst, zu welchem Zeitpunkt oder was dabei wichtig ist? Weil das ist ja, wenn du das sauber hast, ist der Rest der Verhandlung ja deutlich, deutlich leichter.

Julia Dorandt: Ja, meistens klopfe ich ab, was genau. braucht mein Gegenüber, also wo sind dessen Schmerzpunkte? Das mache ich wirklich durch ausgiebiges Fragen. Ich sage, okay, was genau braucht ihr denn? Was läuft jetzt gerade noch nicht richtig? Und damit jemand nicht in so ein Problembewusstsein kommt, rede ich sehr viel darüber, wo wollt ihr denn gerne mal hin? Was ist denn euer Zielraum? Also letztendlich ist es schon so eine Art kleiner Workshop und wenn du so willst, eine kleine Arbeitsprobe, die wir da machen. Also sind wir da auf derselben Wellenlänge, weiß ich genau, wo du hin möchtest. Und dann nutze ich das. Um nochmal genau zusammenzufassen, was ich gehört habe. Da passiert häufig der emotionale Unterbau. Nämlich jetzt sagt jemand, klasse, jemand hat verstanden, wo ich hin möchte und will wirklich mein Partner sein, weil er jetzt gerade schon sich Gedanken darüber gemacht hat, was ich brauche und nicht, was derjenige mir verkaufen möchte.

Joël Kaczmarek: Jetzt ist ja dein Thema sehr speziell, weil das, was du gerade machst, ist eine Dienstleistung und es ist sehr fähigkeitenbasiert. Wie mache ich das denn, wenn ich sehr vergleichbar bin? Also wenn jetzt irgendwie damals ein Produkt... gekommen wäre und gesagt hätte, du pass mal auf Julia, du bist ja jetzt hier bei EDEKA, aber REWE, das ist aber billiger, da kriege ich mehr oder so in die Richtung oder ALDI oder you name it. Also wenn du vergleichbar bist in dem Angebot, hast du ja einen ganz anderen Take.

Julia Dorandt: Das stimmt und trotzdem kaufen Menschen immer noch bei EDEKA und nicht nur bei ALDI. Und ich weiß nicht, ob das noch so ist, aber zumindest 2007 haben Menschen vor einem Apple Store gecampt, um sich für sehr viel Geld, auch damals schon sehr viel Geld, ein iPhone zu kaufen. Anstatt irgendwie das Android-Handy oder das Nokia-Club-Handy damals noch. Ja, ich bin so alt, ich hatte ein Club-Handy. Menschen kaufen nie das Produkt, das sie bekommen. Das kriege ich immer irgendwo günstiger oder anders oder die Funktion. Menschen kaufen das, was das Produkt für sie tut. Und den Status, der da mit drin steckt. Also da passiert sehr viel mehr als das reine. Dieses Produkt kostet das. Wenn das so ist und ich habe so ein vergleichbares Produkt, dann erübrigt sich aber auch Vertrieb.

Joël Kaczmarek: Okay, da sind wir wieder bei diesem Aspekt, was du gemeint hast, dass Entscheidungsfindung emotional und nicht rational ist. Hör ich da raus?

Julia Dorandt: Total. Und es ist wieder die Haltung. Möchte ich ein Verkäufer sein oder möchte ich ein Berater sein für meinen Kunden? Das ist ein großer Unterschied in der Haltung und in meiner Motivation, Vertrieb zu machen und in Verhandlungen zu gehen.

Joël Kaczmarek: Anderer Klassiker ist ja Einwändebehandlung. Wenn jetzt einer kommt und sagt, ja, aber deine Mutti mit den iPhone 16 Fotos, das tut es doch auch und der hat doch mittlerweile auch so und so viel Megapixel. Hast du so ein... Ist ein Vorgehen für dich entwickelt? Weil ich glaube, Einwandbehandlung ist sehr klassisch schlechthin, was Sales angeht.

Julia Dorandt: Ja, wenn wir Einwände haben, also ich weiß genau, ich bringe jetzt einen Einwand mit, ich gehe jetzt quasi und kratze ein bisschen an unserer Beziehung. Ich sage, Mensch Joël, das, was du da gerade tust, ist ja schön und gut, aber ich sehe es anders. Dann warte ich drauf, ich weiß, da passiert jetzt gleich was und ich warte darauf, dass du dich rechtfertigst und sagst, ich möchte aber. Und es ist aber gut, dass du das kaufst und aus folgenden Gründen. Also ich warte drauf. Wenn du das mir nicht gibst, sondern sagst, ja, das kann ich nachvollziehen, das sind auch wirklich gute Bilder und ich finde es gut, dass du da so auf das Geld guckst, ich kann das total gut verstehen, das nimmt mir den Wind aus den Segeln. Jetzt sagt jemand nicht, jetzt finde ich dich aber doof, weil du ein Einwand hast, sondern ich nehme dich mit und ich kann total gut deine Welt verstehen. Dann bleibe ich offen dafür, dass mir jemand die nächste Frage stellen kann und die werde ich weiter beantworten. Es ist der unbedingte Wille, im Kontakt zu bleiben, auch wenn jemand... Das Nein zumindest anbietet.

Joël Kaczmarek: Aber hilf mir nochmal. Also du nimmst irgendwie an, dass ich jetzt sage, ja, aber Julia, Einwand XYZ. Also quittierst das, sag ich mal. Röster und zu. Damit ist ja noch nicht getan, damit bist du ja noch keinen Meter weiter.

Julia Dorandt: Nein, aber dann gehe ich in die Fragestellung, dann sage ich, alles klar, du findest das zu teuer. Was genau brauchst du denn davon? Oder mit welcher Dienstleistung oder mit welchem Produkt vergleichst du das denn gerade? Wollen wir uns das mal anschauen. Welche Erfahrungen hast du bisher gemacht? Ich frage in der Tat sehr selten nach Budget. Das ist manchmal so eine reflexive Frage von, aber wie viel Geld hast du denn? Und den Impuls. versuche ich Menschen ein bisschen abzugewöhnen, weil jetzt rede ich wieder nur über den Preis und dann bin ich irgendwann, wenn ich zum Beispiel Marktführer bin oder wenn ich ein besonders qualitativ hochwertiges Produkt anbiete, dass es in schlechterer Qualität aber trotzdem einfach günstiger auf dem Markt gibt, dann bin ich daraus aus der Argumentation, sondern jetzt gehe ich in, was tut denn das Produkt für dich, was ist denn hinterher anders, was wünschst du dir denn und manchmal stelle ich auch die Frage von Wir sagen, wir bleiben bei dem Preis. Was muss denn passieren, damit das für dich diesen Preis rechtfertigt? Also da finde ich ganz viel über den Kundennutzen raus und den Antrieb und die Bedürfnisse meines Gegenübers.

Joël Kaczmarek: Würdest du eigentlich sagen, es macht einen Unterschied, ob ich mit einem Unternehmen oder mit einem Privatkunden, also B2B oder B2C verhandle?

Julia Dorandt: Ein entschiedenes Jein. Also ich kann beim Privatkunden noch sehr viel mehr verstehen, dass es da eine Vergleichbarkeit gibt, weil der Konsument... Die Einzelperson lebt in der Welt der Vergleichbarkeit. Wir gehen in Supermärkte, überall wo wir Dinge kaufen, gibt es immer eine günstigere Variante. Im Internet kann ich was bei Temu kaufen oder woanders. Da kann ich das sehr verstehen, dass Menschen individuell ganz anders auf ihr Geld gucken. Bei Unternehmen gibt es immer Spielräume, das weiß ich. Und ich gehe davon aus, dass mein Gegenüber, also da ist es auch eine andere Motivation. Ich weiß, ich habe bei einem Einkäufer jemanden gegenüber, der außerdem ja... Geld auszugeben und zu verhandeln, auch noch eine Position hat, die ihm diese Verantwortung über Budget zum Beispiel gibt. Also da möchte jemand auch noch gerne seinen Job erfüllen und seine Funktionen rechtfertigen. Die nehme ich häufig dann damit, dass wir im professionellen Bereich sind.

Joël Kaczmarek: Du hast ja was Wichtiges angesprochen. Also Einkäufer sind ja zum Beispiel darauf spezialisiert, das ist ja ihr einziger Zweck, Preise zu drücken. Und da grinst du diabolisch. Und wenn das bis hin zur Ausschreibung geht, dann hast du ja nochmal richtig Druck auf den Kessel. Hast du für dich so einen Pfad gefunden, der dich sowas gut durchführt?

Julia Dorandt: Das geht in der Tat so. Also meine Zeit als Einkäuferin bei EDEKA war ganz schön hart. Das hatte aber auch wenig mit Win-Win zu tun. Also EDEKA ist ein großer Player, die geben die Preise vor. Und da ging es wirklich darum, nochmal so das Letzte rauszuholen. Das würde ich nicht mehr tun, aber ich kenne dadurch einige Tricks. und das hilft immer sehr, wenn ich mit Vertriebs... Ich spreche mit Kräften darüber, was sie noch lernen können oder was sie noch tun können, einzuschätzen, okay, aus der Sicht von einem Einkäufer würde ich dich jetzt in dieser Minute hätte ich dich damit. Das hilft schon. Ich mochte aber hinterher auch in Zeiten, wo ich Einkauf gemacht habe, immer gerne, wenn beide noch lächelnd aus dem Raum gegangen sind.

Joël Kaczmarek: Was sind deine Tricks? Was sagst du da jetzt hätte ich dich? Wann hast du mich denn als Vertriebler, wenn du Einkäufer bist?

Julia Dorandt: Klares Prinzip, wer fragt, der führt. Jeder, der Kinder hat. weiß, was passiert. Warum? Warum ist der Himmel blau? Warum sind die Wolken weiß? Aber warum? Und warum regnet es jetzt nicht? Und warum scheint die Sonne? Und sofort weiß ich, jetzt hat mich mein Fünfjähriger bei den Hacken und ich habe jetzt 30 Minuten lang Rechtfertigungsprobleme. Und genau das tun wir in Gesprächen auch. Wenn ich als Einkäuferin in die Fragen gehe, kann mein Gegenüber eigentlich nur noch in der Rechtfertigung sein. Wie setze ich denn ihr Preis zusammen? Jetzt verrate ich Tricks, eigentlich Einkäufer-Tricks. Wie setze ich denn ihr Preis zusammen? Warum glauben sie denn... Ich sage dann, warum glaubst du denn, ist deine Dienstleistung, dein Produkt das wert? Was machen wir denn, wenn ich das sage? Was machst du denn, wenn ich nein sage? Also ich frage und frage und frage. Jetzt bewege ich den anderen durch den Raum. Das ist ein ganz klassischer Einkäufer-Trick. Und die Pläne des anderen zu durchkreuzen. Da sind wir wieder bei der Haltung und bei der Flexibilität des Vertriebs. Wenn ich mit so einem klaren Plan komme, okay, ich mache jetzt das und dann mache ich das, dann mache ich Einwandbehandlung, dann mache ich Nutzenargumentation und dann sagt der Kunde schon ja. Ich habe da irgendwann reingehakt und habe irgendwas ver... völlig Unvermitteltes getan und dann dabei zugeguckt, manchmal mit ein bisschen Boshaftigkeit, ich gebe es zu. Wie der andere quasi so jetzt seinen Plan im Kopf durcheinander geschmissen hat und nicht mehr weiter wusste. Und in dem Moment kann man dann Preise diktieren. In der Tat.

Joël Kaczmarek: Jetzt habe ich Blut gelegt. Hast du noch ein paar?

Julia Dorandt: Willst du eine Geschichte hören? Ich kann dir eine Geschichte erzählen.

Joël Kaczmarek: Immer.

Julia Dorandt: Manchmal haben wir als Einkäufer wirklich eine Situation, wo wir uns angucken im Raum und genau wissen, oh, da war jemand im Vertriebsworkshop. Das merkt man daran, dass so Pläne nachverfolgt werden. Jemand kommt in den Raum und macht als erstes Smalltalk. Ich hasse Smalltalk. Wirklich, ich bin gar kein. Und es kommt, ach, waren Sie denn auch schon im Urlaub und das Wetter ist schön und schön. Das ist so ein Klassiker. Damit steigst du immer ein. Was ja gerade Dirk Kreuter schon genannt. Er ist leider der Papst von, mach doch immer das. Und es funktioniert nicht. Wir machen kein, drück mal die drei Knöpfe und dann mach dein Gegenüber etwas, sondern wir sind Menschen. Wir sind immer nur die Summe unserer Teile, Erfahrungen, Emotionen. Mit mir muss man damit rechnen, dass man mit Smalltalk nicht weit kommt. Und ein Mensch sagte zu mir, waren Sie denn auch schon im Urlaub dieses Jahr? Und dann habe ich gesagt, also über Urlaub rede ich erst beim zweiten Date. Und danach war das Gespräch gelaufen. Wir hatten hinterher einen Rabatt von 28.000 Euro rausgehandelt, weil diesem Menschen wirklich nichts mehr eingefallen ist. Danach habe ich mit Fragen angesetzt und gesagt, alles klar, und wie machen wir es jetzt? Ich will eigentlich nur wissen, was ist die Summe? Und dann möchte ich gerne wissen, wie viel Rabatt wir bekommen. Und mehr brauchen wir heute gar nicht sprechen. und es ging nur noch, ja. okay. Das war, was ich sage. Das hat nichts mit Win-Win zu tun und nichts mit Augenhöhe, aber er hat es leider auch recht angeguckt.

Joël Kaczmarek: Was ist ein Weg daraus? Wie manifriere ich dich aus, wenn du mir den Smalltalk verweigerst oder deine Fragenführung sozusagen zu durchkreuzen? Was hätte er machen können?

Julia Dorandt: Er hätte zum Beispiel spiegeln können, dass er gerade weiß, was ich da tue. Also wenn er es gewusst hätte. Also ein, ah, ich merke, sie sind da schon total geschult, hätte geholfen. Es hätte geholfen, ich würde gerne nochmal kurz zurückgehen und darüber sprechen oder auch ein völlig ehrliches, also wenn ich merke, mir entgleitet das Gespräch, egal in welche Richtung, einmal ehrlich zu sagen, wollen wir nochmal anfangen? Also ich mag das, wenn Menschen sich selber entwaffnen und sagen, ey, da habe ich offensichtlich, also wenn er das getan hätte, Gold, da habe ich offensichtlich irgendwie echt einen falschen Nerv getroffen, tun wir ja, wollen wir einfach nochmal anfangen? Das lockert auf, das zeigt auch Humor und Flexibilität. Ich glaube, dann hätten wir wirklich ein richtig cooles Gespräch. auf Augenhöhe führen können.

Joël Kaczmarek: Und deine Fragegeschichte, also wenn jetzt sozusagen du auf der Vertriebsseite bist und dann kommt ein Eingang und sagt, Julia, was genau ist denn deine Dienstleistung? Kannst du mir bitte beschreiben, wie sich das zusammensetzt? Und, und, und. Was wäre dann von dir sozusagen die Umkehr? Also wie komme ich dahin, dass ich der Führende bin mit den Fragen? Dass ich einfach Gegenfragen stelle oder was wird zu tun?

Julia Dorandt: Nein, ich kann auch klare Grenzen setzen. Also ich weiß, dass die Frage nach dem Geld und dem Preis immer eine der ersten ist, weil wir kommen ja beide mit. mit Dingen im Kopf, also Budget. Ich komme mit, ich möchte verkaufen, der andere kommt mit,

Joël Kaczmarek: ich möchte wenig Geld ausgeben oder Budget.

Julia Dorandt: Und ich finde und ich bin davon auch überzeugt, im ersten Gespräch oder überhaupt im Verhandlungsgespräch sofort erstmal eine Zahl zu nennen, bevor ich darüber rede, was meine Dienstleistung tut. Ist unseriös. Ich kann nicht sagen, das kostet so und so viel. Das kann ich vielleicht bei einem Ei und bei einem Liter Milch kann ich das sagen. Bei einem Produkt, das ich verkaufe, wo ich ein... Dass ich verkaufe, über das ich verhandle, sofort zu sagen, das ist Summe X, das kann ich nicht. Und das moderiere ich ab. Ich sage, wissen Sie, ich empfinde es als unseriös, Ihnen jetzt so eine nominale Zahl hinzulegen. Ich würde gerne mehr über Sie erfahren. Und meistens triggert das bei anderen Menschen etwas. Wenn ich sage, ich komme hierhin, weil ich gerne von Ihnen was wissen möchte, wollen wir damit mal starten. Und Menschen erzählen ganz gerne von sich.

Joël Kaczmarek: Also da stecken noch so ein paar Dirty Tricks in deinem Haifischbecken-Einkäufer-Ding drin. Also A höre ich jetzt erstmal aus, es hat eine hohe Aggressivität. Also wirkt auf mich so, wenn ich sozusagen, nee, erst beim zweiten Date oder erst, wenn man mir einen Drink ausgibt, sage ich, wo ich hier irgendwie in Urlaub fahre. Zack, okay, erzählen Sie mal. Also das ist ja schon gesagt, es ist auch nicht auf Augenhöhe. Was sind denn da noch so die typischen Werkzeuge, mit denen gearbeitet wird, dass man sich gut darauf vorbereiten kann?

Julia Dorandt: Möchtest du schwarze Rhetoriktrips? Ja, will von mir haben. Ablenkung ist eine gute Sache. Ich kenne Einkäufer, wir haben mal in so einer Runde gesessen, die machen irgendwann, also wenn jemand so Argumente auflistet, das ist jetzt echt ein fieser Trick, sagt einer, ich mache da, wenn einer anfängt zu sagen, wir können erst zweitens, drittens, viertens, fünftens, dann mache ich quack, quack, quack, quack, quack. Also etwas völlig Unvermitteltes, aber das sind wirklich gemeine Sachen. Oder ich stehe auf und mache was anderes. Ich unterbreche Menschen, das bringt Menschen aus dem Konzept, das ist nicht schön. Manchmal ist radikale Offenheit etwas. Wissen Sie, wir brauchen ja gar nicht weiterreden. Wir haben diese Summe, können Sie das liefern, ja oder nein? Also wenn ich wirklich radikal offen bin, bringt es auch Menschen aus dem Konzept. Und es macht so eine Dringlichkeit auf, dass jemand sagt, okay, wenn ich jetzt nicht reagiere und demjenigen entgegenkomme, dann ist das hier vorbei. Und das ist total schade. Also das ist schade, aber es ist ein Einkäufer-Trick.

Joël Kaczmarek: Wie geht man mit sowas um, mit dieser Aggressivität, mit dieser Radikalität, mit diesem Aus-dem-Konzept-Bringen?

Julia Dorandt: Ich habe mittlerweile gelernt, das zu spiegeln. Also zu sagen, hey, das ist jetzt so. Erstens, Sie wissen offensichtlich, was Sie wollen, finde ich erstmal gut. Ich empfinde es gerade als sehr aggressiv. Ich würde total gerne mit Ihnen in eine Partnerschaft eingehen. Also ich mache das Angebot zurück. Ich würde gerne Ihnen morgen noch in die Augen gucken können, finden wir da einen Weg, ja oder nein. Und ja, auch das gehört zur Haltung, auch mal zu sagen, dann kommt das Geschäft eben nicht zustande. Und ich muss auch wissen, wann diese Energie, die ich in ein Verhandlungsgespräch stecke. vielleicht im nächsten Verhandlungsgespräch viel besser aufgehoben ist, als in diesem, das ohnehin diese Energie gerade nicht verdient. Also ich gehe ja auch mit meinen Ressourcen hoffentlich verantwortlich um. Und wenn meine Ressource gerade hier in diesem Verhandlungsgespräch nicht gewollt ist und nicht angebaut ist oder verplempert ist, dann nehme ich die total gerne mit ins nächste Verhandlungsgespräch, wo ich wirklich was bewirken kann.

Joël Kaczmarek: Vielleicht letzte Frage und dann lassen wir dich mal vom Haken, was so die Dirty Tricks angeht. Gibt es so ein ultimatives Kryptonit, wo du sagst, jede Einkaufssituation kann ich mit folgendem Verhalten oder folgender Frage oder folgendem Vorgang irgendwie zu meinen Gunsten entscheiden?

Julia Dorandt: Ich glaube nicht. Ich glaube, also ich kann ja sagen. Welches Verhalten auf jeden Fall dazu führt, dass irgendeine Seite verliert. Und das ist, wenn ich die Energie nicht zusammenbringe. Also wenn ich aggressiv bin, der andere aber nicht. Also auch wenn ich hart werde oder so, dann matcht das ja irgendwie. Ich bin dann in einer Junior-Mannschaft, ich stelle mich schon auf den anderen ein. Wenn jemand sehr schüchtern kommt, das gibt es ja auch, es gibt ja Vertriebsmännchen, die sehr schüchtern in den Raum kommen, da bin ich niemals hart und fies. Ich glaube, dann gibt es eher so Dinge von, also da hast du den Beziehungsabbruch. Also jemanden unterbrechen, arrogant sein. absoluten Selbstüberzeugung kommen, keine Ahnung haben, wie ich wirke. Also Unhöflichkeit ist so ein Dealbreaker. Da stehe ich auch mittlerweile auf und sage, wir kommen hier nicht zusammen, gar nicht, weil ihr Produkt nicht passt oder der Preis doof ist, sondern weil sie es mir verkaufen wollen. Das habe ich auch schon mal getan. Also es gibt eher Dinge, wo man sagt, das auf jeden Fall nicht, als das mache auf jeden Fall, um es zu retten.

Joël Kaczmarek: Wie ist denn das eigentlich, wenn wir mal so Meta-Ebene drauf gucken? Ich kann ja aus einer Situation der Stärke fanden oder aus einer Situation der Schwäche. Also verhandelst du überhaupt aus einer Situation der Schwäche heraus? Und wenn ja, kriegt man sowas gut gedreht? Oder sagst du, nee, ich versuche eigentlich nur zu verhandeln, wenn ich stark bin?

Julia Dorandt: Was ist für dich eine Situation der Schwäche?

Joël Kaczmarek: Wenn ich zum Beispiel auf den Abschluss stark angewiesen bin. Oder wenn das Produkt vielleicht Schwächen aufweist im Vergleich zu Alternativangeboten. Also ja,

Julia Dorandt: das gibt es natürlich. Ich habe auch viel mit Menschen zu tun, die im Vertrieb sind, die sagen, ich stehe gar nicht hinter dem Produkt. Also ich weiß ja, dass ich das teurere Produkt, ich weiß, dass die Konkurrenz, also es wird mir so. Nicht offen gesagt, aber so manchmal im persönlichen Gespräch. Ich weiß ja, dass der Konkurrent das bessere Produkt hat und das günstiger anbietet. Dann biete ich manchmal an, dann sich vielleicht umzuorientieren. Also ich muss das hinkriegen oder ich muss einen Weg finden, mir mein Produkt mental schön zu saufen. Also zu sagen, nee, das macht aber Sinn, dass ich das hier verkaufe und es ist okay. Oder ich sage, ich bin hier in der Rolle, ich bin quasi Anwalt meines Produkts und meiner Firma, meines Unternehmens und verstehe meine Rolle so. Wenn ich in eine Situation gehe, wo ich ohnehin schon nicht dahinter stehe, dann habe ich ein Thema. Und zwar mit mir selber, nicht mit Skills. Dann ist es keine Frage der Methode mehr. Dann ist es eine Frage von eigener Einstellung.

Joël Kaczmarek: Würdest du sagen, man kann überhaupt verhandeln, wenn man nicht überzeugt ist?

Julia Dorandt: Schlechter, auf jeden Fall. Also dann könnte ich sagen, ich möchte mich verkaufen oder so. Dann ist es vielleicht ein Perspektivenwechsel, aber es wird auf jeden Fall schwer.

Joël Kaczmarek: Wie ist es mit Verhandeln aus Asymmetrie? Also wenn wir eine Position der Schwäche mal so betrachten. Jetzt kommt das kleine, coole Food-Startup und steht vor dem Behemoth von EDEKA. Da habe ich ja auch irgendwie eine schlechte Verhandlungsposition, weil ich genau weiß, die Regalmeter von denen sind das große Asset, was ich dringend brauche. So, was machst du dann?

Julia Dorandt: Hatten wir die Situation. Also ich hatte sie als Einkäuferin, wo ich meine Gegenüber am liebsten doll in den Arm genommen hätte und gesagt hätte, wie geil, dass ihr das macht und wie toll. Und kommt doch bitte zu uns und wir geben euch Geld dafür, weil ich euer Produkt so toll finde. Also das passiert auch. Ich verfalle manchmal in so einen Mutti-Modus und helfe denen dann beim Vertrieb. Ich sage, dann fragen Sie mich doch mal das.

Joël Kaczmarek: Das ist gewickelt?

Julia Dorandt: Ja, das war nicht, also das war hinterher so. Ich hatte natürlich auch einen Auftrag, aber manchmal mache ich dann so ein kleines Vertriebstraining draus. Wenn mich jemand anruft von meinen Freunden von der Telekom zum Beispiel, sage ich, Sie haben entweder großes Pech oder großes Glück. Sie haben gerade eine Vertriebstrainerin am anderen Ende. Wollen wir nochmal anfangen oder möchten Sie jetzt lieber direkt auflegen? Grüße an die Telekom, die meisten legen schnell auf. Aber manchmal gibt es jemanden, der sagt, nee, finde ich cool, mach mal. Und dann spielen wir uns die Bälle zu. Also ich finde, wie gesagt, auch der Einkauf darf sagen, wir haben hier eine Augenhöhe und manchmal ist es auch ein, ich begebe mich in Anführungsstrichen runter auf deine Augenhöhe und sage, ey, lass uns mal das Beste draus machen.

Joël Kaczmarek: Aber ich meine das anders. Wenn du jetzt derjenige bist, der aus der Situation der Schwäche kommt, du bist jetzt der Vertriebler, der dem Riesen gegenüber tritt, wie verhandelst du dann? Was ändert das an deinem Verhalten, wenn du der Schwächere bist oder der Kleinere in der Verhandlung?

Julia Dorandt: Nichts. Weil ich glaube, wenn ich reinkomme mit der Idee, ich bin hier eine Schwächere, sollte ich rückwärts wieder rausgehen. Mein Lieblingsbeispiel sind fritz-kola. Mirco Wiegert von fritz-kola hat mich auch einmal mit der Wimper gezuckt, wenn jemand gesagt hat, wer willst du denn sein gegen Coca-Cola? Und das von Tag 1 an. Und das ist der gesamte Erfolg von fritz-kola gewesen, dass Mirko immer sich richtig breit gemacht hat und gesagt hat, mach doch, dann kaufst du uns eben nicht. Wir wissen, was wir hier haben. Und gerade wenn ich noch nicht der große Player am Markt bin, dann muss ich umso mehr unglaublich verliebt sein in mein Produkt und dann schaffe ich das auch.

Joël Kaczmarek: Ich denke gerade noch darüber nach, vielleicht ist es jetzt ein bisschen spezifisch, aber manchmal hat man ja auch Verhandlungssituationen, wo man mehr als eine Gegenüberpartei hat oder vielleicht sogar was Vermitteltes dazwischen. Also da kommt ja Komplexität drin. Also bei Mirkos Fall denke ich jetzt, wenn du vielleicht irgendwie einen Getränkefachhandel hast, der noch dazwischen geschaltet ist, bevor ihr kommt, zum Beispiel, wo du dann auch Abhängigkeiten hast. Welchen Effekt hat sowas auf deine Position, wenn du verhandelst?

Julia Dorandt: Meinst du, wenn es eine Lieferkette gibt oder wenn mehrere Menschen vor mir sitzen mit unterschiedlichen Themen?

Joël Kaczmarek: Vielleicht können wir ein bisschen beides betreiben. Es gibt eine Dreiecks, eine Lieferkette, mehrere Leute sitzen vor dir, one to many und das dritte wäre, es gibt mehr als eine Partei innerhalb von so einem Deal. Gibt es ja auch. Das ist eine Dreiecksbeziehung oder sowas.

Julia Dorandt: Also wenn es eine Dreiecksbeziehung ist, dann biete ich meinem Gegenüber, die schon sozusagen mein Promoter sind, also wenn ich merke, ich habe da jemanden, der ist echt interessiert an meinem Ding und findet es eigentlich gut, den frage ich aus. Wie müssen wir jetzt weitergehen? Wer ist hier noch mit in der Entscheiderkette? gegenüber vielleicht kritisch. Es ist ein häufiges Vertriebsthema, dass ich mich so in den Kuschelkontakt begebe mit den Leuten, die sowieso schon mich angucken und nicken, so wie du es gerade machst. Die gucken mich an und nicken und sind ganz begeistert. Also

Joël Kaczmarek: Wackeldacke.

Julia Dorandt: Und dann wende ich mich an den, weil das mein Wellness- und mein Kuschelkontakt ist und vergesse den, der noch ein bisschen mit der Stirn runzelt und ein bisschen kritisch ist oder eben noch nicht im Raum ist. Und dann verbünde ich mich sozusagen mit meinem Kuschelkontakt und sage, sag mal, und den Dritten noch zu überzeugen. Was glaubst du, brauche ich denn da? Gib mir mal Informationen, nicht darüber Zahlen, Daten, Fakten, sondern was braucht der denn? Was hat der denn für ein Thema? Hast du nicht Lust, wenn du schon Lust hast, mit mir zu arbeiten? Wie kriegen wir denn auch noch die dritte Person?

Joël Kaczmarek: Okay, also das war quasi Situation 1. Mehrere sitzen vor mir. Jetzt mal so sequenzgedacht, wenn ich quasi in Reihe verkaufe?

Julia Dorandt: Wenn ich in Reihe verkaufe... muss ja die dritte Reihe gar nicht von meinem Produkt überzeugt sein, sondern von dem Einzelhändler oder von dem Zwischenhändler sozusagen. Wenn wir nochmal auf das Fritz-Cola-Argument gehen, ich glaube, da war es eine, dir tut das nicht weh, wenn du im Lager ein paar Gästen Fritz-Cola stehen hast und dann guckst du einfach mal, vielleicht nimmt mal jemand aus Interesse mit. Also da war es auch eine große Frage von, an wen möchte ich denn gerade verkaufen? Und dann gehe ich nicht direkt an EDK, sondern erst mal. an kleinere Händler, an kleine Agenturen. fritz-kola hat in der Gastronomie angefangen, um zu gucken, wie kann ich das reinkaskadieren in den Markt.

Joël Kaczmarek: Jetzt haben wir natürlich Verhandeln sehr stark aus der Brille Verkaufen gesehen. Lass uns doch mal Verhandeln auch noch mal als Firma betrachten. Also wir stellen uns jetzt vor, das wäre nämlich so der dritte Fall, den wir gerade skizziert haben. Wir haben irgendwie zwei Abteilungen und einen Vorgesetzten und da wird eigentlich was ausgehandelt, wie irgendwie eine Strategie aussehen könnte oder ein Prozess Was findest du wichtig, wenn es so Multi-Stakeholder-Verhandlungen sind?

Julia Dorandt: Mir hilft immer, mir ein Board aufzumachen, also manchmal klassische Stakeholder-Matrix. Wen haben wir im Boot? Wen kennen wir noch nicht? Also wo ist es auch wirklich unbekannt? Wo kennen wir, wollen wir vielleicht schon mal Berührung gehabt? Wer hat schon mal mit uns gearbeitet? Wen können wir anrufen und mit ins Boot holen? Und um wen müssen wir uns vielleicht besonders kümmern und um wen nicht so? wieder mit dem Großen, wenn jemand in der Stakeholder-Matrix bei interessiert und wichtig ist, dann ist das schön und ein toller Wellnesskontakt. Aber ich muss immer schauen, wer ist denn noch nicht so interessiert und hat aber trotzdem irgendwann eine Entscheidungsmacht. Es gibt noch eine kleine Spielart und das ist mal zu schauen, wie bewegt sich denn diese Organisation? Also werden Menschen, die jetzt gerade sehr interessiert sind an mir oder mit denen ich schon Kontakt habe, irgendwann mal in eine Position gehoben, wo sie Entscheider sein könnten? Also auch... das zu antizipieren und in die Zukunft mitzudenken. Das ist auch immer eine ganz gute Sache, um zu wissen, zu wem halte ich denn eigentlich auch einen guten Kontakt für spätere Zeiten. Also da steckt ganz, ganz viel Strategie drin.

Joël Kaczmarek: Jetzt bist du mir einen Teil schuldig geblieben. Also in der Entscheidungsmatrix so ein bisschen grob, also du Podcast eigentlich, wer wo steht und wie habe ich die schon mal quasi warm gesprochen. Was machst du denn aber dann? Weil dann geht es ja eigentlich so ins Eingemachte.

Julia Dorandt: Ich baue mir eine Koalition. Nehme die Stakeholder, die auf meiner Seite sind, mit. Ich mache mir die Schultern breit, ich hole mir Informationen ab. Ich frage wirklich manchmal auch platt nach, sag mal, kannst du nicht mal mit dem sprechen und einen Kontakt machen? Also ich würde niemals direkt versuchen, einen Geschäftsführer zu kontaktieren. Wenn ich aber jemanden kenne aus HR, dann würde ich niemals selber hingehen, sondern würde sagen, ey Mensch, lieber Mensch aus HR, hast du mal Lust, uns einen Kontakt zu machen oder dass wir mal mit in ein Meeting kommen, damit direkt auch... als einen Schulterschluss gibt und ich nicht von außen einfach als jemand Unbekanntes reinkomme, weil jemand aus diesem ganzen Entscheidungskonglomerat, der mich nicht kennt. Also ich nutze das aktiv. Und dafür ist es dann wiederum wichtig, dass ich so gut verhandelt habe, dass es auf Augenhöhe geblieben ist. Weil das machen Menschen, wenn sie hinterher enttäuscht von mir sind, kein zweites Mal.

Joël Kaczmarek: Was ist deine Haltung zu Kompromissen? Also ich weiß, du hast schon gesagt, keine Leistung ohne Gegenleistung. Aber manchmal ist ja so, weil ich gerade dachte, so eine typische Multi-Stakeholder-Geschichte wäre ja auch Politik. Und ein Unternehmen hat ja auch ganz viel Politik. Und jetzt könntest du ja sagen, ich weiß, der Bernd drüben aus dem Vertrieb, der hat so ein CRM-Thema, das will er bei uns durchsetzen. Wenn ich dem da ein bisschen Kredit gebe an der und der Stelle, dann hilft der mir wiederum dort. Also du weißt, was ich meine, diese Kuhhandelssachen. Was ist denn da deine Haltung, wenn es an Kompromisse und so eine Denke geht?

Julia Dorandt: Also erstens ist jede bewusste Entscheidung eine gute Entscheidung. Also ich kann natürlich auch Rabatte geben, wenn ich aber für mich klar habe, dass ich dass ich das nicht aus einem Rechtfertigungsgrund oder aus einem faulen Kompromiss geschlossen habe, damit ich bloß diesen Auftrag bekomme. Also ich muss wissen, ich verrate mich hier gerade nicht selber. Ich kann aber trotzdem sehr bewusst entscheiden, ey, das ist gut, da reinzukommen, ausgründen. Und dann spreche ich auch das offen an. Also ich sage, Mensch Bernd, ich mache dir das ein bisschen günstiger. Es muss aber klar sein, dass ich es jetzt nur für dich rabattiere und dass es auch kein Gewohnheitsrecht irgendwie darauf gibt, sondern ich mache das. Wird hinterher auch im Angebot deutlich, also das mal schriftlich zu visualisieren. eigentlich ist es dieser Preis, weil du es bist, kriegst du einen Rabatt. Und ich sage, und dafür wünsche ich mir was von dir. Also auch da hole ich mir irgendeine Art von Vereinbarung ab.

Joël Kaczmarek: Gut, so jetzt durfte ich dir ganz viel entlocken. Wenn wir vielleicht mal deine eigene Zeitkapsel nur rückwärts sozusagen nochmal denken, weil Thema war ja vor zehn Jahren, was hätte ich gern gewusst. Was war so bei dir, wenn du dir in die Vergangenheit Verhandlungstipps mitgeben könntest? Was wären so deine Top drei?

Julia Dorandt: Für mich war das ein großes Haltungsthema. Ich bin anfangs, ich habe wirklich angefangen mit Kaltakquise. Kaltakquise. Und wer sagt, der mag Kaltakquise, der lügt. Kein Mensch. Ich nehme niemandem ab, dass er Kaltakquise mag. Am Telefon, Ding Dong, guten Tag, klingt das interessant für Sie? Das war hart. Es hat mir zumindest Hornhaut auf dem Trommelfell beschert. Also ich stecke jetzt Dinge weg. Und ich habe daraus gelernt, diese Haltung einzunehmen. Von ich rufe jetzt nicht an, weil ich bitte, bitte, bitte einen Auftrag haben möchte, sondern ich rufe an, weil das, was wir machen, richtig ist. geil ist und ich möchte gerne mit euch in eine Partnerschaft kommen. Und wenn ihr Nein sagt, ist das okay? Dann ist das aber ein Nein for now, also für jetzt gerade. Und sie sagen erst mal Nein und dann schaue ich, okay, wollen wir nochmal in Kontakt bleiben? Also eine gute Schnittmenge zu finden zwischen Hartnäckigkeit, aber gleichzeitig auch Grenzen zu wahren, das hatte ich am Anfang nicht. Und ich habe häufiger meinen Rückzug angetreten, als zu sagen, nee, da gucke ich nochmal genau hin.

Joël Kaczmarek: Ein PS habe ich noch, also eine Nachfrage, weil du gerade Nein gesagt hast. Es gibt ja diesen Klassiker unter Vertrieblern, Nein ist eine Abkürzung, der steht für noch einen Impuls notwendig. Also es gibt eigentlich keine Neins, wird ja immer suggeriert. Wie ist denn da dein Blick drauf?

Julia Dorandt: Als Frau? Nein, nein heißt nein. Also manche sagen ja auch, eine Ablehnung ist nur der Wunsch nach mehr Information. Oh Gott, das ist jetzt die Juristin, ich habe im Jurastudium gelernt, kommt drauf an, das ist eine echte Antwort. Also ich glaube, das hat man auch im Gespräch. Wenn jemand zum dritten Mal einen Einwand gebracht hat, dann mache ich, okay, ich höre gerade wirklich ein Nein. Manchmal mache ich Gesprächsregeln vorher klar. Also ich sage, okay, ich mag total ungern Spiele spielen. Wenn es ein wirkliches Nein ist, dürfen sie total offen sagen, gar nicht. Dann wie so ein Safe Word oder so. Wenn sie sagen, gar nicht, dann höre ich auf zu reden und das ist total okay. Ich fasse allerhöchstens zweimal nach. Aber das liegt an meiner persönlichen Perspektive. Ich als Einkäuferin. beim dritten Mal nach, also Achtung, ich sage ja nicht, wo es war, beim dritten Mal nachfassen ist manchmal sogar die Firma auf den Index gekommen, weil ich das nicht mag, wenn jemand nochmal und nochmal und nochmal nachfragt und meint, ja, du meinst nur, ich soll nochmal durch die Tür kommen, dann ist das total schwierig.

Joël Kaczmarek: Hey Julia, schön, dass ich bei dir durch so viele Türen gehen durfte, bis in deine Vergangenheit rein. Vielen, vielen Dank. Wir werden uns bestimmt nochmal wiederhören. Habe ich ganz viel mitgenommen. Die nächsten zehn Jahre sind in Sachen Verhandlungen schon mal gesetzt. Vielen, vielen Dank.

Julia Dorandt: Ja, sehr, sehr gerne. Danke auch.