Vitra 🪑: Zwischen Tradition, Innovation und der neuen Arbeitswelt

4. Mai 2023, mit Joel Kaczmarek

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Intro: Digital kompakt. Heute aus dem Bereich digitales Unternehmertum mit deinem Moderator Joel Kaczmarek. Los geht's.

Joel Kaczmarek: Hallo Leute, mein Name ist Joel Kaczmarek. Ich bin der Geschäftsführer von Digitalkompakt und heute mal wieder ein sehr spannendes Unternehmen vor der Brust, was ich schon mal da hatte, auch immer wieder einladen kann, weil es so toll ist und tolle Dinge tut, nämlich das schöne Unternehmen Vitra. Kennt ihr bestimmt Designmöbel par excellence, sowohl fürs Büro als auch für zu Hause. Und mit Roman Erhardt gibt es dort seit einer Weile einen neuen Deutschlandchef, den ich sehr schätze und wo ich mal neugierig bin, von ihm zu lernen. Zum einen, was tut sich denn eigentlich so bei Vitra? Wie verkaufen sie mittlerweile? Weil Möbel tut sich ja einiges online. Gibt Konsolidierung, gibt irgendwie die Frage immer wieder, haben sie einen eigenen Shop versus gehen sie über Händler. Die Arbeitswelt hat sich ja insgesamt sehr stark verändert. Also ich glaube, heute werden wir uns nicht langweilen mit spannenden Themen, sowohl um E-Commerce, Strategierichtung, als auch über konkretes Produkt und Einrichtung. Let being said, lieber Roman, freu ich mich sehr, dass du da bist. Moin Moin.

Roman Ehrhardt.: Danke Joel. Moin.

Joel Kaczmarek: Erzähl mal dem geneigten Hörer und der geneigten Hörerin, was hast du denn eigentlich vorher gemacht? oder wie bist du so in die Vitra-Welt eingetaucht?

Roman Ehrhardt.: Das ist eine gute Frage. Lass mich mal ganz früh anfangen. Mein Vater war Entwicklungshelfer und als solcher bin ich in Mexiko geboren, Guatemala, Nigeria groß geworden und dann mit 14 nach Deutschland gekommen. Meine Mutter hat eigentlich immer gesagt, Junge, du wirst immer gefragt werden, wo du herkommst und du wirst immer Probleme haben, darauf eine vernünftige Antwort zu geben. Du bist einfach da zu Hause, wo deine Möbel sind. Meine Mutter hat immer Möbel gesammelt, Antiquitäten, aber auch zeitgenössische Möbel. Und so bin ich eigentlich groß geworden mit Designern, also schon zum Zeitpunkt, wo mich das ganze Thema gar nicht interessiert hat. Aber wie das bei guten Müttern so ist, impfen die einem das ein und so war eigentlich das Thema Möbel immer etwas, was mich sehr stark auch beschäftigt und fasziniert hat. Nicht so sehr, dass ich dann beruflich direkt dort gelandet bin, sondern ich bin eigentlich eher so eine ganz klassisch langweilige BWLer Laufbahn gegangen. Hab zuerst ein bisschen mehr als fünf Jahre in der Beratung gearbeitet, war dann ein Großkonzern und dann habe ich 2015 durch einen Headhunter ganz typisch angesprochen worden und irgendwann stellte sich dann raus, dass Vitra hinter dem ganzen Thema ist. Und dadurch, dass mich immer die Marke sehr fasziniert hat, war ich damals eigentlich gar nicht unbedingt bereit, meinen Job zu wechseln. Ich war eigentlich recht happy, aber ich war so neugierig, das Unternehmen kennenzulernen. Und dann ist das so, wie es manchmal bei Partnerschaften ist, man trifft einander und man verliebt sich einander. Und so bin ich dann 2016 im Januar zu Vitra gekommen. Ich habe damals zuerst angefangen im Headquarter, war dort für verschiedene zentrale Sales-Einheiten zuständig, bin dann 2017 Geschäftsführer von Vitra in UK geworden und dann vor knapp zwei Jahren durfte ich den größten Markt für Vitra übernehmen, Deutschland. Und ab Januar bin ich dann für Vertrieb weltweit zuständig und dann im Nebenjob noch Geschäftsführer für Deutschland. Das ist nicht wirklich ein Nebenjob, aber ich versuche das dann 50-50 zu machen.

Joel Kaczmarek: Crazy, ist ja verrückt. Und wie ist es, wenn man so international groß geworden ist? Ist es so, dass man so ein bisschen entwurzelt ist, dass du oft umgezogen bist, dass man oft neue Freunde hatte und so? Ist das so ein bisschen dein Lebensweg gewesen?

Roman Ehrhardt.: Ja, genau. Ich hätte, glaube ich, anders als entwurzelt, hätte ich, glaube ich, eher flexibel oder dynamisch gesagt. Aber es ist schon richtig. Ich habe nirgends wirklich echte Wurzeln. und es war eigentlich immer so, dass Man lernt relativ schnell neue Freunde aufzubauen, Netzwerke aufzubauen, was durchaus hilfreich ist, wenn du dann später auch vertrieblich tätig bist. Das ist etwas, was dir tendenziell entgegenkommt. Aber es war immer so, dass dir dieses Reisen und dieses Thema internationales Arbeiten sehr viel Spaß gemacht hat. Und so hat das wahrscheinlich der rote Faden durch meine Karriere, dass es immer sehr international war.

Joel Kaczmarek: Und kannst du mal für den geneigten Laien beschreiben, was Vitra eigentlich für eine Organisation ist? Wie seid ihr so aufgebaut? Wie tickt ihr? Weil ihr seid ja mit einem Headquarter in der Schweiz versehen, habt dann die ganzen unterschiedlichen Länderausleger. Ihr seid jetzt nicht börsennotiert, sondern ihr seid immer noch ein Familienunternehmen, wenn ich mich nicht täusche. Mittelständler, wie es bei Schweizern ist, ein bisschen geheimniskriminalisch, was Zahlen angeht. Aber wie fühlt es sich so von innen an? Also wie beschreibst du so eure Organisation nebenan und von draußen?

Roman Ehrhardt.: Ja, ich glaube, das ist ein recht einzigartiges Thema, weil ich habe für viele Unternehmen in meinem Leben gearbeitet, auch als Berater. Und sowas wie Vitra ist mir vorher eigentlich nie untergekommen. Vitra ist wieder richtigerweise gesagt, das ist ein Familienunternehmen zwischen der dritten Generation. Und Vitra beschreibt sich selbst als Projekt, was glaube ich auch sehr, sehr gut die Thematik beschreibt. Also es ist etwas, was irgendwann mal angefangen hat und was ständig weitergeht. Und sozusagen der kommerzielle Strang, also der Verkauf von Möbeln, von Dienstleistungen rund um Möblierung und rund um Inneneinrichtung ist ein Strang, ist der kommerzielle Strang. Dann von eigentlich der zweiten Familiengeneration an war das Thema Kultur ein sehr wesentlicher Bestandteil der Firma. Wir haben das Vitra Design Museum, das war das erste Design Museum weltweit, zusammen mit dem Design Museum in London. Und da geht es eigentlich darum, die Geschichte des Designs Menschen näher zu bringen, auch mit vielen Wanderausstellungen durch die ganze Welt. Das ist auch etwas, was wir ein Stück weit als Unternehmen auch mit unterstützen. Und jetzt mit unserer dritten Familiengeneration, mit Nora Fehlbaum, ist das Thema Nachhaltigkeit zur dritten Säule des Unternehmens geworden, mit dem wesentlichen Ziel bis 2030 ein Unternehmen zu sein, was in allen wesentlichen Nachhaltigkeitsfaktoren positiv ist, also sprich der Umwelt was zurückgibt. Das kannst du dir vorstellen, das ist ein ziemlich großes Projekt, was die kommerzielle, die kulturelle Dimension auch beeinflusst, beeinflusst wie unsere Produkte gemacht werden, wie wir unsere Produkte verkaufen. Aber auch ehrlich gesagt, wie wir arbeiten, wo wir arbeiten, welches Essen wir essen, mit welchen Fahrzeugen wir unterwegs sind. Also das ist ein sehr, sehr umfängliches Projekt. Und ich glaube, ein Unternehmen zu haben, das auf drei solchen Säulen steht, ist schon etwas, was ein Stück weit besonders ist, weil du eigentlich immer berücksichtigen musst, was in den anderen beiden Säulen passiert, dass das ein Stück weit auch zusammenkommt. Und das macht uns, glaube ich, ein Stück weit einzigartig, aber ich glaube, dass das auch sehr relevante Themen sind. Also gerade das Thema Nachhaltigkeit ist etwas, was für uns sehr zentral ist in der Art und Weise, wie wir unsere Produkte machen, aber auch wie wir versuchen, unsere Kunden bestmöglich zu beraten. Und ich denke, dass das ein interessantes Fundament für die Zukunft ist.

Joel Kaczmarek: Und wie ist das, man hat ja manchmal das Problem bei Familienunternehmen, jemand startet es mit einer starken Vision und Mission und dann kommen irgendwann die Folgegenerationen, die sich da manchmal auch so ein Stück weit abgekapselt fühlen, also die das irgendwie übernehmen. Und wo man manchmal erst reinwachsen muss, ob es wirklich einem selbst quasi zugehört. Und es ist ja auch kein Geheimnis, nicht jeder Enkel, nicht jedes Kind ist dann irgendwie auch zum Geschäftsmann geboren oder zur Geschäftsfrau. Was ist denn so euer Geheimnis, dass das generationenübergreifend funktioniert, dass ihr diese Heritage auferhaltet, dass irgendwie eine Strategie da ist, die sozusagen eine gewisse Stringenz zu zeigen scheint, dass man da einfach das nicht verloren hat, so diesen Innovatorengeist?

Roman Ehrhardt.: Ich glaube, da müsste man die Familie wahrscheinlich sogar persönlich fragen. Ich meine, meine Sicht als Interner ist auf jeden Fall, dass jede Generation etwas zur Mission dazugegeben hat. Also das Ganze wurde als rein kommerzielles Unternehmen, wie gesagt, gegründet. Die zweite Generation kam dazu. Und da war Rolf Fehlbaum, der das Unternehmen da sehr stark geprägt hat. Remo Fehlbaum auch. Aber denen lag halt Kultur sehr stark am Herzen. Das war denen wichtig. Und auf die Art und Weise ist der Vitra Campus entstanden. mit all seinen tollen Gebäuden und das Thema Vitra Design Museum, also sprich das Thema Kultur zu fördern, zu unterstützen und das auch mit sehr viel Herzblut zu machen. Und so ist es jetzt mit Nora, die hat sozusagen die Mission übernommen und hat jetzt gesagt, okay, mir liegt persönlich das Thema Nachhaltigkeit am Herzen. Das ist etwas, womit ich groß geworden bin, was mir persönlich sehr wichtig ist. Und jetzt möchte ich dieses Unternehmen komplett nachhaltig umgestalten, ohne gleichzeitig einen Kompromiss einzugehen, was das Thema Kultur und auch das Kommerzielle eingeht. Also ich glaube, ein Stück weit die Mission, deine eigene machen. Ich glaube, das ist etwas, was mit Sicherheit dabei geholfen hat, das Thema von einer Generation zur nächsten zu tragen. Es ist spannend, mal zu sehen, was passiert sozusagen mit der vierten Generation, welche Mission die dann noch dazu packen.

Joel Kaczmarek: Es klingt so, als wenn es ein bisschen komplex wird langsam. Und sag mal, wie ist es so von der Governance her? Also ist es dann, dass eine Nora irgendwie eine Linie vorgibt und in den Ländern wird sozusagen umgesetzt. oder guckt ihr euch die einzelnen Märkte an und passt auch so ein bisschen an? Also es läuft auf die Frage hinaus, wie viel kannst du auch immer an der Strategie mitprägen an dem, was da passiert?

Roman Ehrhardt.: Gut, jetzt müssen wir aufpassen, dass wir nicht ausarten, aber ich glaube, wir haben ein recht modernes Führungsverständnis. Und natürlich ist es so, dass ein Grundpfeiler der Strategie, also das, was ich jetzt gerade erwähnt habe, das wird ein Stück weit auch vorgegeben, auch durch die Familie, durch den Verwaltungsrat vorgegeben. Aber die Art und Weise, wie wir das sozusagen auf dem Markt applizieren, wie sozusagen unsere Dienstleistungen hin zum Kunden sind, das ist je nach Markt unterschiedlich. Also wir haben in UK zum Beispiel eine ganz andere Marktstruktur, als wir sie in Deutschland haben. Die Art, du hattest im Vorgespräch mal das Thema Händler erwähnt gehabt, Eine Händlerfunktion in Deutschland ist eine ganz andere als eine Händlerfunktion in den USA oder in UK. Und auf die Art und Weise musst du halt schauen, wie du eigentlich unsere zentrale Mission nimmst und wie du sie jeweils auf den Markt anpasst. Und da sind wir schon hinreichend flexibel. Und es ist ja auch so, dass wir, also Nora ist meine direkte Chefin, wir haben regelmäßig unsere Walk and Talks, wo wir ein, zwei Stunden durch Basel laufen und uns über alle möglichen Themen, natürlich vor allen Dingen berufliche, unterhalten. Aber in diesen Gesprächen wird auch ein Stück weit die Strategie gemacht. Und ich glaube, da haben wir schon einigen Einfluss in den Märkten.

Joel Kaczmarek: Und lasst uns doch mal die Hörerinnen und Hörer auch mal mit hinter die Kulissen nehmen, wie ihr eigentlich, also was eure Produkte sind. Es gibt jetzt glaube ich ganz viele, die kennt man so als Privatmensch, also sowas wie Eames Lounge Chair. oder in der Küche hat bestimmt jeder mal bepolstert oder nicht bepolstert, eure Eames Chairs auch. Aber das ist ja nur eine Seite. Also Wohnen ist ein Bereich, wo ihr viel macht. Ich glaube außer Betten macht ihr glaube ich nicht. Nee, Betten machen wir nicht. Aber was fehlt noch? Regal glaube ich nicht.

Roman Ehrhardt.: Auch Storage haben wir nicht so viel. Also so Schränke machen wir auch nicht. Aber ansonsten kann man uns schon eigentlich recht vollwertig zu Hause, aber auch im Büro einrichten. Ich glaube, das Wesentliche ist, vielleicht noch ein Stück weit vor den Möbeln anzufangen, nämlich das, woran wir persönlich glauben, ist, dass das Design eigentlich die Umgebung von Menschen besser macht. Also es lässt dich besser entspannen, es lässt dich besser kreativ sein, es lässt dich besser fokussieren, konzentrieren. Also es hat sprich einen sehr starken Einfluss auf den Menschen. Und das, was wir versuchen, ist eigentlich durch das, was wir tun, das Umfeld von Menschen besser zu machen. Vielleicht drückt man es erstmal so globalgalaktisch aus. Und das impliziert dann eigentlich auch, wenn wir zum Beispiel über Bürowelten sprechen, dass wir Kunden darin beraten, wie eigentlich ihre Arbeitswelt aussehen sollte. Ich vergleiche das dann manchmal so ganz gerne mit einem Maßanzug, dass du eigentlich versuchst, das Unternehmen zu verstehen. Du versuchst zu verstehen, was hast du für eine Unternehmenskultur, was hast du für ein Stück weit auch ein Führungsverständnis, wie willst du das ein Stück weit auch weiterentwickeln. Und wie kann man das Thema Büro dazu nutzen oder Arbeitswelt dazu nutzen, um das zu unterstreichen, um das zu unterstützen? Was nicht funktioniert, ist zu sagen, okay, ich will eigentlich eine super fancy Arbeitswelt haben, möchte aber gerne, dass alles old-fashioned oben über den Vorstandsraum abgewickelt wird und Termine bitten über meine Assistentin. Das ist dann halt ein Zielkonflikt, das passt nicht zusammen. Und dann sind wir eigentlich auch da, um das auch ein Stück weit aufzudecken und vielleicht aber zu unterstützen, das Führungsverständnis im ersten Schritt mal zu hinterfragen.

Joel Kaczmarek: Okay, aber da haben wir ja schon mal eine erste Achse, dass man mal versteht, also Wohnen privat B2C ist quasi eine Ecke, aber auch Büro mit eigener Beratung. Also ich weiß, ich hatte auch mal Perjo Kiefer hier, die mir erzählte, wie ihr ganze, ihr plant ja ganze Etagen für Unternehmen.

Roman Ehrhardt.: Ganze Gebäude, ja.

Joel Kaczmarek: Also da merkt man auch mal, was dahinter steckt. Da interessiert mich natürlich, wie nimmst du denn so wahr, wie sich so Arbeitswelten auch verändert haben? Weil ich glaube, es gab so eine Welle, als Corona kam, auf einmal war keiner mehr im Büro. Dann haben die gedacht, huch, muss ich das abstoßen? Nein, ich glaube, es verändert sich nur. Und dann ging da irgendwie so ein Schwall los, dass jeder auf einmal versucht hat, was ist das New Normal in Bezug auf Einrichtung? So, dann war aber irgendwie Home Office Remote doch wieder mehr da und dann hat man gemerkt, man hat sich zu Hause ganz viel. Also es ist eine ganz ulkige Entwicklung. Wie nimmst du das wahr?

Roman Ehrhardt.: Also ehrlich gesagt ist das etwas, was uns sehr, sehr geholfen hat. Also wo das Ganze am Ende des Tages rauskommt, wird man sehen. Aber im Endeffekt ist es so, also bringe ich es meistens auf einen Punkt. Früher hat das Büro eigentlich Monopol auf Arbeit gehabt. Du hast eigentlich in allermeisten Unternehmen deinen Arbeitsvertrag raus reingeschaut und dann stand dort eine Adresse und dann war klar, wo du fünf Tage die Woche hingehst und in deinen Kernarbeitszeiten zumindest auch dort bist. Dieses Monopol ist weg und wie das häufig so ist, sind meistens Märkte, wo eine Konkurrenz da ist, wo du kein Monopol hast, effizienter als die anderen. Von daher entwickeln sich jetzt sehr, sehr viele unterschiedliche Möglichkeiten zu arbeiten. Du hast Coworking Spaces, Leute wollen irgendwo aus dem Café arbeiten, wollen zu Hause aus arbeiten, wollen draußen arbeiten. Und was muss man dann machen, wenn man eine Bürowelt macht? Man muss dafür sorgen, dass die attraktiver, interessanter und einladender wird. Wie sorgst du dafür, dass die Leute eigentlich gerne zu dir kommen und dass sie einen echten Nutzen darin sehen? Wenn ein Büro nur aus einem weißen Kasten besteht mit einem weißen Tisch und einem schwarzen Stuhl und vielleicht noch einem halbwegs geschmackvollen Bild an der Wand, dann wird man hinterfragen, ob ich da wirklich hinkommen muss. Also gerade in Großstädten, wir sind jetzt hier in Berlin, gleich ist es wahr für London, wo du teilweise Leute hast, die eine Stunde lang in die Stadt rein und raus pendeln, musst du halt hinterfragen, wenn du nur das anzubieten hast, einen weißen Kasten mit einem Tisch, einem Screen und einem Stuhl, dann werden die Leute hinterfragen, ob es das wirklich ist, ob man dafür reinkommen muss. Ergo müssen die Unternehmen sich eigentlich Gedanken machen, wie sorge ich eigentlich dafür, dass die Leute wirklich gerne ins Büro reinkommen, weil ich denke, wenn du sowas wie Unternehmenskultur machen willst, wenn du dafür sorgen willst, dass Leute kreativ sind, Das ist schon gemäß Studien nachweisbar, dass die das dann machen, wenn sie sich meistens physisch zusammenkommen. Wenn sie das eigentlich nicht mehr ganz so gerne machen, dann musst du dir überlegen, wie du dafür sorgst, dass das stattfindet. Und für uns umgekehrt ist es eine Herausforderung in der Art und Weise, wie wir unsere Kunden beraten. Aber auch flexibel da zu sein, weil im Endeffekt ist es für mich ja nicht relevant, ob der Stuhl im Büro oder zu Hause steht oder irgendwo im Coworking Space. Das sind zum Glück eigentlich alles Bereiche, wo wir ganz gut unterwegs sind. Aber es ist die Herausforderung in der Form, dass du Möbel, dass du Konzepte anbietest, die halt mit dieser Veränderung, mit dieser dynamischen Veränderung eigentlich Schritt halten.

Joel Kaczmarek: Okay, also erstes Learning, es werden höhere Ansprüche an Qualität und ich sag mal Wohngefühl oder Raumgefühl gestellt. Zweite, es muss flexibel sein. Wie ist denn aber so die Denkweise mittlerweile? Also ist es zum Beispiel so, dass sukzessive mehr Unternehmen in der Lage sind zu verstehen, alles klar. Ich schaffe vielleicht Arbeitsplätze, aber die sind nicht mehr fix vergeben oder ich muss irgendwie nur noch ein Drittel meiner Bürofläche auf wirkliche Sitzkonzentrationsflächen ausrichten und vielleicht zwei Drittel mehr auf Meet & Talk, also vielleicht ein Auditorium oder wo man sich Leute unterhalten können. Ist das so eine Denkrichtung, wo man vorstößt oder ist das ein bisschen anders?

Roman Ehrhardt.: Es ist eine Reise, weil du hast nicht ein Unternehmen und du hast auch nicht eine Mitarbeiterpopulation, die an einem bestimmten Punkt ist, sondern du hast die Leute, ich will jetzt nicht sagen, dass die eine Normalverteilung haben, aber die sind auf jeden Fall entlang eines bestimmten Bereiches verteilt. Manche sind der Sache ziemlich offengestellt, andere hätten glaube ich am liebsten nach wie vor ihren weißen Kasten und ihre Assistentin vor ihrem Raum, die möglichst Leute fernhält. Und ich glaube, deswegen ist eher die Frage, ich glaube, es hat eine Entwicklung stattgefunden, die Leute sind offener geworden, aber es ist mit Sicherheit noch eine Reise zu gehen. Am Ende des Tages hängt auch immer sehr viel mit den Führungskräften zusammen. Ich glaube, Führungskräfte können sehr, sehr stark dafür sorgen, dass Leute das akzeptieren, aber wenn die Führungskraft diejenige ist, wie ich es am Anfang schon mal erwähnt habe, die sich am liebsten irgendwo in seinem eigenen Büro verschanzt, dann wird das bei den Mitarbeitern auch nicht sehr viel anders aussehen.

Joel Kaczmarek: Okay, also drittes Learning im Prinzip, Kultur und Raumkultur gehen quasi Hand in Hand. oder deine Firmenkultur, dein Leadership Culture, die muss sich quasi in deinem Raum widerspiegeln, ansonsten hilft dir auch das schönste Möbelstück nichts.

Roman Ehrhardt.: Absolut, also New Work ist nicht, wenn du irgendwo ein paar coole Softdrinks, ein bisschen Bier im Kühlschrank stehen hast und hast einen Kicker, dann dadurch wird nicht New Work gemacht. Aber grundsätzlich ist es etwas, wenn du einen echten Anspruch daran hast, eine neue Form zu arbeiten, zu finden für deine Leute und das zu etablieren, dann kann der Arbeitsplatz ein sehr guter Katalysator sein, um dorthin zu kommen.

Joel Kaczmarek: Ich weiß ja auch, dass hier der Raphael Gügen bei euch immer jemand ist, der sich immer viele innovative Unternehmen anguckt. Ich will mal wissen, wie viele Flugmalen der mittlerweile schon gesammelt hat. Und B macht er ja immer diese Landkarten, also diese Design-Principles, die er entwickelt. Ist die aktuell schon raus?

Roman Ehrhardt.: Nee, das Work-Panorama für dieses Jahr schon, aber er arbeitet jetzt gerade an seinem Panorama für nächstes Jahr. Aber Rafa ist ein ganz wichtiges Element. Also Rafa, wie du so richtig sagst, ist unser Trend-Scout. Zwischendurch ist er ziemlich gegroundet. Da war er auf seinem Bauernhof in Bayern, war aber da nicht minder tätig, hat die Zeit sehr genutzt, um zu lesen, um sich sehr viel mit Leuten zu unterhalten. Aber er ist derjenige, der uns auch challenged, der uns challenged in der Art und Weise, wie wir an Themen rangehen, wie gesagt, wie wir Unternehmen auch beraten, wo sich ein Stück weit die Sache hin entwickelt. Und er ist eigentlich hervorragend geeignet, um Leuten mal zu zeigen, wo die Tendenz ein Stück weit hingeht und wie vielleicht unsere Allerwelt in fünf bis zehn Jahren aussieht, sprich Digitalisierung der Arbeit.

Joel Kaczmarek: Was macht ihr, wenn dem mal irgendwie ein Bus überfährt? Also Gott bewahre, ich klopf auf Holz, aber das ist, also ich staune eigentlich, dass so eine Firma wie ihr Eine Person hat, oder vielleicht nimmt man es von außen nur so wahr und es sind in Wirklichkeit 20, aber es wirkt immer so, als wenn ihr den einen habt und so ein bisschen der Johnny Ive der Vitra-Welt sozusagen.

Roman Ehrhardt.: Der Johnny Ive der Vitra-Welt. Er ist ja nicht unser Chef-Designer, aber er ist wie gesagt, ich meine, ich habe vorher eigentlich auch nicht so viele Unternehmen kennengelernt, die so jemand haben wie den Rafa, weil im Endeffekt ist er… Ein frei floatendes Element. Er tut das überwiegend, was er tun möchte. Er hat eigentlich komplette Narrenfreiheit. Ich hoffe mal, dass der schön mal aufpasst, wenn er auf die Straße geht. Vor allem, wenn er in Asien unterwegs ist. Und dann hoffe ich, dass er uns noch lange erhalten bleibt. Aber ich glaube, du hast immer solche Leute. Ich glaube, du kannst diese Leute ja nicht beliebig klonen. Der Rafa hat eine sehr einzigartige Weise, auf die Welt zu schauen. Und das hilft uns. Aber ich habe ehrlich gesagt einen anderen Typen wie den Rafa auch noch nicht erlebt. Aber ich denke, es ist auch immer die Frage, wie Dinge zusammenkommen. Das Schöne ist ja immer, wie Rafa auch auf Menschen reflektiert. Und so reflektiert er auch auf mich. Und ich nehme bestimmte Dinge mit. Und dafür ist er halt sehr, sehr hilfreich. Intern wie extern.

Joel Kaczmarek: Aber ihr habt jetzt nicht ein Gremium oder so, was sich so eine Art Trendgremium oder keine Ahnung, Vitra 2030 Arbeitsgruppe oder sowas, so arbeitet ihr nicht?

Roman Ehrhardt.: Doch, wir haben eine Strategie, die auf 2030 geht. Das ist auch etwas, was wir regelmäßig weiterentwickeln und wo mit Sicherheit der RAF ein Stück weit einen Einfluss hat, aber da kommen viele andere Themen mit dazu. Aber das ist eher etwas, was so in der engeren Unternehmensspitze zusammen mit dem Verwaltungsrat auch diskutiert wird. Aber dort kommen zum Beispiel so Themen wie, ja schon diese recht radikale Fokussierung auf das Thema Nachhaltigkeit her, dass wir sagen, wie stellen wir uns das Unternehmen in einem gewissen Zeitraum vor und sorgt eigentlich dafür, dass du eine scharfe Profilierung behältst. Also ich glaube, das ist etwas, was, wenn du tagtäglich unterwegs bist, kämpfst um Projekte und sonst was, dann besteht ja schon die Gefahr, dass du ein Stück weit einfach in das Hier und Jetzt verfällst. Und ich glaube, das ist schon etwas, wo wiederum aus meiner Berufserfahrung wir uns bei Vitra eigentlich schon sehr stark beschäftigen, was unsere Profilierung heute eigentlich ausmacht, wie sorgen wir dafür, dass wir die auch nicht aufgeben, aber gleichzeitig wie entwickeln wir die auch weiter, dass Themen Digitalisierung, Themen wie ändert sich Arbeiten, Thema wie verändern die Menschen die Art und Weise, wie sie zu Hause wohnen, dass wir darauf Antworten

Joel Kaczmarek: haben. Aber nochmal Postscriptum zu Rafa und seiner Arbeit, was steht denn auf dem aktuellen Panorama so drauf? Also wenn du jetzt sagen würdest, 2023 your workplace should be, wie wäre der Satz zu beenden?

Roman Ehrhardt.: Auch da solltest du vielleicht eher den Rafa fragen, aber ich glaube das, was ich dir eben gesagt habe, im Sinne von das Thema Hierarchie, das Thema Digitalisierung, das Thema echtes New Work. Also nicht das, was ich eben kurz erwähnt habe, sondern das Thema, wie finden Menschen eigentlich den Sinn wieder in ihrer Arbeit? dass wir jetzt nicht die Purpose-Diskussion anfangen, aber im Grunde die Sinnstiftung. Und da gibt es schon Unternehmen, die sehr radikal an das Thema Hierarchie angehen, an das Thema Purpose rangehen. Und ich glaube, dass wir da das Thema Work for Talent, also kann man jetzt nur diskutieren, ob dieser Krieg überhaupt noch am Laufen ist oder ob nicht Talent den Krieg eigentlich schon gewonnen hat und man sich als Arbeitgeber einfach besser auf dieses Szenario einstellt. Aber ich glaube, das sind eigentlich alle solche Themen. Also ich glaube auch, wenn es eine Klammer jetzt gibt, ohne davon überschwenken zu wollen. Ich meine, ich unterhalte mich sehr, sehr viel mit Unternehmen. Wir sind ja heute in Berlin, habe eben schon Unternehmen getroffen, habe noch ein paar auf meiner Agenda für heute und für morgen. Wenn es eine Klammer gibt, dann ist es das Thema War for Talent. Also die Schwierigkeit, Leute zu finden und nachher dann die Schwierigkeit, auch diese Leute zu behalten. Und was sorgst du dafür, dass die Leute gerne für dich arbeiten und dementsprechend dieses Thema Loyalität auch da ist.

Joel Kaczmarek: Hast du mal so zwei bis drei Case Studies, also Unternehmen, wo du sagst, die haben mit euch gearbeitet, es gibt ein Vorher-Nachher, so Makeover-Effekt und du sagtest, wow, die sind das angegangen auf eine Art und Weise, das ist schon so Top-Perzentil.

Roman Ehrhardt.: Gibt es schon, ich weiß aber, ich habe jetzt vorher nicht um Erlaubnis gefragt, ob ich die Namen nennen darf und daher würde ich es, wenn es okay ist, anonym halten, aber es gibt zum Beispiel, das ist der erste, der mir jetzt eigentlich eingefallen ist in der Hinsicht, Es gibt ein Unternehmen im Speckgürtel von München, die sind in ihrer kleinen Nische, sind ja auch ein typischer deutscher Hidden Champion, so Weltmarktführer. Und die kommen halt wirklich aus diesem, was ich früher gesagt habe, dieser Arbeitswelt, wo man schön alle Zellen weggesperrt hat. Und es war damals ein Geschäftsführer oder CEO, der hat uns auf einer Veranstaltung kennengelernt, war dann bei uns am Vitra Campus unterwegs. Und den hat irgendwie dieser Virus befallen, dass er gesagt hat, okay, das ist vielleicht der, das ist exakt die Art und Weise, wie ich eigentlich die Ideen, die ich mit dem Unternehmen habe, für alle fühlbar umsetzen kann. Und der ist halt einen recht radikalen Weg gegangen. Komplettes Deathsharing, also komplett weg von territorialen Arbeitsplätzen. Er selbst auch kompletten Vorstandsbereich aufgelöst, sitzt mit den Teams, sitzt unter den Leuten. Und das Projekt hat schon angefangen, bevor ich in Deutschland war, aber ich hatte dann die Gelegenheit, letztes Jahr ihn zu treffen, sozusagen den Ausläufern von Corona. Und er hat mir gesagt, also das war der radikalste Game Changer, den er in dem Unternehmen einsetzen konnte, weil er hat dadurch auch eine ganze Menge Leute verloren. Und es war ihm vorher klar, dass er die verlieren wird. Aber er ist auf einmal wettbewerbsfähig, wenn Leute zu ihm kommen, also Top-Absolventen von der TU, die auch Angebote von den ganzen großen Konzernen in München haben. Und er kann den Leuten sagen, jetzt kommt mal hierher und ich zeige euch mal, wie wir arbeiten. Also ich zeige euch, wie wir arbeiten, zeige euch unser Führungsverständnis. Und das wirkt in dem Unternehmen zumindest sehr glaubhaft und hat hinsichtlich Innovationsfreude. Also wie gesagt, der kann dir die KPIs relativ gut runterrattern, wozu das alles geführt hat, weil der ist eigentlich ein knallharter Rechner. Und das hat sich eigentlich auch unterm Strich sehr, sehr gut gerechnet dafür. Und ich glaube, es hat das Unternehmen halt wirklich zukunftsfähig gemacht. Und ich denke, da gibt es noch ein paar andere Beispiele, auch Unternehmen, sagen wir mal, die schon sehr erfolgreich waren, die das gemacht haben und damit auf diesem Pfad geblieben sind, was ja, glaube ich, mindestens genauso schwer ist, wie einmal dorthin zu kommen. Aber ich glaube schon, für mich ist es wichtig, das Thema nicht zu groß zu machen. Ich meine, im Endeffekt reden wir über eine moderne Arbeitswelt und für mich ist es, Ein wesentliches Tool, das umzusetzen, was du hinsichtlich Führung vorhast, hinsichtlich Unternehmenskultur vorhast, aber es ist wie gesagt ein Werkzeug, was du gut dafür einsetzen kannst. Ich glaube es ist ein sehr wichtiges, sehr fühlbares Werkzeug, was auch relevanter geworden ist, aber am Ende ist es ein Werkzeug.

Joel Kaczmarek: Ich glaube, es gibt manchmal Dinge im Leben, die kann man erst nachvollziehen, wenn man sie gefühlt hat, also erlebt hat. Zum Beispiel Elternschaft. Also wenn man Kinder hat, weiß man erst, was das wirklich bedeutet. Und ich glaube, bei Räumen ist es ein bisschen ähnlich. Wenn man mal so ein Vorher-Nachher hat. Ich erinnere mich auch, als wir unsere Fläche eingerichtet haben, habe ich irgendwie einen großen Zuckerwasserhersteller da gehabt, wo ich einen Auftrag an einen Wettbewerber verloren habe, der mir sagte, Mann, hättest du die Räume schon gehabt, ich glaube, mein Team hätte bei dir gebucht. Sehr sicher. Wo ich dachte, Wahnsinn, verrückt. Oder was es mit den Mitarbeitenden macht, wenn man halt merkt, wie die immer anders motiviert sind. Deswegen, ich glaube, das stimmt schon. Und hast du mal eine Einschätzung, wie viele der Unternehmen, mit denen ihr arbeitet, sind denn eher auf einem eher innovativen Pfad und wie viele eher auf dem klassischen? Es könnte sein, dass wir eine Verzerrung drin haben, dass Leute, die innovativ denken, eher auf euch zugehen als die klassischen, aber wäre trotzdem interessant.

Roman Ehrhardt.: Könnte man denken, aber um jetzt noch gerade was dazu zu sagen, was du vorher gesagt hast. Ich glaube, das trifft nicht nur auf Unternehmen zu, sondern auch im Privatleben. Dein Zuhause wird immer mehr eigentlich auch ein Stück weit zu deinem Spiegelbild von dem, was dir wichtig ist. Normalerweise, wenn ich irgendwo reinkomme, vielleicht hat das auch mit meiner besonderen Herkunft was zu tun, aber Im Endeffekt, du kannst so viel über die Person lesen, einfach in der Art und Weise, wie jemand zu Hause eingerichtet ist. Und genau das Gleiche trifft auf Unternehmen zu. Das wirft einen direkten Eindruck auf Leute, die sich dort bewerben, natürlich auf Leute, die dort arbeiten, wobei die manchmal vielleicht ein bisschen betriebsblind werden, aber auf Kunden, Lieferanten, Partner und so weiter und so fort. Bei uns, wir haben ja Unternehmen eigentlich aus allen Bereichen. Wir haben manche Unternehmen, die setzen einfach Stühle oder Tische von uns ein. Und wir haben Unternehmen, die wir durch die komplette Reise begleiten und für die wir eigentlich durch die Workplace Consulting Workshops gehen, die wir im Thema Innenarchitektur begleiten. Da gebe ich dir grundsätzlich recht. Das sind schon tendenziell Unternehmen, die sich schon Gedanken gemacht haben, dass das ein Thema ist, wo es vielleicht Sinn macht, nicht einen x-beliebigen Grundriss zu nehmen, sondern irgendwo zu sagen, okay, was will ich denn eigentlich in der Hinsicht überhaupt erreichen? und wie sollen sich eigentlich meine Leute fühlen, wenn sie in diesem Raum sind. Und von daher würde ich sagen, dass unsere Leute wahrscheinlich oder unsere Unternehmen tendenziell schon in der oberen Hälfte oder vielleicht sogar im oberen Drittel sind, wenn es um dieses Thema geht.

Joel Kaczmarek: Und wenn wir jetzt mal ein Stück weit auf die Produktqualität eingehen oder auf den Faktor Umwelt, weil das fand ich ganz interessant, dass ihr gesagt habt, das ist so eure dritte Säule. Ich erinnere mich daran, wie ich bei uns mal im Coworking Space damals noch saß, bevor wir unser eigenes Büro hatten und dann saß mir Marco Börries gegenüber, der Gründer von Open Office und Enfor und so weiter. Und ich weiß noch, ich hatte T-Shirt an, meine Arme auf dem Tisch abgelegt und man muss bei dem Tisch dazu sagen, das war so der Coworking Space, die haben halt 300, 500 Tisch auf einmal bestellt und du konntest im Holz sehen, wie es gebogen war. Also wenn du dich da daneben gestellt hast, war es gekrümmt. So schlimm war das. Und er meinte, ja Joel, also wahrscheinlich nimmst du gerade irgendwie drei verschiedene chemische Giftstoffe über deine Unterarme, über die Haut auf, weil die Dinger hier halt übelst lackiert sind und so weiter und so fort. Und da habe ich mich jetzt erstmal auch mit dem Thema Indoor-Pollution mal angefangen zu beschäftigen. War schon dran. Und ich überlege gerade so, wie man auch mal, weißt du, wenn ich immer mit Menschen rede über eure Produkte, es gibt ja so eine Lernreise. Es hat manchmal mit dem Gehalt, glaube ich, zu tun. Wer ein bisschen mehr Geld hat, der ist sowas aufgeschlossener, als wenn man irgendwie hingucken muss. Dann wird natürlich oft auch die Frage gestellt, oh, das ist aber teuer. Und dann kannst du natürlich immer mit den typischen Argumentationen kommen, ja komm, auf deinem Stuhl sitzt du acht Stunden am Tag, jeden Tag etc. Aber verpackt doch mal vielleicht auch so ein Stück weit, was macht euch denn auf der Qualitätsseite aus? Weil ich habe ein bisschen gedacht, ob ihr so ein Apple der Möbelwelt seid.

Roman Ehrhardt.: Wobei, ich glaube, es gibt einen wesentlichen Unterschied zu Apple. Ich bin Apple-Fan. Wenn ich mir mein Telefon anschaue, dann ersetze ich das alle zwei bis drei Jahre. Und das ist der große Unterschied zu dem, was wir eigentlich mit unseren Möbeln beabsichtigen. Weil ich denke, den wesentlichsten Beitrag zur Nachhaltigkeit ist, dass wir etwas haben, wo wir immer den Anspruch haben, dass es zeitlos ist. Das bedeutet, dass du eigentlich etwas hast, was nach zehn Jahren eigentlich immer noch modern aussieht. Was immer noch so aussieht, dass du es eben nicht austauschen musst. Und was halt auch eine Qualität hat, die diese Zeit auch ein Stück weit mitgeht. Und eins von unseren schönen, du hattest eben über Use Cases gesprochen, ein für mich sehr schöner Case ist der Case Alnatura. Der Götz Rehn, der kam damals, als er das neue Alnatura Headquarter bauen wollte, hat er sich gedacht, ich gehe mal durch dieses Gebäude durch und ich schaue mir mal an, welche Möbel, weil manche Möbel sind einfach noch zu gut, die muss man nicht wegtun, welche Möbel ich gerne in das neue Headquarter mitnehmen möchte. Und er kam dann unterm Strich dahin, dass eigentlich alles das, was er mitnehmen wollte, waren Vitra-Möbel. Okay, vielleicht ist da ja schon ein bisschen mehr hinter dem Unternehmen und so kam es dann dazu, dass wir ihn dabei unterstützen konnten und dann eigentlich auch den Innenarchitektur und die Gelegenheit hatten sozusagen dieses tolle Projekt eigentlich zusammen mit ihm auch zu machen. Und das ist finde ich eine schöne Geschichte, weil im Endeffekt der Kunde und du hast eben das Thema Preis angesprochen, man sollte ja immer den Preis eigentlich auf die Nutzungsdauer umlegen. Und wenn du dir das anguckst, dann würde ich mal sagen, ist auf jeden Fall Vitra nicht günstig, das wollen wir auch nicht sein, aber wahrscheinlich preiswert. Und das ist glaube ich ein sehr wesentlicher Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit, aber natürlich arbeiten wir auch an allen anderen Facetten. Aber Ziel ist eigentlich immer, dass du ein Produkt kaufst, an dem du extrem lange Spaß hast. Und dass, wenn irgendwann mal was dran ist, du dann auch extrem leicht reparieren kannst, dass du Bezüge einfach abnehmen kannst, dass die Teile so modular sind, dass du einfach, wenn mal ein Teildefekt ist, das auch relativ leicht austauschen kannst, um einfach die Lebensdauer längstmöglich zu verlängern und im Gegensatz zu manchen Tech-Companies die Produkte nicht so zu designen, dass sie nach zwei bis drei Jahren ausgetauscht werden müssen.

Joel Kaczmarek: Ja, weil ich habe so darüber nachgedacht. Man hört ja bei mir raus, dass ein gewisses Fanboy-Tum mir nicht abzusprechen ist. Also ich bin heute noch weniger neutral als ohnehin schon. Aber wenn ich immer was habe, wo Leute, wenn ich über eure Marke rede, dann kommt immer das Thema Preis. Ach, das ist aber teuer. Und ich bin dann auch mal so, kennst du als Apple-Nutzer vielleicht auch, dass man immer das so verargumentiert. Bei Apple ist es aber einfach so, da sagst du ja, okay, die Rechner kosten halt, also das ist schon sehr üppig Marge drauf. Und das ist dann also eure Antwort quasi auch, dass man über die Qualität geht. Verstehe ich.

Roman Ehrhardt.: Qualität ist das eine, aber das andere, was du auch bedenken musst, ist, 98% unserer Supply Chain ist in Europa. Wir haben nichts günstiges, was wir irgendwo weite Wege, also ich meine auch das ist Teil der Nachhaltigkeitsstrategie. 70% kommen aus Deutschland, aus Italien. Also wir haben einen hohen Anteil an Dingen, die wir wirklich aus der Umgebung auch sourcen, auch Komponenten. Und auch das ist etwas, das spiegelt sich ein Stück weit im Preis wider. Dort, wo wir produzieren, sehr viel unten in Deutschland, Süddeutschland. Wir bezahlen so Leuten anständige Löhne. Alles das sind Themen, die sich ein Stück weit da reflektieren. Aber es ist am Ende des Tages nicht so, also du hast recht, wir sind sehr vertraulich, wenn es um Zahlen geht. Aber mit Sicherheit sind unsere Margen und Profite nicht vergleichbar mit den großen amerikanischen Tech-Companies.

Joel Kaczmarek: Da wollte ich jetzt immer noch auf hinaus, weil man kennt es ja teilweise aus dem Bereich weiße Ware, dass so sozusagen, eigentlich grenzt es an Verbrechen ehrlich gesagt, dass man ja bei manchen Produkten einbaut, dass die irgendwann kaputt gehen, wissentlich, dass es Verschleißteile gibt, wenn ich die aus Kunststoff mache, hält das Ding zehn Jahre weniger lang oder fünf, als wenn ich sie aus Metall mache. Und da gibt es ja immer so diesen, ich weiß nicht, ob es ein Urban Legend ist, aber wirklich stimmt, dass Miele so die einzigen sind, die lange halten. Und ich finde, bei euch ist es ja ein bisschen ähnlich. Also was gut für den Kunden ist, ist ja dann manchmal aber schlecht für ein Unternehmen, was in einem kapitalistischen System arbeitet. Also wenn eure Möbel lange halten, dann habt ihr wenig

Roman Ehrhardt.: Ich hatte vor kurzem ein Interview gehabt, wo es um den Bundestag geht, weil die Stühle im Bundestag sind auch Vitrastühle. Und da kam dann die Diskussion auf, dass das ja ein hervorragendes Businessmodell ist, weil die können sich ja nicht austauschen. Also eigentlich vom Businessmodell her gäbe es wahrscheinlich deutlich bessere, weil die eigentlich seit dem Bau des Bundestags genau die gleichen Stühle sind. Das Einzige, was zwischendurch mal passiert ist, dass die Bezüge mal gereinigt wurden. Aber darum geht es am Ende des Tages nicht, sondern es geht eben darum, wie gesagt, ich glaube den größten Beitrag zu Thema Nachhaltigkeit kannst du dadurch bieten, dass die Leute es auch nach zehn Jahren gar nicht wegwerfen wollen und du es vielleicht dann irgendwann mal deiner Tochter weitergibst.

Joel Kaczmarek: Habt ihr denn schon einen Ansatz für, sage ich mal, irgendwas, was in Richtung Refurbished geht oder Second Hand Market, weil ich meine, war ja früher oft so, man hat sich irgendwie so ein Eames Lounge Chair gekauft für irgendwie 7.000, 8.000, vielleicht damals sogar noch D-Mark oder 5.000 D-Mark, ich weiß nicht, was der vor Jahrzehnten gekostet hat. Und den vererbt man so, aber es gibt ja bestimmt auch viele, die so ein Mobiliar von euch haben, die es theoretisch weiterverkaufen wollten, aber es ist ja mega schwierig zu handeln für euch und irgendwie margenarm etc. Aber wenn man hier Nachhaltigkeit so richtig konsequent leben will, müsste man ja eigentlich sagen, müsste man sich so ein Thema irgendwie auch angucken, oder?

Roman Ehrhardt.: Ja, wir haben einen Circle Store in Offenbach. wo wir gebrauchte Möbel auch verkaufen. Erstmal nur unsere eigenen. Aber genau das, was du sagst. Also ich meine, das, was wir vorhaben, wir lernen zurzeit noch dort. Unser Circle Store in Belgien, Amsterdam, dort verkaufen wir auch schon Produkte, die von Händlern wieder zurückkommen. Aber ich glaube, das Thema Circle Economy ist auf jeden Fall ein Thema, auch wieder Teil von unserer Nachhaltigkeitsstrategie, was wir dort verfolgen wollen, wo wir ganz viel Zukunft sehen in der Form, dass wir es als Unternehmen einfach selbst besetzen wollen. Aber auch, dass du halt ein Stück weit in so einen Circle Store reinkommst und Produkte reparieren lassen kannst, wenn irgendein Defekt dort ist. Auch das ist eigentlich Teil davon.

Joel Kaczmarek: Ist es eigentlich so, dass ihr versucht, auch Komplexität gering zu halten? Also ich muss gerade so an USM denken. Ich weiß, als die mal bei mir waren, haben die mir erzählt, sie haben irgendwie zwölf Farben und die haben sie seit Jahrzehnten und es kommen auch eigentlich keine dazu. Es gibt auch nicht mal so, hey, Halloween 2023, jetzt machen wir mal einen neuen Orangeton oder so, sondern es ist sehr basic. Ist es bei euch auch so, dass ihr versucht, Sachen simpel zu halten, dass sie sehr konstant sind über Jahrzehnte hinweg?

Roman Ehrhardt.: Versuchen wir schon, ja. Ich meine, das ist ein bisschen ein Stück weit ein Spagat, weil wir auch sehr häufig mit Innenarchitekten arbeiten. Und Innenarchitekten sich ein Stück weit auch mal gerne selbst verwirklichen. Von daher musst du irgendwo schauen, dass du einerseits auch das bietest, was der Kunde ein Stück weit erwartet und dem Kunden auch die Möglichkeit bieten, seine eigene Welt zu schaffen, also Individualisierungsmöglichkeiten bietest. Aber das Ganze muss halt irgendwo in einem System abgebildet sein. Ansonsten, ich meine, wir haben Eine riesige Produktwelt, du hast es eben schon mal angesprochen, also wir machen kleine Accessoires, die irgendwo schön auf einem Regal aussehen, bis hin zu Tischen, Stühlen und Trennsystemen für ganze Gebäude. Das schaffst du nicht in diesem Produktportfolio, wenn du nicht klare Regeln hast. und ja, wie gesagt, es ist nicht ganz so simpel, wie du es bei USM erwähnt hast, aber wir versuchen sozusagen ein hinreichend großes Spielfeld, aber mit Systemen anzubieten.

Joel Kaczmarek: Das Lustige ist, ich finde, man kann ja über euer Geschäftsmodell auch nachdenken und manchmal ganz abstrahiert denken. Also ich finde, wenn man sich die Hardware-Komponente anguckt und den Design-Faktor, hast du so den Apple-Vergleich, der ist nicht ganz fern. Bei anderen Sachen denke ich zum Beispiel eher, ob ihr manchmal auch ein bisschen so einen Einschlag von einem Disney habt, weil ihr arbeitet ja sehr stark mit so Franchises. Also man hat dann irgendwie so die Dieter Rahms-Reihen, ihr arbeitet mit den Künstlern als Autoren. Also es ist ein bisschen so einmal etabliert, kannst du das ja auch sehr lange abschöpfen.

Roman Ehrhardt.: Ich glaube, das trifft es ehrlich gesagt noch besser. Also Franchise wäre ich.

Joel Kaczmarek: Also Franchise im Sinne von, ich kenne es mal aus dem Basketball, da ist, weiß ich nicht, Atlanta Hawks oder Chicago Bulls ist ein Franchise.

Roman Ehrhardt.: Aber im Endeffekt ist, wenn du, also das, wie wir unsere Arbeit machen hinsichtlich Möbeln, ist eigentlich so, dass wir unsere Sachen nicht selbst designen. Also es Also wir haben inzwischen ein, zwei Produkte, die wir selbst designt haben, aber das große Portfolio an Produkten, die wir haben, sind von Industriedesignern entwickelt und gemacht. Und in der Regel ist es so, dass entweder wir haben eine Idee, gehen auf einen Industriedesigner zu, der aus unserer Sicht dazu passt, oder der Industriedesigner kommt mit einer Idee zu uns. Und dann haben wir eigentlich die Ingenieure, haben die Erfahrung, wie man das in ein fertiges Produkt umsetzt. Und das dauert sehr häufig ein paar Jahre, um dorthin zu kommen. Dementsprechend ist es eigentlich so, dass wir, ich sehe uns teilweise eher als ein Verlag, wo die Autoren sozusagen zu uns kommen und wir arbeiten zusammen mit den Autoren, bis das Werk bestmöglich aussieht und dann wird es veröffentlicht und das trifft wahrscheinlich das Bild, die Beschreibung des Bildes wahrscheinlich mit am besten.

Joel Kaczmarek: Ja, ich denke, wenn ich bei dem Disney bleibe, also Dieter Rahms wäre jetzt so der George Lucas. Der hat so eure Star-Wars-Welt geschaffen. Dann gibt es irgendwie diese beiden Engländer, diese beiden Ich war aber ausgeblieben.

Roman Ehrhardt.: Ja, danke schön.

Joel Kaczmarek: Das ist dann vielleicht eher so. die, weiß ich nicht, Donald Duck, Mickey Mouse. Aber du weißt jetzt, was ich meine, ne? Und der einzige Clou, der ja noch fehlt, ist, wenn man das weg von der Hardware kriegt. Also denkt ihr über sowas auch mal nach, die Designsprache in was replizierbar Digitales zu überführen? Also NFT wäre jetzt zum Beispiel sowas naheliegendes, ja? Oder

Roman Ehrhardt.: Wir schauen uns das an, also wir schauen uns diese Trends an, weil das auszuschließen wäre deppert. Und wir müssen einfach schauen, was das für uns passende Modell ist. Aber dadurch, dass wir eigentlich über die physische Erscheinung im Raum kommen, sind wir noch recht stark physisch unterwegs. Aber wir schauen uns diese Modelle, auch NFTs und sonst was, wir haben Projektgruppen, die sich das anschauen und da muss man einfach schauen, was der richtige Einstieg dazu ist. Aber bin ich völlig bei dir. Also auch das ist wieder die Parallele zur Arbeit. Umso mehr Arbeit sozusagen im digitalen Raum stattfindet, umso mehr musst du dann halt als Design Company auch überlegen, wo deine Existenzberechtigung in diesem digitalen Raum ist. Muss man mal schauen.

Joel Kaczmarek: Eigentlich, das ist ein interessanter Gedanke, der spinnt sich in meinem Kopf gerade weiter. Wenn du dich zu 80 Prozent nur noch in Online-Meetings aufhältst, dann müsste Vitra sonst eigentlich auch jemand sein, der so den digitalen Hintergrund für die Einrichtung von deinem Google-Meet sozusagen.

Roman Ehrhardt.: Ja, ich meine, du kannst ja noch einen Schritt weiter gehen und kannst sagen, das, was wir jetzt heute in Teams und Zoom sehen, ist ja im Jahr 2022. Wie sieht das Ganze in fünf bis zehn Jahren aus? Dann werden wir uns ja wahrscheinlich irgendeine Form von Brille aufziehen oder welche Device auch immer. Und dann werden wir das Gefühl haben, in einem solchen dreidimensionalen Raum zu sein. Und dann ist die Frage, wie ist denn der eingerichtet?

Joel Kaczmarek: Aber ich glaube, da muss eine Firma wie ihr auch super vorsichtig sein wegen diesem modern versus zeitlos Gedanken oder innovativ.

Roman Ehrhardt.: Und deswegen dauert es vielleicht auch ein bisschen länger als bei anderen, weil es halt meistens, was uns immer sehr wichtig ist, dass es nicht trivial wird, dass es nicht etwas ist, wo man schnell auf dem fahrenden Zug aufspringt, weil das dann die Gefahr hat, dass es beliebig wird. Daher schauen wir uns das an, überlegen uns gut, was wir machen, aber wenn wir es dann machen, dann wollen wir es eigentlich nicht.

Joel Kaczmarek: Ich glaube, die ist da sehr hoch. Wenn du jetzt irgendwie sagst, Gucci ist jetzt ins Metaverse eingestiegen oder Nike macht jetzt die Treta und so. Die haben ja aber auch eine ganz andere Saisonalität, die habt ihr ja gar nicht. Deswegen ist es bei euch viel brutaler, glaube ich.

Roman Ehrhardt.: Ja, genau. Und wir versuchen eben nicht Fashion zu sein, sondern eigentlich eine andere Nische zu besetzen.

Joel Kaczmarek: Wie ist denn das eigentlich, wenn du mal prozentual aufmachst, wie viel Prozent eures Umsatzes ist eigentlich mit Büro und wie viel ist mit Wohnen verbunden? Also ist es 50-50 oder wie ist das verteilt?

Roman Ehrhardt.: Ich würde mal sagen, es ist weitestgehend gleich verteilt. Wir reden nicht gerne über Zahlen, aber es ist meistens so, also während Corona war es so, dass Wohnen stärker war als Büro. Jetzt zur Zeit ist es eher so, dass Büro gerade wieder etwas stärker ist, weil man eine gewisse Konsumzurückhaltung hat infolge der Krisen. Aber es sind eigentlich zwei vollwertige Beine, auf denen wir stehen, ja.

Joel Kaczmarek: Und wie ist so mittlerweile euer Vertriebspfad gebaut? Weil ich erinnere mich, es war ja lange ein Thema, Vitra eigener Onlineshop ging nicht, weil irgendwie sehr händlerorientiert. Ich meine zu wissen oder hat man den Flurfunk gehört, nicht von euch, aber so aus dem Markt, dass ihr früher sogar für euren eigenen Onlineshop teilweise Umsätze an die Händler zurückgeführt habt, weil ihr mit denen solche Deals hattet, dass das eigentlich nur über die laufen soll, dass man dieses Vertrauen erstmal aufbauen musste, was mittlerweile da ist. Wie ist es heute? Also geht man hin und kauft sich Vitra wirklich nur noch in den Smalls und Minimums dieser Welt oder auch sehr stark über euch direkt? Was ist da so der typische Weg?

Roman Ehrhardt.: Meine persönliche Meinung dazu ist, dass du den Kunden verschiedenste Channels anbieten musst und der Kunde am Ende selbst entscheiden muss, über welchen Channel er kauft. Und dazu gehört halt auch, dass du dem Kunden die Möglichkeit anbieten solltest, bei Vitra direkt zu kaufen. Nur ist es natürlich so, dass wir verkaufen nie mit irgendeinem Discount. Also wir verkaufen immer Vollpreis, wir machen keine Promotions und gar nichts. Wir haben eine Beratung, die findet bei uns in Weil am Rhein statt, in unserem Vitra Haus. Aber abgesehen davon haben wir auch keine Shops, wo wir direkt verkaufen. Also wir haben einen Online-Store und wir haben unser Vitra Haus. Was auch ein Stück weit für eine Marke wie uns auch wichtig ist, dass wir diesen Endkundenkontakt haben. Weil du darfst dich nicht abkoppeln vom Endkunden. Nur mittelbar über Händler zu wissen, was Kunden bewegt und wo die Trends hingehen, versetzt sich zu sehr auf eine Insel. Aber für uns sind Händler unsere wichtigsten Partner in diesem gesamten Spiel. Von daher ist es mit Sicherheit so, dass wenn du in Berlin ein Vitra-Produkt kaufen willst, hast du die besten Möbelläden in der Stadt, die unsere Produkte führen. Und ich denke dadurch, dass wenn du ab einem gewissen Preissegment normalerweise unterwegs bist, du eine vollwertige Beratung brauchst, sind das eigentlich auch die besten Anlaufpunkte, um diese auch zu bekommen. Und dann ist es mit Sicherheit so, wir haben auch die SMOs, die du eben richtigerweise genannt hast, die aus meiner Sicht ein sehr interessantes Omnichannel-Konzept haben, weil die haben ihre Läden in den Städten, die haben einen sehr guten Online-Store und auf die Art und Weise kann der Kunde wiederum aussuchen, wo er kauft. Und mit denen sind wir auch persönlich sehr eng verbunden. Und wenn du auf Büros rüber gehst, ist es auch so, ich habe ja eben schon mal gesagt, wir bieten Beratungen an, wir nehmen Kunden mit, aber die Abwicklung an sich findet eigentlich immer beim Partner statt. Also wir machen kein nennenswertes Direktgeschäft im Büro-Business.

Joel Kaczmarek: Ich überlege, ob das für euch sogar nachträglich fast ein Segen gewesen sein könnte, dass ihr nicht verführt wart. Viele Online-Händler gehen ja dann auf einmal hin und machen sich Läden auf, wo man das Produkt mal erfahren und kennenlernen kann. Und in meiner Wahrnehmung sind die damit alle mehr oder minder auf die Schnauze geflogen, ehrlich gesagt. Und ich glaube, andere Möbelhersteller haben das auch gemacht. Ich nenne jetzt keine Namen, aber ich erinnere mich auch an Leute, mit denen ich geredet habe, die dann irgendwie schweren Herzens ihre in der Friedrichstraße angesiedelten Läden zugemacht haben, wo man halt diesen Lerneffekt hatte. Also vielleicht war das da sogar ein bisschen euer Vorteil, dass ihr bei Händler gekommen seid, ne?

Roman Ehrhardt.: Ja, ich denke schon. Ich bin großer Anhänger vom Thema Schuster, bleib bei deinen Leisten. Also was sind eigentlich unsere Kernkompetenzen? Unsere Kernkompetenz ist jetzt nicht unbedingt Retail zu machen. Also ich glaube, wenn man zu uns nach unserem Campus besuchen kommt, was übrigens definitiv eine Reise wert ist, dann wird man glaube ich eine sehr gute Retail Experience haben, wenn man bei uns ins Vitra Haus geht. Aber abgesehen davon ist das nichts, wo wir eine große Expertise haben. Auch nicht, wo wir eine Expertise aufbauen wollen, sondern wo ich ganz klar einen lokalen Händler im Büromöbelbereich für wesentlich besser im Büro oder im Wohnbereich deutlich besser aufgestellt sehe. Und da ist es da eigentlich eher die Frage, wie können wir die besten Partner auch an uns binden, wie können wir die stärken, wie können wir sie im Beratungsgespräch zu ihren Endkunden entstärken. und wie können wir am Ende die Endkunden inspirieren. Weil am Ende entscheidet ja der Endkunde, wo er kauft. Und dem wollen wir es so schwer wie möglich machen, nicht bei Vitra zu kaufen.

Joel Kaczmarek: Guckt ihr euch eigentlich so diese typischen Furniture-Möbel-Branchen-Geschichten sonst auch an? Also ich meine, da tut sich ja ziemlich viel gerade. Also Home24 hat irgendwie Butlers übernommen. Dann wurde Home24 selbst von XXL Lutz übernommen. Wayfair fliegt jetzt so halbwegs gesettelt, aber immer noch nicht, glaube ich, über den Berg durch die Gegend. Dann einige sind gerade pleite gegangen. Also da ist ja sehr viel Bewegung gerade drin. Man möchte ja meinen, dass das Geschäft irgendwie Möbel übers Internet über Digital First Unternehmen zu kaufen ist, vielleicht jetzt gerade auch mal ein bisschen salonfähiger wird. Das ist aber natürlich von eurem Geschäft eigentlich sehr weit weg, weil die sind immer hingegangen, die haben ja, ihr habt ja eine Marke, was die nicht haben. Das heißt, so ein klassischer Online-Möbelhändler geht eigentlich immer hin, versucht Wiederkäufe über Accessoires und Co. zu triggern und ansonsten hast du halt, dass du einmal eine Couch bestellst, das dauert sechs Wochen, du hast die in die Probe gesessen, dann ist das so eine Lala-Erfahrung im schlimmsten Fall. Guckt ihr euch das trotzdem an?

Roman Ehrhardt.: Natürlich müssen wir uns das anschauen. Und ich bin eigentlich über unser Händler auch sehr, sehr nah an diesem Business dran. Nur wie du jetzt gerade richtigerweise gesagt hast, also wir hatten diese Sonderkonjunktur über Corona, wo logischerweise viele Läden zu waren. Von daher sind viele Online-Stores eigentlich aus allen Nähten geplatzt. Da hatten sie eher das Problem, dass die Produkte nicht da waren, weil die teilweise halt ihre Lieferketten nach Fernost hatten, also hatten eher Lieferprobleme, haben dann teilweise extrem ausgebaut und jetzt normalisiert sich das Geschäft und kommt wieder runter und pendelt sich wieder eher auf dem Normallevel ein. Vielleicht viele sehen auch, dass das nicht ganz so krass skaliert, wie sie sich zwischendurch gedacht haben. Und ich denke, da hängt vielleicht auch ein Stück weit die Begründung hinter den ganzen Konsolidierungen, die man zurzeit sieht, weil du irgendwo versuchst, Economies of Scale aufzubauen, damit du hinten in der Logistik, in der Lagerhaltung effizienter wirst. Aber die Kernfrage, und das ist so ein bisschen das, was du ja auch mit verknüpft hast, ist, wenn ich mir ein Sofa kaufe für einen deutlichen Betrag, also für irgendwas, was deutlich im Vierstelligen ist, dann willst du meistens mal drauf gesessen haben. Du willst es gefühlt haben. Du willst gucken, wie fühlt sich denn der Stoff an. Vielleicht willst du auch mal Wissen, ob der Stoff, auf dem du da sitzt, ob du da anfängst zu schwitzen, wenn es im Sommer heiß wird. Und das sind halt Themen, wo du zurzeit zumindest immer noch an gewisse digitale Grenzen kommst. Und daher sehe ich zurzeit immer noch den Omnichannel-Approach, also wo du eigentlich auch einen physischen Touchpoint hast eigentlich als sehr wesentlich an. Aber ich finde es ein extrem spannendes Umfeld. Wie gesagt, hinsichtlich Retouren, hinsichtlich Logistik, hinsichtlich Lagerhaltung, hinsichtlich wie du die mannigfaltigen Möglichkeiten eines Sortiments abbildest, ist der Möbelhandel wahrscheinlich nicht der online-affinste Markt, den du da draußen findest. Aber mit Sicherheit schauen wir uns da jeden Approach an, der dort eigentlich zurzeit stattfindet und überlegen und reflektieren, was das eigentlich für uns selbst bedeutet.

Joel Kaczmarek: Per se würde ich ja sagen, ich habe noch nie einen Multi-Channel-Ansatz gesehen, der funktioniert hat, aber bei eurem Segment hat man die Margenträchtigkeit plus die Produkterfahrung, die Komplexität und die lange Lieferkette. Vielleicht ist es sogar ein Thema und wahrscheinlich funktioniert dann der Design-Aspekt darin, weil wenn ich darüber nachdenke, ihr verkauft ja auch über sowas wie Conox oder Design-Bestseller, die sind ja auch online first, da verkauft ihr sicherlich gut drüber, aber wahrscheinlich gibt es da auch Segmente, die gut gehen, sowas wie Stühle und Accessoires und Deko und Sachen, wo es dann vielleicht komplizierter wird, wenn man an so was denkt.

Roman Ehrhardt.: Es funktioniert überall dort gut, wo du, aber meistens ist es so, dass du irgendwo dir eine Beratung holst. Also es gibt bestimmte Produkte, inzwischen, du hast eben den Lounge-Stair schon erwähnt, Leute kennen den Lounge-Stair, haben den vielleicht schon mal irgendwo bei Freunden Probe gesessen. Da hat sich interessanterweise, wenn du mich das vor sechs, sieben Jahren gefragt hättest, das ist kein Online-Produkt, das hat sich inzwischen zu einem echten Online-Produkt entwickelt. Aber weil die Leute eben physische Möglichkeiten hatten, dieses Produkt zu fühlen und zu testen. Wie gesagt, bei einem Sofa, ich weiß es nicht, ich denke, du musst auf dem Sofa gesessen haben, musst es gefühlt haben, um zu wissen, dass du dafür diesen Betrag auch ausgibst am Ende des Tages. Keine Ahnung, viele Leute sitzen drei, vier Stunden am Tag auf dem Sofa. Ich leider nicht. Aber wenn du so viel Zeit dieses Produkt nutzt, dann willst du auch sicher sein, dass es passt.

Joel Kaczmarek: Könnte was dran sein. Ich glaube auch. Man geht dann in die Läden, erkundigt sich, hat viele Touchpoints, bis man dann, wo man dann kauft, vielleicht kommt da dann die Rechnung, geht dann auf zu sagen, du bietest mehreres an und bei dem einen verfängt der Online-Shop, bei dem anderen der lokale Händler, beim dritten Vitra direkt. Ja, spannend. Lass uns mal als letzte Frage den Ausblick nach vorne sozusagen wagen. Es gibt ja immer diesen schönen Satz, man überschätzt, was man in zehn Jahren leisten kann und man unterschätzt, was man in fünf leisten kann. Was glaubst du denn, wo ihr, euer Markt und die Arbeitswelt in fünf Jahren steht?

Roman Ehrhardt.: Boah, das ist eine anspruchsvolle letzte Frage. Also ich glaube, man unterschätzt das ein Stück weit. Wir sehen ja eigentlich heute auch die Trends, wo es sich in vielen Unternehmen hin entwickelt. Also sprich das Thema, die Möbel werden, also tendenziell werden die Büros kleiner werden. Die Möbel werden flexibler werden. Das Zuhause und das Büro fusioniert stärker. Also du siehst wesentlich mehr Einflüsse des Zuhauses geht ins Büro rein. Und viele Büros finden immer mehr Zuhause statt. Von daher verheiratet sich das ganze Thema immer stärker. Und ich glaube, dass dieses, ich benutze heute ziemlich viele englische Worte, aber ich glaube bei dir ist das okay, aber diese Awareness rund darum, worauf sitze ich, aus welchem Material ist es gemacht, ist es nachhaltig, ich glaube, die wird eigentlich in allen Bereichen deutlich steigern. Ich glaube, diese Tendenz dazu, dass du dir etwas kaufst, was tendenziell hält, wo du weißt, du kannst es reparieren, du kannst es behalten, ist etwas, was bei Leuten nach wie vor am Zunehmen ist. Vor allen Dingen hier in unseren Breitengraden. Deswegen glaube ich, dass wir da zurzeit die richtigen Pfeiler besetzen. Da die Strategie bis 2030 geht, sollte das auch etwas sein, was uns für die nächsten zehn Jahre vorbereitet.

Joel Kaczmarek: Na gut, lieber Roman, es war ein spannender, spaßiger Blick. Ich tauche immer mal gerne wieder in eure Welt ein. Wird bestimmt bald mal wiederkommen, dann immer so im Halbjahresrhythmus oder so. Und für den Moment schon mal vielen, vielen Dank und bleibt gesund und ich drücke euch die Daumen.

Roman Ehrhardt.: Danke Joel, das wünsche ich dir auch.

Outro: Danke fürs Zuhören beim Digital Kompakt Podcast. Du merkst, hier ziehst du massig Wissen für dich und dein Unternehmen heraus. Wenn du mit uns noch erfolgreicher werden möchtest, abonniere uns auf den gängigen Podcast Plattformen. Und hey, je größer wir werden, desto mehr Menschen können wir helfen. Also erzähl doch auch deinen Kolleginnen und Kollegen von uns. Bis zum nächsten Mal.